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Nach wie vor gibt es an deutschen Hochschulen sehr viel weniger Professorinnen als Professoren. Christine Färber zeigt in ihrer auf zahlreichen Interviews basierenden Studie, dass eine wichtige Ursache hierfür die Berufungsverfahren sind. Selten gibt es einheitliche Regelungen zur Gleichstellung. Die Auswahlkriterien sind oft nicht transparent. Entscheidend sind immer noch informelle Netzwerke, in denen vorwiegend Männer vertreten sind. In einem Vergleich der rechtlichen Regelungen einzelner Hochschulen und der Länder verdeutlichen die Autorinnen, wo Handlungsbedarf besteht.
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Seitenzahl: 598
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LESEPROBE
Färber, Christine; Spangenberg, Ulrike
Wie werden Professuren besetzt?
Chancengleichheit in Berufungsverfahren
LESEPROBE
www.campus.de
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E-Book ISBN: 978-3-593-40438-7
Berufungsverfahren sind für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine große Hürde. Das konnte ich als Frauenbeauftragte der Freien Universität in den neunziger Jahren von der auswählenden Seite bei ungefähr 80 Verfahren beobachten. Als Sprecherin der Hochschulfrauenbeauftragten konnte ich die Berufungskulturen anderer Hochschulen kennen lernen und begann, mich für die Strukturen und Steuerungsinstrumente zu interessieren.
Nach meiner Zeit als Frauenbeauftragte arbeitete ich in meinem Unternehmen mit mehr als 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die eine Professur anstrebten. Ich war beeindruckt von ihrer Qualifikation, aber auch von den Einzelschicksalen, die aus manchen dieser Frauen und Männer Professorinnen und Professoren machten, aus anderen nicht. Dabei spielte die Gestaltung der Berufungsverfahren eine große Rolle, denn manche bekamen trotz großer Qualifikation nie eine echte Chance.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat es mir ermöglicht, Berufungsverfahren wissenschaftlich auf den Grund zu gehen. 43 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben mir ihr Vertrauen geschenkt und ihre eigenen Erfahrungen geschildert. Ulrike Spangenberg führte die rechtswissenschaftlichen Analysen durch. Der Campus-Verlag stellt die Übersicht aller Regelungen im Internet zur Verfügung. Die Hans-Böckler-Stiftung förderte die Publikation. Für all dies herzlichen Dank.
Das Buch soll helfen, Rechtsgrundlagen und das Qualitätsmanagement der Hochschulen für Berufungsverfahren so zu gestalten, dass sie Chancengleichheit eröffnen. Es soll Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten ebenso wie Berufungskommissionen ihre Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. Nicht zuletzt soll es für Bewerberinnen und Bewerber die Black Box Berufungsverfahren erhellen.
Christine Färber
Ziel: Die Studie leistet eine Analyse der praktischen Gestaltung von Gleichstellung in Berufungsverfahren an deutschen Hochschulen und identifiziert Handlungsmöglichkeiten zur Förderung der Berufung von Frauen.
Design: Die Studie besteht aus zwei empirischen Teilen, einer qualitativen Interviewstudie und einer Dokumentenanalyse. Die gleichstellungsrelevante Verfahrenspraxis wurde in Expertinnen- und Experteninterviews mit 10 Berufungskommissionsvorsitzenden, 13 Frauen- bzw. Gleichstellungsbeauftragten sowie mit 15 Bewerberinnen und 5 Bewerbern auf Professuren erfasst. Die Dokumentenanalyse untersucht in einer Vollerhebung Verfahrensregelungen für Berufungen auf die Verankerung von Gleichstellungszielen und -maßnahmen.
Ergebnisse: Die Reform der Berufungsverfahren ist bisher nicht systematisch und mit Priorität auf Gleichstellung ausgerichtet. Die Interviewstudie zeigt, dass zurzeit Intransparenz und Unübersichtlichkeit, männerdominierte Auswahlgremien und Bewertungssysteme informelle Netzwerke stärken, die Frauen tendenziell ausschließen. Die Auswahlkriterien werden oft im Verfahren männlichen Favoriten angepasst. Lebensalter oder Zahl der Publikationen und Höhe der Drittmittel werden nicht selten als scheinobjektive Kriterien genutzt, ohne dass ein möglicher Gender-Bias Berücksichtigung findet.
Es gibt bei der konkreten Verfahrensgestaltung viele Möglichkeiten, die Berufung von Frauen zu unterstützen. Sowohl die Verfahrensabläufe als auch die Kommunikation und die Ausgestaltung der Auswahlkriterien sollten verändert werden, damit Frauen in Berufungsverfahren gleiche Chancen erhalten.
Dem Befund der Benachteiligung von Frauen in Berufungsverfahren steht das überwiegende Selbstbild von Berufungskommissionen gegenüber, |10|neutral zu handeln und Chancengleichheit zu gewährleisten. Daher ist eine Steuerung der Gleichstellung in Berufungsverfahren durch die Hochschulleitungen und die Politik erforderlich.
Die Dokumentenanalyse der Regelungen zu Berufungsverfahren zeigt, dass Gleichstellungsaspekte uneinheitlich und suboptimal verankert sind: Insbesondere Anforderungen der Gleichstellungsgesetze sowie hochschulinterne Gleichstellungsbestimmungen werden unzureichend in Regelungen zu Berufungsverfahren aufgenommen.
Diskussion: Die Studie schließt eine Lücke in der Forschung, indem sie Verfahrenspraxis und Verfahrenssteuerung bei Berufungen untersucht. Sie bietet einen Beitrag zur Hochschulforschung, die bei der Erforschung von Berufungsverfahren bisher Gleichstellung weitgehend ausgeblendet hat. Die Akteurinnen und Akteure der Wissenschafts- und Hochschulpolitik können die Ergebnisse für eine Verbesserung der Qualität von Berufungsverfahren nutzen. Bewerberinnen und Bewerber erhalten Einblick in das, was sie in Berufungsverfahren erwartet.
Schlussfolgerungen: Die Berufung von Frauen kann gezielt durch ein professionelles, gleichstellungsorientiertes Qualitätsmanagement der Verfahren gefördert werden. Die Hochschulen, die Bundesländer und der Bund können die Berufung von Frauen durch eine Verbesserung der Rechtsetzung und eine Integration der gleichstellungsrechtlichen Regelungen in Berufungsleitfäden fördern. Diese verfahrenstechnischen Maßnahmen allein reichen aber nicht aus. Zur verstärkten Berufung von Frauen ist ein grundlegender geschlechterpolitischer Kulturwandel in Berufungsverfahren erforderlich, der in einem überschaubaren Zeitraum nur durch die Etablierung von Ergebnisquoten herbeigeführt werden kann.
Wie werden Professuren besetzt? Welchen Verfahren müssen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterziehen, um in Deutschland eine Professur zu erreichen? Und wie kommt es dazu, dass in Deutschland so wenige Frauen als Professorinnen berufen werden? Diese Fragen sind besonders aktuell, weil im hochschulpolitischen Reformprozess in Deutschland die Personalstruktur und die Berufungsverfahren grundlegend verändert werden. Doch bringen diese Reformen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern faire Wettbewerbsbedingungen und akzeptable Verfahren? Die vorliegende Studie untersucht mit empirischen Methoden, wie Berufungsverfahren gestaltet werden und wo unter den Aspekten der Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit Veränderungsbedarf und Verbesserungsmöglichkeiten bestehen.
Die Politik sowie alle wichtigen Wissenschaftsorganisationen befassen sich mit der Frage, wie die Hochschulen Berufungen verbessern und ihrem Gleichstellungsauftrag besser nachkommen können. Über die Repräsentanz von Frauen auf Professuren in der Bundesrepublik Deutschland liegen durch die kontinuierliche Berichterstattung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung differenzierte Daten vor.1
Tabelle 1: Frauenanteil bei Berufungen an Universitäten nach Bundesländern 1997–2002
Quelle: Bund-Länder-Kommission 2003, S. 77.
Quantitative Analysen im internationalen Vergleich besagen, dass Professorinnen in Deutschland besonders stark unterrepräsentiert sind (European Commission 2003). Bei den Studierenden ist inzwischen von einer zumindest zahlenmäßigen Gleichstellung auszugehen, doch bei den Professuren hat der Frauenanteil erst vor kurzem die Zehn-Prozent-Marke überwunden. Zwischen den einzelnen Bundesländern bestehen große Unterschiede, was die Berufung von Frauen betrifft (vgl. Tabelle 1). Dies lässt |13|auf einen Einfluss der landesrechtlichen Regelungen und der Geschlechterkultur der Bundesländer auf die Berufungsverfahren schließen.
Eine große Differenz des Frauenanteils bei Berufungen besteht auch nach Hochschultypen und Fachgebieten (vgl. Tabelle 2). Der Frauenanteil bei Berufenen betrug zwischen 1997 und 2001 noch nicht einmal 16 Prozent. Dies liegt unter dem Anteil der Wissenschaftlerinnen am qualifizierten Potenzial. Der Frauenanteil bei Habilitationen lag im beschriebenen Zeitraum nicht unter diesem Rahmen und erreichte im Jahr 2004 25 Prozent (Center of Excellence Women in Science 2006). Für Stellen an den Fachhochschulen und für Juniorprofessuren ist die Promotion der erforderliche wissenschaftliche Abschluss, dort lag der Frauenanteil weit über dem Anteil an Berufenen, im Jahr 2004 betrug er knapp 40 Prozent (ebd.). Die Künste arbeiten nur teilweise mit wissenschaftlichen Prüfungen und weisen mit über 30 Prozent den höchsten Frauenanteil unter den Berufungen auf. Dies deutet auf Probleme in Berufungsverfahren hin, die aber wenig erforscht sind.
Tabelle 2: Frauenanteil bei Berufungen an Hochschulen vom 1.1.1997–31.12.2001
Quelle: Wissenschaftsrat 2005, S. 98ff. und eigene Berechnungen.
|14|Die Forschungen zum Thema Karrieren von Frauen in der Wissenschaft beziehen sich hauptsächlich auf die Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen. Internationale Arbeiten zeigen, dass die Beurteilung von wissenschaftlicher Leistung über das Geschlecht vermittelt wird: Entsprechend den Arbeiten von Brouns (2000, 2003) werden in manchen Fächern Frauen bei gleichwertiger Leistung als gut, Männer als herausragend bewertet. Vielfältige Forschungen zeigen, wie Exzellenz in der Forschung mit einem Gender-Bias gemessen wird (Rees 2004, Feller 2004, Foschi 2003, 2004, Gupta u.a. 2004). Wennerås und Wold (1997) wiesen in einem viel beachteten Artikel in Nature nach, dass Frauen erheblich höhere wissenschaft-liche Leistungen erbringen mussten, um die gleiche Anerkennung zu finden wie Männer, allerdings konnten so drastische Benachteiligungen in kei-ner anderen Studie nachgewiesen werden (vgl. Wold 2003). Bei der Zuweisung von Förderungen spielte auch die persönliche Bekanntheit mit Gutachtern eine entscheidende Rolle. Der Bericht der Europäischen Kommission »Gender and Excellence in the Making« (2004) zeigt Strukturen wissenschaftlicher Auswahl im internationalen Kontext auf. Auch deutsche Forschungen, wie beispielsweise das Projekt »Wissenschaftskarriere«, untersuchten Karrierewege in die Professur (Krimmer u. a., o. D.). Viele Arbeiten der Genderforschung zeigen damit grundlegende Aspekte des Ausschlusses von Frauen aus der Wissenschaft.
Über Berufungsverfahren im Besonderen liegen wenige wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse vor. Karin Zimmermann (2000) zeigt, dass in Berufungskommissionen oft der Faktor »Passfähigkeit« entscheidet. Beaufaÿs (2001) arbeitet exemplarisch, allerdings nicht für Berufungsverfahren, heraus, wie akademische Disziplinen Leistung und Passfähigkeit konzipieren. Damit lässt sich Passfähigkeit in ihrer jeweils spezifischen Interpretationsfolie für die Geschlechterverhältnisse fachspezifisch erfassen. Die Forschungen zur Situation von Frauen in der Wissenschaft weisen damit auf genderdifferenzierte akademische Relevanzstrukturen und Bewertungssysteme in Berufungsverfahren hin.
Mit dem Ablauf von Berufungsverfahren aus Genderperspektive befasste sich erstmals ein Handbuch für Frauenbeauftragte (Färber u.a. 1992) und nachfolgend das Handbuch zur universitären Gleichstellungspolitik (Blome u.a. 2005). Dabei stehen die Handlungsmöglichkeiten der Frauenbeauftragten |15|im Vordergrund.2 Die Benachteiligung von Frauen bei Berufungsverfahren wurde für die Medizin anhand von Aggregatdaten und Fallbeobachtungen analysiert (Färber 1995, Kaczmarczyk 2006). Dabei wurden nach Subdisziplinen differenzierte Ausgrenzungsmechanismen identifiziert. Steuerungsmöglichkeiten für Gleichstellung an Hochschulen, die Berufungsverfahren einschließen, aber nicht in das Zentrum der Analyse stellen, untersuchten Färber (2000) mit dem Schwerpunkt rechtliche Regelungen und Anreizsysteme sowie Kahlert (2003) mit dem Fokus auf eine systematische Gender-Mainstreaming-Strategie.
Die Hauptkritikpunkte der nicht geschlechtergerechten Auswahlverfahren sind die zahlenmäßige Unterrepräsentanz von Frauen bei den Berufungen gemessen am Frauenanteil des qualifizierten Potenzials sowie eine Benachteiligung von Frauen durch informelle Netzwerke und Intransparenz, was Gutachtensysteme einschließt. Bei gleicher Leistung würden Frauen schlechter bewertet, die Zuschreibung herausragender Qualifikation ginge an Männer. Die Themen, die Frauen beforschten, würden als weniger relevant gewertet, der Habitus von Frauen als weniger karriereorientiert interpretiert werden. Die bisherige Genderforschung zu Berufungsverfahren zeigt, dass Diskriminierung nach Geschlecht selten offen erfolgt. Daher werden strukturelle Aspekte der Auswahlverfahren mit für die Unterrepräsentanz von Frauen an Hochschulen verantwortlich gemacht. An den Berufungsverfahren wird kritisiert, dass sie in der Praxis so gestaltet werden, dass sie Frauen tendenziell ausschließen. Ein Grund wird in der Unterrepräsentanz von Frauen in Berufungskommissionen gesehen.
In der Wissenschaftspolitik wurde die Kritik an der mangelnden Chancengleichheit für Bewerberinnen oft verbunden mit der Kritik an der mangelnden Transparenz und Sachgerechtigkeit der Entscheidungen, wie im Beschluss des 103. Deutschen Ärztetages vom 9. bis 12. Mai 2000 in Köln auf Antrag der Vorsitzenden des Deutschen Ärztinnenbundes (Deutscher Ärztetag 2000), der auf den Auswertungen zu Berufungen in der Medizin basiert:
»Für eine ausgewogene medizinische Forschung und Versorgung der Patientinnen und Patienten sowie eine den Studentinnen und Studenten gerecht werdende Lehre ist es notwendig, dass Lehrstühle ausschließlich unter rein fachlichen Gesichtspunkten besetzt werden und dass insbesondere die Berücksichtigung von |16|Bewerberinnen nicht durch unsachliche Argumentation verhindert wird. Der 103. Deutsche Ärztetag fordert das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, die zuständigen Landesministerien, den Medizinischen Fakultätentag sowie die Fachgesellschaften auf, hier für mehr Transparenz und mehr Chancengleichheit bei der Zusammensetzung von Berufungskommissionen, der Auswahl der Gutachter und Gutachterinnen in Berufungsverfahren, bei Platzierungen auf Berufungslisten und bei den Berufungen von diesen Listen zu sorgen.«
Zusammenfassend stellen die Forschungen zum Gender-Bias in akademischen Bewertungsverfahren im deutschen und im internationalen Kontext einen Doppelstandard fest, durch den Frauen nicht nur nach ihrer Leistung, sondern auch nach Geschlecht beurteilt und deshalb bei Berufungsverfahren nicht angemessen berücksichtigt werden.
In der Personalforschung liegen Erkenntnisse über geschlechterbezogene Aspekte bei der Personalauswahl, Leistungsbeurteilungen und Entgeltbemessungen vor. Es wird davon ausgegangen, dass in der Privatwirtschaft und im Öffentlichen Dienst durch die Aufstellung der Kriterien und die Gestaltung der Verfahren Benachteiligungen für Frauen entstehen. Besonders die Forschungen von Gertraude Krell und Karin Tondorf weisen darauf hin, dass bei wenig standardisierten Auswahlverfahren besondere Probleme bestehen (vgl. Krell 2004). Deshalb ist davon auszugehen, dass auch Berufungsverfahren als besonders komplexe Auswahlverfahren für hoch spezialisierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein hohes Diskriminierungspotenzial bieten.
Berufungsverfahren an staatlichen Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland sind hoch komplizierte Auswahlprozesse für wissenschaftliche Führungskräfte. Durch die Hochschulgesetze des Bundes und der Länder, durch die Satzungen bzw. durch Ordnungen der Hochschulen sowie durch Vereinbarungen der Kultusministerkonferenz wird für Berufungsverfahren ein verbindlicher rechtlicher Rahmen gesetzt.
Traditionell folgen Berufungsverfahren festen Schritten: Den ersten Schritt bildet die Ausschreibung mit vorangehender Struktur- und Ausstattungsplanung und der Festlegung der Auswahlkriterien. Zweitens wird eine Berufungskommission eingesetzt. Es folgt drittens die Auswahl der einzuladenden Personen aus dem Kreis der eingegangenen Bewerbungen. |17|Den vierten Schritt bildet die persönliche Anhörung der Kandidatinnen und Kandidaten, in der Regel mit Vortrag und Gespräch. Bisher machte sich die Kommission an dieser Stelle ein Bild von der Persönlichkeit und Führungsqualität, Kommunikations- und Organisationsfähigkeit der Kandidatinnen und Kandidaten. Im Anschluss werden im fünften Schritt der engste Kreis der auswärtig zu Begutachtenden festgelegt und danach im sechsten Schritt auswärtige Gutachten eingeholt. Im siebten Schritt erstellt die Berufungskommission auf der Grundlage der vergleichenden Gutachten und der eigenen Erfahrungen in den Anhörungen eine Reihung, die in einem Kommissionsgutachten begründet wird. Der Berufungsvorschlag wird in einer achten Stufe in den Gremien des Fachbereichs und der Hochschule beschlossen und durch das Ministerium oder die Hochschulleitung ein Ruf erteilt. Im neunten Schritt erfolgt die Berufungsverhandlung. Das Verfahren ist beendet, wenn eine berufene Person den Ruf annimmt. Diese einzelnen Schritte beinhalten in ihrer konkreten Ausgestaltung eine Vielzahl von Details, die für das Qualitätsmanagement allgemein und für die Gleichstellung von Frauen in Berufungsverfahren im Besonderen relevant sind – und die wissenschaftspolitisch umstritten sind.
Qualitätsmanagement für Berufungsverfahren ist seit der Reform des Besoldungssystems eines der wichtigsten Reformthemen der Wissenschaftspolitik. Die wichtigsten Kritikpunkte an Berufungsverfahren in Deutschland sind nicht vorrangig gleichstellungspolitisch motiviert, sondern reagieren auf andere offensichtliche Steuerungsprobleme. Insgesamt wird bezweifelt, dass durch das Berufungsverfahren die Besten ausgewählt werden. Die Kritik lautet, dass durch das Kooptationsverfahren und die vielfältig verflochtenen Zuständigkeiten keine exzellenten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern eher ein gutes Mittelmaß berufen wird (Schmitt u.a. 2004). Erschütternd in Bezug auf die Akzeptanz des Berufungsverfahrens ist der Befund einer vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh durchgeführten Abstimmung im Internet, nach der 81 Prozent der Teilnehmenden der Ansicht waren, im Berufungsverfahren würden nicht die Besten ausgewählt (CHE 2005). Es gibt weder innerhalb einer Hochschule noch innerhalb eines Bundeslandes oder innerhalb einer Fachkultur einheitliche Verfahren, noch werden innerhalb einzelner Verfahren die einzelnen Bewerberinnen und Bewerber gleich oder gleichwertig behandelt. Dadurch entstehen erhebliche Verfahrensmängel sowie Diskriminierungen, auch von rechtlicher Relevanz. Zusammenfassend gilt das Verfahren als ineffektiv, ineffizient und für die Betroffenen |18|unzumutbar, das Ergebnis bestenfalls als zufällig, eher als unseriös (Schmitt 2004).
Seit 1998 wurden beachtliche Veränderungen bei den Regelungen zu Berufungsverfahren vorgenommen. Die Vorschriften des Hochschulrahmengesetzes und vieler Landeshochschulgesetze wurden verändert, die Hochschulen erhielten mehr Gestaltungsräume. In diesem Reformprozess wurden Empfehlungen des Wissenschaftsrates und weiterer Gremien zur Ausgestaltung von Berufungsverfahren vorgelegt. Von einigen Strukturreformvorschlägen zur Modifikation von Berufungsverfahren werden in den wissenschaftspolitischen Empfehlungen Gleichstellungswirkungen erwartet.
Der Wissenschaftsrat (WR) hat am 20. Mai 2005 ausführliche Analysen und Empfehlungen zur Ausgestaltung von Berufungsverfahren verabschiedet. Er kommt zu dem Schluss, dass die konkrete Ausgestaltung von Berufungsverfahren Einfluss darauf hat, dass Frauen bei der Besetzung akademischer Spitzenpositionen nicht angemessen zum Zuge kommen (WR 2005).
Im Vorfeld der Wissenschaftsratsempfehlung wurden wissenschaftspolitische Empfehlungen zu diesem Themengebiet vorgelegt und Studien beauftragt, die teilweise andere Akzente setzen und bei den Reformbemühungen der Hochschulen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen: Die im Jahr 2004 für das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) von Schmitt u.a. (2004) vorgelegte Studie zu Berufungsverfahren vergleicht das deutsche Berufungssystem mit dem anderer Länder und macht Vorschläge für Innovationen. Eine vom Land Niedersachsen eingesetzte Wissenschaftliche Kommission (2004) setzt in ihren im Dezember 2004 veröffentlichten Empfehlungen zur Qualitätssicherung von Berufungsverfahren andere Schwerpunkte, zum Beispiel schlägt sie eine andere Beteiligung Externer am Verfahren vor. Die Humboldt-Universität zu Berlin (HU) führte ein von der Volkswagenstiftung finanziertes Projekt »Verbesserung des Leitungs- und Entscheidungssystems an der Humboldt-Universität zu Berlin« (LESSY) durch. Ein Schwerpunkt der Arbeit war die Verbesserung der Berufungsverfahren. Das wichtigste Ergebnis dieses Teilprojektes, so der Abschlussbericht des Projektes aus Dezember 2002 (Humboldt-Universität 2002: 56), war ein Leitfaden für Berufungsverfahren, der als Handlungsorientierung für die Berufungskommissionen dient. Ziel ist es, mit dem Leitfaden auf einen optimalen Ablauf von Berufungsverfahren hinzuwirken. Der Leitfaden ist als »Handreichung für die Fakultäten zur Durchführung |19|von Berufungsverfahren« im Internet verfügbar. Er wurde im Juni 2006 grundsätzlich überarbeitet, auch unter dem Aspekt der Gleichstellung (Humboldt-Universität 2006). Er gibt Empfehlungen für fünf Aspekte: für den Beginn des Verfahrens, die Zusammensetzung der Berufungskommission und Gutachten, das Auswahlverfahren, die Erstellung der Berufungsliste und die Dauer des Verfahrens.
Besonders relevant für das gleichstellungsorientierte Qualitätsmanagement von Berufungsverfahren sind die Ausführungen der ausgewählten Empfehlungen speziell zum Thema Gleichstellung. Der Wissenschaftsrat problematisiert die Unterrepräsentanz von Frauen bei Professuren und führt dies auch auf die Gestaltung von Berufungsverfahren zurück. Er verweist darauf, dass Kooptations- und Peer-Review-Verfahren Frauen benachteiligen können und bezieht sich auf die Arbeit von Karin Zimmermann, die Geschlecht als wichtigen Faktor bei Berufungen herausgearbeitet hat. Auch greift der Wissenschaftsrat auf seine Empfehlungen zur Chancengleichheit von Frauen in Wissenschaft und Forschung von 1998 zurück, in denen verfahrensbezogene Aspekte – zum Beispiel die Zusammensetzung von Berufungskommissionen und die Etablierung von Anreizsystemen (WR 1998: 78f.) thematisiert werden. Der Wissenschaftsrat weist darauf hin, dass Ausschreibungstexte geschlechtsneutral verfasst sein müssen (WR 2005: 17). Ebenfalls nimmt der Wissenschaftsrat in dieser Empfehlung darauf Bezug, dass Geschlechterstereotype und Vorurteile, zum Beispiel über die Angemessenheit der Berufstätigkeit von Frauen, die Beurteilung der Leistungen von Wissenschaftlerinnen beeinflussen.
Entsprechend empfiehlt der Wissenschaftsrat die Beteiligung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten bei der Arbeit der Berufungskommissionen und die Repräsentanz von Frauen in Berufungskommissionen. Speziell bei dem Verfahrensschritt »Gutachten« wird auf die Möglichkeit der Benachteiligung von Frauen hingewiesen. Schon in Verbindung mit der Freigabe der Stelle soll die Hochschulleitung die Fachbereiche unterstützen, insbesondere geeignete Wissenschaftlerinnen zur Bewerbung aufzufordern (WR 2005: 59).
|20|Die Wissenschaftliche Kommission Niedersachsen bezieht sich auch auf Gleichstellungsaspekte bei Berufungen: Es »ist in allen Phasen des Berufungsverfahrens darauf zu achten, dass weiblichen und männlichen Bewerbern gleicher Qualifikation gleiche Chancen eingeräumt werden.« (Wissenschaftliche Kommission 2004). Die Kommission empfiehlt, die Beteiligung von Frauen als Mitglieder der Berufungskommission sicherzustellen. Das Niedersächsische Hochschulgesetz sieht eine Beteiligung von 40 Prozent Frauen bei den stimmberechtigten Mitgliedern vor. Es geht nach Meinung der Kommission darum, »dass inhaltliche Gesichtspunkte der Gleichstellung berücksichtigt werden.« (ebd.) Die Kommission verweist dafür auf die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Chancengleichheit von Frauen in Wissenschaft und Forschung aus dem Jahr 1998 und auf den Ergebnisbericht des Workshops der Europäischen Union »Gender and Excellence in the Making« (ebd.):
»So zeigen Untersuchungen, wie sie unter anderem der Wissenschaftsrat seinen Empfehlungen zur Chancengleichheit zugrunde legt, dass gegenüber weiblichen Bewerbern in Berufungsverfahren zum Teil noch Kriterien und Vorstellungen zum Ausdruck gebracht werden, die eine unterschiedliche Wahrnehmung und Bewertung von Bewerberinnen und Bewerbern erkennen lassen. Dahinter stehen im Regelfall keine bewussten Diskriminierungsstrategien, sondern alltägliche Wahrnehmungsweisen, die eine geschlechtsspezifisch unterschiedliche Qualität der Ausfüllung von Berufsrollen unterstellen.«
Die Kommission empfiehlt daher:
»Die Mitglieder von Berufungskommissionen sollten sich zu Beginn ihrer Arbeit die Zeit nehmen, die mögliche Wirkung solcher Mechanismen offen zu diskutieren. Um dabei einen hinreichend differenzierten Sachstand sicherzustellen, kann es hilfreich sein, die zuständige Gleichstellungsbeauftragte um einen Bericht über einschlägige Untersuchungen und den aktuellen Debattenstand zu bitten.«
Außerdem führt die Wissenschaftliche Kommission Aspekte auf, die bei der Beurteilung der Qualifikation nicht nachteilig für die Bewerberin oder den Bewerber verwendet werden dürfen und bezieht sich damit auf die gesetzlichen Grundlagen in Niedersachsen:
Unterbrechung der Erwerbstätigkeit, Reduzierung der Arbeitszeit oder Verzögerung beim Abschluss einzelner Ausbildungsgänge aufgrund der Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen;
Lebensalter oder Familienstand;
Einkünfte des Partners bzw. der Partnerin;
|21|Zeitliche Belastung durch die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen und die Absicht, von der Möglichkeit der Arbeitszeitreduzierung Gebrauch zu machen.
Die im Auftrag des CHE erstellte Studie von Schmitt u.a. stellt an keiner Stelle einen Bezug zum Thema Chancengleichheit her.
Unter Gleichstellungsgesichtspunkten empfiehlt der Wissenschaftsrat auch den Ausbau von Dual-Career-Förderung (WR 2005: 59f.). Das Gremium hält es für erforderlich, den Aspekt der gemeinsamen Karrieren hoch qualifizierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft besser zu berücksichtigen, da »immer häufiger hoch qualifizierte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit in gleichem Maße qualifizierten Partnern zusammenleben«. Es fordert an den Hochschulen und in den Ländern »attraktive Lösungsstrategien zur Bewältigung des Problem zu entwickeln« (ebd.) und verweist auf eine Veröffentlichung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Stifterverbandes zu Dual Career (Deutsche Forschungsgemeinschaft u.a. 2004). Die CHE-Studie von 2004 behandelt das Thema Dual Career im Zuge des wertschätzenden Umgangs mit den Bewerberinnen und Bewerbern. Sie empfiehlt, individuelle Bedürfnisse aussichtsreicher Kandidatinnen und Kandidaten wie Dual Career oder Schulen für die Kinder rechtzeitig und umfassend anzusprechen. Dabei sei zu klären, welche »nicht-monetären Angebote« für die Kandidatin oder den Kandidaten wertvoll sein könnten (Schmitt u.a. 2004). Der Leitfaden der HU verortet das Thema Dual Career bei den Berufungsverhandlungen.3
Der Wissenschaftsrat hatte 1998 Empfehlungen zur Chancengleichheit herausgegeben. Die dort angekündigte Bilanz zur Umsetzung nach fünf Jahren, die im Jahr 2003 fällig gewesen wäre, wurde bisher nicht gezogen, aber 2007 eine neue Empfehlung verabschiedet.
Zusammengefasst betreffen die Empfehlungen von 1998 zur Gleichstellung in Berufungsverfahren in Deutschland folgende Aspekte:
Herstellung von Chancengleichheit und Vermeidung von Diskriminierungen in allen Phasen des Berufungsverfahrens
Beteiligung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten
Frauen in der Berufungskommission
|22|Gender-Qualifizierung der Entscheiderinnen und Entscheider zur durchgängigen Berücksichtigung von Gleichstellungsbelangen bei der Beurteilung wissenschaftlicher Leistungen
Gezielte Aufforderung von Frauen zur Bewerbung
Ausschluss von familienbezogenen Diskriminierungskriterien bei der Beurteilung der Bewerberinnen und Bewerber
Kriteriengestützte Gutachten zur Reduzierung des Gender-Bias
Berücksichtigung von Dual Career
Im Jahr 2007 wurde dieser Aspekt kaum erweitert. Der Wissenschaftsrat formuliert allgemein: „Je personenunabhängiger, transparenter, strukturierter resp. formalisierter ein Verfahren organisiert ist, desto mehr profitieren Frauen davon.“ (WR 2007: 25) Ursache für unzureichende Transparenz sei die „männliche Dominanz“ in den Berufungskommissionen (WR 2007: 25): „Mangelnde soziale Aufmerksamkeit und Sensibilität führen zu Geschlechterdiskriminierung und homosozialer Kooptation.“ (WR 2007: 25). Weitere Ursachen sind ein Gender-Bias in der Bewertung und unklare Qualifikationsdefinitionen, insgesamt sieht der Wissenschaftsrat „subtile und unterbewusste Mechanismen“ (WR 2007: 25) am Werk.
Diese Themenkreise sind langjährig Bestandteil der Gleichstellungsdiskussion und vielfach Gegenstand rechtlicher Regelungen. Die Qualität der Integration von Gleichstellungsaspekten im wissenschaftspolitischen Reformdiskurs zeigt, dass Gleichstellung vom Wissenschaftsrat und von der Wissenschaftlichen Kommission Niedersachsen zwar als Bestandteil der Reform von Berufungsverfahren aufgeführt wird. Der Stellenwert der Gleichstellungsempfehlungen für das Qualitätsmanagement von Berufungsverfahren ist aber in keiner der aufgeführten Empfehlungen ein zentraler. Der Innovationscharakter ist ausgesprochen gering, wie der Rekurs auf die niedersächsische Gesetzeslage oder auf die alten Wissenschaftsratsempfehlungen zeigt.
Das Fehlen der Kategorie Gender in der CHE-Studie macht deutlich, dass ein wichtiger Teil des wissenschaftspolitischen Mainstreams in Deutschland bei der Reform von Berufungsverfahren ohne die Integration von Genderaspekten auskommt. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn die Entwicklung des Leitfadens der Humboldt-Universität zu Berlin |23|betrachtet wird:4 Der Leitfaden beinhaltete in seiner ursprünglichen Fassung von 2002 den Punkt Dual Career, aber keinen Verweis auf das Thema Gleichstellung.
Die Dokumente der Gremiendiskussion der Universität und die Neufassung des Leitfadens von 2006 zeigen, dass Gleichstellung ein wesentliches Ziel der Neufassung des Leitfadens, aber auch ein Streitpunkt bei der Beschlussfassung über den Leitfaden war. Beispielsweise sieht die Frauenbeauftragte ihre Beteiligungsrechte und das Recht der Bewerberinnen auf Einladung eingeschränkt (Humboldt-Universität 2006: 7).
Die Einbeziehung von differenzierten Gleichstellungsaspekten in Berufungsverfahren ist demzufolge an den Hochschulen in Deutschland keine Selbstverständlichkeit. Gleichstellung erscheint als nachrangiges Entwicklungsziel, das nicht von vornherein mit anderen Reformbestrebungen verbunden wird.
Impulse erhält die Diskussion aus der Europäischen Union, aber auch aus den USA. Dort wurde eine Empfehlung zur Veränderung der Berufungsverfahren vorgelegt, vor dem Hintergrund einer höheren Frauenrepräsentanz und einer selbstverständlicheren Gleichstellungskultur. Bei dem National Research Council (NRC 2007) der USA wurde im Jahr 2006 eine Empfehlung verabschiedet, wie Frauen in Berufungsverfahren besser berücksichtigt werden können (NRC 2006). Es stellt fest, dass Frauen mit gleichen Qualifikationen seltener eingestellt werden und seltener Tenure-Track- bzw. Tenure-Positionen erhalten als Männer. Dies wird auf zwei Gründe zurückgeführt: Einerseits darauf, dass Auswahlkommissionen nicht ausreichend auf die Inklusion von Frauen achten, andererseits würden Frauen strenger beurteilt als Männer. Die Empfehlungen des NRC enthalten folgende Strategien zur Berufung von Frauen (NRC 2006: 66, 72): 5
Es ist Aufgabe der Hochschulleitungen, die Bedeutung von weiblichen Professorinnen zu unterstreichen, indem sie hierzu Erklärungen abgeben, eine Frauenkommission einrichten, Aufsicht über die Berufungsverfahren |24|ausüben und Ressourcen zur Verfügung stellen, um Frauen zu berufen und sich aktiv in die Suche der Fachbereiche und Institute nach Kandidatinnen einbringen.
Berufungsverfahren und -maßnahmen sollten verändert und erweitert werden durch die Einrichtung spezieller Professuren für Frauen, die gemischte Zusammensetzung von Berufungskommissionen, stärkere Einflussnahme der Hochschulleitungen und Dekanate und die Auswertung vergangener Berufungsverfahren.
Die institutionelle Politik und Praxis wie Tenure-Fristen, Kinderbetreuung, Beurlaubung, Beschäftigung von Partnern und Training zur Bekämpfung von Diskriminierung sollen verbessert werden.
Die Erfolgsquoten von weiblichen Bewerberinnen sollen durch Karriereberatung, Netzwerke und Qualifizierungsmaßnahmen verbessert werden.
Es gilt Fachbereichspolitik und Verfahrensweisen transparent zu machen, die Anstrengungen zu erweitern, offene Stellen publik zu machen und Ressourcen der Hochschule und der Fachbereiche einzusetzen, um die Berufungsstrategien unter Gleichstellungsgesichtspunkten zu verbessern.
Das NRC unterscheidet nach Handlungsebenen, die nicht eins zu eins auf das deutsche Hochschulsystem übertragen werden können. Dabei wird deutlich, dass im amerikanischen System die Verantwortung für Erfolge und Misserfolge bei Berufungen Funktionsträgerinnen und Funktionsträgern zugeordnet wird, die vom NRC auch direkt adressiert werden. Das NRC verankert die Verantwortung für die Erhöhung des Professorinnenanteils bei der Person der Hochschulleiterin oder des Hochschulleiters, bei den weiteren Mitgliedern der Hochschulleitung, bei den Dekaninnen und Dekanen sowie Departmentleitungen und in der Professorinnen- und Professorenschaft. Die Leitung wird in der Verantwortung gesehen, den hohen Stellenwert der Berufung von Frauen strukturell zu verankern durch Änderungen im Berufungsverfahren, umfassendes Monitoring, Controlling und Anreizsysteme.
Zum Monitoring und Controlling empfiehlt das NRC Strukturen auf Hochschul- und Fachbereichsebene: Es sieht die Leiterin oder den Leiter der Hochschule in der Verantwortung, die Berufungspolitik unter Diversity-Gesichtspunkten zu überwachen und Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten, und sich von einem eigens dafür eingerichteten Komitee unterstützen zu lassen. Die Hochschulleitung ist verantwortlich, »die aktuelle |25|Stellenvergabe in Hinblick auf Gerechtigkeit bei der Allokation von Ressourcen und Vergütung zu überprüfen« und aktuelle Berufungsverfahren und deren Ergebnisse systematisch zu überprüfen und zu bewerten. Auch auf der Ebene der Fachbereiche sollten Berufungsverfahren ausgewertet werden, ebenso der Erfolg bei der Ausschreibung von Stellen. Den Fachbereichen, die Frauen und Minderheiten berufen, könnten Anreize geboten werden. Personalentwicklungsprogramme gegen Geschlechter- und Rassendiskriminierung sollen institutionalisiert werden.
Das NRC empfiehlt, den hohen Stellenwert der Berufung von Frauen auch kommunikativ hervorzuheben: Es wird vorgeschlagen, dass jede Führungsebene wo immer möglich nach außen und innerhalb ihrer Organisationseinheit ihr verbindliches Engagement für die Berufung von Frauen zeigt. Beispielsweise fordert das NRC die Präsidentinnen und Präsidenten auf, »wo immer möglich öffentlich das verbindliche Engagement der Hochschule für Vielfalt und Integration hervorzuheben« und »das Engagement der Hochschule in Treffen mit der Professorinnen- und Professorenschaft zu zeigen« (ebd.). Die Mitglieder der Hochschulleitung werden aufgerufen, den Fachbereichs- und Institutsleitungen gegenüber, und diese wiederum ihrer Professorinnen- und Professorenschaft gegenüber »die Wichtigkeit von Diversity bei Berufungen zu kommunizieren«. Die Fachbereichsleitungen werden aufgefordert, ein frauenfreundliches Leitbild des Fachbereichs zu schaffen – damit ist einerseits das Bild gemeint, dass der Fachbereich nach außen gegenüber Bewerberinnen abgibt, andererseits zielt die Empfehlung auf das Selbstverständnis des Fachbereichs.
Diese Maßnahmen gehen in der Nachdrücklichkeit und auch in vielen empfohlenen Instrumenten über die Empfehlungen des Wissenschaftsrates und der Niedersächsischen Wissenschaftlichen Kommission hinaus, vor allem an dem Punkt, Professuren für Frauen einzurichten (was in Niedersachsen allerdings Praxis ist) sowie in Bezug auf den Einsatz von Ressourcen zur Veränderung von Berufungsverfahren mit dem Ziel der Berufung von Frauen, mit der Systematik des Monitoring und Controlling, sowie der Intervention der Leitung.
Ein weiterer Ansatzpunkt des NRC ist die Förderung promovierender und promovierter Frauen. Dafür wird zum einen empfohlen, dass die Fachbereiche Wege identifizieren, die Belastung des wissenschaftlichen Nachwuchses mit Dienstleistungsaufgaben zu verringern. Zum anderen wird empfohlen, Wissenschaftlerinnen durch Karriereberatung und Mentoring |26|für Berufungsverfahren zu unterstützen, bis hin zur Zusammenstellung der Bewerbungsunterlagen. Letzteres bezieht sich nicht auf die technische Umsetzung, sondern auch auf die gezielte, karriererelevante Unterstützung beim Erwerb der für Berufungsverfahren besonders wichtigen Leistungen. Hier wird die Hauptverantwortung bei den Professorinnen und Professoren verortet, aber die Leitungsebene wird in der Verantwortung gesehen, solche Maßnahmen zu fördern.
Karriereberatung und Mentoring spezifisch mit dem Ziel der Förderung von Frauen in Berufungsverfahren sind wichtige Maßnahmen für den Erfolg von Frauen. Sie stehen strukturell zunächst neben dem Thema Berufungsverfahren. Es gibt aber zwei wichtige Gründe, die Themen in Zusammenhang mit Berufungsverfahren aufzugreifen: Erstens unterstützen solche Maßnahmen Frauen bei Tenure Track und Hausberufungen. Zweitens ist Karriereunterstützung ein zentraler Bestandteil einer glaubwürdigen Gleichstellungsstrategie und daher eine wichtiges Signal, sowohl nach außen an qualifizierte Bewerberinnen als auch nach innen, an den weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchs, sowie an die Gremien, Kommissionen und Hochschulmitglieder, die in Berufungsverfahren mit entscheiden.6
Das NRC legt damit eine umfassende Betrachtung von Berufungsverfahren und Genderaspekten vor, die politische, ökonomische und kommunikative Strategien beinhaltet und bei den Hochschulen sowohl als auswählende als auch als qualifizierende Instanz ansetzt.
Die gemischte Zusammensetzung von Berufungskommissionen und Dual Career sind auch in den deutschen Empfehlungen zu Berufungsverfahren enthalten. Andere Punkte stellen eine Erweiterung der Genderperspektive auf Berufungsverfahren gegenüber den deutschen Empfehlungen dar, vor allem die Verantwortung der Leitungsebene, die kommunikative Verankerung, die Einrichtung von Stellen für Frauen und der Einsatz von Ressourcen zur Veränderung von Berufungsverfahren mit dem Ziel der Berufung von Frauen, vor allem bei der Vereinbarkeit von Familie und Professur sowie bei der aktiven Ansprache von Frauen. Die amerikanische Tradition des Tenure Track und die diesbezüglichen Gleichstellungsempfehlungen weisen auf künftige Problembereiche und Lösungsmöglichkeiten |27|für Deutschland hin, wenn Tenure-Verfahren verstärkt eingeführt werden.
Die meisten der Empfehlungen des Wissenschaftsrates und der anderen Gremien zu Berufungsverfahren beziehen sich nicht explizit auf Gleichstellungsgesichtspunkte. Der Wissenschaftsrat betont aber ausdrücklich, dass die vorgeschlagenen strukturellen Reformen Gleichstellungswirkung entfalten sollen. Er geht davon aus, dass einige Kernbereiche der Reform die Chancengleichheit entscheidend fördern (WR 2005: 6):
»Der Wissenschaftsrat ist davon überzeugt, dass ein durch eine hohe Verfahrenstransparenz und die konsequente Berücksichtung von Qualitätskriterien gekennzeichnetes Berufungsverfahren einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Chancengleichheit von Frauen bei Berufungen leisten wird.«
An späterer Stelle betont der Wissenschaftsrat die Gleichstellungsrelevanz des offenen Wettbewerbs und der Formalisierung der Verfahren (WR 2005: 48):
»Der Wissenschaftsrat ist überzeugt, dass ein formalisiertes und transparentes, auf einer verbesserten Qualitätssicherung und einem offenen Wettbewerb beruhendes Berufungsverfahren auch dazu beitragen kann, die Chancen von Frauen im Rekrutierungsprozess deutlich zu verbessern.«
Auch andere Empfehlungen des Wissenschaftsrates, zum Beispiel zum Gewicht der Lehre und zum wertschätzenden Umgang mit Bewerberinnen und Bewerbern sind Veränderungen, von denen im Dokument gleichstellungsbezogene Auswirkungen erwartet. Allerdings gibt es auch Aspekte wie zum Beispiel die empfohlene Befristung von Professuren bei der Erstberufung, von denen genau eine solche Gleichstellungswirkung nicht zu erwarten ist. Die Wissenschaftsratsempfehlung setzt insgesamt eher auf allgemeine strukturelle Veränderungen und auf Frauenförderung als gleichzeitigen positiven Effekt, nicht auf Geschlecht als eigene Strukturkategorie. Es ist nicht deutlich, welche Gleichstellungswirkung von den Strukturreformen zu einzelnen Verfahrensaspekten erwartet wird. In den folgenden Abschnitten werden daher aus den teilweise konkurrierenden Vorschlägen |28|für die strukturelle Reform von Berufungsverfahren gleichstellungsrelevante Fragestellungen für die empirische Untersuchung herausgearbeitet.
Dazu werden die besonders wichtigen Themen aus den Empfehlungen des Wissenschaftsrates, der CHE-Studie, der Niedersächsischen Kommission und der HU Berlin erfasst, bei denen eine Gleichstellungsrelevanz in den Dokumenten beschrieben wird oder abgeleitet werden kann. Als besonders relevant für die Berufung von Frauen erscheinen die Verkürzung der Verfahrensdauer, die Verbindung der Ausschreibung mit der Strukturplanung, die Einführung von Verfahren ohne Ausschreibung und der Stellenwert von Ausschreibungen für die Berufung von Frauen, die Zusammensetzung der Berufungskommission und die Rolle Externer als Kommissionsmitglieder und Gutachtende, weiter die Transparenz der Verfahren und die Ausgestaltung der Auswahlkriterien. Abschließend werden die Vorschläge für das Qualitätsmanagement unter Gleichstellungsgesichtspunkten betrachtet.
1.4.1 Empfehlungen zur Kürzung der Verfahrensdauer
Uneingeschränkt wichtigster Kritikpunkt in der Literatur zu Berufungsverfahren in Deutschland ist die lange Verfahrensdauer. Die Berufungsverfahren werden als »sehr komplex, aufwändig und langwierig« beschrieben. Effektivität und Effizienz des Verfahrens werden vermisst (Schmitt 2004). Dabei wird auch bemängelt, dass verschiedene Interessengruppen im Verfahren für die Gremien, Kommissionen, Gutachterinnen und Gutachter unterschiedliche Beteiligungs- und Blockadechancen eröffnen (Schmitt 2004). Als Ursachen für das Problem werden Genehmigungs- und Entscheidungsvorbehalte und politische Zielvorgaben von Ministerien, Statusgruppen und Fachdisziplinen beschrieben.
Der Wissenschaftsrat empfiehlt in Übereinstimmung mit allen anderen Stellen, die sich zu Berufungsverfahren äußern, eine erhebliche Verkürzung der Verfahrensdauer. Er dokumentiert auf der Basis einer Befragung, an der sich 157 Hochschulen beteiligten, eine Verfahrensdauer von 1,2 Jahren an Fachhochschulen, von 1,8 Jahren an Universitäten, sollte ein weiterer Verfahrensgang erforderlich sein, von 2,7 Jahren (WR 2005: 27).
Als eine Maßnahme zur Kürzung der Verfahrensdauer schlägt der Wissenschaftsrat vor, dass Berufungen durch die Hochschulen erfolgen und die Hochschulleitung die Verantwortung für den rechtmäßigen und reibungslosen |29|Ablauf bis hin zur Berufungsverhandlung tragen soll (WR 2005: 4). Damit entfällt jedoch eine Instanz aus der Verfahrenskette, die Gleichstellung gesetzlich verankert hat und in der Praxis die Einhaltung der Gleichstellungsbestimmungen kontrolliert. Eine Reform der Entscheidungsstrukturen, die übersieht, dass die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger dem Gleichstellungsgedanken verpflichtet sein müssen, greift gleichstellungsbezogen zu kurz.
Ein zweiter wichtiger Ansatzpunkt, um das Verfahren zu straffen, sind Fristen für einzelne Verfahrensstufen, zum Beispiel die Erstellung von Gutachten oder die Annahme von Berufungsangeboten.7
Die dritte Möglichkeit ist die Parallelisierung von Verfahrensschritten, zum Beispiel im Leitfaden der HU vom Verfahren zur Freigabe der Stelle, Erstellung des Ausschreibungstextes und Einsetzung der Berufungskommission, oder die Einholung von Gutachten zwischen der Entscheidung über Einladungen und den Vorstellungsterminen (Humboldt-Universität 2006: 1, 3).
Eine vierte Möglichkeit ist die Reduzierung des Kreises der Einzuladenden. So sieht zum Beispiel die Humboldt-Universität zu Berlin als straffendes Element eine Reduzierung der Anzahl der Einzuladenden auf fünf Personen vor. Die Frauenbeauftragte sprach sich in den Gremien gegen diese Regelung aus (ebd.). Im Land Berlin ist rechtlich geregelt, dass Bewerberinnen die Hälfte der Einzuladenden stellen sollen, das ist bei einer ungeraden Zahl von Eingeladenen nicht zu leisten.
Fünftens gibt es die Möglichkeit, die Beteiligungsinstanzen und beteiligten Personen an der Hochschule zu reduzieren, zum Beispiel die Verfahren zu straffen, indem Frauenbeauftragte nicht einbezogen werden oder Gremien wie Fachbereichsräte oder Senat nicht mehr zuständig sind.
Verfahrensbeschleunigungen können also dazu führen, dass gleichstellungspolitische Unterstützungsstrukturen reduziert oder Frauen nicht ausreichend in das Verfahren einbezogen werden.
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