Wie man früher lebte und dachte - Bruno Mahlknecht - E-Book

Wie man früher lebte und dachte E-Book

Bruno Mahlknecht

0,0

Beschreibung

Bruno Mahlknecht befasst sich schon seit Jahren mit kulturgeschichtlichen Forschungen in Südtiroler Gerichtsprotokollen. Er stieß dabei auf viele Sachverhalte, die zeigten, wie die Menschen früher dachten und lebten. Eine Anzahl solcher Texte aus dem alten Südtirol – alle aus dem 16. Jahrhundert – veröffentlichte er schon vor mehreren Jahren im Universitätsverlag Wagner in Innsbruck (Schlernschriften Nr. 327, 432 Seiten) mit dem Titel „Von großen und kleinen Übeltätern“. Seither kamen durch weiterführende Recherchen neue „kulturgeschichtliche Bilder“ dazu – aus dem 16. sowie auch aus dem 17. und frühen 18. Jahrhundert. Diese Texte werden in diesem Buch veröffentlicht, wobei größten Wert darauf gelegt wird, sie behutsam zu redigieren und in eine heute verständliche Sprache zu bringen. Zahlreiche Personen und Persönlichkeiten werden kürzer oder länger dargestellt, um zu zeigen wie sie gelebt und gedacht und manchmal auch gelitten haben. Es sind rund hundert kürzere oder auch längere Texte: Skizzen und Geschichten ganz unterschiedlichen Inhalts, aus dem wirklichen Leben gegriffen. Das aus diesen alten Schriften Herausgefilterte berührt einen oft sehr eigenartig und lässt den Leser mehr als einmal nachdenklich werden oder gar erschauern. Im Buch wird beispielsweise von den kuriosen Heilmethoden eines „Bauerndoktors“ bei Bruneck nachzulesen sein, dessen abergläubische Praktiken nicht immer erfolgreich waren. Thema sind auch zahlreiche Tiergeschichten, „tödliche“ Pfifferlinge, eine wundersame Heuvermehrung oder Geschichten von den allerersten dokumentierten Schwarzarbeiten. Der in Bozen geborene Adam Haslmayr, der aufgrund von Kontakten zu okkultischen Strömungen zu einer mehrjährigen Galeerenstrafe verurteilt wurde, kommt ebenso vor wie ein Geheimrezept zur Heilung der „französischen Krankheit“ (Syphilis) in Gröden.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 649

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die Drucklegung dieses Buches wurde ermöglicht durch die Südtiroler Landesregierung / Abteilung Deutsche Kultur.

KURZ VORAUS

Der Verfasser befasst sich schon seit Jahren mit kulturgeschichtlichen Forschungen in Südtiroler Gerichtsprotokollen und anderen Quellen. Er stieß dabei auf viele Sachverhalte, die zeigen, wie die Menschen früher dachten und lebten.

Eine Anzahl solcher Texte aus dem alten Südtirol – alle aus dem 16. Jahrhundert – veröffentlichte er schon vor mehreren Jahren im Universitätsverlag Wagner in Innsbruck (Schlern-Schriften Nr. 327, 432 Seiten). Das Werk hatte den Titel „Von großen und kleinen Übeltätern“. Obwohl dieser nur teilweise zutraf, gab es von kulturhistorisch Interessierten dennoch viel Lob für dieses Buch.

Seither kamen noch weitere solche „kulturgeschichtliche Bilder“ dazu, aus dem 16. sowie auch aus dem 17. und frühen 18. Jahrhundert. Diese weiteren Texte sollen in diesem Buch veröffentlicht werden. Der Verfasser würde sich freuen, wenn auch dieses Buch wieder gut aufgenommen würde.

Zur Illustrierung wurden – ebenso wie auch das Buch im Wagner-Verlag – Holzschnitte aus dem Jahr 1520 genommen, geschaffen von dem sogenannten Petrarca-Meister, daneben wurden auch einige jüngere Bilder aus dem 17. Jahrhundert verwendet.

Vornehme Leute in Festtagskleidung (um 1520)

INHALT

I. ALLERHAND LEUT’

Liebesabenteuer mit schlimmem Ende

Schon besetzt!

Ein ganz unnötiges Unglück

„Dass euch Gott schänd!“

Ein „Pader“ wird verständigt

Große Auslagen für die Eheleute Stellner

Ein Streit um „Flecken“

Dorfbrand in Latsch

„Flecken“ gestohlen?

Streit beim „Jüngermahl“

Nicht leichte Unterscheidung der „Flecken“

Kaspars Weib „schelmt“ den Oswald

Gütlicher Ausklang

Die merkwürdige Geschichte des Leonhard Oberrauch aus Unterinn (1519)

Leonhard „Oberrauch“

Der unglückliche Vorfall

Guter Ausgang

Eine große Tafel

Die Kerze

Ein bayrischer Edelmann ertrinkt im Eisack

Ein fahrender Glockengießer

Was diese Schneider wohl glauben!

„Ey, ich pfeif auf diese Justitia!“

Ein Bröslein Kalterer Geschichte

Eine Taufe mit Hindernissen

Der Kurat wendet sich an das Gericht

Wie der Kurat das Vorgefallene darstellte

Der Wirt und sein Sohn kommen nun selbst in den Widum

„Audiatur et altera pars“

Was nach der Ankunft des Brudermessers in Pufels geschah

Costner begibt sich in den Widum

Die Entgegnung des Kuraten

Die „Gfatersleut“

Gerichtsfrieden

Ausklang

Eine dreifache Geistererscheinung

Dr. Hans Christof Leis von Laimburg

Was Martin Jeneth auszusagen wusste

Die zweite Erscheinung

Die dritte Erscheinung

Jeneth bekommt es mit der Angst zu tun

Der Tschänderle sagt als Zeuge aus

… und auch der Hufschmied Trescher sagt aus

Der Pfarrer wurde hineingezogen

Die Zeit des „langen Geldes“

Landesfürstliches Liebesnest?

Die Familie Bonett

„von Ringberg“

Ein hoher Herr

Ein kleiner Beamter baut einen großen Ansitz

Liebesnest für den Landesfürsten?

Auch hier gestorben?

Ein wahrhaft fürstliches Geschenk

Günstling des Landesfürsten

Die weiteren Besitzer

Ein „billiger“ Glockengießer

Krausische „Farbtupfer“

Vertauschte Rollen

„Herzeleid“ hinter Adelsmauern

Eine alte Familiengrabstätte bei den Franziskanern in Bozen

Eine aber blieb bestehen

Die Familie Voglmair

„Oberster Forstmeister in Tirol“ und „Kammerrat“

17 Kinder

Eine Grabstätte mit Dach

Schöne, lobende Ausdrücke – auch für die Schwiegermutter …

Ausgestorben

II. KLEINE ALLTAGSBILDER

Ein bemerkenswerter alter Grabstein (1509)

St. Pauls

Papier war dauerhafter als Stein

Aus dem Leben des Herrn Nikolaus von Firmian

Weingartholz als Kapitalsverzinsung

Unschuldig gefangen und gefoltert – aber weder Entschädigung noch Schmerzensgeld …

Sein Siegel verloren

Hochzeitsgebräuche in der guten, alten Zeit

Die Tinte machte man sich früher selbst

Ein altes Tintenrezept

Das Tintenrezept in heutiger Sprache

Ein bisschen Geschichte zum Thema Tinte

Sarntaler Kriegsknechte in den Niederlanden

Von Sippsalbriefen und einem seltsamen Hochzeitsbrauch

Zwei wichtige Bestätigungen

Sippsalbriefe

Oft sehr weitläufig und redselig

Ein solcher Sippsalbrief aus dem Jahr 1590

Ein merkwürdiger Brauch

Die Latscher wollen die Algunder Rodfuhrleute nicht in ihr Dorf lassen

Ein Wappenbrief kam nicht billig

Ein „ledig gewordener“ Wappenbrief

Der „Sindicus“ weiß Rat

Vertrag

Wilde Tiere in Kastelruth um 1600

Seelstücklein

Selbstmörderin doch auf dem Friedhof beerdigt

Die Göflaner wollen sich einen Dorfbrunnen anschaffen

Eine „Spielabkaufung“

„Spielabkaufung“ auf zwei Jahre

Die „Spielabkaufung“

„Buon christiano?“

Bestraftes Fleischessen in der Fastenzeit

Bürgerliche Taufpatengeschenke 1631

Der Kinder Töttengeld

Das Lehrgeld ist dann später abzudienen …

Handwerkerlöhne 1639 – amtlich festgesetzt

… und in Tiers

Strenge Zeiten!

„Meisterstück“ und „Meister-Aufnahme“

Ein neuer „Schuelhalter“

Von wilden Tieren aufgefressen …

Wolfsgruben

Tödliche Pfifferlinge

Sinnsprüche aus der Völser Totengruft (1724)

Die Michaelskapelle wird vergrößert

Die Gruft wird restauriert

Bilder und Sprüche gemahnten an Tod und Jenseits

Ein junger Völser will auch Maler werden

Ein sehr gesprächiges Grabmal

Die Inschrift auf dem Grabstein

Nachsatz der Gattin

Die Eintragung im Paulser Totenbuch klingt merklich bescheidener

Etwas von den Siegeln und Wappen

(

und dem vielen Unfug, der heute damit getrieben wird)

Familienwappen?

Wozu ein Siegel diente

Es gab nicht nur adelige, sondern auch bürgerliche und sogar bäuerliche Wappen

Nach 1700 nicht mehr so viele Wappen verliehen

Wer Wappenbriefe verleihen konnte

„Wappenbesserungen“

Floskeln

Wappenbücher

„Familienwappen“

Schwindler

Ein „Wappenbrief“ ist kein „Adelsbrief “

Wer als adlig gelten konnte

Adelsvorrechte abgeschafft

III. ALLERLEI ­PERSÖNLICHKEITEN

Franz Löffler, Glockengießer in Tramin

Die erste Glocke Franz Löfflers?

Glocken Franz Löfflers

Zwei Glocken für Margreid

Noch weitere Glocken

Gestorben

Seine Familie

Aus dem Tagebuch des Freiherrn Jakob von Boymont zu Payrsberg (1527–1581)

Vater, Großeltern, Vetter

Der Vater heiratete dreimal

Edelknabe, Ausbildung

Hofdienst

Reisen

Hochzeit

Nur ein Sohn

„Pflegen“ Ulten und Neuhaus

Auf der Schwanburg

Bei Hochzeiten, Begräbnissen und „Dreißigsten“

Beim adeligen Hofrecht

Allgemein beliebt und auch vom Landesfürsten geschätzt

Freiherrentitel

An der Seite des Tiroler Landesfürsten

Tod der Eltern

Tod der Ehefrau

Tod des Bruders

Wiederverheiratung

Podagra

Allerlei weitere Notizen aus dem Tagebuch des Freiherrn

Wallfahrt nach Rom im Heiligen Jahr 1575

Der Papst ruft das Heilige Jahr 1575 aus

Erzherzog Ferdinand wird vom Papst persönlich eingeladen

Ein Bote wird nach Nals geschickt

Abreise nach Rom

Fahrt mit einem „Schiff“ auf der Etsch

Fahrt auf dem Mincio und dem Po bis ans Meer

Ravenna, Rimini, Loreto

Schneetreiben im Apennin

Ankunft in Rom

Kardinal von Hohenems betreut die tirolische Gesandtschaft

Der Freiherr wird vom Papst in Audienz empfangen

Der Freiherr empfängt den Jubelablass im Namen des Landesfürsten

Das Schweißtuch der heiligen Veronika und 12.000 Flagellanten

Der Ablass für die Schwester des Erzherzogs

Ostersonntag

Berühmte Gebäude, Thermen und Parks besichtigt

Endlich auch für sich selbst den Jubelablass empfangen

Weitere Sehenswürdigkeiten

Beim Papst zur Abschiedsaudienz

Bei den Kardinälen Madruzzo

Sohn und Vetter bleiben in Rom zurück

Kardinal von Hohenems lässt sich in der Sänfte herumtragen – und auch der Freiherr mietet dann eine Sänfte

Abreise von Rom

In Florenz

Wieder Schnee im Apennin

Über den Gardasee bis Riva mit dem Schiff

Am 29. April wieder daheim

Der Pfleger Kraus in Kastelruth † 1588

Ein Lebensbild aus dem 16. Jahrhundert

Mit Gold beladene Maultiere …

Seit 1556 in Kastelruth

Michael Kraus wird Pfleger in Kastelruth

Die Gattin stirbt

Ein zweiter Adoptivsohn

Hauenstein, Seis, Kastelruth

Bescheidener Anfang

Die Krausische Stiftung

Bitterer Ausklang

„Auf die Galeere mit ihm!“

Aus dem Leben des Bozner Schulmeisters Adam Haslmayr

Schulmeister an der lateinischen Schule in seiner Heimatstadt

Liederbuch herausgegeben

Wappenbrief und „Notarius“

Eine angesehene Persönlichkeit

Paracelsus

Paracelsus-Anhänger

Adam Haslmayr wird aus dem Schuldienst entlassen

Erzherzog Maximilian „der Deutschmeister“

Der Landesfürst unterstützt Haslmayr

Adam Haslmayr und Hippolytus Guarinoni

Die „Rosenkreuzer“

Haslmayr fällt immer mehr in Ungnade

Das Jahr 1612

Am Rande des Abgrunds

Haslmayr in Wien!

Der Befehl des Landesfürsten an seine Räte in Innsbruck

Vielleicht eine Zeit lang ins Ausland?

Verhaftet!

Besuche im Kräuterturm

Auf die Galeere mit ihm!

Von Innsbruck nach Genua

An seinem 50. Geburtstag in Genua eingelangt

Auf der Galeere

Haslmayr kommt nach viereinhalb Jahren frei

Ausklang

Aufstieg und Fall des Bozner „Engelwirtes“ Melchior Malkhnecht

Heiratstading

Inwohner und Bürger

„Engelwirt“

Sechs Kinder aus der Ehe mit Maria Kaltenhauser

Der „Engelwirt“ hat dann auch ein Siegel

1608 stirbt die Ehefrau Melchior Malkhnechts

Anna Mayr von Freising

Eine eher wohlhabende Frau

„Morgengabe“

Von den einstmals üblichen „Fristen“

Ein Teil des Schuldbriefes wird verkauft

Drei Kinder aus der Ehe Melchior Malkhnechts mit Anna Mayr von Freising

„Vergewissbriefe“

Dunkle Wolken am Horizont

Verschimmeltes Heu, verschlammtes Gras

Muss Geld leihen

Er will einige „Fristen“ verkaufen

Melchior Malkhnecht begibt sich wieder zum Herrn von Kraus nach Kastelruth

Der adelige Herr „haut ihn übers Ohr“

Dieser Herr von Kraus war ein Lump

Ein fürchterliches Unheil bricht über den „Engelwirt“ herein

Der Schuldbrief geht wieder an den Herrn von Kraus über

Die Frau läuft ihm davon

Im Schuldturm!

„Ich war immer ein ehrlicher Mensch …“

Das Schreiben des Melchior Malkhnecht, ehemaligen „Engelwirts“ zu Bozen, an das Stadtgericht Bozen vom 9. Dezember 1617

Wie es mit Melchior Malkhnecht und seiner Familie weiterging

Einen Lumpen drückt das Gewissen

Noch ein paar letzte Angaben über Melchior Malkhnecht und seine Familie

Eine schillernde Persönlichkeit

Der „Widemhof “

Der „Vestlhof “

Neuordnung des Mesnerdienstes

Ein aufhellendes Schriftstück

Gall Pardeller

Gall Pardeller wird „Unterwirt“

1688: Erwerb des „Vestlhofes“

Kauf verschiedener Liegenschaften auf Zischgl

Mehr als 10.000 Gulden reines Vermögen!

Nur ein Sohn

Geldsack zu Geldsack

Ein tüchtiger Bildhauer

Bescheidenster Herkunft

Seine Familie

IV. VON MÄDCHEN UND FRAUEN

Missgeschick einer „Ärztin“ (1527)

Dann aber gab es Ärger

Waltpurg und ihre Männer

Der Tschantschin

Maurer aus Burgall kommen auf den Sonnenberg

Der Thenig Haug

Der „lang Christl“

„Mit Betrug heimlich zur Ehe genommen …“

Eine fromme Stiftung zugunsten armer braver Mädchen

Drei goldene Kugeln

Eine Stiftung zur Unterstützung armer braver Mädchen

Pecunia …

Eine peinliche Sache

Ein kleiner Blick in die Familiengeschichte

Adam

Caspar

Thomenig

Maria

Eine schwangere Braut

Der Übeltäter kommt in die Keuche

Der Vertrag zwischen den beiden Brüdern

Der Caspar muss abbitten

Traurige Folgen dieses Fehltritts

Verkauf des Hofes

Der Mahlknechthof kommt in fremde Hände

Das Kind

Das „schöne Kätherle“

Schön – und „großzügig“

Ehebruch – ein teures „Vergnügen“

Gerichtliche Einvernahme der Frau

Die Frau verschwindet aus Tisens – ihr Mann geht für sie ins Gefängnis

Inventaraufnahme des von ihr Hinterlassenen

Die Frau taucht wieder auf – und wird festgenommen

Wieder Ehebruch gemacht

Folter

Woher sie so viel Geld habe?

Wieder „gütig und peinlich examiniert“ (gefoltert)

Ihr gesamtes Geld wird ihr abgenommen als Strafe für ihre Ehebrüche!

Von Prissian weggezogen

Lebenslang an die Mauer gekettet

Schon lang nicht mehr geregnet

Die Magd wendet sich an das Gericht

Die Bäuerin ändert ihre Meinung

Plötzlich Regen

Der Mitterpsenner kommt allein zu Gericht

Was soll mit dieser Irrsinnigen geschehen?

Der Mitterpsenner muss seine eingesperrte Frau versorgen

Falls aber die Frau wieder zu ihrem Verstand käme …

„… einen Strebenkranz auf dem Haupt“

Wie man einst liederliche Frauenzimmer bestraft hat

Das „constitutum“ oder Verhör

Eine harte Strafe

Eine zerrüttete Ehe

V. GROSSE UND KLEINE ÜBELTÄTER

Flammentod für Mann und Kuh

Gar zu viel vertragen!

Beiseiteschaffen von Gegenständen aus dem Nachlass

Gar zu viel vertragen!

Gerüchte

Der „Daumstock“ bringt die Wahrheit an den Tag

Eine lange Liste

Während der Mann in seiner Kammer lag und mit dem Tod rang …

Die Strafe für die Frau

„Barfueß, eine Ruete in der Linken und eine Kerze in der Rechten …“

Totschlag!

Geistliche und weltliche Strafen

Er darf sich nicht dort aufhalten, wo Verwandte des Kindes sind

Noch weitere Verpflichtungen

Ein Falschspieler

Die Katze lässt das Mausen nicht

Die ganze Familie nichts wert

An der ‚strengen Frag’ …

Das Urteil

Ohne viel Federlesens …

Ein Heudieb

Nach Hauenstein …

Pranger

Ein Brudermord in Gröden (1607)

Ein Miststück

Sie „verkaufte“ die Jungfräulichkeit ihrer Magd und trieb auch noch allerhand anderes

Ein fremder Mann im Haus

Der fremde Mann will mit ihr, Margreta, Geschlechtsverkehr haben

Zweiter Versuch

„… um die Junkfrauschaft gebracht“

Der Preis einer „Junkfrauschaft“: zwei Dukaten für die Frau und ein Taler für das Mädchen

Wonfiol treibt wieder „fleischliche Unzucht“ mit ihr (mit Hilfe der Frau)

Die „Frau“ liegt im Wochenbett und schickt die Magd mit Strauben zu ihrem Bruder

Der Herr Landrichter

Margreta tritt aus dem Dienst

Die Frau Sagmeisterin würde, wenn sie früher gekommen wäre, „der Hacken wohl einen Stiel gefunden haben …“

Der Herr Landrichter wollte sie nicht mehr kennen …

Sie soll nach Lajen gehen und dort das Kind bekommen

Der Landrichter wird wütend

Sie kommt jetzt zu einem Wirt in Bozen „in Unterhaltung“

Vierzehn Tage nach der Geburt in Ketten gelegt

Sie wird vom Landgerichtsanwalt „examiniert“

Sie kommt zuerst in eine Keuche, dann wieder zum Gerichtsboten

Nächtliche Flucht

Die Frau Sagmeister „verkuppelte“ auch noch eine andere

Die Frau Sagmeisterin ist auch eine große Hure

„Mit Huererei viel Gelds verdient …“

Ein vierfacher Mörder

Untersuchung in Kastelruth

Notwehr?

Er berichtet seiner Frau von dem Vorfall

Nach Hauenstein

Die „angehängten Gewichte“ brachten ihn zum Reden

Wie die Sache mit dem Trienbacher wirklich ablief

Er gesteht auch noch anderes

Auch ein junges Mädchen

Das Urteil

Drei Monate später …

„Glück vertreibe Unfall“

Ein „Dreißigster“, der früher endete als gedacht

Eine unangenehme Überraschung

Tot

Täter verschwunden

Den Schwiegersohn auf die Galeere verkauft

Galeeren

Besuch auf der Galeere

Wie er denn „daher geraten“ sei?

„… mit weinenden Augen“

Eine Bitte, die sich aber nicht erfüllen ließ

In den falschen Widum geraten!

VI. BUNT GEMISCHT

Ein Wunder- oder Allheilmittel (1508)

Ein Allheilmittel

Das Rezept im Wortlaut

1 Lot

Nicht alle Namen sind heute noch geläufig

Könnte man diese Mischung auch heute noch herstellen?

Der „Perelegraben“ bei Moritzing

Der Vertrag

Wie der Graben angelegt werden soll

Werkschuh, Klafter, Bergklafter

Vom „stinkenden Brunnen“ bis zum „Mühlbach“

Ein Vertrag um eine Kirchturmuhr

Eine Verordnung gegen Gartknechte und Zigeuner (1558)

Die Verordnung der Sarntheiner Gerichtsobrigkeit

Ein Pferd findet allein heim

Leider kein Platz …

Eine günstige Gelegenheit

Aber es kam dann anders

Ein Pferd kommt allein nach Hause

Wo ist die Frau?

Ein Unglück

Hat geholfen!

Aus dem Wirken eines Pustertaler Bauerndoktors um 1600

Ein Bauerndoktor, der für alles einen Rat wusste

Die Aussagen der befragten Zeugen

Geschwüre an Zehen und Schenkel

Schmerzen am Knie und im Unterleib

Abergläubische Praktiken

Baden in Kräuterabsud und Sieden im Urin

„Vergicht“ und „schwere Phantasien“

An- und Umhängsel

Breitwegerich stampfen und auflegen

… im Urin kleiner Knaben sieden und auflegen

Ein „abergläubisches Brieflein“

Nachbarschaftshilfe in alter Zeit

Ins „Wildbad Castein“

Ein frommes Gelöbnis der Pfitscher

Nach etlichen Missernten sollte Gottes Zorn besänftigt werden

Die Sonn- und Feiertage werden oft entheiligt, auch wird der Feierabend nicht eingehalten

Die Pfitscher geloben Besserung

Der „Verlöbnisbrief “

Feierabend

Ein Pestgelöbnis aus dem Jahr 1636

Eine Strafe Gottes!

Kurat Jacobus de Juliana

Wie lange galt dieses Gelöbnis der Tierser?

Alle 124 Pesttoten namentlich angeführt

Eine Sebastianskapelle oberhalb des Dorfes

Ein salomonischer Vergleich

Bild dem Pfarrer übergeben

Salomonischer Vergleich

Heirat mit einer Leibeigenen (Matsch 1639)

Die Leibeigenschaft verschwindet allmählich

Das Tal Matsch und die Trappischen Eigenleute

Ein Freier heiratet eine Trappische Leibeigene

54 Gulden „Ehrschatz“ für den „Leibherrn“

Die Zusammensetzung der Bozner „Pfarrmusica“ im Jahre 1645

Vom heiligen Antonius in Kaltern

Einige „Mirakelberichte“ aus der Zeit zwischen 1647 und 1696

Wann und wie die Wallfahrt zum heiligen Antonius in Kaltern entstanden ist

Herr Christoph Ulrich von Pach

Die ersten wunderbaren Gebetserhörungen

Weitere „Mirakel“

„Spezialarzt für Kinderkrankheiten“

„Steinkrank“, Gleichgewicht verloren, lahm

Herr von Indermauer und seine fromme Frau

Ein blindes Kind wird geheilt

Ein „schwarzer“ Advokat

Unglück mit einem Ochsengespann

Verschüttet!

Ein tot geborenes Kind kommt doch noch zur Taufe

Antonius hilft einem unschuldig Gefangenen

Helfer bei großer Trockenheit

Auch im 18. Jahrhundert gab es zahlreiche Heilungen

1679: Viel zu viele Schnitzer in Gröden!

Auch der „Herrschaftjäger“ erscheint

Was man 1699 als „Wundarzt“ so alles zu heilen imstande war

Eine fromme Stiftung

Eine ständige Sonntags- und Feiertagsmesse um neun Uhr in Girlan

Die Stiftung vom Jahr 1701

Die Stiftung von 1711

Besitzgrenze quer durch die Stube

Das Schöpferische Soldhaus in Unterwielenbach

Zu ebener Erde

Obenauf

VII. „LEICHTERE KOST“

Kleines Intermezzo im Bozner „Frauenhaus“

Das „Frauenhaus“

Zwei Räume, getrennt durch eine Tür ohne Tür

Nur „zwei Maß Wein“, sonst nichts

„Sparnberger, du schuldest mir einen Kreuzer!“

Schlägerei im Hurenhaus

Fortsetzung auf der Gasse

Ein Astrolog zappelt im Netz

Schon zahlreiche Horoskope gemacht

Auch ein Kriegsmann

Die Weihnachtsfeiertage im Gefängnis verbracht

Die Völser wollen ihre große Glocke „sparen“

Sparen, wo es nur geht

Die große Glocke muss geschont werden!

Damals, in der guten, alten Zeit …

„Dieses nichtsnutzige neumodische Salz aus Hall!“

Die neuen Pfannen

Die Völser wollen der Sache auf den Grund gehen

… aber nichts Verdächtiges gefunden

Almheu für Moosheu …

Schlechtes Heu gegen gutes getauscht

„Wunderbare Heuvermehrung“

Zwei Fuder Moosheu für ein Fuder Almheu

VIII. „WÄR’ ARMUET EIN EHR’, SO WÄR’ ICH EIN HERR …“

Schreibersprüche aus Südtiroler Verfachbüchern des 17. Jahrhunderts

ANHANG

Die Quellen

Der Inhalt des Buches „Von großen und kleinen Übeltätern“ (Innsbruck 2005)

I. ALLERHAND LEUT’

Liebesabenteuer mit schlimmem Ende

Thomas Stellner und seine Frau Dorothea besaßen in Bozen – nicht gesagt wo, vielleicht am Stadtrand? – ein kleines Haus, wo sie auch selber wohnten. Um noch ein paar weitere Kreuzer in die Familienkasse zu bringen, vermieteten sie die beiden Kammern oder Zimmer im oberen Stock an zwei Frauen, die eine hieß die Lämplin, die andere Bärbl. Das Besitzerehepaar wohnte im Erdgeschoss.

Dass die Bärbl eine „Käufliche“ war, fiel den Eheleuten Stellner schon bald auf. Aber solang diese ihr „Gewerbe“ (?) unauffällig und diskret betrieb, wollten sie tun, als ob sie davon nichts wüssten.

Am Fastnachttag, den 28. Februar 1514 kam die Bärbl erst spat in der Nacht heim. Die Eheleute Stellner lagen schon zu Bett, als die Bärbl über die Außentreppe hinauf in ihre Kammer ging. („Fastnacht“ oder der „Fastnachttag“ war der Dienstag nach dem Sonntag Estomihi, der Tag vor dem Aschermittwoch, heute „Faschingsdienstag“ genannt).

Eine Zeit lang, nachdem die Bärbl heimgekommen war, schien es den Eheleuten – die noch nicht schliefen –, als ob jemand im Hof ihres Hauses sei. Ein Dieb vielleicht? Der Stellner wollte da Gewissheit haben, stand auf, zündete eine Laterne an, öffnete die Haustür und ging in den Hof hinaus. Er schwenkte seine Laterne hin und her, und da stieß er auch schon auf einen jungen Mann, der sich bei dem Holzhaufen verstecken wollte. Er ging hin und fragte ihn, was das zu bedeuten habe, dass er sich bei nachtschlafender Zeit – bei nächtlicher Weyl, bei gerochnem Feuer und bslossner Tür – in seinem Hof herumtreibe.

Der Bursche antwortete nicht so, wie es der Stellner für angemessen fand, und so kamen sie zu wörtlen. Ja der Stellner wurde richtig zornig. Das hörte die Frau drinnen im Schlafzimmer, und um Schlimmeres zu verhüten stand sie auf, schlug sich einen Rock um und eilte hinaus in den Hof zu ihrem Mann und bat ihn: Mein Thomas, begeh kein Gäch an ihm, lass ihn gehen.

Das beruhigte den Stellner, und zwar umso mehr, als er aus den Äußerungen des Burschen inzwischen verstanden hatte, dass dieser nicht in das Haus einbrechen wollte, um etwas zu stehlen, sondern ganz andere Absichten hatte. Er wollte offenbar zur Bärbl, kam aber nicht hinein, weil ihm diese nicht auftat.

Schon besetzt!

Nun eilte der Stellner über die Stiege hinauf zur Kammer der Bärbl und klopfte an die Tür. Er wollte sehen, ob die Bärbl wirklich schon einen bei sich im Bett hatte – so konnte er erfahren, ob der im Hof Entdeckte wirklich nur zur Bärbl wollte und vielleicht nicht doch ein Einbrecher war.

Aber die Bärbl öffnete nicht. So klopfte der Stellner weiter. Endlich öffnete die Bärbl doch, gähnte und rieb sich die Augen und fragte, was denn um Himmels willen los sei, dass man zu so später Stunde noch an ihre Tür klopfe und sie aus dem Schlaf reiße.

Der Stellner redete nicht lang herum und sagte, er wolle nur wissen, ob sie einen bei sich in der Kammer habe. Er leuchtete mit seiner Laterne in der Kammer umher und suchte nach einem etwaigen „Besucher“ der Bärbl.

Diese fiel sozusagen aus allen Wolken und sagte: Ich? einen Besucher? Ich schlaf doch schon lang.

Der Stellner leuchtete mit seiner Laterne ins Bett: nichts. Dann leuchtete er unter das Bett: ebenfalls nichts. Schließlich auch noch hinter die Tür: wieder nichts.

Hatte er sich also mit seiner Vermutung getäuscht? und war der Bursche unten im Hof doch ein Dieb? Da fiel ihm ein Haufen Decken hinter der Tür auf. Hatte sich dieser Haufen nicht eben bewegt? Er leuchtete nochmals genauer hin – aber nichts rührte sich. Dann aber bemerkte er, dass dort, wo der Deckenhaufen endete, zwei Füße hervorschauten.

Also doch: Der Bursche im Hof hatte die Wahrheit gesagt, und er war tatsächlich nicht zur Bärbl hineingekommen, weil diese eben schon „besetzt“ war.

Ein ganz unnötiges Unglück

Als der Stellner die beiden Füße entdeckte, rief er aus: Also doch! Und dann zog seine Frau, die hinter ihm in das Zimmer gekommen war, die Decken weg – und so kam der von der Bärbl vorher rasch versteckte Pueb (Liebhaber) zum Vorschein. Sie kannten ihn nicht. Aber anstatt nichts zu sagen und still zu sein, machte er freche Bemerkungen, und so entstand schon gleich wieder ein Gewörtel zwischen dem Stellner und dem Puebn. Und als sie dann aus der Kammer der Bärbl hinausgingen und über die Stiege hinabgehen wollten, da wörtelte der Pueb noch immer weiter.

Dieses freche Gehabe des Burschen machte die Stellnerin so zornig, dass sie ihm plötzlich mit der Hand ins Gesicht schlug.

Die von ihr sicher nicht beabsichtigte Folge war, dass der Bursche taumelte, einen Schrei ausstieß und mit Gerumpel über die steile Stiege hinabfiel, wobei er ausrief: Ave Maria Gottesmuetter!

Unten am Ende der Stiege blieb er stöhnend liegen und rief, der Schinken sei ihm abgefallen (der Oberschenkel sei gebrochen).

„Dass euch Gott schänd!“ In seinem ersten Schrecken lief der Stellner wieder über die Stiege hinauf in die Kammer der Bärbl und schrie: Dass euch Gott schennt aller Huern (schände, all ihr Huren) – der hat ein Schenkl abgefallen! Dann lief er wieder über die Stiege hinab.

Die Stellnerin sah den Burschen unten am Ende der Stiege liegen und wollte schnell in den Keller gehen, um ihm ein Trunk Wein zu bringen (und ihn so ein wenig zu erfrischen). Aber sie fand den Kellerschlüssel nicht.

Als der Bursche am Ende der Stiege immer noch stöhnte und jammerte, wussten die Eheleute nicht, was sie tun sollten. So beschlossen sie in ihrer Aufregung, den Verunglückten gemeinsam vor das Hoftor hinauszutragen oder zu -schleppen und ihn dort hinzusetzen. Sie setzten ihn auf einen Plock, gingen wieder hinein und sperrten das Tor ab. Dann gingen sie wieder zu Bett.

Ein „Pader“ wird verständigtDer Bursche im Hof hatte den ganzen Vorfall mitverfolgt, hatte jetzt aber keine Lust mehr, zur Bärbl hinaufzugehen. So ging er, als er sah, dass die Eheleute den Verunglückten auf den Weg vor dem Tor hinausschleppten und dort niedersetzten, rasch aus dem Hof und verständigte dann einen der Pader in der Stadt.

Meister Plasy, der benachrichtigte Bader, hatte keine Lust, selber nach dem Verunglückten zu sehen, sondern schickte seinen Paderknecht (Gesellen) Oswald an die angegebene Stelle. Dieser fand den noch immer vor dem Hoftor liegenden und jammernden Burschen und sorgte dann für dessen Bergung. Später sagte er darüber vor Gericht Folgendes aus: An der jüngst vergangenen Vasnacht ze Nacht hab Hans Ellgarter – so hieß der Verunglückte, er war aus Steinegg –, der gelegen ist vor des Thoman Stellners Haus, geschickt nach Meister Plasy. Der hab ihn, Oswald, heißen gehen und schauen, was ihm sei (was ihm fehle). Als er hinkam vor das Haus, da sei der Hans Ellgarter da gelegen und (habe) ein Bein abgefallen (ein gebrochenes Bein) gehabt. Der habe ihn, Oswald, gebeten, er sull ihn etwo tragen an ein Herbrig, und als er, Oswald, und noch einer mit ihm den Ellgarter getragen, da hab der gesagt: ‚Dass Gott muess erparmen, dass ich also unschuldiglich hinter diesen Schaden kumen bin, und wär ich nit hineingangen, so wär ich des vertragen’ (wäre mir das nicht passiert). Da habe er, Oswald, ihn gefragt, wer ihm den Schaden getan habe. Darauf hab er gesagt: Als er in das Haus komen, da hab ihn Thomas Stellner angesprochen und sein Weib hab ihm mit der Hand in das Angesicht geschlagen, dass er die Stiegen sei abgefallen und den Schinken entzweigefallen.

Große Auslagen für die Eheleute Stellner

Im Sommer 1514 ließ das Stadt- und Landgericht Bozen mehrere Personen vorrufen und befragte sie über diesen Vorfall. Was das Gericht dann entschied, scheint im Bozner Verfachbuch nicht auf, aber es ist unzweifelhaft, dass die Eheleute Stellner die ganzen Auslagen und Spesen Hans Ellgartners zu tragen hatten. Und die waren nicht gering: Der junge Ellgartner musste irgendwo ein paar Wochen lang versorgt und verköstigt werden, und dann musste er auch noch vom Bader gesundgepflegt werden, was auch nicht billig war. Um diese Spesen hereinzubringen, mussten die Eheleute Stellner dann wohl noch lang die beiden Kammern im oberen Stock ihres Hauses vermieten.

Verfachbuch Bozen 1514 (Mf. S-2, V), Montag post Assumptionis Mariae (21.8.1514) und Freitag, St.-Gilgen-Tag (1.9.1514)

Ein Streit um „Flecken“

1515 gab es in Latsch nicht weniger als drei Steinmetzmeister, nämlich Meister Oswald Furter, Meister Kaspar Rewtter [ausgesprochen Röüter] und Meister Wolfgang Taschner. Ob damals im Vinschgau eine Art Baufieber ausgebrochen war, dass es hier in Latsch gleich drei Steinmetzmeister – mit Gesellen, Lehrjungen und Raucharbeitern – brauchte, oder ob nur immer noch viel Wiederaufbauarbeit nach dem verheerenden Schweizereinfall des Jahres 1499 zu leisten war, ist nicht mehr festzustellen.

Der Umstand, dass drei Meister auf so engem Raum nebeneinander tätig waren, mag unschwer dazu geführt haben, dass sich Rivalitäten zwischen ihnen entwickelten sowie Neid und Scheelsucht breitmachen konnten. Und wenn dann zwei dieser Meister – nämlich Oswald Furter und Kaspar Rewtter – gar noch genau nebeneinander wohnten, Haustür an Haustür und Werkstatt an Werkstatt, so wäre es schon erstaunlich gewesen, wenn sich diese Rivalität nicht allmählich zu einer unguten Nachbarschaft entwickelt hätte.

Dorfbrand in Latsch

Diese „ungute Nachbarschaft“ wurde dann aber durch ein unerwartetes Ereignis plötzlich zur offenen Feindschaft. Am 25. Februar 1515 nämlich, Kässonntag in der Fasten, brach in Latsch ein Brand aus, und da wurde – wie dies damals üblich war – von der Obrigkeit angeordnet, die Dächer der noch nicht in Brand geratenen Häuser abzureißen, um so eine weitere Ausbreitung des Feuers zu verhindern.

Das Feuer war in der Nacht entstanden, und so achtete man beim raschen Abwerfen der Dächer umso weniger darauf, wohin nun die hinabgeworfenen Schindeln und Bretter genau fielen. Nur schnell, schnell, war die Parole – alles andere würde sich dann bei den Aufräumarbeiten unter Tageslicht schon von selbst ergeben.

Und so landeten sowohl vom Dach des Meisters Oswald als auch vom Dach des Meisters Kaspar wahllos Schindeln und Bretter und anderes Holzwerk im Garten oder Hinterhof des Meisters Oswald, zumal Meister Kaspar einen Garten hinter seinem Hause nicht besaß.

Der Anblick so wahl- und regellos in einem engen Hinterhof liegenden Dachholzes war gewiss nicht sehr erfreulich. Wenn aber zwei Nachbarn sich ohnedies kaum leiden konnten, so wurde ein derartiges Durcheinander von Schindeln und Holzwerk im Garten des einen schon leicht zu einem Problem.

So war es auch in diesem Fall, und Meister Oswald bezichtigte dann bei den Aufräumarbeiten seinen ungeliebten Nachbarn schon bald, ihm Flecken – wie man die Bretter damals hieß und in Südtirol vielfach auch heute noch nennt – gestohlen zu haben, und dies wiederum reizte den Meister Kaspar zu der bösen Antwort, dass man in seinem, Kaspars, Haus bei Weitem nicht so viel gestohlenes Gut würde finden wie in seinem, Oswalds, Haus.

„Flecken“ gestohlen?

Das war freilich Öl ins Feuer gegossen, und Meister Oswald wurde dadurch nur noch mehr erzürnt. Von nun an nahm er sich kein Blatt mehr vor den Mund und setzte seinen Nachbarn und Handwerksbruder Kaspar herab und richtete ihn aus, wo und wie es nur ging.

In Zusammenhang mit diesem unguten Streit sagte später der dritte Steinmetzmeister in Latsch, Wolfgang Taschner, als Zeuge vor Gericht Folgendes aus: Vor einiger Zeit habe er, Meister Wolfgang, einmal irgendwo Bretter abgeladen und liegen lassen; da sei gerade Meister Oswald vorbeigekommen und habe zu ihm gesagt, er würde ihm raten, diese Flecken hier nicht liegen zu lassen, sonst könne es ihm, Wolfgang, wohl auch so ergehen, wie es ihm, Oswald, ergangen sei: Denn auch ihm seien Flecken abhandengekommen und verloren gegangen, und zwar durch keinen anderen als den sauberen Meister Kaspar …

Ein Acker wird bestellt (1520).

So ging das eine Weile weiter, bis endlich das Gericht mit dieser Sache befasst wurde – doch nicht durch den Meister Kaspar, der sich gegen diese hinterrücks und auch offen ausgesprochenen Anschuldigungen zu verteidigen gedachte, sondern durch Meister Oswald. Er beklagte sich nämlich bei dem Richter über Meister Kaspar, dass ihm dieser bereits mehrfach Flecken und auch anderes gestohlen habe, und verlangte, dass Meister Kaspar dafür bestraft werde.

Streit beim „Jüngermahl“

Ein paar Wochen nach dem Brand in Latsch dingte Meister Wolfgang Taschner einen Lernjünger an. Und da es Handwerksbrauch war, bei der Andingung (Aufnahme) eines Lehrlings – ebenso wie dann auch bei dessen Freisprechung (Ernennung zum Gesellen) – das Handwerk (nämlich alle am Ort sich aufhaltenden Meister, Gesellen und Lernjünger dieses bestimmten Handwerks) zu einem gemeinsamen Mahl einzuladen, so tat dies auch Meister Wolfgang und lud also auch die beiden untereinander verfeindeten Steinmetz- und Maurermeister Oswald und Kaspar samt Anhang ebenfalls zu diesem Jüngermahl ein.

Während des Jüngermahles ignorierten sich die beiden Meister geflissentlich, doch dann – der Wein hatte seine erste Wirkung getan – wandte sich Meister Kaspar unvermutet an seinen Handwerksbruder und Nachbarn Meister Oswald und sprach ihn geradewegs und ohne lange Umschweife darauf an, was er ihm denn vorwerfe und weswegen er ihn vor Gericht rufen lassen wolle. Da das Handwerk heute versammelt sei, so habe er nun Gelegenheit, ihm gerade ins Gesicht zu sagen, was er ihm vorwerfe, und brauche somit nicht lang das Gericht gegen ihn zu bemühen.

Bei der Zeugeneinvernahme, die Meister Oswald dann am 19. April, Pfinztag vor Sankt Georgen Tag, gegen seinen missliebigen Nachbarn vornehmen ließ, schilderte ein bei dem Jüngermahl Anwesender, nämlich der Steinmetz Valtin Mayss, dieses Gespräch so:

Es habe sich bei dem Jüngermahl begeben, dass Meister Kaspar viele Worte an den Meister Oswald um Verlurst (Diebstahl) etlicher Flecken braucht hab und gesagt habe: Du hast mich beschickt (beschuldigst mich), du habst Flecken verloren (dir seien Bretter abhanden gekommen). Mangelt dir etwas, so sag mir’s jetzt! Da habe Oswald gesprochen: Ich hab Flecken verloren. Habt Ihr dann Flecken, die mein seien (die mir gehören), so bitt ich Euch, Ihr gebt mir’s wieder. Da habe Kaspar gesagt: Ich hab kein Flecken gehabt, die dein seien gewesen. Habe Oswald geantwortet: So (wenn) Ihr keine Flecken gehabt hättet, die mein gewesen seien, warum habt Ihr mir dann bei (durch) Euren Tagwercher Flecken wiedergeschickt (zurückgeschickt)? Der Kaspar aber habe geantwortet, er wisse keine Flecken, die sein (des Oswald) wären und hätt ihm auch keine geschickt. Wisse er, Oswald, aber Flecken in seinem Haus, die sein wären, möcht (könne) er wohl darum kommen (und sie holen).

Auch zwei weitere Zeugen – Michl Hynndenlang, Steinmetz, und Jakob Gamasser, Jünger berührts Handwerchs – sagen so oder ähnlich aus. Hynndenlang fügt dem aber noch hinzu, dass Meister Kaspar oft viel seltsame Reden um Verlurst (Abhandenkommen) etlicher Stein braucht hab, doch könne er sich nicht entsinnen, dass Meister Kaspar jemals ausdrücklich den Meister Oswald dieses „Verschwindens“ von Steinen (Marmorsteinen?) bezichtigt habe.

Nicht leichte Unterscheidung der „Flecken“

Über das Abreißen der Dächer beim Brand am Kässonntag sagt ein Nachbar der beiden Steinmetzmeister, Simon Hizy, Folgendes aus: Als am Kässunntag nächstvergangen zu Letsch die Prunst gewesen ist, da seien auch dem Meister Oswald und dem Meister Kaspar ab ihren Häusern die Dächer, auch die Gartenzäun und des Oswalds Schweinstall im Garten abtragen und zerrissen (ab- und niedergerissen) worden, damit nit mehr Schad beschehe, und des Oswalds Garten und Kaspars Haus stießen aneinander. Als dann am Morgen darauf der Kaspar in Oswalds Garten Flecken und dergleichen auszogen und sein Haus wieder (habe) decken wollen, da sei der Oswald gekommen und habe zum Kaspar gesagt: Ziecht Eure Flecken aus, und was mein ist, das lasst auf dem Mein (auf meinem Grund) liegen! Da habe Kaspar geantwortet: Ich kenne Eure Flecken nit, kennt Ihr sie (aber), so legt sie gleichwohl auf ein Ort! Kaspar habe weiter Flecken auszogen, da habe Oswald abermals gesagt: Lasst mir das Meine liegen und nehmt das Eure, denn es liegt auf dem Mein. Darauf habe Kaspar gesagt: Ich nehm dir das Deine nit! und sei zornig geworden und habe mit groben Worten an den Oswald gesetzt (geantwortet) und gesagt: Man findt in meinem Haus als lutzl (weniger) gestohlen Guet als in dem deinen, und nimm dich selbst bei der Nasen!

Kaspars Weib „schelmt“ den Oswald

Da sei des Kaspars Weib dahergeschossen und habe den Oswald geschelmt (einen Schelm und Gauner genannt). Doch er, Zeuge, habe nun weggehen müssen und wisse somit nicht, wie es weitergegangen sei.

Ulrich Zächerli, ein junger Marteller, auch als Zeuge vor Gericht geladen, sagt: Als die Prunst zu Letsch gewesen wär, sei er und andere in der Nacht auch zuegeloffen (herbeigeeilt, um) zu retten, und am Montag darauf habe er dem Meister Kaspar (im Taglohn) gearbeitet und mit ihm, Kaspar, in Meister Oswalds Garten Flecken auszogen. Meister Oswalds Garten stoße an Meister Kaspars Haus, und da sei es zu der vorgenannten Auseinandersetzung und Bescheltung gekommen.

Ein weiterer Zeuge, Mathew Saler, wohnhaft in Latsch, sagt, er habe dann am Mittwoch nach der Prunst dem Meister Kaspar um Taglohn gearbeitet und ihm beim Wiedererrichten des abgeworfenen Dachs geholfen. Da habe Meister Kaspar zu ihm, als er ihm durch einen Walken (Fenster) Flecken hineinreichen wollte, mehrmals gesagt: Die nicht, die gehört dem Oswald zue, leg sie ihm hinüber. Das habe der Oswald dann wohl so aufgefasst, als ob er, Tagwercher, im Auftrag des Meisters Kaspar „gestohlene Flecken“ zurückgebracht hätte, was aber keineswegs der Fall gewesen sei.

Gütlicher Ausklang

Nach langem Hin und Her schlug das Gericht den beiden Meistern eine gütliche Beilegung des Falles vor, welche aber Meister Oswald zunächst nicht annehmen wollte. Er beharrte auf einer Verurteilung seines Nachbarn. Erst auf weiteres Zureden vonseiten des Gerichtes und auch einiger vom Handwerk konnte der erbitterte Oswald schließlich so weit gebracht werden, dass er doch noch eine gütliche Erledigung des Streitfalles, ohne Verurteilung Meister Kaspars, akzeptierte.

Freilich musste Meister Kaspar zwei harte Brocken schlucken, ehe sich sein zanksüchtiger Nachbar zum Kompromiss bereit erklärte: Er akzeptierte die Teilung der aufgelaufenen Gerichtskosten und sagte auch zu, dass sich eine aus zwei Vertrauensleuten – einer von ihm zu benennen, der andere von seinem Nachbarn – bestehende „Kommission“ zusammen mit dem Meister Oswald in sein Haus und dort aufs Dach begeben dürfe, um allenfalls dem Meister Oswald gehörige Flecken ausfindig zu machen und sodann gegebenenfalls mitzunehmen.

Um des lieben Friedens willen stimmte Meister Kaspar – vermutlich nicht zur reinen Freude seiner angriffslustigen Frau – diesem Kompromissvorschlag des Gerichtes zu, und dann wurde gleich Versöhnung gefeiert. Das Gericht hatte auch die Worte der Versöhnung festgesetzt, die die beiden Gegenteile zu sagen hatten: Meister Kaspar sollte als Erster dem Meister Oswald einen Becher mit Wein reichen und zu trinken geben und dabei sagen: Hab ich Euch erzürnt, so vergebt mir’s!, und alsdann solle Meister Oswald dasselbe auch mit Meister Kaspar tun und dabei die gleichen Worte sprechen – und danach solle diese ungute Sache aus der Welt geschafft sein.

Verfachbuch Schlanders 1515

Die merkwürdige Geschichte des Leonhard Oberrauch aus Unterinn (1519)

Eine halbe Stunde nördlich von Unterinn am Ritten liegt die schöne, weite Flur Gasters. Dort stehen nahe beieinander zwei Höfe, wovon der untere der Prockhof heißt, der obere der Rauchhof. Früher gab es noch einen dritten Hof dort, der zwischen den beiden genannten Höfen lag und „Mitterrauchhof“ genannt wurde. Er ist dann aber später abgebrannt und wurde nicht mehr aufgebaut, die Güter kamen zum Prockhof.

Die Tatsache, dass zwei der drei Höfe dort in Gasters „Rauch“ hießen, brachte es mit sich, dass man, um die Höfe auseinanderzuhalten, den zuoberst gelegenen Rauchhof als den „oberen Rauchhof“ oder „Oberrauch“ bezeichnete. Um die Zeit, wo die im Folgenden dargestellte Geschichte spielt, nämlich im frühen 16. Jahrhundert, hieß der Hof, da es ja den „Mitterrauchhof“ noch gab, noch „Oberrauch“, später aber ließ man das „Ober-“ weg und heißt der Hof seither also nur mehr „Rauch“ (heute gar nur mehr „Rau“ gesprochen).

Als sich im frühen 16. Jahrhundert in unserem Land die festen Zunamen (bleibenden Familiennamen) bildeten, wurden im bäuerlich-ländlichen Bereich durchweg die Hofnamen zu Familiennamen. Die zum Beispiel auf dem Prockhof in Gasters lebende Besitzerfamilie erhielt den Familiennamen „Prock“, und diesen Namen behielten dann auch die vom Hof wegziehenden und anderswo lebenden Kinder und Enkel und Urenkel bei. Dasselbe war auch bei „Oberrauch“ der Fall: Die auf dem „oberen Rauchhof“ im frühen 16. Jahrhundert lebende Familie bekam den festen Zunamen „Oberrauch“, der dann nicht nur von den auf dem Hof verbleibenden Nachfahren geführt, sondern auch von den vom Hof wegziehenden und sich anderswo niederlassenden Familienmitgliedern, Söhnen und Enkeln usw., „mitgenommen“ und beibehalten wurde. (Der Name „Oberrauch“ ist heute einer der verbreitetsten Familiennamen auf dem Ritten.)

Leonhard „Oberrauch“

Wahrscheinlich 1501 kaufte ein Leonhard (früherer Zuname nicht bekannt) den oberen Rauchoder Oberrauchhof und zog mit seiner Familie dorthin. Wo er vorher gelebt hatte, scheint nicht auf. Wie dies damals üblich war, erhielt er den Namen seines jetzigen Hofes als Zunamen und wurde er also fortan „der Oberrauch“ genannt.

Nachdem er achtzehn Jahre lang auf dem oberen Rauch- oder Oberrauchhof gelebt hatte, brachen über ihn und seine Familie einige schwere Schicksalsschläge herein: 1519 starben innerhalb kurzer Zeit gleich mehrere Personen auf dem Hof, zuerst die Frau des Bauern, sodann der Besitzsohn und auch noch dessen Frau (die Schwiegertochter).

Leonhard Oberrauch geriet infolge dieser Todesfälle in eine tiefe Schwermut oder Depression. Und diese wurde durch ein merkwürdiges Vorkommnis noch mehr gesteigert. Als er nämlich nach der Beerdigung seines Sohnes in Begleitung eines jungen Knechtes vom Dorf nach Hause ging, da hörte er nur ein paar hundert Schritte von seinem Hof entfernt plötzlich eine Stimme, die aus der Erde zu kommen schien: „Mann, du wirst einen schweren Fall tun!“

Der alte Oberrauchbauer wurde jetzt noch trübsinniger, und man befürchtete ernstlich, dass er sich etwas antun könnte. Deshalb beschloss man, ihn ständig überwachen zu lassen, damit er sich nicht etwas antun könne.

Aber trotz der Überwachung geschah dann doch ein großes Unglück, und wie dieses ablief und wie dann doch alles gut ausging – und zwar dank der gnädigen Fürbitte der Schmerzhaften Muttergottes von St. Pauls –, das berichtet ausführlich die lange Inschrift, die man dann auf einem für die Pfarrkirche in St. Pauls bestimmten großen Votivbild anbringen ließ. Laut dieser Inschrift lief das Ganze wie folgt ab (Schreibweise der heutigen Zeit angenähert):

Der unglückliche Vorfall

Leonhard Oberrauch zu Unterinn hatte im Jahre 1519 das Unglück, dass kurz nacheinander seine Frau, Ursula geborene Ortner, sein verheirateter Sohn [Name nicht angegeben] und auch dessen Frau [deren Namen ebenfalls nicht genannt] gestorben sind. Diese rasch aufeinander folgenden Todesfälle in seiner Familie haben ihn sehr betrübt und schwermütig gemacht, und als er nach der Beerdigung seines Sohnes nach Hause ging – er war in Begleitung eines jungen Knechtes –, da hörten sie plötzlich eine Stimme, die vor ihnen aus der Erde herauszukommen schien und sagte: „Mann, du wirst einen schweren Fall tun!“

Da nahm die Betrübnis dieses Mannes noch weiter zu, je länger, je mehr, und weil man befürchtete, dass er vielleicht irgendwo hinaufsteigen und sich herabstürzen könnte, hat man ihn dann Tag und Nacht beaufsichtigt und überwacht.

Auch als ihn dann am Gründonnerstag [Nachmittag] einige Nachbarn besuchen kamen und mit ihm redeten, blieb er nicht unbeaufsichtigt und wurde er von seiner Häuserin und einem jungen Knecht in der Stube umhergeführt.

Während ihn diese so umherführten, da sieht der Rauch [plötzlich] ein [kleines] Messer, das die Häuserin in einer Scheide [am Gürtel stecken] hatte, zieht es ganz unvermutet [rasch] heraus und sticht es sich in den Hals, und zwar gleich bei der Gurgel [Kehle], sodass die Spitze auf der anderen Seite des Halses wieder heraustrat. Dann fiel er zu Boden, und man glaubte, er sei tot.

Die Anwesenden erschraken sehr, [als sie das sahen,] und liefen alsbald zu [dem nahen Prockhof hinab, wo] Hans Prock, der damals Richter auf dem Ritten war, [daheim war, und meldeten ihm das Vorgefallene]. Dieser kam [gleich] herbei, und als er den traurigen Vorfall [bestätigt] sah, da beratschlagte er sich mit den Anwesenden und ließ dann auch noch die anderen Leute aus der Nachbarschaft herbeirufen, und als diese kamen, forderte er sie auf, hier zu bleiben und [für den Selbstmörder, der ganz unbeweglich auf dem Boden lag und aus dem Hals viel Blut verlor,] zu beten.

[Und dann schlug er auch noch vor, zu geloben, dass man, falls der Oberrrauch, den man zwar schon für tot hielt, durch die Fürbitte der Muttergottes zu St. Pauls doch noch ins Leben zurückkommen würde und seine schwere Sünde des Selbstmordes bereuen und beichten könne, dass man dann der Muttergottes zum Dank für ihre Fürbitte und auch] zu einem ewigen Andenken [an dieses Wunderzeichen] eine Kerze nach St. Pauls in die dortige Pfarrkirche stiften wolle, die gleich viel wiegt wie der Rauch selber. Die Anwesenden [gelobten, das zu tun, und] verharrten dann die ganze Zeit von der Vesperzeit [den ganzen Abend und die Nacht durch] bis zum ersten Hahnenkrähen [im Morgengrauen] andächtig im Gebet.

Guter Ausgang

Dann aber, beim ersten Hahnenschrei, begann der für tot gehaltene Rauch auf einmal im Gesicht zu schwitzen, und als das der Richter sah, forderte er die Anwesenden auf, weiter andächtig im Gebet zu verharren, vielleicht wirke Gott durch die Fürbitte der Muttergottes jetzt ein Wunder.

Sie beteten weiter, und als dann der Hahn zum zweiten Mal krähte, da hat sich der für tot Gehaltene [plötzlich] bewegt, und nachdem er dreimal schwer geseufzt hatte, sagte er: „Ach Gott! Ach Gott! Ach Gott! Wo bin ich gewesen, wo bin ich? Mein Weib und Kind ist wohl [sind im Himmel], ich aber wäre ein Kind der ewigen Verdammnis [in die Hölle gekommen], wenn die große Fürbitte Unserer Lieben Frau [der Muttergottes von St. Pauls] nicht gewesen wäre!“

Dann ist er am Karfreitag Früh von allein aufgestanden, hat sich auch das Messer selber herausgezogen und ist trotz der Wunde im Hals gesund gewesen. Er hat dann auch noch sechs ganze Wochen lang gelebt, aber nur mehr wenig geredet. Und drei Tage vor seinem Tod hat er nach einem Beichtvater verlangt und gebeichtet und auch darum gebeten, man möge ihm nach seinem Hinscheiden die gebräuchlichen Gottesdienste halten lassen, nämlich bei der Bestattung, zum Siebten und zum Dreißigsten.

Eine große Tafel

Das dann in der Pfarrkirche zu St. Pauls der Muttergottes zum Dank aufgehängte Votivbild (mit diesem langen Text am unteren Ende) ist ungefähr einen Meter breit und eineinhalb Meter hoch, oben ist es abgerundet. [Leider ist das Bild sehr nachgedunkelt und daher nicht mehr gut zu erkennen, es kann auch kaum mehr fotografiert werden.]

Das Bild hat drei Ebenen: Ganz oben ist die Muttergottes von St. Pauls zu sehen, auf Wolken schwebend und mit zwei großen silbernen Herzen behängt. Im Vordergrund, in der Mitte, liegt der Oberrauch am Boden, Blut fließt aus dem Hals.

Gleich links daneben kniet eine Frau, in schöner Kleidung und mit einer Halskrause angetan (vermutlich die schwäbische Haushälterin), und hinter ihr knien vier oder fünf Männer, ebenfalls mit weißen Halskrausen. Rechts knien eine Frau und ein vornehm gekleideter Mann (der Richter?), und dahinter steht ein Mann. Alle drei tragen Halskrausen, die beiden Männer strecken ihre Hände zur Muttergottes empor.

Wer das Bild gemalt hat, scheint nicht auf. Laut Inschrift auf dem Bild wurde es dann 1763 auf Betreiben des Ortspfarrers von St. Pauls erneuert (neuerlich renoviert 1855).

Die Kerze

Wie aus dem Text unter dem Votivbild hervorgeht, gelobte man die Stiftung einer Kerze, die gleich schwer sein sollte wie der Rauch selbst war. Wie es scheint, war der Rauch kein Hüne, sondern eher ein Mann von kleiner oder höchstens mittlerer Gestalt. Trotzdem aber war das ein kostspieliges Geschenk, denn Wachs war dazumal sehr teuer.

Wer die Kerze bezahlt hat, wird im Text auf dem Bild nicht angegeben, aber da es sich offenbar um ein gemeinsames Gelübde der Nachbarn handelte, werden auch diese die Kerze gestiftet (bezahlt) haben.

Diese Kerze wurde nur einmal im Jahr angezündet, und zwar während des Gottesdienstes, der für die Rittner am Tag ihrer Wallfahrt nach St. Pauls gehalten wurde. Sie brannte da vielleicht eine Stunde lang, und so verbrauchte sich die Kerze also nur sehr langsam (noch 1929 wird sie als „groß“ bezeichnet).

Der genannte Kreuzgang der Rittner – er wurde jeweils am ersten Samstag im Mai abgehalten – wurde bis herauf um 1963 eingehalten, dann aber aufgelassen. Auf das hin wurden auch das Votivbild und die alte Kerze aus der Kirche entfernt. (Das Bild hängt jetzt im Widum.) An der Stelle der Originalkerze befindet sich heute in der Kirche eine andere Kerze. Diese ist aus grauem Wachs und ziemlich dick, wirkt aber nur klein und unauffällig, weil sie nur noch einen fast heruntergebrannten Kerzenstumpf darstellt. Die „neue“ Kerze ist mit einem Ring aus Eisen umgeben und an der Wand befestigt.

Auszug aus dem Aufsatz von Bruno Mahlknecht: Ein großes Votivbild, eine alte Kerze, ein weiter Kreuzgang und die merkwürdige Geschichte des Leonhard Rauch aus Unterinn (1519). In: Südtiroler Hauskalender 2005, 83–101. (Dort noch weitere detaillierte Angaben zu dieser Geschichte., auch eine fotografische Abbildung des Bildes.)

Ein bayrischer Edelmann ertrinkt im Eisack

Anfang Juni 1571 hielt sich zu Brixen eine vierköpfige Reitergruppe auf, die sich aus den beiden bayrischen Edelleuten Hans-Christoph Weixner und Barmut von Minichaw aus Memmingen und deren beiden Dienern Hans Frannckh und Balthasar Kauffen zusammensetzte.

Der eine der beiden adeligen Herren, Hans-Christoph Weixner, scheint ein ziemlich prominenter Mann gewesen zu sein, jedenfalls wird er dann später bezeichnet als des Durchleuchtigsten Fürsten und Herren Wilhelm, Herzogs in Ober- und Niederbayern, Truchsess. Ob auch der andere Edelmann am bayrischen Herzogshof Dienste versah, wird nicht angegeben.

Ebenso wenig geht dann aus dem nachfolgend aufgenommenen gerichtlichen Protokoll hervor, warum sich der herzoglich bayrische Truchsess Weixner und sein Begleiter Minichaw in Brixen aufgehalten haben. So können wir nur vermuten, dass sie sich auf der Durchreise befanden – vielleicht auf der Heimreise von Italien, da sie auch welsches Geld bei sich hatten – und nun in Brixen eine Rastpause eingelegt hatten. Da zumindest einer der beiden Herren ein silberbeschlagenes Jagdhorn und eine Pirschbüchse bei sich hatte, könnte dieser irgendwo an einem Jagdvergnügen teilgenommen haben, möglicherweise im diplomatischen Auftrag seines Landesfürsten, des Herzogs Wilhelm von Bayern. Über all dies erfährt man dann allerdings nichts.

In Brixen hatte die Gruppe in einem Wirtshaus Quartier genommen. Vielleicht wartete man hier auf nachkommende Freunde, wer weiß. Sonderlich eilig jedenfalls hatten es die Herren offenbar nicht, denn am Vormittag des 3. Juni beschloss der Truchsess, ein wenig auszureiten. Er wählte für diesen morgendlichen Ritt die Eisackauen knapp unterhalb der Stadt.

Wie er dann in den Eisack geriet, ist nicht genau bekannt. In dem später aufgenommenen Protokoll heißt es nur, Weixner sei zwischen 9 und 10 Uhr Vormittag eine halbe Viertelmeile nächst unter Brixen mitsamt dem Ross und was er bei sich hatte in das Wasser genannt der Eisack gefallen und leider ertrunken. Vielleicht wollte er auf seinem Pferd den Fluss durchqueren und kam dabei das Tier ins Stolpern und fiel der Reiter in das Wasser. Da er allein ausgeritten war, gab es für den Vorfall keine Zeugen. Sicher ist nur, dass Weixner im Eisack ertrank und dann ein Stück weiter flussabwärts – ungefähr eine halbe Meile [3–4 Kilometer] unter Brixen – tot aufgefunden wurde. Das Pferd hatte sich auf die andere Seite des Flusses retten können und wurde dort dann auch aufgefunden.

Der Tote wurde gerichtlich beschaut und besichtigt und sodann zurück in die Stadt gebracht, und zwar zunächst in das Wirtshaus, wo er gelegen ist (sich einquartiert hatte).

Alsdann wurde durch das Gericht die hinterlassene Habe des Verunglückten inventiert. Aus dem über diesen Vorgang aufgenommenen Schriftstück gewinnt man interessante Einblicke in die Art und Weise, wie sich dazumal ein Edelmann auf der Reise kleidete und ausstattete.

Hans-Christoph Weixner war bei seinem Ausritt mit einem lidernen Paar Hosen, einem lidernen Wams, einem Paar Stiefel, Sporen, einem Hemat und einem zwilchenen Übergesäß bekleidet und trug dazu auch noch ein Vorderteil und Hinterteil eines schwarzen Harnisches. Über diesem Harnisch – es war dies wohl ein sogenannter Halbharnisch oder Krebs – trug er einen Mantel. Auf dem Kopf hatte er einen Hut. Und schließlich hatte er auch noch, vermutlich am Sattel eingehängt, ein Paar Faustbüchsen mit – eine Art Pistolen.

Sodann hatte er, in ein weißes Fazelet (Taschentuch) eingewickelt, eine kleinere Geldsumme bei sich, nämlich 8 welsche Pfund und 3 ½ Batzen. In der Reithose hatte er außerdem noch einen Regensburger (Geldstück) stecken. Dort, in der Reithose, fand man dann auch etliche Gewürznägelein und Zimmetrinden – derlei Dinge kaute man früher, um etwaigen Mundgeruch zu beseitigen. An der Hand schließlich trug er einen Petschaftring.

Bei dem Sturz ins Wasser gingen der Mantel, der Hut und die beiden Faustbüchsen verloren – und auch der Petschaftring war nicht mehr vorhanden, als die Gerichtskommission den aus dem Fluss gezogenen Leichnam besichtigte und beschaute. Da er nicht gut vom Finger herausgerutscht sein kann, mag dieser Ring wohl vom vielleicht ersten Finder der Leiche gestohlen worden sein.

In der Herberge inventierte man dann folgenden, vom Diener Hans Frannckh angezeigten Besitz des verunglückten Edelmannes: In einem rotlidernen Säckel (Beutel aus rotem Leder) lagen 23 rheinische Gulden und welsche Pfund zu drei Batzen im Gegenwert von drei Pfund Bernern. Weiter waren vorhanden eine Pirschbüchse, ein in einem Felleisen (Satteltasche) verwahrtes, mit Silber beschlagenes Jägerhorn samt dem dazugehörigen Sammetgürtel, daran das Horn hängt, sodann vier Hemater und eine leinene Mütze, endlich sein Armzeug, Handschuech und Raintasch.

Zum Besitz des so unerwartet ums Leben gekommenen adeligen Herrn gehörten schließlich noch die zwei Schimmel mit Sätteln und Zaumzeug, wovon das eine Pferd dem Herrn, das andere aber seinem Diener zum Reiten diente.

Verfachbuch Brixen 1571

Ein fahrender Glockengießer

Ein Glockenguss erfordert viel Arbeit und genaue Vorbereitung, und das lässt sich am besten in einer gut eingerichteten Werkstatt besorgen. In Tirol gab es im frühen 16. Jahrhundert nur zwei solche Glockengießereien, eine nördlich des Brenners, in der Landeshauptstadt Innsbruck (Laiminger-Löffler), und eine im südlichen Tirol, in der Bischofsstadt Brixen (für kurze Zeit gab es auch noch eine in Tramin). Eine besondere Schwierigkeit in der damaligen Zeit war die Lieferung der Glocken von der Gießerei in die Bestimmungsorte, weil die Glocken schwer, die Fuhrwerke nur klein und aus Holz und die Fahrwege oft sehr schlecht waren. Je größer eine Glocke, desto schwieriger die Lieferung.

Im 15. und 16. Jahrhundert waren in Tirol aber auch Glockengießer tätig, die nicht von hier waren und auch keine Gießerei hier betrieben. Heute noch hängen in manchen Südtiroler Kirchtürmen Glocken solcher fahrenden Glockengießer, die von auswärts stammten und hier, auf der Suche nach Aufträgen, von Ort zu Ort gezogen sind und offenbar die Glocken dann auch an Ort und Stelle gegossen haben.

1574 etwa hielt sich ein solcher fahrender Glockengießer im Vinschgau auf und goss mehrere Glocken. Er hieß Franz Sermund, stammte wahrscheinlich aus Bormio im Veltlin (jenseits des Stilfser Joches gelegen), war aber damals in Bern in der Schweiz ansässig, jedenfalls wird er als Meister des Büchsen- und Glockengießerhandwerks in Bern im Schweizerland bezeichnet. Wie viele Glocken er hier goss, ist nicht bekannt, aus mehreren dann in das Verfachbuch von Schlanders eingetragenen Schuldbriefen erfährt man aber von fünf Glocken, die er für drei Orte im mittleren Vinschgau goss. Die eigentlichen Arbeitsverträge, die man in diesen Orten mit dem Glockengießer schloss, wurden offenbar nur mündlich abgemacht und haben sich darum auch leider nicht erhalten, im Verfachbuch jedenfalls finden sie sich nicht eingetragen. So erfahren wir einzig durch die paar Schuldbriefe etwas von diesen Glockengüssen.

Am 12. Dezember 1574 gibt der ehrsame Albrecht Maunt, zu Morter im Gericht Schlanders gesessen, als durch bemeldte Gemain Morter verordneter Kirchpropst des würdigen Gotteshauses St. Thyonisius daselbst, dem ehrsamen Francischg Zermundtus, Maister des Püxen- und Gloggengießerhandwerchs, zu Peren im Schweizerland sesshaft, einen Schuldbrief über 166 Gulden rheinisch. In diesem Schriftstück wird gesagt, dass man ihm diesen Betrag schuldig sei von wegen Gießung einer Gloggen. Diese Glocke sei ihm durch den bemeldten Kirchpropst und eine ganze Gemain daselbst um 237 Gulden angedingt worden und er habe sie dann auch richtig gegossen und ihnen zu ihren Händen überantwurtet. Über das, was man ihm bereits bezahlt hat, schulde man ihm jetzt noch die genannten 166 Gulden. Dieses Geld soll er aber nicht schon jetzt ausbezahlt erhalten, sondern, wie vereinbart, erst nach Verscheinung eines Jahrs, vom heutigen Tag an zu rechnen. Die 166 Gulden sollen bei ihnen unbezahlt stillliegen und ihm erst nach Ablauf des Garantiejahres bezahlt werden, wenn bemeldte Gloggen unzerbrochen bleibt. Sollte die Glocke aber springen oder sonst unbrauchbar werden, so soll das Geld in ihrem Besitz bleiben und er also nichts bekommen, sonst aber soll es ihm nach Verlauf des Jahres ohne längeren Verzug erlegt und bezahlt werden, und zwar auch noch mit fünf Prozent Zinsen. Den Schuldbrief besiegelt Hans Kobl, Richter und Gerichtsschreiber zu Schlanders.

Drei Tage später, am 15. Dezember, erhält er dann von den Kortschern einen ganz ähnlichen Schuldbrief. Für Kortsch hat er offenbar nur eine kleinere Glocke gegossen, weil man ihm nur 55 Gulden schuldete. Auch in diesem Fall sollte ihm, dem ehrsamen Francischgen Sermundo, Maister des Gloggen- und Püxenmacherhandwerchs, diese Restsumme erst nach Ablauf eines Jahres ausbezahlt werden, und zwar ebenfalls mit mitlaufender fünfprozentiger Verzinsung.

Am 16. Dezember 1574 war dann Schlanders an der Reihe. Für diesen Ort hatte er drei vermutlich nur kleine Glocken gegossen, und zwar für die Pfarrkirche und das Spital zur heiligen Dreifaltigkeit (nicht angegeben, wohin die zwei davon und wohin die dritte gekommen ist). Hier stellten ihm Stefan Tschin, zu Schlanders sesshaft, als Kirchpropst einer ehrsamen Gemain daselbst des ehrwürdigen Gotteshauses Unser Lieben Frauen Pfarrkirchen zu Schlanders, und Jakob Prugger, auch zu Schlanders, als Spitlpfleger (Verwalter des Spitals), gemeinsam einen Schuldbrief aus von wegen Gießung dreier Gloggen, welche ihm durch bemeldte Gemaind (Schlanders) zu gießen angedingt worden und die er auch richtig für sie gegossen und ihnen übergeben habe. Die Restschuld beträgt insgesamt 50 Gulden. Diese Summe soll bei ihnen ein ganzes Jahr und noch einen Tag lang stillliegen, und zwar an gebührender Gewährschaft statt (als Garantie), so wie er ihnen dies bei Abschluss des Vertrages zugesagt hatte. Dann aber, nach Verscheinung Jahr und Tags, soll, wofern bemeldte Gloggen unzerbrochen und unnachteilig bleiben, ihm diese Summe sogleich ausbezahlt werden.

Priester beim Messelesen (Wandlung). Früher kehrte der Priester den Gläubigen den Rücken zu.

Die fünf Glocken für Morter, Kortsch und Schlanders waren offenbar zugleich und in einem Guss geschaffen worden. Die Kirchen hatten dem Gießer dafür das Metall (vielleicht unbrauchbar gewordener älterer Glocken?) zur Verfügung gestellt und ihm auch einen Vorschuss bezahlt und sicher auch noch Handlangerdienste für die verschiedenen Arbeiten geleistet. Einen Teil des vereinbarten Arbeitslohnes aber behielt man, wie gehört, auf ein Jahr zurück und sollte Meister Sermund diesen erst dann bekommen, wenn die Glocken das Garantiejahr überstanden hätten.

Zwei dieser damals (November–Dezember 1574?) gegossenen fünf Glocken hängen heute noch in den Türmen der entsprechenden Kirchen, nämlich die eine im Pfarrturm von Kortsch und die andere im Türmchen der Spitalkirche zu Schlanders. Die Glocke für Morter (die offenbar die größte der fünf war) und die beiden Glocken für die Schlanderser Pfarrkirche dagegen sind heute nicht mehr vorhanden – unbekannt, ob sie im Lauf der Zeit dann gesprungen oder aus sonst einem Grund mit anderen ersetzt worden sind oder ob, was für Meister Sermund freilich sehr unangenehm gewesen wäre, sie die vereinbarte „Probezeit auf Jahr und Tag“ nicht überstanden haben.

Verfachbuch Schlanders 1574

Was diese Schneider wohl glauben!

Am 3. Jänner 1585 kamen in Kaltern die Herren der Obrigkeit – nämlich der Herr Richter und der Herr Sindicus, die beiden Rigler sowie die sechs geschworenen Amtsleute und dazu noch die drei Notare im Ort, der Gerichtsschreiber und drei von der Nachbarschaft – zusammen, um zu besprechen, wie es denn mit den Schneidern gehalten werden solle.

Hatten diese doch wider die Gebühr und schon eine längere Zeit her die Stirn [Unverschämtheit] gehabt, für einen einzigen Tag Störarbeit außer der Kost auch noch 4 Pfund Berner [48 Kreuzer], ja sogar schon einen ganzen Gulden [60 kr] zu verlangen!

Das sei unerhört und müsse ehestens abgeschafft werden, zumal auch in den benachbarten Gerichtsgemeinden überall genaue Ordnungen (Vorschriften) bestünden, welche den Handwerkern und damit auch den Schneidern genau vorschreiben, wie viel sie pro Tag auf der Stör verlangen dürfen. Nur hier, im Gericht Kaltern, weil dieses nicht die Tirolische Landesordnung habe, sondern nach den Trienter Statuten lebe –, nur hier glauben diese Herren Schneider für ihre Arbeit verlangen zu können was sie wollen! Dem aber müsse ein Riegel vorgeschoben werden, und zwar je eher desto besser.

Nach eingehender Beratung glaubte der siebzehnköpfige Ausschuss endlich eine Lösung gefunden zu haben, welche die Einwohner nicht allzu sehr beschwere und den Schneidern dennoch einen angemessenen Verdienst sichere. Man ließ die neue Ordnung vom Gerichtsschreiber zu Papier bringen und sodann auch gleich in das amtliche Verfachbuch eintragen. Es heißt da:

Erstens soll ein jeder Meister und Geselle des Schneiderhandwerks in diesem Gericht Kaltern und Laimburg einem jeden, der es begehrt, um nachgemeldete Besoldung und Taglohn arbeiten und solches niemandem verwidern [verweigern], bei der Strafe der Gefängnis oder auf anderem Wege, damit der Übertreter der Gebühr nach bestraft werden soll.

Und es sollen die Schneider zur Winterszeit – als [nämlich] von Michaeli bis Mittfasten (von Ende September bis zum Sonntag drei Wochen vor Ostern) – von 5 Uhr morgens bis 8 Uhr abends, zur Sommerszeit aber – als von Mittfasten bis Michaeli – von 4 Uhr Früh bis 7 Uhr abends arbeiten.