Wie Mozart in die Kugel kam - Rainer Schmitz - E-Book

Wie Mozart in die Kugel kam E-Book

Rainer Schmitz

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Beschreibung

Macht Mozart klüger? Überraschende Antworten auf wirklich alle Fragen aus der Welt der Musik

Wurde Mozart ermordet? Wie gelangte Bruckners Brillenglas in Beethovens Sarg? Und wer um alles in der Welt war Elise? Mit großer Lust am Abseitigen und Kuriosen haben Rainer Schmitz und Benno Ure in jahrelangen Recherchen viel Wissenswertes und Überraschendes ans Tageslicht gebracht. Ein Buch, das zum Schmökern, Staunden und Entdecken einlädt – im Siedler Verlag unter dem Titel »Tasten, Töne und Tumulte« erschienen.

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Seitenzahl: 3111

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Wurde Mozart ermordet? Warum fürchtete sich Franz Liszt vor Freitagen? Wie gelangte Bruckners Brillenglas in Beethovens Sarg? Und wer um alles in der Welt war Elise? In einem höchst erstaunlichen, opulenten Werk beantworten die beiden Musikexperten Rainer Schmitz und Benno Ure wirklich alle Fragen, die sich Liebhaber der klassischen Musik, Konzertgänger und Opernenthusiasten stellen können – überraschend, unterhaltsam und erhellend.

Die Autoren:

Rainer Schmitz, geboren 1950, war Kultur- und Literaturredakteur u.a. beim Magazin der Süddeutschen Zeitung und beim Focus. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher, darunter der Bestseller »Was geschah mit Schillers Schädel? Alles, was Sie über Literatur nicht wissen« (2006).  Schmitz lebt als freier Publizist in München, wo er an der Ludwig-Maximilians-Universität lehrt.

Benno Ure, geboren 1955, ist musikbegeistert und trägt seit vielen Jahren »vergessene Noten« aus dem 19. und 20. Jahrhundert zusammen, die er in einer Konzertreihe zur Aufführung bringt. Er ist Professor und Leiter der Klinik für Kinderchirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover.

Rainer Schmitz und Benno Ure

WIE MOZARTIN DIEKUGEL KAM

Kurioses und Überraschendes aus der Welt der klassischen Musik

Pantheon

Die Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel Tasten, Töne und Tumulte. Alles, was Sie über Musik nicht wissen im Siedler Verlag, München. Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Der Pantheon Verlag ist ein Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH.

Pantheon-Ausgabe April 2018

Copyright © 2016 by Siedler Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, München

Lektorat: Ditta Ahmadi, Berlin, und Fritz Jensch, München

Satz: Ditta Ahmadi, Berlin

ISBN 978-3-641-23636-6V002

www.pantheon-verlag.de

A

A Robert Schumanns Weg in den Wahnsinn begann mit der sich erschöpfenden Phantasie seiner inneren Stimmen, mit düsterem Schweigen – und dann, im Februar 1854, meldeten sich ein paar altbekannte Störungen aufs Neue und stärker werdend: Sprachschwierigkeiten und Gehörhalluzinationen. Plötzlich – in der Nacht vom 10. Februar – erklang in ihm jener unerträgliche Ton A, er wurde stärker, fürchterlich, unablässig bohrend und blieb über Tage. Die Affektionen steigerten sich zur Musik »mit so wundervollen Instrumenten, wie man sie auf der Erde nie hörte«. Schumann nahm ganze Orchesterstücke wahr.

Am 17. Februar stand er nachts auf und notierte ein Thema, »welches ihm die Engel vorsangen«, die ersten Noten der Geistervariationen. Er empfand die Engelsstimmen als wunderbaren Gruß von Mendelssohn und Schubert, doch verwandelten sie sich am Morgen darauf in Dämonenstimmen mit grässlicher Musik. Schumann quälte mehr und mehr die Angst, den Verstand zu verlieren. An Joseph Joachim schrieb er, dass alle Musik verstummt sei. In ihrem Tagebuch hielt seine Frau Clara die Verwandlung aller äußeren Geräusche in eine qualvolle innere Stimme fest, die Schumann bisweilen jedoch auch als überirdisch-herrliche Musik empfand.

Zuvor hatte Schumann zahlreiche Werke in A geschrieben, besonders Kammermusik. Die Geistervariationen komponierte er in den quälenden A-Tagen in Es-Dur, der am weitesten von A-Dur entfernten Tonart. Die fünfte der Variationen in Es-Dur stellte er nach seinem Selbstmordversuch fertig, den er mit einem Sprung in den Rhein am 27. Februar unternahm. Es war sein letztes Werk.

▶Beinamen der Musik▶E▶Selbstmordversuch▶Syphilis▶Wahnsinn

Berthold Litzmann: Clara Schumann. Ein Künstlerleben nach Tagebüchern und Briefen, Leipzig 1920, Bd. 2, S. 294–300.

Karl Schorn: Lebenserinnerungen. Ein Beitrag zur Geschichte des Rheinlands im 19. Jahrhundert, Bonn 1898, S. 107.

Wolf-Dieter Seiffert: Robert Schumanns Thema mit Variationen Es-Dur, genannt »Geistervariationen«, Augsburg 1999, S. 189–214.

A dabei! Große Kunstereignisse werfen ihre Schatten voraus. Da will man dabei sein, sehen und gesehen werden.

Die ersten Bayreuther Wagner-Festspiele begannen am 13. August 1876. Geboten wurde die Uraufführung des kompletten Ring des Nibelungen. Unter den Premierengästen waren Franz Liszt, Anton Bruckner, Karl Klindworth, Camille Saint-Saëns, Peter Tschaikowsky, Edvard Grieg, Leo Tolstoi, Paul Lindau, Friedrich Nietzsche und Gottfried Semper, weiterhin Kaiser Wilhelm I., Kaiser Pedro II. von Brasilien und König Karl von Württemberg. König Ludwig von Bayern hatte vom 6. bis 9. August die Generalproben besucht und kehrte erst zum dritten und letzten Aufführungszyklus zurück, wobei er sich allen öffentlichen Huldigungen entzog.

Die erste österreichische Aufführung der bis dahin in Österreich verbotenen Oper Salome dirigierte der Komponist Richard Strauss in Graz am 6. Mai 1906 selbst. Anwesend waren unter vielen anderen Giacomo Puccini, Gustav und Alma Mahler, Arnold Schönberg, Alexander von Zemlinsky, Alban Berg sowie die Witwe von Johann Strauß. Adolf Hitler behauptete später, er sei ebenfalls dabei gewesen. Er habe sich, wie er Strauss’ Sohn später erzählte, bei Verwandten Geld für die Fahrt nach Graz geborgt. Unter den 3000 Zuhörern der Premiere von Mahlers Sinfonie der Tausend (achte Sinfonie Es-Dur) am 12. September 1910 in der Neuen Musik-Festhalle in München befanden sich viele bekannte Schriftsteller, Komponisten und Dirigenten, u.a. Siegfried Wagner, Otto Klemperer, Bruno Walter, Alfredo Casella, Hermann Bahr, Leopold Stokowski, Arnold Berliner und Thomas Mann.

Bei der Uraufführung von George Gershwins Rhapsody in Blue am 12. Februar 1924, dem Geburtstag Abraham Lincolns, waren in der Aeolian Hall in New York neben Revuestars, Schauspielern und der Manhattan-Schickeria u.a. anwesend: Leopold Stokowski, Jascha Heifetz, Fritz Kreisler, Sergei Rachmaninow und Igor Strawinsky. Titel des Konzerts war »An Experiment in Modern Music«. Gershwin selbst saß am Klavier und machte mit seinem Stück den Jazz salonfähig.

Zur Uraufführung des Balletts Le sacre du printemps von Igor Strawinsky in der Choreographie von Vaslav Nijinsky am 29. Mai 1913 kamen rund 2000 Besucher. Jean Cocteau erinnerte sich: »Ein mondänes Publikum, dekolletiert, übersät mit Perlen, mit Kopfschmuck und Straußenfedern, neben den Fräcken und dem Tüll der Jacken, die Stirnbänder, die auffälligen Lumpen jener Rasse der Ästheten, die das Neue auf jeden Fall bejubelt aus Hass gegen die Leute in den Logen.« Harry Graf Kessler bestätigte die Pracht jenes Abends im Théâtre des Champs-Élysées: »Das glänzendste Haus, das ich in Paris je gesehen habe, Aristokratie, Diplomaten, Halbwelt.« Mit dabei: Coco Chanel, Claude Debussy, Maurice Ravel, Marcel Duchamp und andere Berühmtheiten der Pariser Szene.

▶Festivals ▶Festivals für Neue Musik ▶Höhere Gewalt ▶Jenny-Lind-Gedränge ▶Lisztomanie▶Mammutkonzerte ▶Opernsaison in London ▶Ovationen ▶Skandale

Alex Ross: The Rest is Noise. Das 20. Jahrhundert hören, München 2013, S. 17–26, 170.

Abend, missverständlicher Der im Jahr 1908 gegründete »Music Club« Londons war eine piekfeine Adresse für Konzert-und-Abendessen-Gesellschaften. Vorsitzender war der Starkritiker Alfred Kalisch, der die zumeist älteren Mitglieder, die »wegen ihres Reichtums, ihrer Dickbäuchigkeit und ihres asthmatischen Schnaufens Ansehen genossen«, durchs Programm führte. Kalisch und die Clubmitglieder beschlossen 1909, ausländische Komponisten einzuladen und ihnen bei erlesenen Speisen und Getränken eine Auswahl ihrer Werke zu präsentieren. So fand sich Claude Debussy eines Tages in einer Londoner Gesellschaft wieder, in der die Damen »aus teuren Dekolletés sich mächtig vorwölbende blassrosafarbene Busen, füllige Kinnpolster und massige Rücken freizügig zur Schau stellten, während unter den Herren das rötlich frische Doppelkinn … und Glubschaugen vorherrschten«. Die Veranstaltung wurde eröffnet mit einer Willkommensadresse an den Komponisten. Der hierfür vorgesehene Festredner hatte allerdings abgesagt, so dass Kalisch einspringen musste, der kaum Französisch sprach. Debussy wurde auf einen Stuhl in der Mitte der Bühne gesetzt, hatte mangels Englischkenntnissen große Schwierigkeiten, der Ansprache zu folgen, stand jedes Mal auf, wenn er glaubte, seinen Namen zu hören, und verbeugte sich vielfach. Das anschließende Konzert bereitete ihm wohl auch keine Freude, denn nach der Veranstaltung teilte er mit, dass er lieber eine Sinfonie auf Bestellung schreiben würde, als eine solche Erfahrung noch einmal machen zu müssen. Dem britischen Komponisten Arnold Bax, der die Klavierbegleitung für die Ariettes oubliées übernommen hatte, ließ Debussy ausrichten, dass er in einer allzu pianistischen Manier interpretiert hätte. Bax fand die Bemerkung äußerst interessant, »denn noch niemals vorher hatte man mich dafür getadelt, dass ich Klavier spiele wie ein Pianist«. Also Missverständnisse auf allen Seiten.

Roger Nichols: Claude Debussy im Spiegel seiner Zeit. Portraitiert von Zeitgenossen, Zürich/St. Gallen 1993, S. 251ff.

Abgebrannt Opernhäuser waren und sind gefährdete und gefährliche Orte. Die folgenden sind ein Opfer der Flammen geworden:

BARCELONA, Gran Teatro del Liceo, 15. April 1861 und 30. Januar 1994 bei Schweißarbeiten

BARI, Teatro Pedruzelli, 1991

BASEL, Theater am Steinberg, 1904

BERGAMO, Teatro Riccardi, 1797

BERLIN, Langhansscher Theaterbau, 29. Juli 1817: »… Da mir hierbei das abgebrannte Theater einfällt, so melde ich Dir mit kurzem, daß ich mich in der augenscheinlichsten Gefahr befand, aufs neue ganz ruiniert zu werden. Das Dach des Hauses, in dem ich im zweiten Stock wohne [Tauben-, Ecke Charlottenstraße], brannte bereits von der entsetzlichen Glut, die das ungeheure, brennende Bohlendach des Theaters verbreitete, und nur der Gewalt von drei wohldirigierten Schlauchspritzen gelang es, das Feuer zu löschen und das Haus sowie wohl das ganze Viertel zu retten. Ich saß gerade am Schreibtisch, als meine Frau aus dem Eckkabinett etwas erblaßt eintrat und sagte: ›Mein Gott, das Theater brennt!‹ – Weder sie noch ich verloren indessen nur eine Sekunde den Kopf. Als Feuerarbeiter, zu denen sich Freunde gesellt hatten, an meine Türe schlugen, hatten wir mit Hülfe der Köchin schon Gardinen, Betten und die mehrsten Meubles in die hinteren, der Gefahr weniger ausgesetzten Zimmer getragen, wo sie stehenblieben, da ich nur im letzten Moment alles heraustragen lassen wollte. In den vorderen Zimmern sprangen nachher sämtliche Fensterscheiben, und die Ölfarbe an den Fensterrahmen und Türen tröpfelte von der Hitze herab. Nur beständiges Gießen bewirkte, daß das Holzwerk nicht vom Feuer anging. – Meinen Nachbarn, die zu eilig forttragen ließen, wurde vieles verdorben und gestohlen, mir gar nichts …« (E.T.A. Hoffmann an Gottlieb von Hippel, 15. Dezember 1817)

»Ich könnte Ihnen erzählen, daß ich bei dem Brande des Theaters, von dem ich nur 15 bis 20 Schritte entfernt wohne, in die augenscheinlichste Gefahr geriet, da das Dach meiner Wohnung bereits brannte, noch mehr! – daß der Kredit des Staates wankte, da, als die Perückenkammer in Flammen stand und fünftausend Perücken aufflogen. Unzelmanns Perücke aus dem ›Dorfbarbier‹ mit einem langen Zopf wie ein bedrohliches, feuriges Meteor über dem Bankgebäude schwebte –, doch das wird Ihnen alles der Zauberer mündlich erzählen und hinzufügen, daß beide gerettet sind, ich und der Staat. Ich durch die Kraft von drei Schlauchspritzen, wovon der einen ich eine böse Wunde mit einer seidenen Schürtze meiner Frau verband, der Staat durch einen couragösen Gardejäger auf der Taubenstraße, der, als mehrere Spritzen vergeblich nach der ad altiora steigenden Perücke gerichtet wurden, besagtes Ungetüm durch einen wohlgezielten Büchsenschuß herabschoß. Zum Tode getroffen, zischend und brausend sank es nieder in den Pißwinkel des Schonertschen Weinhauses. Hierauf stiegen sofort die Staatspapiere! – Ist das nicht Stoff zum Epos?« (E.T.A. Hoffmann an Adolph Wagner, 25. November 1817)

BERLIN, Lindenoper, 18. August 1843

BERLIN, Kroll-Oper, 1. Februar 1851

BESANÇON, Opéra-Théâtre, 29. April 1958

BOLOGNA, Teatro Malvezzi, 1745

BOLOGNA, Teatro Comunale, 1931

BRÜNN, Theater am Krautmarkt, 1870

BRÜSSEL, Théâtre Royal de la Monnaie, 1855

CHICAGO, Crosby’s Opera House, beim großen Brand in Chicago 1871

DARMSTADT, Hoftheater, 24. Oktober 1871

DESSAU, Hoftheater, 7. März 1855 und 25. Januar 1922 ▶Teufelswerk

DRESDEN, Opernhaus, 1823

DRESDEN, Opernhaus am Zwinger, 7. Mai 1849: Während der Tage der Revolution 1849 in Dresden verfolgte Richard Wagner vom Turm der Kreuzkirche aus 96 Metern Höhe nicht nur das Sterben der Revolutionäre, sondern auch, wie sein Arbeitsplatz, die Oper, in Flammen aufging. Seit Jahren schon hatte er das Ende der alten Oper und den Aufbau einer größeren Bühne für seine eigenen großen Opern gefordert. »Man sagte mir, es [das Opernhaus] sei, um einem gefährlichen Angriffe der Truppen von dieser bloßgelegten Seite her zu begegnen und zugleich die berühmte Sempersche Barrikade vor einer übermächtigen Überrumpelung zu schützen, in Brand gesteckt worden; woraus ich mir entnahm, daß derlei Gründe in der Welt ein für allemal mächtiger als ästhetische Motive bleiben, aus welchen seit langer Zeit vergeblich nach Abtragung dieses häßlichen, den eleganten Zwinger so arg entstellenden Gebäudes verlangt war.« (Richard Wagner: Mein Leben, Bd. 1, Leipzig 1968, S. 458)

DRESDEN, Semperoper, 21. September 1869

DROTTNINGHOLM, Schlosstheater, 1762

FLORENZ, Teatro Politeama, 1863

FRANKFURT AM MAIN, Komödienhaus, 16. April 1785

FRANKFURT AM MAIN, Stadttheater, 1878

GENF, Erster Theaterbau, 1768

GENF, Grand Théâtre, 15. Mai 1951

GENUA, Teatro Falcone, 1702

GRAZ, Nationaltheater, 1823

HAMBURG, Staatsoper, 1975

KAIRO, Opernhaus, 28. Oktober 1971

KAISERSLAUTERN, Stadttheater, 1867

KARLSRUHE, Hoftheater, 28. Februar 1847: »An jenem Sonntagnachmittag wurde das Lustspiel ›Der artesische Brunnen‹ dem Publikum dargeboten. Das Stück war schon in der Fasnetszeit zu einem Publikumsmagneten geworden, und so waren es an diesem Nachmittag vor allem jüngere Leute, Handwerker und Dienstboten, die in die preislich günstigste, die dritte, die oberste Galerie drängten. Sie begannen das Theater bereits gegen 17.00 Uhr zu bevölkern.«

Nach übereinstimmenden Zeugenaussagen hatte ein Diener in der markgräflichen Hofloge ein Gaslicht entzündet, das sich nur fünf Zoll von der Logenwand entfernt befand und nicht mit einer Glasabdeckung versehen war. Dort war das Feuer durch einen Luftzug auf die dünne und mit lockeren Leinwandstoffen bespannte Draperie übergesprungen. Statt die Flammen zu löschen, floh der Diener, um seinem Vorgesetzten Meldung zu machen. Das Feuer schlug schon nach wenigen Augenblicken aus der Loge heraus und der bemalten Decke entgegen, einer abgehängten Lattenkonstruktion, die durch die Hitze des darunterhängenden Kronleuchters völlig ausgetrocknet war. Jetzt setzte die allgemeine Flucht ein. Im Parterre und in der zweiten Galerie ging dies zunächst unproblematisch vonstatten, auch wenn einige Theaterbesucher von der Galerie ins Parterre sprangen. Unter den Zuschauern der dritten Galerie jedoch, die sich binnen Sekunden mit erstickendem Qualm gefüllt hatte, entstand eine Panik, denn von den vier Ausgängen der Galerie waren drei verschlossen, und der einzige offene befand sich unter der Hofloge, wo das Feuer wütete. Dem 27-jährigen Moritz Reutlinger, einem Nachkommen des israelitischen Oberrates Elkan Reutlinger, gelang es, eine der verschlossenen Türen aufzubrechen. Er konnte dadurch 36 Personen das Leben retten. Da die Gasbeleuchtung abgeschaltet war, lag das Gebäude in völligem Dunkel. Niemand übernahm das Kommando der Löscharbeiten, und es wurden nicht einmal die Angestellten des Theaters, die sich in Nebenräumen befanden, gewarnt. Zeitzeugen berichteten von herzzerreißenden Szenen. Die Leitern waren zu kurz. Ein Löschhelfer brachte den Kessel einer der herbeigeschafften Wasserspritzen aus Unkenntnis zum Platzen. Gegen 19 Uhr stürzte der Dachstuhl in das Innere des Hauses. Die erst kurz zuvor im benachbarten Durlach gegründete Freiwillige Feuerwehr, eine der ersten Feuerwehren Deutschlands, konnte ein Übergreifen der Flammen auf die benachbarten Gebäude verhindern. Der Brand forderte 63 Menschenleben. Die Opfer wurden ohne Ansehen der Religion in acht Särgen gemeinsam beigesetzt. Gedenkgottesdienste fanden in den christlichen Kirchen wie auch in der Synagoge statt.

Der Hoftheaterbrand in Karlsruhe am 28. Februar 1847, dessen Entstehung, Verlauf und Folgen. Beschrieben aus den Mittheilungen geretteter Augenzeugen und andern zuverlässigen Materialien von E. Giavina, Karlsruhe 1847.

KÖLN, Theater, 1859 und 1869

KREFELD, Theater, 1943 bei einem Bombenangriff

LIVERPOOL, Philharmonic Hall, 1849 eröffnet und für eine hervorragende Akustik bekannt. 1933 durch Brand völlig zerstört. 1939 neu erbaut mit Anklängen an Art déco und Bauhaus und bis heute genutzt.

LJUBLJANA, Stadttheater, 1887

LONDON, Covent Garden, 19. September 1808 und 1856

LONDON, Her Majesty’s Theatre, 1867

LÜTTICH, Stadttheater, 1926

LYON, Académie Royale de Musique, 1688

MADRID, Teatro de la Zarzuela, 1909

MAILAND, Salone Margherita, Teatro Regio, 1708

MAILAND, Teatro Regio Ducale, 25. Februar 1776

MANTUA, Teatro Regio Ducale Nuovo, 1780

MARSEILLE, Erstes Opernhaus, 1692

MARSEILLE, Salle Beauvau, 13. November 1919 durch Kurzschluss

MEININGEN, Altes Hoftheater, 5. März 1908

MOSKAU, Petrowski-Theater, 14. bis 18. September 1812, als Napoleons Truppen Moskau in Brand setzten

MOSKAU, Bolschoi-Theater, 1. März 1853

MÜNCHEN, Residenztheater, 4. und 5. Mai 1750

MÜNCHEN, Nationaltheater, 21. Januar 1825 ▶Biersteuer

NANCY, Barockes Opernhaus, 1906

NANTES, Théâtre Graslin, 1796

NEAPEL, Teatro di San Bartolomeo, 1682

NEAPEL, Teatro San Carlo. Das Gebäude brannte in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1816 während oder nach der Aufführung einer Rossini-Oper nieder und wurde bereits im Jahr darauf mit einer Rossini-Oper wiedereröffnet.

NEAPEL, Teatro Nuovo, 1935

NEUSTRELITZ, Hoftheater/Landestheater, 15. Januar 1924

NEW YORK, Metropolitan Opera House, 1892

NIZZA, Théâtre Municipal, 23. März 1881

OLDENBURG, Theater, 1891

PALERMO, Teatro Bellino (Carolina), 1964

PARIS, Grand Opéra, 6. April 1763, 1781 und 28. Oktober 1873 ▶Attentat

PRAG, Nationaltheater, 12. August 1881. Das Haus war erst zwei Monate zuvor mit Smetanas Festoper Libuše eröffnet worden. Der Brand wurde als nationale Katastrophe empfunden, landesweit flossen Spenden. Zwei Jahre später wurde das Theater erneut eingeweiht.

REGENSBURG, Erstes Theater, 1849

REGGIO EMILIA, Erstes Theater, 1740

REGGIO EMILIA, Teatro di Cittadella, 1751

RIO DE JANEIRO, Real Teatro de São João, 1815

ROM, Theater des Statilius Taurus, 64 n. Chr. Das 31 v. Chr. auf dem Marsfeld errichtete Gebäude hatte steinerne Fundamente, war sonst aber aus Holz und fiel beim Großen Brand von Rom den Flammen zum Opfer.

ROM, Teatro Argentina, 1787

ROM, Teatro delle Dame, 1863

ROSTOCK, Neues Schauspielhaus, 1880

SCHWERIN, Hoftheater, 1882

ST. PETERSBURG, Bolschoi-Theater, 1811

ST. PETERSBURG, Zirkustheater, 1859

STUTTGART, Hoftheater, 1902

TOULOUSE, Théâtre du Capitole, 1917

TOURS, Théâtre Municipal, 1883

TREVISO, Teatro Sociale, 1868

TURIN, Teatro Regio, 1936

VENEDIG, Santi Giovanni e Paolo, 1748

VENEDIG, Teatro San Benedetto, 1773

VENEDIG, Gran Teatro La Fenice, 1773, 12. Dezember 1836, 1996 ▶Brandstiftung

VENEDIG, San Cassiano, 1812

VERONA, Teatro Filarmonico, 1749

VICENZA, Teatro Castelli, Dezember 1683

WEIMAR, Komödienhaus, 22. März 1825

WEIMAR, Hoftheater, 16. Februar 1907

WIEN, Kärntnertortheater, 1761

WIEN, Ringtheater, 8. Dezember 1881. Mit über 400 Opfern (auch die Zahl 386 wurde genannt; offizielle Angabe: 384 Tote) war der Ringtheaterbrand eine der größten Brandkatastrophen des 19. Jahrhunderts in Österreich-Ungarn. Als die Besucher um 19 Uhr ihre Plätze eingenommen hatten, um Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach zu sehen, wurde hinter der Bühne an fünf Schaukästen die Gasbeleuchtung entzündet. Durch Versagen der elektropneumatischen Zündvorrichtung strömte Gas aus, das beim nächsten Zündversuch explodierte. Das Feuer sprang auf die Prospektzüge über und breitete sich rasch auf der Bühne und schließlich im Zuschauerraum aus. Die Rettungsversuche begannen erst eine halbe Stunde später und gestalteten sich schwierig, da es keine Notbeleuchtung gab. Die dafür vorgesehenen Öllampen sollen wegen Geldmangels nur für Überprüfungen gefüllt worden sein. Außerdem ließen sich die Notausgänge nur gegen die Fluchtrichtung nach innen öffnen. Zu allem Unglück fachte ein durch ein seitliches Fenster einströmender Luftzug das Feuer weiter an. Die Polizei im Theatervorraum hatte kein zutreffendes Bild von der Lage und hielt Helfer mit dem falschen Hinweis »Alles gerettet!« von weiteren Rettungsversuchen ab. Die Katastrophe hatte national wie international weitreichende Auswirkungen auf den vorbeugenden Brandschutz insbesondere der Theater. Seither ist der eiserne Vorhang zur Trennung von Bühne und Zuschauerraum Pflicht, zudem müssen die Dekorationen und Kulissen imprägniert werden.

Helmut Qualtinger/Carl Merz: Alles gerettet. Der Ringtheaterbrand-Prozess, München/Wien 1963.

Joseph Seidel: Der Brand des Ringtheaters in Wien. Eine wahrheitsgetreue Schilderung der Katastrophe, Wien 1882.

WIESBADEN, Staatstheater, 18. März 1923

ZITTAU, Altes Theater, 1932

ZÜRICH, »Aktientheater« der Theater-Aktiengesellschaft Zürich, Neujahrsnacht 1889/90. Dieses erste große Opernhaus der Stadt befand sich in der umgebauten Kirche des ehemaligen Barfüßerklosters am Hirschgraben. Es war am 10. November 1834 eröffnet worden und verfügte über 800 Plätze. Obwohl es vollständig ausbrannte, wurde schon neun Monate später, am 30. September, an gleicher Stelle ein Neubau mit einer Aufführung von Wagners Lohengrin eröffnet.

Der Brand der Pariser Oper von 1763 ist Hintergrund des Theaterstücks Der Brand im Opernhaus (1922), geschrieben von Georg Kaiser, einem der meistgespielten expressionistischen deutschen Dichter. Der Brand wird zum Auslöser eines tragischen Eifersuchtsdramas: Herr von *** hat die mittellose Waise Sylvette geheiratet und sie bisher streng abgeschieden gehalten. Am Tag des verheerenden Feuers besucht seine Frau ohne sein Wissen den Opernball und kehrt völlig verstört heim. Es stellt sich heraus, dass sie mit einem Geliebten dort war. Der Ehemann ist außer sich. Er betrachtet Sylvette nicht mehr als seine Frau, ja er redet sich ein, sie sei bei dem Brand umgekommen. Unter Einsatz seines Lebens entreißt er den immer noch wütenden Flammen eine Leiche und lässt sie in sein Haus schaffen. Ein Ring weist die Tote jedoch als Geliebte des Königs aus, die dieser überall suchen lässt. Diese Entdeckung zerstört die Illusion. Sylvette bietet ihrem Mann an, dem König den Ring zu überbringen. Er willigt ein. Doch Sylvette geht in die Flammen und findet dort den Tod. Eine später herausgeschaffte Leiche, die den Ring am Finger trägt, wird schließlich für die Geliebte des Königs gehalten.

1930 drehte der Regisseur und Produzent Carl Froelich den Kinofilm Brand in der Oper. Darin hat Generaldirektor Otto van Lingen (Gustaf Gründgens) es auf die reizende Chorsängerin Floriane Bach (Alexa von Engström) abgesehen, der er mit Hilfe seines Freundes und Sekretärs Richard Faber (Gustav Fröhlich) eine Hauptrolle in der Aufführung von Hoffmanns Erzählungen verschafft. Anstatt dankbar zu sein, stürzt sie empört aus dem Separee davon, als er ihr das Engagement anträgt. Doch zwischen Floriane und Faber entwickeln sich Freundschaft und Zuneigung. Van Lingen, der es nicht gewohnt ist, dass ein Mädchen ihm davonläuft, glaubt, Faber habe ihn hintergangen, und trennt sich von ihm. Als am Premierenabend in der Oper Feuer ausbricht, suchen beide Männer in wilder Panik nach Floriane und finden sie schließlich ohnmächtig. Ihre Feindschaft verfliegt angesichts des Unglücks, und der Generaldirektor gibt dem Paar seinen Segen.

▶Attentat ▶Biersteuer ▶Bombentreffer, finaler ▶Brandstiftung ▶Bühnen, größte ▶Bühnen, zerstörte ▶Erdbeben ▶Kriegseinwirkungen ▶Manuskripte, vernichtete ▶Revolution, opernstimulierte ▶Selbstmord ▶Teufelswerk ▶Tod auf der Bühne ▶Verbrannt

Elmar Buck: Thalia in Flammen. Theaterbrände in Geschichte und Gegenwart, Erlensee 2000.

Abgelehnt Eine Unzahl von Musikern und Komponisten wurde abgelehnt, bevor sie reüssierten.

Hier eine kleine, nicht repräsentative Auswahl:

Der 13-jährige Franz Liszt war in Paris die Sensation, überall war das Bild des Knaben ausgestellt. Aber das Konservatorium weigerte sich, »le petit Litz«, wie man ihn in Paris nannte, aufzunehmen. Zur Begründung führte der Direktor Luigi Cherubini, ein Italiener, der Paris zu seiner Wahlheimat gemacht hatte, an: »Er ist ein Österreicher, ein Deutscher!« Tatsächlich war in den Statuten des Konservatoriums festgelegt, keine »Ausländer« aufzunehmen. Auch César Franck wurde als Ausländer abgelehnt. Er war in Lüttich geboren, das damals zum Königreich der Vereinigten Niederlande gehörte. Doch ein Jahrzehnt später machte Cherubini eine Ausnahme, nachdem der Kölner Jacques Offenbach, der damals noch Jakob hieß, auf dem Cello vorgespielt hatte. Das war im November 1833. ▶Name, geänderter

Schon zuvor hatte man hin und wieder ein Auge zugedrückt. So waren 1798 der Deutsche Friedrich Kalkbrenner und 1819 sein Landsmann Franz Hünten angenommen worden. Wem das geglückt war, den »ermutigte« Cherubini mit den Worten: »Sie müssen noch lange üben, ehe Sie begreifen, dass Sie völlig talentlos sind!«

Im Jahr 1854 schrieb einer der größten Musikverleger an Josef Joachim Raff: »In meinem Debut brauche ich viel Sortiment, muß Ihnen aber leider die Versicherung geben, daß Ihre Werke darin nicht vorkommen … Was die Leute von Ihrer Violinsonate halten werden, kümmert mich nicht. Ich werde sie weder hören noch drucken. Von Brahms habe ich nichts genommen, wohl aber denselben gehört und daraus die Ueberzeugung gewonnen, daß er weder Pianist noch Komponist ist, und daß seine Sachen nicht gehen werden.«

Am 7. März 1928 wurde in New York eine Abendgesellschaft zu Ehren Maurice Ravels veranstaltet, der an diesem Tag 53 Jahre alt wurde. Ravel hatte gerade eine Konzerttournee durch die Vereinigten Staaten hinter sich und wünschte sehnlichst, George Gershwin zu begegnen. Die Feier kam auf Initiative von Éva Gauthier zustande und wurde bekannt wegen eines Fotos, auf dem die illustren Partygäste zu sehen sind: neben Éva Gauthier am Flügel Ravel, die Dirigenten Oskar Fried und Manoah Leide-Tedesco, natürlich Gershwin und ein paar weitere Gäste. Gershwin spielte wie immer den ganzen Abend, was schon erwartet wurde, wenn er anwesend war. An diesem Abend bat er Ravel um Unterricht, der diesen verweigerte mit dem Hinweis, ein Gershwin brauche kein zweiter Ravel zu werden.

▶Irrläufer

Konrad Huschke, Musiker, Maler und Dichter als Freunde und Gegner, Leipzig 1939, S. 213.

Hanspeter Krellmann, George Gershwin, Reinbek 1988, S. 56f.

Abgrund, mystischer Die heute übliche Sitzordnung der Musiker eines Orchesters geht auf den Kapellmeister und Komponisten Carl Maria von Weber zurück. Bis dahin war es üblich, dass die Bläser vorn und die Streicher hinten saßen. Der 18-Jährige veränderte dies radikal: Bei ihm saßen rechts bis zur Mitte die ersten Geigen, Flöten, Oboen, Hörner, Celli und der Kontrabass, links vom Dirigenten die zweiten Geigen, Klarinetten, Fagotte und hinten in der Mitte die restlichen Blechbläser, die Pauken und das Schlagzeug.

Mit der neuen Anordnung steht die Einführung des Taktstocks im Zusammenhang, auch sie war Webers Werk. »Bis dahin hatten die Dirigenten nach italienischer Art nur am Clavier sitzend das Orchester geleitet und blos mit der Hand in schwierigen Stellen oder bei Einsätzen den Takt sichtlich markirt, so daß die eigentliche momentane Leitung des Orchesters wegfiel, dieses daher dem ersten Geiger zu folgen hatte und jede feine Nuancirung nach den Intentionen des Capellmeisters, jede Unterstützung des Orchesters durch denselben erschwert wurde. Bei der Form der italienischen Oper war dieß thunlich, die deutsche verlangte eine größere seelische Beeinflussung durch den Dirigenten, und deshalb begann Weber seinen bewährten Taktstock vom ersten Tage seiner Wirksamkeit an zu handhaben, obwohl auch diese Neuerung, welche die Mitglieder der Capelle zwang, ihre Aufmerksamkeit in anstrengender Weise fortwährend zwischen ihren Parthien und dem Dirigenten zu theilen, beträchtliches Murren erregte.«

Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts hatten das Cembalo und das Pianoforte ihre Bedeutung und Funktion als Continuo-Instrument verloren und verschwanden allmählich aus dem Orchester. Recht lange wurden die tiefen Streicher noch direkt vor den Dirigenten gesetzt. Langsam bildete sich die sogenannte deutsche Sitzordnung heraus, nach der die Streicher am Bühnenrand um den Dirigenten platziert wurden, und zwar von links nach rechts: erste Geigen, Celli, Bratschen, zweite Geigen, Kontrabass.

Bei der »Furtwänglerschen« Sitzordnung sind die Celli und Bratschen vertauscht.

Die »amerikanische« Sitzordnung geht auf den Dirigenten Leopold Stokowski zurück. Hier sitzen die Streicher am Bühnenrand im Uhrzeigersinn um den Dirigenten herum: erste und zweite Geigen, Bratschen, Celli und Kontrabass. Diese Variante hat sich dann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem im Zuge moderner Tonaufzeichnungen auch in Europa durchgesetzt.

Wenn vom Komponisten nicht ausdrücklich anders angeordnet, trifft man heute meist wieder die »Furtwänglersche« Sitzordnung an.

Darüber hinaus gibt es noch eine einzigartige, ungewöhnliche Sitzordnung, die als der »mystische Abgrund« bekannt ist. Richard Wagner bezeichnete so den Abstand zwischen erstem und zweitem Proszenium des Bayreuther Festspielhauses. Das Orchester befindet sich hier hinter einer hölzernen, halbrunden Blende, die den im Orchesterraum erzeugten Schall in Richtung Bühne lenkt, wo er sich mit dem der Gesangsstimmen vermischt. Laut Wagner soll so jede Ablenkung von der Bühne »durch die stets sich aufdrängende Sichtbarkeit des technischen Apparats« unterbunden und die Bühnenillusion verstärkt werden. Der völlig untypische und weltweit einmalige Orchestergraben führt terrassenförmig in sechs Stufen nach hinten bis unter die Bühne und ist für die Zuschauer nicht einsehbar. Der Dirigent sitzt erhöht, aber noch unterhalb der Sichtblende und ist der Einzige im Saal, der die Bühne und das Orchester zugleich überblicken kann. Das hat musikpraktische Folgen, nämlich die von Wagner vorgeschriebene abweichende Sitzordnung der Musiker: Die ersten Violinen, die im Orchester die Führungsstimme haben, sitzen nicht wie üblich links, sondern rechts vom Dirigenten, damit die Schallöffnungen ihrer Instrumente (und nicht die der zweiten Violinen) schräg nach hinten und damit direkt zur Bühne weisen. Spötter bezeichneten den »mystischen Abgrund« als »unsichtbaren Orkus«. Und sicher hat diese seitenverkehrte Anordnung die Dirigenten zumindest anfänglich verwirrt.

▶Orchester ohne Dirigent ▶Primadonnen des Taktstocks ▶Taktstock

Max Maria von Weber: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild in drei Bänden, Leipzig 1864–1866, Bd. 2, S. 82f.

Abklopfen Das Abklopfen während der Orchesterprobe gehört zu den Alltäglichkeiten. Je nach Temperament des Dirigenten, des Orchesters und der Virtuosen bleibt es nicht immer sachlich. Ironie, Schlagfertigkeit, Wortwitz und Sarkasmus fließen oft ineinander.

PAUL LINCKE dirigierte am Festabend eines Ärztekongresses seine Operette Frau Luna. Als nach den ersten Takten der Ouvertüre immer noch gesprochen wurde, klopfte Lincke ab, wandte sich zum Publikum und sagte: »Meine verehrten Herren Doktoren, ich möchte vorschlagen, daß wir die Sprechstunde in die Pause verlegen.«

FRANZ LISZT musste auf einer Orchesterprobe in Altenburg ständig abklopfen, weil der Oboist zu laut blies. Schließlich brüllte er den Musiker an, ob er nicht piano blasen könne. Der erwiderte kleinlaut: »Wenn ich ein Piano blasen könnte, säße ich bestimmt nicht in Altenburg.«

Eine Probe mit der Cellistin Beatrice Harrison, die nicht zufriedenstellend verlief, unterbrach THOMAS BEECHAM mit den Worten: »Madame, Sie halten zwischen Ihren Beinen ein Instrument, das Tausenden Vergnügen bereiten könnte, und alles, was Sie tun, ist dasitzen und es zu kratzen.«

ARTURO TOSCANINI brach eine Orchesterprobe ab mit den Worten: »Meine Herren, es ist Gott persönlich, der mir sagt, wie diese Musik zu klingen hat. Und was tun Sie? Sie stellen sich Gott in den Weg!«

Bei einer Probe klopfte RICHARD STRAUSS ab und erläuterte dem Hornisten eine Passage. Als dieser daraufhin erklärte, man könne die Stelle vielleicht auf dem Klavier spielen, aber niemals auf dem Horn, erwiderte er: »Lieber Freund, Sie können beruhigt sein, auf dem Klavier kann man sie auch nicht spielen.«

Am 12. Mai 1894 hatte RICHARD STRAUSS’ dreiaktiges Werk Guntram in Weimar Uraufführung. Strauss, der die Premiere dirigierte, berichtete in seinen Erinnerungen: »Auf einer der letzten Proben, wo ich [den Sänger Heinrich] Zeller unzählige Male abklopfen mußte, kam endlich [die mit Strauss verlobte Sängerin] Pauline [de Ahna] im 3. Akt mit ihrer ›einwandfrei‹ gekonnten Szene. Trotzdem fühlte sie sich unsicher und beneidete Zeller anscheinend wegen seinem vielen ›Wiederholen‹. Plötzlich hörte sie zu singen auf und frug mich: ›Warum klopfen Sie bei mir nicht ab?‹ Ich: ›Weil Sie Ihre Rolle können.‹ Mit den Worten: ›Ich will abgeklopft haben‹ wollte sie mir den Klavierauszug, den sie gerade in der Hand hatte, an den Kopf werfen, derselbe flog aber zur allgemeinen Heiterkeit dem 2. Geiger [Gustav] Gutheil (dem späteren Gatten der berühmten [Maria] Gutheil-Schoder, die im selben Jahr unter mir als Pamina und Hänsel debütierte) aufs Pult.« Nach einer anderen Version hat Strauss Pauline de Ahna während einer Probe korrigiert, worauf sie den Klavierauszug packte, ins Orchester warf und schrie: »Singen S’ Ihnen Ihren Mist selber!« Noch am selben Abend bat Strauss um ihre Hand.

Richard Strauss: »Aus meinen Jugend- und Lehrjahren«, in: Betrachtungen und Erinnerungen, hrsg. von Willi Schuh, Zürich 1949.

Es kommt auch – höchst selten – vor, dass der Dirigent vom Orchester abgeklopft wird. So geschah es HEINZ UNGER. Der hatte sich in die Probe zu Beethovens fünftem Klavierkonzert derart vertieft, dass er weit in die Mittagspause hinein arbeitete. Der Pianist Artur Schnabel unterbrach ihn:

Mein lieber Heinz Unger,

man hat um eins Hunger.

▶Husten ▶Primadonnen des Taktstocks ▶Schmonzetten ▶Wortspiele ▶Zivilcourage

Abonnementskonzert In der Musik gab und gibt es die Subskription auf Konzerte. Den Ursprung kennt man nicht genau, weiß aber, dass zum Beispiel Wolfgang Amadeus Mozart nach dem Ausscheiden als angestellter Hofmusiker im Fürsterzbistum Salzburg 1781 als freiberuflicher Musiker kommerzielle Sinfoniekonzerte auf Subskription – »Subscriptions-Academien« – veranstaltete. In Musikalienhandlungen legte er Subskriptionslisten auf seine kommenden Konzerte aus, in die man sich eintrug, wenn man diese Konzerte besuchen wollte. Ob Mozart der Erste war, der sich dieser Methode bediente, und ob andere wie etwa Ludwig van Beethoven seinem Beispiel folgten, wissen wir nicht. Ob diese musikalischen Subskriptionen nur unverbindliche Absichtserklärungen oder gar schon juristisch verbindliche Vertragsabschlüsse waren, wissen wir ebenfalls nicht. Es hat aber den Anschein, als habe diese Praxis schon derjenigen der heute üblichen Abonnementskonzerte entsprochen, die eine wichtige Säule des Konzert- und Opernbetriebs darstellen.

▶Crowdfunding ▶Silbersee ▶Subskription

Abschiedssinfonie »Somit lassen Wir die Musici kund und zu wissen, daß Wir künftighin ihre Weiber und Kinder nicht einmal auf 24 Stunden in Esterház sehen wollen und daß diejenigen, denen diese Verordnung nicht behagt, sich melden sollen, um ihre Demission entgegen zu nehmen.« Fürst Nikolaus I. Esterházy war streng mit seinen Musikern. Während der sechs Sommermonate hatten diese keinen Kontakt zu ihren Familien; davon ausgenommen waren nur zwei Sänger sowie der Geiger Luigi Tomasini und Joseph Haydn. Als Grund wurde angegeben, dass für so viele Leute kein Platz sei. Als die Musiker sich beschwerten, weil sie zwei Haushalte zu führen und Heimweh hätten, zahlte der Fürst ihnen ohne Zögern eine Zulage, aber Frauen und Kinder hatten fernzubleiben. Als der Musiksommer 1772 um zwei Monate verlängert wurde, bedrängten die Musiker Haydn, den Fürsten umzustimmen. Haydn versuchte es mit Hilfe seiner neuen Sinfonie op. 45, fis-Moll, und zwar folgendermaßen: Nach kaum hundert Takten machten alle Instrumente auf der Dominante von Fis plötzlich halt. Völlig unerwartet spielten vier Violinen nun ein Thema, das man bisher nicht gehört hatte, schließlich begannen sie zu schleppen und auseinanderzufallen. Dann standen der zweite Hornbläser und der erste Oboist mitten im Spiel auf, packten die Instrumente ein und verließen das Podium. Elf Takte weiter ergriff der bisher unbeschäftigte Fagottist sein Instrument, blies unisono mit der zweiten Geige den Anfang des ersten Motivs, löschte seine Kerze und ging ab. Sieben Takte später folgten der erste Hornist und die zweite Oboe. Jetzt löste sich das Cello von der Bassgeige, mit der es bis dahin gemeinsame Wege gegangen war: Bei einer Wendung – unvermutet setzte Cis als Dominante ein – stand der Cellist auf und verschwand. Die Musik wurde immer schmalbrüstiger, immer dünner. Haydn am Klavier dirigierte weiter, als bemerke er das nicht. Während einiger Adagio-Takte entfernten sich nun der dritte und vierte Violinist sowie der Bratschist. Es wurde finster im Orchester. Nur am Pult von Luigi Tomasini und einem zweiten Violinisten brannten noch die Kerzen. Durch Sordinen gedämpft erklang der Wechselgesang ihrer Geigen, in Terzen und Sexten sich verschlingend und dann wie in leisem Hauch ersterbend. Schließlich waren alle Lichter erloschen, die letzten Geiger aufgestanden und verschwunden. Als Haydn auf Zehenspitzen abgehen wollte, rief der Fürst ihm nach, er habe verstanden. Die Musiker durften abreisen.

Ein Wiener Blatt berichtete 1787, dass die Musiker auf Schloss Esterházy mit den Hausoffizieren in Streit geraten seien und vom Fürsten entlassen werden sollten. Haydn habe den Fürsten aber mit einer Sinfonie gnädig gestimmt, so dass er die Entlassung zurücknahm. ▶Beinamen der Musik

Heinrich Eduard Jacob: Joseph Haydn. Seine Kunst, seine Zeit, sein Ruhm, Hamburg 1952.

Chris Stadtlaender: Joseph Haydns Sinfonia Domestica, Zürich 1990.

Abstieg, sozialer Bevor Gustav Mahler dem Ruf nach Hamburg folgte, war er Operndirektor in Budapest. Dort gehörte er zu den führenden Persönlichkeiten der Hauptstadt und leitete ein reich ausgestattetes Hoftheater: »Als ich in Budapest war, haben mir die Minister ihren Gegenbesuch gemacht.« In Hamburg war das anders: »Hier … denkt keiner von den Herren Senatoren daran. Senatoren, Rechtsanwälte, Kaufleute … das ist ein Publikum!« Gegenüber seinem Budapester Freund Ödön von Mihalovich klagte er 1893 zudem über Arbeitsüberlastung: »Es ist unglaublich, was ich hier zusammendirigiere.« ▶Unbeliebt

Kurt Blaukopf: Mahler, Wien 1976, S. 165f.

Achterbahn Im Jahr 1987 misslang der Versuch, Musik von Instrumentalisten in sich schnell bewegenden Maschinen wie Achterbahnen spielen zu lassen. Die Versuchsanordnung stammte von dem Amerikaner Henry Brant, der bereits durch Stücke für gebrauchte Flaschen, Glocken, Feuerwehrsirenen und ein Sinfonieorchester plus einer siebzigköpfigen Zirkuskapelle auf sich aufmerksam gemacht hatte. Aber den Musikern wurde während der Achterbahnfahrt so übel, dass sie das Stück nicht bis zum Ende vortragen konnten.

In einem anderen Experiment ließ Brant seinen Studenten David Jaffe so schnell wie möglich rennen und gleichzeitig die E-Saite der Violine zupfen. Er wollte herausfinden, ob sich schnell bewegende Tonquellen musikalisch interessant sind. Er kam zu dem Schluss, dass sie es nicht sind.

▶Hubschrauberquartett ▶Titel, verrückte

Virginia Anderson:»Henry Brant. Experimental composer who scored for instruments ranging from massed trombones to kitchenware«, in: The Independent vom 2. Mai 2008.

Adressbuch Das Adressbuch Paul Hindemiths aus seinen Berliner Jahren 1927 bis 1938 enthält die Namen, Adressen und Telefonnummern von 234 Personen. Es gibt Aufschluss über die Vernetzung der Musikwelt während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Eine Auswahl:

George Antheil, Paris

Bert Brecht, Berlin

Gottfried Benn, Berlin

Alban Berg, Wien

Alfredo Casella, Turin

Paul Dessau, Berlin

Alfred Döblin, Berlin

Hanns Eisler, Berlin

Wilhelm Furtwängler, Berlin

Walter Gieseking, Hannover

Harald Genzmer, Berlin

Arthur Honegger, Paris

Otto Klemperer, Berlin

Walter Leigh, London

Darius Milhaud, Paris

Nicolas Nabokov, Paris

Francis Poulenc, Noisey

Ida Rubinstein, Paris

Joachim Ringelnatz, Berlin

Artur Schnabel, Berlin

Carl Zuckmayer, Berlin

In dem Adressbuch findet man neben zahlreichen weiteren Personen auch die Reichsmusikkammer und das Untersuchungsgefängnis Moabit, wo Hindemith am 24. Dezember 1933 und am 1. Januar 1934 ein Konzert für die Inhaftierten gab (2 Solostücke für Bratsche von Reger und Bach). Unter den 234 Personen sind 45, die während des Nationalsozialismus verfolgt wurden und mit ihren Angehörigen ins Ausland emigrieren konnten. Hindemith notierte am 16. August 1938 in seinem Taschenkalender: »Letzter Tag in Berlin!«

Christine Fischer-Defoy/Susanne Schaal: Berliner ABC. Das private Adressbuch von Paul Hindemith, Berlin 1999.

Im Jahr 1822 war Paris eine von wenigen Metropolen der Musik. Hier wohnten nach dem Adressbuch des Musikhistorikers Weckerlin folgende Komponisten und Musiker:

Adolphe Adam, élève de l’École royal de musique, répétiteur de solfège, rue Sainte-Croix, no. 1

D.-F.-E. Auber, compositeur-amateur, rue Saint-Lazare, no. 42

Baillot, premier violon de l’Opéra, rue Rochechouart, no. 31

Barbereau, élève et répétiteur de contre-point et fugue à l’École royale de musique, rue Sainte-Avoie, no. 16

Boieldieu, professor du composition à l’École royale de musique, rue du Helder, No. 23

Amédée de Beauplan, compositeur-amateur, rue Saint-Lazare, no. 41

Le chevalier Caraffa, compositeur dramatique, boulevard Montmartre, no. 10

Champain, compositeur dramatique, rue Sainte-Anne, no. 14

Cherubini, professeur de composition à l’École royale de musique, rue du Faubourg-Poissonnière, no. 19

Gilbert Duprez, compositeur, rue Christine, no. 8

Fétis, professeur de piano, de contre-point et fugue à l’École royale de musique, rue Cadet, no. 9

Garcia, acteur du Théatre-Italien, rue Richelieu, no. 93

Gossec, maitre de musique pour le service du théâtre de l’Académie royale des Beaux-Arts, rue de Marivaux, no. 1

Habeneck ainé, directeur de l’Opéra, rue des Filles-Saint-Thomas, no. 21

Halévy, professeur de solfège à l’École royale de musique, élève de M. Cherubini, rue Saint-Avoye, no. 23

Hérold, compositeur dramatique, pianiste de l’Opéra-Italien, rue Marivaux, no. 13

Herz, professeur de piano, rue Joubert, no. 24

Rodolphe Kreutzer, professeur à l’École royale de musique, rue de Provence, no. 45

Lesueur, compositeur, rue Sainte-Anne, no. 18

Moschelès, compositeur de musique, rue Notre-Dame-des-Victoires, no. 7

F. Paer, compositeur de la musique de roi, place des Victoires, no. 10

J. Pleyel, compositeur, rue Grange-Batelière, no. 13

Reicha, professeur à l’École royale de musique, rue de la Corderie, no. 2

Rouget de Lisle, compositeur, rue Notre-Dame-des-Victoires, no. 46

Sarrette, fondateur et ancien directeur général du Conservatoire, rue du Faubourg-Poissonnière, no. 7

Viotti, ex-directeur de l’Opéra, rue Neuve-des-Mathurins, no. 44

Zimmermann, professeur de piano et de contre-point à l’École royale de musique, rue Saint-Louis-au-Marais, no. 64

▶Nestflüchter

Jean-Baptiste Weckerlin: Musiciana, Paris 1877, S. 66ff.

A-Dur – den Lichtstrahl erklimmend Nach Hermann Beckh erreicht A-Dur mit seinen drei Kreuzen die höchste Höhe im Tonartenkreis, ist aber auch der Beginn des Abstiegs, wie die Sommersonnenwende im Jahresverlauf. Die Tonart sei wie die Sonne, wenn sie »den Höhepunkt ihrer sommerlichen Lichtesbahn« erreicht. Das war nicht immer so. Im 17. Jahrhundert war A-Dur »freudig und ländlich«, später gut »für demutsvolle Stücke oder Kirchengesänge« und bei Jean-Philippe Rameau geeignet »für Gesänge der Freude und des Zeitvertreibs«, in denen das Große und Erhabene ebenfalls Raum hatte. Im 18. Jahrhundert wurde die Tonart »Ausdruck der Freude, der Froehlichkeit, des Tanzes. Schoen Sächsischgruen« mit zitronig-erfrischendem Geruch. Die Tonart enthielt »Erklärungen unschuldiger Liebe, Zufriedenheit über seinen Zustand; Hoffnung des Wiedersehens beym Scheiden des Geliebten; jugendliche Heiterkeit, und Gottesvertrauen«. Auch im 19. Jahrhundert blieb sie für Hector Berlioz »glänzend, vornehm und freudig«.

In A-Dur wurde ausgesprochen viel komponiert, im Barock, in der Klassik und in der Romantik. Johann Sebastian Bach bringt in seinen A-Dur-Präludien und -Fugen wie in seiner fröhlichen Violinsonate in A-Dur »frisches gesundes Leben«. Bei Ludwig van Beethoven wird die Tonart in der siebten Sinfonie besonders gehaltvoll. Das Werk wurde am 8. Dezember 1813 bei einem Wohltätigkeitskonzert im Saal der Wiener Universität unter seiner Leitung uraufgeführt – gleichzeitig mit der Schlachtensinfonie Wellingtons Sieg op. 91 –, als der Komponist die Höhe seines öffentlichen Ruhms erlebte, aber schon dramatisch schlecht hörte. Auf der ersten Seite des Petter-Skizzenbuchs notierte er für sich: »Baumwolle in den Ohren am Klawier benimmt meinem Gehör das unangenehm Rauschende.« Die siebte Sinfonie ist trotzdem der schiere Ausdruck der Freude, des Glücks und der Lebensbejahung – in A-Dur. Theodor W. Adorno apostrophierte sie als »die Sinfonie par excellence«.

Franz Schuberts Klaviersonate in A-Dur ist wie Wandern im Sommerlicht und in Sommerschatten. Auch Wolfgang Amadeus Mozart vermittelt in seiner A-Dur-Klaviersonate mit Variationen »pures Licht, Lichtfülle und Ruhe«. Er entwickelte 1755 in seinem Violinkonzert KV 219 in A-Dur eine Schönheit, »die fast schmerzt, weil sie vergehen muss«. Dieser Zusammenhang zwischen Schönheit und Vergänglichkeit beim späten Mozart ist in seinen A-Dur-Werken schon früh untergründig präsent. Über seine im Jahr zuvor fertiggestellte 29. Sinfonie konstatierte Alfred Einstein: »Es ist ein neues Gefühl für die Notwendigkeit der Vertiefung der Sinfonie durch imitatorische Belebung, ihre Rettung aus dem bloß Dekorativen durch kammermusikalische Feinheit. Die Instrumente wandeln ihren Charakter; die Geigen werden geistiger, die Bläser vermeiden alles Lärmende, die Figurationen alles Konventionelle. Der neue Geist dokumentiert sich in allen Sätzen.« Diese Sinfonie steht in A-Dur.

Viele Kammermusikwerke für Klavier und Streicher von Schubert, Brahms und Dvořák sind in A-Dur verfasst. Sie bilden Höhepunkte im Schaffen ihrer Komponisten. Schuberts Meisterwerk ist das Forellenquintett, Brahms schuf sein Klavierquartett op. 26 und Dvořák das Klavierquintett op. 81 in A-Dur. Bereits die englische Erstaufführung in London 1888 verhalf dem Quintett zum internationalen Durchbruch. Bis heute ist es eines der meistgespielten Werke des Komponisten und repräsentiert das Paradigma seiner Kammermusik mit Melodienreichtum, Volkstümlichkeit und spätromantischem Pathos, alles in hellem A-Dur mit eingearbeiteten Zitaten aus dem A-Dur-Werk von Brahms. Saint-Saëns schrieb sein opus 1, die erste Sinfonie, 1850 im Alter von 15 Jahren. Auch er entschied sich für A-Dur und nahm die Einflüsse von Mozarts und Beethovens A-Dur-Werken auf.

Im Tannhäuser ist die Tonart nicht vertreten, aber im Lohengrin macht Richard Wagner A-Dur zur dominanten, zur Rahmentonart. Wagner liebte sie und »schöpfte all ihre Höhen und Tiefen aus«, im Lohengrin-Vorspiel entrückt, »unnahbar unseren Schritten«, und dann weiter im Gralsmotiv, in dem er dem Gralsritter die Tonart zuweist. Aber warum? Vielleicht war es die Lichtfülle der Harmonie A-Dur, denn aus »Glanz und Wonne kam Lohengrin zu den Menschen«. Auch das Spinnerlied im Fliegenden Holländer, das »Leichtgesponnene«, ist in A-Dur gebracht, und Othellos Racheschwur gegen Desdemona, in dem die Sonne als Zeugin angerufen wird, ist ebenfalls in A-Dur verfasst.

Nicht zuletzt hält Robert Schumann seine Musik zu den Versen von Byrons Manfred in A-Dur-Stimmung:

Du schöner Geist, mit deinem Haar von Licht,

und deiner Augen hellem Strahlenglanz.

Du, in deren Gestalt der scheinbar nur der

Sterblichkeit entrückte Reiz der schönsten Erdentöchter

Ins Überirdische sich hebt, in einer Wesenheit von reinen Elementen …

▶a-Moll – das klagende Lied ▶As-Dur – Tod, Grab und Verwesung ▶C-Dur – in wilder Lust über offenen Gräbern ▶cis-Moll – etwas von Mondschein ▶D-Dur – Feuer in die Herzen ▶Dur ▶E-Dur – Zauber der Sommernacht ▶F-Dur – die Pastorale ▶f-Moll – die grabverlangende Sehnsucht ▶Pariser Stimmung ▶Tonarten, Charakter ▶Wirkungen

Hermann Beckh: Die Sprache der Tonart, Stuttgart 1937, 3. Aufl. 1977, S. 117–128.

Friedrich Oberkogler: Tierkreis- und Planetenkräfte in der Musik. Vom Geistesgehalt der Tonarten, Schaffhausen 1987, S. 259–281.

Christian Friedrich Daniel Schubart: Ideen zur Ästhetik der Tonkunst, Wien 1806.

Aelodicon Zwischen 1780 und 1820 wurden zahlreiche neu erfundene Musikinstrumente vorgestellt, mit denen sich eine romantische Vorstellung von der Erweckung der Harmonia Mundi verbindet. Einige wurden von der Glasharmonika (▶Stimme, himmlische) abgeleitet, andere mit verschiedensten Klangeigenschaften – etwa des Bogenklaviers oder der Äolsharfe – verbunden: Aelodicon, Anemochord, Belloneon, Callipson, Chordaulodion, Clavicylinder, Ditanaklasis, Eumelia, Euphon, Glasharfe, Harmonichord, Harmonika, Hydrodaktulopsychicharmonica, Instrument de Parnasse, Kriegsbass, Melodion, Panharmonicon, Panmelodion, Physharmonika, Spirafina, Sticcardo pastorale, Tenorviola, Terpodion, Transponierharmonika, Triophon, Uranion, Xänorphika, Xyloharmonicon, Xylosistron. Doch keinem dieser Instrumente »hat es bis jetzt gelingen wollen, sich ein ständiges Bürgerrecht in unsern Orchestern, eine feststehende Zeile in den Partituren unsrer Componisten zu erwerben«, stellte die Allgemeine musikalische Zeitung 1812 fest. Oft wurden sie nur in wenigen Exemplaren hergestellt, noch seltener sind diese erhalten, so dass sie meist nur in Beschreibungen von Zeitgenossen bewahrt wurden. Nach dem Aelodicon werden hier im Folgenden vorgestellt:

▶Belloneon ▶Ditanaklasis ▶Panharmonicon ▶Terpodion ▶Xänorphika ▶Xylosistron

Das orgelähnliche Aelodicon – auch Aelodikon, Aeolodikon oder Äolodion – ist fast zeitgleich von verschiedenen Mechanikern konstruiert und gebaut worden: »Hr. Reich, Mechaniker aus Fürth bey Nürnberg, mit seinem neuerfundenen Instrumente in der Form eines Klaviers von 6 Octaven, das er: Aeolodikon nennt«, meldete die Allgemeine musikalische Zeitung 1820. Vier Jahre später, am 29. April 1824, heißt es im selben Blatt: »Am 24sten liess sich im Theater an der Wien Herr J. F. Lange aus Cassel mit freyen Phantasieen auf dem Aeolodikon hören.« Es folgt 1824 ein Bericht aus der Ankündigung der Aufführung »zur Empfehlung des Künstlers und des Instrumentes«.

1825 baute auch C. A. Bowitz in Breslau das Aelodicon. 1826 wurde ein Patent auf das Aelodicon erteilt: »Die Orgelbauer Flight und Robson haben neuerlich ein großes Instrument ausgeführt … Ehemahls wurde es durch eine Dampfmaschine in Umtrieb gesetzt … Vielleicht gehört hierher auch das Aeolodikon, auf dessen Entdeckung und Verbesserung d. 1. Aug. 1826 Mich. Jos. Kinderfreund und der Mechaniker Wenzel Balde in Prag ein 5jähr. Priv.[ileg] erhalten haben. Bey diesem Instrumente, durch welches nicht nur eine Harmonie blasender Instrumente, als Flöte, Oboe, Clarinette, Fagott, Waldhorn und Serpent hervorgebracht, sondern auch Streichinstrumente, als Violine, Viola und Violoncell hörbar gemacht werden können, soll 1) jeder einzelne Ton solider, kräftiger und heller angezeigt, 2) durch einen eigenen Mechanismus die Blasebälge ohne das geringste Geräusch in Bewegung gesetzt, und 3) bey der Dauerhaftigkeit des Werkes eine sichere und bleibende Stimmung erzweckt werden.«

1829 gründete der Suhler Maschinen-, Mühlen- und Instrumentenbauer Friedrich Sturm eine Aelodikon-Fabrik, in der er 12 bis 16 Arbeiter beschäftigte. »Der Mechanikus Friedrich Sturm zu Suhl hat vor einigen Jahren ein neues musikalisches Tasten-Instrument, ›Aeolodicon‹ von ihm genannt, erfunden, und gegenwärtig so vervollkommnet, daß es Beachtung verdient. Mehrere Musikverständige von großem Rufe, namentlich die Herrn Spontini, Seidel, Schneider und Möser in Berlin, und andere sachkundige Männer haben über dieses Instrument ein sehr günstiges Urtheil gefällt, und insbesondere sich dahin ausgesprochen, daß dasselbe sehr geeignet sei, in kleinern Kirchen und Bethäusern, so wie in Schulstuben die Orgel zu ersetzen. Auch ist die Einrichtung des Instruments von ihnen für dauerversprechend erklärt worden. Der Preis eines Exemplars von Holz ist 50 Rthlr. und der eines dergleichen mit doppelten Stimmen und in Metall gearbeitet 150 Rthlr. Das Instrument hat ein zierliches Aeußere mit einer Klaviatur von etwa 6 Oktaven Umfang und 2 Pedalen. Der Ton desselben ist sehr angenehm und gleicht in der Höhe der Flöte und Klarinette, in der Mitte mehr dem Horne, in der Tiefe dem Kontrafagott. Dabei läßt sich ein schönes Krescendo und Diminuendo der Töne durch 2 Veränderungen und durch stärkern oder schwächern Druck der Pedale bewirken; auch ist es keiner baldigen Verstimmung unterworfen, indem alles in Metall gearbeitet und sehr dauerhaft ist. Vorzüglich eignet sich dasselbe zu sanften melodischen Tonstücken, wie auch zu Chorälen. Wir machen diejenigen öffentlichen Anstalten und Kirchen-Gemeinen, welche das Bedürfniß einer Orgel haben und zur Anschaffung einer solchen nicht vermögend genug sind, auf diese Erfindung aufmerksam, und empfehlen ihnen den Ankauf des Instruments.« Dies meldete das Amtsblatt für den Regierungsbezirk Marienwerder am 5. September 1832. Sturm stellte 1844 auf der Deutschen Gewerbe-Ausstellung in Berlin aus; einige seiner Instrumente haben sich in Museen erhalten.

Der Instrumentenbauer Carl Friedrich Voit soll bereits vor 1820 vergleichbare Instrumente gebaut haben, die er ebenfalls Aeolikon nannte.

▶Äolsharfe ▶Biofeedback ▶Farblichtmusik ▶Horn Alexanders des Großen ▶Luftmusik ▶Schall im All ▶Sterne, Gesang der ▶Stimme, himmlische ▶Ton, großer ▶Versunkenheit, große ▶Wettermachen

Allgemeine musikalische Zeitung 35 (1833), S. 355.

Amtlicher Bericht über die Allgemeine Deutsche Gewerbe-Ausstellung zu Berlin im Jahre 1844, Bd. 3, Berlin 1845, S. 210.

Geheimes Staatsarchiv Merseburg, Rep. 76 Ve, 9, Abt. 15 c. Nr. 8.

Hans Schneider: Musikinstrumentenbau in Preußen, Tutzing 1994, S. 114.

Systematische Darstellung der neuesten Fortschritte in den Gewerben und Manufacturen und des gegenwärtigen Zustandes derselben, hrsg. von Steph. von Keeß und W. C. W. Blumenbach, Bd. 2, Wien 1830, S. 10.

Affe Als Monteverdis zweiter Sohn Massimiliano im Frühjahr 1622 ins Kollegium des Kardinals Montalto eintrat und in Bologna das Medizinstudium aufnahm, bedankte sich der glückliche Komponist bei der Gönnerin, der Herzogin Caterina von Mantua, und offerierte ihr ein ungewöhnliches Geschenk: »Pater Cesare, mein Schwager, hat mir bei seiner Rückkehr aus Alexandria in Ägypten einen kleinen jungen Affen mitgebracht, den Männer von Stand wegen der außergewöhnlichen Färbung seines Fells bewundert haben. Deshalb fasse ich den Mut, mich Eurer Hoheit zu Füßen zu werfen mit aller ehrerbietigen Zuneigung und bitte Euch, Euch herabzulassen und so gütig zu sein, ihn anzunehmen.«

Bei einem Aufenthalt in Hamburg traf Carl Maria von Weber mit seiner Frau auf Matrosen, die Kapuzineraffen zum Verkauf anboten. »Einer derselben, ein kleiner allerliebster, kaum spannenhoher Capuzineraffe, zeigte sich so liebenswürdig, schnitt so charaktervolle Gesichter, kratzte sich so tiefernst und bedenklich hinterm Ohr, daß Caroline ausrief: ›den muß ich haben, der sieht S… zu ähnlich!‹« Weber erstand den Affen, den er Schnuff Weber nannte und in Hamburg und später in Dresden stets an seiner Seite hatte. Vor allem in Dresden erregte er mit seinem Haustier Aufsehen. Dem zahmen Affen widmete der Bildhauer Joachim Zehme ein Epitaph. Eine Reproduktion des Steins befindet sich heute an der Mauer der Hosterwitzer Kirche Maria am Wasser. ▶Hunde ▶Lisztaffe ▶Papagei

Claudio Monteverdi: Lettere, Rom 1973, S. 197.

The Letters of Claudio Monteverdi, translated and introduced by Denis Stevens, London 1980, S. 244.

Max Maria von Weber: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild, Bd. 2, Leipzig 1866, S. 711ff.

Affenschande Die Begeisterung für die Bayreuther Festspiele hielt sich anfänglich in Grenzen, hier einige der Verdikte: »Als das Bayreuther Festspiel noch im Werden begriffen war, als die werkthätige Begeisterung der Adepten auch kühlere Naturen mit sich fortriss, da konnte man meinen, dass das deutsche Volk mit der Sache zu schaffen habe. Aber nein, nein und dreimal nein, das deutsche Volk hat mit dieser nun offenbar gewordenen musikalisch-dramatischen Affenschande nichts gemein, und sollte es an dem falschen Golde des ›Nibelungen-Ringes‹ einmal wahrhaftiges Wohlgefallen finden, so wäre es durch diese blosse Thatsache ausgestrichen aus der Reihe der Kunstvölker des Abendlandes«, ereiferte sich Ludwig Speidel am 15. Oktober 1876 im Wiener Fremdenblatt.

Auch andere konnten sich mit Wagners Projekt nicht anfreunden. »Circusspiele«, »Bayreutherbude« und »Nibelungen-Vatikan« lauteten die Urteile. Bei namhaften Kritikern war zu lesen:

»Concilium Bayreuthianum« (W. Mohr, 1872),

»Götzentempel von Bayreuth« (E. E., d. i. Eppenstein, Neues Berliner Tageblatt vom 24. Dezember 1875),

»Der Tempel zu Bayreuth« (Neue Berliner Musikzeitung 1875),

»Bayreuther Schreckenstage« (Echo vom 14. September 1876),

»Bayreuther Köder, auf welchen die deutsche Nation nicht in corpore, sondern nur in sehr vereinzelten Exemplaren angebissen hat« (Neue Berliner Musikzeitung 1874)

▶Ausgeburten des Wahnsinns ff. ▶Wagnerianer, beschimpfte

Ägyptologe 1904 trat Giacomo Puccinis Oper Madama Butterfly ihren Siegeszug an. Der Komponist und seine Frau reisten nun viel durch Frankreich und Italien, Südamerika und Ägypten, wo sie sich feiern ließen. Aus Kairo schrieb Puccini am 18. Februar 1908 an seine Schwester Ramelde: »Die Pyramiden, das Kamel, die Palmen, die Turbane, die Sonnenuntergänge, die Truhen, die Mumien, die Skarabäen, die Kolosse, die Säulen, die Königsgräber, die Feluken auf dem Nil, der Fez, der Tarbusch, die Neger, die Halbneger, die verschleierten Frauen, die Sonne, der gelbe Sand, die Strauße, die Engländer, die Museen, die Tore für den Eintritt in Aida, die Ramses I, II und III und so weiter, der fruchtbare Schlamm, die Katarakte, die Moscheen und Fliegen, die Hotels, das Nildelta, der Ibis, die Büffel, die lästigen Straßenhändler, der Gestank von Bratfett, die Minarette, die koptischen Kirchen, der Baum der Madonna, die Dampfschiffe von Cook, die Esel, das Zuckerrohr, die Baumwolle, die Akazien, die Sykomoren, der türkische Kaffee, die Musikgruppen mit Pfeifenspielern und Trommlern, die Prozessionen, der Basar, der Bauchtanz, die Krähen, die schwarzen Falken, die Tänzerinnen, die Derwische, die Levantiner, die Beduinen, der Kedive, Theben, die Zigaretten, die Wasserpfeife, das Haschisch, Bakschisch, die Sphingen, der immense Ptah, Isis, Osiris haben mir jetzt wirklich den Garaus gemacht, und am 20. fahre ich hier weg, um mich zu erholen. Dein Ägyptologe.«

▶Cheopspyramide

Aida-Trompete Speziell für die Aufführung der Aida hergestellte Fanfarentrompete mit ein bis drei Ventilen in den Stimmungen C, B, H und As. Das Instrument ist anderthalb Meter lang, im Ton glänzend und durchdringend. Verdi hat es Bildern altägyptischer Trompeten nachempfunden. In einer Schilderung Plutarchs fand er den Hinweis, dass die ägyptischen Trompeten an Eselsrufe erinnern würden. Verdi beauftragte den Pariser Instrumentenbauer Adolphe Sax (den Erfinder des Saxophons) mit der Entwicklung dieses Instruments. ▶Beckmesserharfe ▶Gralsglocken-Klavier ▶Wagnertuba

Friedel Keim: Das große Buch der Trompete, Mainz 2005.

Akkordpuls In Le sacre du printemps schockierte Igor Strawinsky das Publikum 1913 mit einem stampfenden Puls aus Wiederholungen eines einzigen dissonanten Akkords, der zudem vollkommen willkürlich betont wurde. Dies trug – zusammen mit der neuartigen Handlung – dazu bei, dass die Uraufführung des Werks zum Skandal geriet. »Die Tänzerinnen zitterten, schüttelten sich, erschauerten, stampften; sie sprangen wüst und unbeherrscht, umkreisten die Bühne in wildem Reigen« – und das bei 212 Wiederholungen.

Alex Ross: The Rest is Noise. Das 20. Jahrhundert hören, München 2013, S. 94.

Alkohol Alkohol war und ist Lebensessenz, Stimulans und zugleich Fluch für viele.

LUDWIG VAN BEETHOVEN starb mit großer Wahrscheinlichkeit an den Folgen seiner Leberzirrhose, bedingt durch täglich reichlichen Alkoholkonsum.

JOHANNES BRAHMS trank gerne und übermäßig Alkohol, als Todesursache ist eine Leberzirrhose weitgehend gesichert. ▶Morbus Brahms

Bis zum Mittagessen trank Franz LISZT nur wenig, dann aber kontinuierlich bis in den Abend hinein. In seinen letzten Lebensjahren kam er auf ein bis zwei Flaschen Cognac sowie zwei bis drei Flaschen Wein – täglich. Dazu gesellte sich gelegentlich ein kleiner Absinth.

FRANZ SCHUBERT hatte schon als 15-Jähriger einen krankhaften Hang zum Alkohol und zeigte mit zunehmendem Alter eine Neigung zu alkoholischen Exzessen.

Völlig dem Trunke verfallen war MODEST MUSSORGSKI. Er musste deshalb den Staatsdienst quittieren. Nach übermäßigem Alkoholkonsum erlitt er im Frühjahr 1881 einen epileptischen Anfall im Hause der Sängerin Daria Leonowa und starb kurz darauf, am 28. März 1881, im Alter von nur 42 Jahren an den Folgen seiner Alkoholabhängigkeit im Sankt Petersburger Nicolai-Militärhospital.

Besonders gut kannte sich MAX REGER mit dem Rausch aus. Schon während seines Militärdienstes soll er ständig betrunken gewesen sein: »Seine Vorgesetzten wussten: Reger kann man nicht auf Wachtposten setzen, man kann ihm kein Gewehr in die Hand geben, wenn einem das eigene Leben lieb war, auf der Schreibstube taugt er auch nichts, zu viele Fehler!, und sogar das Putzen der Latrinen überließ man besser anderen.« Auch als der Komponist schließlich Professor geworden war, ging es mit dem Trinken weiter. Einer seiner Kompositionsschüler, der spätere Dirigent George Szell, berichtet: »Bei Reger habe ich nicht viel gelernt … In seinen Klassen saßen immer 30, 40 Leute, und er selber war ständig betrunken … Öfter erzählte er schmutzige Witze, als dass er uns in Harmonik oder Formenlehre instruierte, und am liebsten ließ er die ganze Klasse draufloskomponieren: Er gab ein Thema vor, dann sollten alle es variieren … Auf diese Art konnte er immer wieder hinter seinem Schreibtisch ein Nickerchen machen!« Max Reger bezeichnete die Jahre 1890 bis 1898 später als seine »Sturm- und Trunkzeit«. Er wusste aber auch: »Im Dusel komponiert niemand, auch das Genie nicht.« ▶Militärdienst, untauglich zum

Alkohol sollen u.a. auch CHRISTOPH WILLIBALD GLUCK, MICHAIL GLINKA, JEAN SIBELIUS, DMITRI SCHOSTAKOWITSCH und WILHELM FRIEDEMANN BACH im Übermaß konsumiert haben. Bach, der nach Ansicht seines Vaters Johann Sebastian Bach der talentierteste Musiker unter den männlichen Nachkommen war, erhielt seine erste Anstellung 1733 als Organist der Sophienkirche in Dresden. Von 1746 bis 1764 war er Musikdirektor und Organist der Marienkirche in Halle, danach hatte er bis zu seinem Tod keine feste Anstellung mehr. Er versuchte durch Unterricht, Konzerte und Komponieren seinen Lebensunterhalt zu verdienen und starb, angeblich dem Alkohol verfallen, völlig verarmt 1784 in Berlin.

Der böhmisch-tschechische Tenor KARELBURIAN war ein Quartalssäufer, der im Suff sogar die Urne seiner Geliebten vergaß. Diese wundersame Geschichte von der Urne, in der er die Asche seiner in New York überraschend verstorbenen Geliebten nach Europa schaffte, erzählt sein Sängerkollege Leo Slezak, der mit ihm an der Metropolitan Opera in New York engagiert war, in seinen Memoiren: »In Prag, am Masaryk-Bahnhof, erwartete ihn sein Bruder Jan, der Bassist des Tschechischen Nationaltheaters. Die Brüder gingen von dort unverzüglich in ein berühmtes Pilsener Bierhaus, das in Verbindung mit einem Selcherladen ein Wahrzeichen von Prag bedeutete. Es ist selbstverständlich, daß nach monatelanger Entbehrung in Amerika seine Sehnsucht nach den Prager Selchwaren, die einzig in der Welt dastehen, so übergroß war, daß er sich vor allem diese Köstlichkeiten, für die die deutsche Sprache keine erschöpfenden Superlative hat, gönnen wollte. Marschenkas Urne wurde mitten auf den Tisch gestellt, und die ganze Unterhaltung drehte sich nur um sie, um ihre unwahrscheinlichen Vorzüge, wobei viele Tränen vergossen und diese mit vielen Bechern wunderbarsten Pilsener Bieres ersetzt wurden. Nachdem bereits eine gehobene Stimmung sich eingestellt hatte und statt einer schon drei Urnen auf dem Tisch waren und beim besten Willen keine Selchererzeugnisse mehr vertilgt werden konnten, entschloß man sich, ein anderes, ebenso berühmtes Bierhaus auf der Kleinseite aufzusuchen, wo das Pilsener noch um 50 Prozent besser sein sollte. Man ließ einen Einspänner kommen, nahm Marschenka auf den Arm und fuhr auf die Kleinseite. Dort gab man sich weiter dem Genuß des Bieres hin, frischte fröhliche Erinnerungen aus der Jugendzeit auf; bei jedem frischen Glas wurde mit der Urne angestoßen, um Marschenka leben zu lassen. Die Brüder sahen sich schon vierfach, die Urne sechsfach, und da entschloß man sich, in ein Vergnügungslokal zu gehen, welches in der Gesellschaft verpönt ist. Dort angekommen, fanden sie es nicht luxuriös genug und gingen nach einem kurzen Verweilen in ein anderes. Das wiederholte sich einigemale, bis sie endlich den Wunsch hatten, nach Hause zu gehen. Am nächsten Morgen erwachte Karl Burian mit einem riesigen Kater und stellte mit Entsetzen fest, daß seine Marschenka nicht da war. Trotz allem schärfsten Nachdenken gelang es ihm nicht, sich zu besinnen, wo er sie gelassen haben könnte … nach reiflichem Überlegen wurde in allen deutschen und tschechischen Blättern folgende Notiz aufgegeben: ›In einem Vergnügungslokal wurde eine Blechbüchse wertvollen Inhalts vergessen. Da der Betreffende mehrere solcher Vergnügungslokale aufgesucht hat, deren Namen und Adressen ihm entfallen sind, bittet er an die Administration des Blattes um zweckdienliche Mitteilung, die bei Übergabe dieser Blechbüchse hoch belohnt wird.‹ Am nächsten Morgen bekam er von der Geschäftsleitung der Lidowé Noviny die Mitteilung, daß die Büchse im Lustbarkeitssanatorium ›Napoleon‹, Wodickova 28, hinterlegt sei und dem Besitzer zur Verfügung stehe. Burian warf sich in einen Wagen und raste ins ›Napoleon‹. Dort hatte die Äbtissin des Etablissements die Büchse bereits mit dem Büchsenöffner aufgemacht, um nach dem in der Zeitung so bombastisch hervorgehobenen wertvollen Inhalt zu forschen. Obwohl ein Drittel Marschenkas verschüttet war, freute sich Burian, daß er sie wenigstens zum Teil wiederhatte, entrichtete seinen Obolus und fuhr direkt auf den Friedhof, wo er sie [in seinem Familiengrab] gleich beisetzen ließ, damit er nicht noch einmal in Versuchung komme, die Arme wieder an einem Ausflugsort suchen zu müssen. Von da ab ging es leider mit ihm rapide bergab, und nach kurzer Frist ist er an Delirium tremens gestorben.«

Leo Slezak: Mein Lebensmärchen, München 1948, S. 157–162.

Ursache für den Tod des mexikanischen Geigers, Komponisten und Dirigenten SILVESTRE REVUELTAS war vermutlich zu viel Alkohol, mit dem er 1940 den Erfolg seines Werkes La noche de los mayas gefeiert hatte. Presseberichte aus jüngster Zeit über übermäßigen Alkoholkonsum von Musikern und Dirigenten sind rar. Eine Ausnahme ist die Meldung der Mainzer Zeitschrift Das Orchester vom August 1959, dass der Generalmusikdirektor der Ostberliner Staatsoper Unter den Linden und des Leipziger Gewandhauses einen Monat lang nicht am Pult der Staatskapelle erscheinen solle. »Der Nationalpreisträger Professor Franz Konwitschny hat sich damit einem Ultimatum der Orchestermusiker gebeugt, das durch sein Verhalten während eines Gastspiels der ›Deutschen Staatsoper‹ [sic!] in Prag provoziert wurde: Vor einer ›Elektra‹-Aufführung nahm der Dirigent soviel Alkohol zu sich, daß er den Eingang nur mit fremder Hilfe finden konnte. Das Orchester brachte die Aufführung trotz mancher falscher Einsätze der Solisten aus eigener Kraft zu einem passablen Ende.« Spätestens von da an trug Konwitschny den Beinamen Kon-Whiskey. Aufgrund eigener Erfahrungen und der Ergebnisse neuer Studien, wonach 25 bis 30 Prozent der heutigen Orchestermusiker regelmäßig Alkohol und andere Drogen zu sich nehmen, meinte der Wagner-Sänger Roland Wagenführer: »Würde man heute eine Dopingkontrolle an den großen Opernhäusern durchführen, könnte nirgendwo zwischen New York und Wien eine Vorstellung stattfinden.« Andererseits: Einige der eklatantesten Musikorgasmen der Geschichte stammen ausgerechnet von einem Mann, der Alkohol nicht anrührte: Maurice Ravel.

▶Alkoholverbot ▶Dirigent, besoffener ▶Knillitäten ▶Krankheiten und Todesursachen ▶Pille, Promille, Rituale ▶Selbstmord ▶Stimulanzien ▶Stunde, letzte ▶Witze ▶Zunge in der Weinkanne

Adolf Braun: Krankheit und Tod im Schicksal bedeutender Menschen, Stuttgart 1934.

Gregor Dolak:»Pils und Pillen fürs hohe C«,in: Focus Magazin vom 14. April 2008.

Wilhelm Lange-Eichbaum/Wolfram Kurth: Genie, Irrsinn und Ruhm. Bd. 2: Die Komponisten, 7., völlig neubearb. Aufl. von Wolfgang Ritter, München/Basel 1985.

Thomas Vitzthum, »Jetzt hat auch die Klassik ein Drogenproblem«,in: Die Welt vom 29. Mai 2008.

Alkoholverbot