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Will Cartridge liebt das Leben. Als Erbe des Woodland-Gestütes muss er sich um Geld kei-ne Sorgen machen. Alles ist für ihn ein Spiel und für die Gefühle anderer Menschen hat er keinen Blick. Das ändert sich, als aus einer dummen Wette heraus der Barkeeper Cory in sein Leben tritt. Cory ist das genaue Gegenteil von Will. Er kämpft jeden Tag ums Überleben. Sein Studi-um an der Tanzakademie ist teuer, der Job in der Bar, mit dem er seinen Lebensunterhalt zu verdienen versucht, zehrt an seinen Kräften. Als Will ihm seine Hilfe anbietet, ignoriert Cory in seiner Not alle Gerüchte um den hübschen Lebemann. Es scheint, als würde für beide eine Zeit der Veränderung beginnen, doch dann muss sich Will mit einem Mal drei Geistern aus seiner Vergangenheit stellen: Seinem Gewissen, seiner Schuld und seinem Schicksal.
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1 - Will
Kapitel 2 - Cory
Kapitel 3 - Will
Kapitel 4 - Cory
Kapitel 5 - Will
Kapitel 6 - Cory
Kapitel 7 - Will
Kapitel 8 - Cory
Kapitel 9 - Will
Kapitel 10 - Cory
Kapitel 11 - Will
Nachwort
Danksagung
Über mich
Impressum
Copyright © 2024 Tanya Carpenter
Tanya Carpenter
Am Heiligenstock 41
35080 Bad Endbach
Publiziert im Selbstverlag
ISBN: 978-3-759234-84-1
Imprint: Independently published
Alle Rechte vorbehalten!
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors
Lektorat: Julia Fränkle
Coverdesign: Fenja Wächter
https://fenjas-coverdesign.de/
Bildrechte: © Kseniya Abramova - stock.adobe.com; © zamphotography - stock.adobe.com; © standret - stock.adobe.com; © ankreative - stock.adobe.com
Diese fiktive Geschichte wurde unter Berücksichtigung der neuen Rechtschreibreform verfasst. Handlung und Personen sind frei erfun-den. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Orte, Events und Markennamen werden in fiktivem Zusammenhang verwendet. Markennamen sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer.
Will & Cory
A Woodland Christmas Carol
Inhalt
Will Cartridge liebt das Leben. Als Erbe des Woodland-Gestütes muss er sich um Geld keine Sorgen machen. Alles ist für ihn ein Spiel und für die Gefühle anderer Menschen hat er keinen Blick. Das ändert sich, als aus einer dummen Wette heraus der Barkeeper Cory in sein Leben tritt.
Cory ist das genaue Gegenteil von Will. Er kämpft jeden Tag ums Überleben. Sein Studium an der Tanzakademie ist teuer, der Job in der Bar, mit dem er seinen Lebensunterhalt zu verdienen versucht, zehrt an seinen Kräften. Als Will ihm seine Hilfe anbietet, ignoriert Cory in seiner Not alle Gerüchte um den hübschen Lebemann.
Es scheint, als würde für beide eine Zeit der Veränderung beginnen, doch dann muss sich Will mit einem Mal drei Geistern aus seiner Vergangenheit stellen: Seinem Gewissen, seiner Schuld und seinem Schicksal.
Für alle Herzen, die noch immer nicht sein dürfen, wie sie sind,
die noch immer Furcht davor haben, zu sich selbst zu stehen.
Ihr seid gut, wie ihr seid. Ihr seid richtig, wie ihr seid.
Love ist love
Brady schüttelte, noch immer fassungslos, den Kopf und kippte seinen fünften Drink – seit Betreten der Bar – hinunter. Das hatte allerdings wenig damit zu tun, dass er heute Nachmittag zehntausend Dollar beim Pferderennen verloren hatte. Auch für ihn waren solche Beträge Peanuts. Genau wie für mich, nur dass ich heute deutlich mehr Glück gehabt hatte. Was musste Brady auch auf die Pferde der Konkurrenz setzen? Selbst schuld.
Die drei Starter aus unseren Woodland-Stables hatten alle gut im heutigen Winter-Cup abgeschnitten. Ein Sieg für Pocahontas DC. Die kleine Schwarze hatte echt Potenzial und würde sich später auch gut in der Zucht machen. Ein bisschen durchgeknallt, aber schnell wie ein Blitz. Red Sober und Fiddlers Green hatten je den zweiten Platz in ihren Rennen belegt. Dagegen war Bradys vermeintlicher Favorit Gin Tonic als Vorletzter ins Ziel gekommen. Ich zog ihn damit auf, dass da der Name wohl Programm war. Wer konnte schon besoffen rennen?
Doch sein Wettverlust erschütterte ihn nicht nennenswert. Sein Gemütszustand rührte von verletztem Stolz, weil er es nicht fassen konnte, dass ich erneut unsere Wette abseits der Rennbahn gewonnen hatte. Eine Wette um ein zweibeiniges Stütchen mit Goldmähne. Oder anders ausgedrückt: ich hatte die als Eisprinzessin verschriene Evelyn Fellows flachgelegt, und von Eis konnte man bei dem, was in meinem Schlafzimmer abgegangen war, weiß Gott nicht reden.
Brady war fest davon überzeugt gewesen, diesmal zu gewinnen, weil er selbst vier Monate versucht hatte, bei ihr zu landen. Ich hatte lediglich zwei Dates gebraucht, um sie in mein Bett zu bekommen. So was kratzte natürlich am Ego meines Freundes.
Dabei machte ich mir nichts vor, wo wohl die Gründe gelegen haben mochten, dass sie so schnell nachgegeben hatte. Es lag zweifellos nur bedingt an meinem Aussehen, auch wenn ich damit sehr zufrieden war. Das dichte schwarze Haar hatte ich von meinem Vater geerbt, der auch jetzt, mit Mitte fünfzig weder ergraut noch lichter geworden war. Die braunen Augen mit den ungewöhnlichen grünen Sprenkeln wiederum verdankte ich meiner Mom. Und ich wusste, dass die meisten Mädels auf mein Sixpack und die durchtrainierten Arme und Beine standen. Für meine Fitness tat ich so einiges. Bewegung war wie eine Sucht für mich. So sehr, dass ich mir auch nicht zu schade war, beim Ställe ausmisten zu helfen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Mitgliedern meiner Familie. Außer Elisabeth natürlich, meine ältere Schwester. Aber die verbrachte sowieso mehr Zeit bei den Pferden als im Haupthaus. Ich fragte nicht, warum. Die Antwort kannte ich auch so. Darin waren wir uns ziemlich ähnlich. Die gefühlskalte Atmosphäre in unserem Zuhause lockte nicht unbedingt zum Verweilen. Unsere Ruhelosigkeit war somit einer Art Fluchttrieb geschuldet, um möglichst wenig Zeit dort zu verbringen. Der Fokus unserer Eltern lag nicht auf Familie, sondern auf Geschäft und Prestige. Aber das war ein anderes Thema.
Jedenfalls war es nicht allein mein Körper, der die Frauen schwachwerden ließ. Genauso wenig wie mein Charakter, wenngleich ich durchaus charmant sein konnte. Auch das Geld war nicht mehr als ein zusätzlicher Anreiz in unseren Kreisen. Geld und gutes Aussehen konnte Brady ebenfalls vorweisen. Darüber hinaus mochte seine Familie zwar nicht die einflussreichste in Baltimore sein, doch sie besaß ebenfalls ein erhebliches Ansehen und Vermögen.
Was es mir im Gegensatz zu ihm allerdings leicht machte, praktisch jede rumzukriegen, war die Tatsache, dass unter den Ladys inzwischen ein richtiggehender Wettstreit herrschte.
Darum, wer von ihnen es wohl schaffte, mir doch noch den Verlobungsring abzuluchsen. Meinem Ruf zum Trotz. Denn ja, den kannten sie alle. Darum sollte mir auch keine sagen, sie wäre nicht gewarnt gewesen oder hätte nicht gewusst, worauf sie sich einließ, wenn sie mit mir anbandelte und schließlich in meinem Bett landete. Sie wussten es alle. Doch gerade dieses Bad Boy Image schien sie magisch anzuziehen. Die Herausforderung, mich zu knacken und Mrs. Cartridge zu werden. Aber da konnten sie lange warten.
Ich hatte nie einer versprochen, ihr einen Ring an den Finger zu stecken. Hatte lediglich diese Hoffnung für mich genutzt, ohne es wirklich beim Namen zu nennen. Aber ein paar kleine Andeutungen und ein wenig Zukunftsträumerei … darauf fielen sie alle rein, weil sie eben gerne daran glaubten, wenn man ihnen die Erfüllung ihrer Träume versprach. Nicht nett von mir? Nein, sicher nicht. Aber es war auch nicht nett, darauf reduziert zu werden, der Erbe des Woodland-Gestüts zu sein. In der Regel interessierte es die Leute nicht, wer ich war, sondern bloß, was ich war. Das kotzte mich an. Aber wenn sie Oberflächlichkeit wollten, dann bekamen sie die auch. Nicht mein Problem.
Wir waren nun mal das Maß aller Dinge im Rennsport. Sogar die britische Queen kaufte Pferde von uns. Wer mit mir liiert war, dem standen alle Türen offen – eben auch die zur ganz großen High Society in der Welt. Durchaus etwas, das in vielen Frauen den Kampfgeist weckte.
Wer letztlich irgendwann einmal davon profitierte, würde vermutlich meine Mom entscheiden und einfädeln. Strategisch sinnvoll natürlich. Irgendeine Fusion, die unseren Geschäften nutzte. Solange ich dann auch weiterhin meine Freiheit behielt und eine Ehe nur auf dem Papier bestand, dazu gedacht, die nächste Generation hervorzubringen, konnte ich mich damit arrangieren. War ich deshalb ein Arschloch? Vielleicht. Auch damit konnte ich leben.
„Wie hast du das nur wieder geschafft? Und dann in nicht mal zwei Wochen?“, wollte Brady wissen. Seine Aussprache war bereits deutlich vom Alkohol gezeichnet. Kein Wunder, er hatte schließlich schon auf der Rennbahn mit den Drinks angefangen.
„Keine Ahnung“, antwortete ich und grinste selbstzufrieden. „Vielleicht sprechen sich einfach meine Qualitäten im Bett rum.“
Brady schnaubte. „Echt, das macht keinen Spaß. Wo bleibt denn da noch der Reiz, wenn du von vornherein weißt, dass du die Tussi kriegst?“
Ich zuckte bloß mit den Schultern. Hatte es überhaupt einen Reiz? Außer, dass mir Sex eben verdammt viel Spaß machte.
„Vielleicht solltest du dir auch zwei oder drei Ponys in den Stall stellen. Bei den meisten Mädels reicht das schon, damit sie bereit für einen Ritt sind.“
Das war nur bedingt ein Spruch, um Brady zu ärgern. Tatsächlich schien auch das Pferdethema immer noch zu ziehen. Zumindest war es stets ein guter Einstieg. Ein bisschen im Stall herumführen, ein paar Zuckerstückchen verteilen und schon lagen sie mit mir im Heu.
Brady fasste mich scharf ins Auge, was ihm dank des Alkoholspiegels nur leidlich gelang, weil er dabei hin und her schwankte. Er deutete mit dem Zeigefinger auf mich und verschüttete dabei ein wenig von dem Whisky in seinem Glas. „Du brauchst mal eine echte Herausforderung. Jemanden, bei dem du nicht bloß mit dem Finger schnippen musst.“
Dafür hatte ich nur ein müdes Lächeln übrig. „Liegt dir so viel daran, dass ich scheitere? Meinst du, ich brauche einen Dämpfer?“
Brady schüttelte so heftig den Kopf, dass ich mir ernsthaft Sorgen um sein Genick machte. „Nein, nein. Aber wenn du schon vorher weißt, dass dein Gaul gewinnt, ist doch die ganze Spannung futsch? Und genau so ist das hierbei auch. Verstehst du?“
„Na, dann such mal eine echte Herausforderung aus“, ermutigte ich ihn und klopfte ihm auf den Rücken. Fraglich, ob er sich morgen früh überhaupt noch daran erinnern würde, was er sich gerade zurechtsponn.
„Das tu ich. Und wir wetten um fünftausend Dollar, ob du es vor Ablauf eines Monats schaffst, ihn reinzustecken.“ Er grinste dreckig und schien mit seiner Idee vollauf zufrieden.
„Oho! Also sozusagen ein kleines Adventsspiel, ja?“
Vorteil für mich, denn um die Weihnachtszeit waren die Mädels irgendwie noch anfälliger für diesen ganzen Romantik-Quatsch und somit noch leichter rumzukriegen.
Ich nippte an meinem Bier. Von den harten Sachen ließ ich heute lieber die Finger, immerhin musste ich später noch nach Hause fahren und morgen früh wieder zeitig auf der Trainingsbahn sein, um die Jährlinge beim Morgenlauf unter die Lupe zu nehmen.
„Was ist? Kneifst du?“
„Absolut nicht. Bin gespannt, wen du aussuchst.“
Zufrieden leerte Brady sein Glas und ließ den Blick bereits durch die Bar wandern. Hoffentlich würde ich es nicht bereuen. Die meisten Ladys hier im Raum waren nicht nach meinem Geschmack.
„Darf ich den Herren noch etwas bringen?“
Ich drehte mich halb auf meinem Hocker um und blickte zu dem Barkeeper, der auf unsere leeren Gläser deutete. Er musste neu hier sein. Brady und ich kamen regelmäßig her, aber ich hatte ihn zuvor noch nie gesehen. Ein hübscher junger Kerl. Mit den schwarzen Haaren, den fast ebenso dunklen Augen und den feinen Gesichtszügen erinnerte er mich an die Mitglieder koreanischer Boybands. Vermutlich einer dieser Studenten, die Rodney, der Inhaber der Bar, regelmäßig beschäftigte. Sie wechselten praktisch mit jedem Semester. Manchmal auch innerhalb dieser, wenn er mit irgendwas unzufrieden war. Er war nicht gerade der verständnisvollste Boss.
„Ich nehme noch ein Bier, und für meinen Kumpel hier …« Kurz überlegte ich, ob ich Brady, der immer noch konzentriert die Lage checkte, auch lieber ein Bier ordern sollte. Oder noch besser ein Glas Wasser. Und einen Kaffee – extra stark. Andererseits war er alt genug, und wenn er meinte, sich betrinken zu müssen, würde ich garantiert nicht seine Mami spielen. Ich musste seinen Kater ja morgen früh nicht ertragen.
„Ich glaube, er nimmt noch einen Whisky.“
„Ein Bier, ein Whisky, kommt sofort.“
Mit einem Lächeln auf den Lippen drehte der Barmann sich um, zapfte ein frisches Bier und griff nach einem mittelpreisigen Whisky. Zweifelnd hob ich die Brauen, weil ich wusste, Brady bevorzugte die teureren Marken. Meine Geste blieb nicht unbemerkt, der Barkeeper zwinkerte mir zu. Als er mein Bier und Bradys Whisky abstellte, beugte er sich zu mir und flüsterte: „Ich glaube nicht, dass er den Unterschied noch merkt. Wäre irgendwie schade um den guten Stoff.“
„Damit magst du recht haben, aber es kostet deinen Boss Umsatz. Wird Rodney nicht begeistern.“
Der Barmann lachte. Ein warmer, angenehmer Laut, der entspannend klang. „Umsatz ja, Gewinn nein. Die Marge ist bei fast allen Whiskys nahezu gleich.“
So hatte ich das noch gar nicht gesehen. Ich prostete ihm zu. Im selben Moment wirbelte Brady schwungvoll herum, verfehlte dabei sein Glas und stieß es um, wodurch sich der Whisky über den Tresen ergoss.
„Na, jetzt wäre es wirklich schade drum gewesen“, konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen. Auf Bradys „Hä“ winkte ich ab und zwinkerte meinerseits dem Barkeeper zu, der – immer noch lächelnd – die Sauerei wegwischte und anschließend kommentarlos ein neues Glas vor Brady abstellte.
„Wohl bekomm’s“, wünschte er ihm, dann wandte er sich wieder den anderen Gästen zu.
Ein paar Mädels Anfang zwanzig waren augenscheinlich ganz hingerissen von ihm und flirteten schamlos, was er charmant erwiderte, dabei aber immer eine gewisse Distanz wahrte. Rodney legte viel Wert auf Professionalität und mochte es nicht, wenn seine Angestellten mit den Gästen Techtelmechtel anfingen.
„Das ist es!“, erklang Bradys Stimme direkt an meinem Ohr. Er hatte sich weit vorgebeugt und lehnte praktisch an meinem Rücken. Sein alkoholgeschwängerter Atem ließ mich würgen. Damit konnte er ein Pferd narkotisieren.
„Kannst du mal ein bisschen Abstand halten?“, zischte ich ärgerlich und schob meinen Freund zurück auf seinen Barhocker. Völlig unbeeindruckt blieb Brady weiterhin auf das andere Ende der Bar fixiert. Eben dort, wo die beiden jungen Frauen saßen, die sich mit dem Barkeeper unterhielten.
„Ich wette, das schaffst du nicht. Nicht in einem Monat. Vielleicht nicht mal in zweien.“
Ich runzelte die Stirn und sah nun auch wieder zu dem Trio hinüber. „Welche von den beiden meinst du?“ Obwohl es nicht wirklich eine Rolle spielte. Wenn Brady eine echte Herausforderung wollte, konnten wir auch um beide wetten. Zusammen. Einen Dreier hatte ich immer schon mal machen wollen.
„Ich rede doch nicht von diesen Hühnern“, echauffierte sich Brady. „Ich meine ihn. Den Barkeeper.“
Im ersten Moment blieb mir die Luft weg.
„Das ist ja wohl nicht dein Ernst, Brady. Ein Kerl? Ich bin doch nicht schwul.“
Andererseits … hässlich war der Typ nicht. Ich hatte noch nie darüber nachgedacht, ob ich es auch mit einem anderen Kerl treiben könnte, aber Arsch war Arsch, oder? Es ging ja nur um einen einzigen Fick. Und wenn ich mir den Typen näher anschaute, fand ich die Vorstellung sogar überraschenderweise gar nicht abwegig. Es würde mich zumindest keine Überwindung kosten, gestand ich mir ein. Trotzdem. Für eine Wette ging das doch ein bisschen zu weit.
„Du wolltest doch eine Herausforderung“, stichelte Brady. „Angst, dass du diesmal scheiterst?“
Ich schnaubte. „Das ist keine Herausforderung“, sagte ich möglichst cool. „Der ist auch nicht schwerer rumzukriegen als irgendeine von den Golfclub-Bräuten.“
„Ach, und warum?“ Der Spott in seiner Stimme war nicht zu überhören. „Komm, gib‘s zu, du hast bloß Schiss.“
„So ein Quatsch. Schiss wovor denn? Aber der Kerl ist mit Sicherheit schwul. Er hat vorhin sogar mit mir geflirtet.“
Das war zwar mehr als weit hergeholt, aber der Zweck heiligte in dem Fall die Mittel. Etwas in mir sträubte sich dagegen, mich auf diese Wette einzulassen. Trotzdem – oder gerade deswegen – schaute ich verstohlen noch einmal zu dem Barkeeper hinüber. Im selben Moment wandte er sich in meine Richtung und unsere Blicke verhakten sich.
„Okay, gebongt, die Wette gilt.“
Hatte ich das gerade ernsthaft gesagt? Musste wohl so sein, denn Brady fiel vor Kichern beinahe von seinem Barhocker, während sich in mir leichte Übelkeit breitmachte. Fast schon schuldbewusst vermied ich es, den Barmann noch mal anzusehen. Es war sowieso höchste Zeit, meinen besten Freund nach Hause zu bringen. Und mir danach zu überlegen, wie ich aus diesem Schlamassel wieder rauskam.
***
Was zur Hölle hatte mich nur geritten, diese dämliche Wette anzunehmen? Nachdem ich eine Nacht darüber geschlafen hatte, war ich noch skeptischer als am Abend zuvor. Ich kam mir mies vor, wenn ich das durchzog. Noch dazu, nachdem Brady klargemacht hatte, dass er ein Beweisfoto haben wollte.
Woher kamen diese plötzlichen Skrupel? Die hatte ich doch sonst nicht.
Aber da ging es eben um arrogante Zicken unserer High Society, denen ich eigentlich scheißegal war und die bloß das Imperium hinter mir sahen, von dem sie ein Teil sein wollten. Die im Grunde alle wussten, worauf sie sich einließen, denn ich hatte einen Ruf. Wenn sie das nicht störte und sie sich dennoch einbildeten, die eine zu sein, die es mit mir vor den Traualtar schaffte, war das ihr Pech.
Dieser Barkeeper jedoch war eine andere Sache. Ich wusste so gut wie nichts über ihn, aber er wirkte weder berechnend noch oberflächlich auf mich. Und was sollte er sich schon davon versprechen, wenn er mit mir vögelte? Trotzdem würde ich alles daransetzen, ihn flachzulegen. Ich hatte noch nie bei einer Wette gekniffen.
Wenn er schwul war, würde es leichter werden und wäre womöglich auch gar keine große Sache. Hieß es nicht ohnehin, dass in den Gayclubs anonymer Sex praktisch normal war? Keine Ahnung, ob dieses Klischee stimmte oder bloß ein Vorurteil war.
Wenn er allerdings hetero war, wäre es tatsächlich eine Herausforderung. Würde ich ihn dann überhaupt rumkriegen? Und falls ja, was würde ich in ihm anrichten, wenn er sich arglos auf so ein Experiment einließ und dabei gleich auf die Schnauze flog, weil alles nur ein Spiel war? Es sollte mich nicht interessieren, sonst konnte ich die Wette gleich vergessen, also schob ich die Gedanken beiseite.
Ich hatte diesmal keinerlei Strategie, als ich nach dem Morgentraining die Bar neben der Rennbahn betrat. Ich kannte diesen Typ nicht, und hatte immer noch ein merkwürdiges Gefühl dabei im Bauch, mich an ihn ranzumachen.
Es war früher Nachmittag und die Bar daher praktisch leer. Aber er war tatsächlich da und polierte Gläser. Ich blieb an der Eingangstür stehen und sah ihm einen Moment zu, beobachtete das Spiel der Muskeln und Sehnen an seinen Armen, auf die das kurzärmelige Hemd von Rodneys Personalkleidung beste Aussicht bot.
Es sah nicht so aus, als wäre mein Eintreten bemerkt wurden, was ich ausnutzte, um mir ein erstes Bild zu machen. Ich versuchte einzuschätzen, wie alt der Barkeeper sein mochte und ob er eher der zurückhaltende oder der forsche Typ war. Er war vollkommen auf seine Arbeit konzentriert, seine Miene ernst, zwischen seinen Brauen stand eine winzig kleine Falte, die ich in diesem Moment gerne mit dem Daumen weggestrichen hätte. Seine Bewegungen waren routiniert, und ich fragte mich, ob er vorher schon woanders gekellnert hatte. Warum er diesen Job überhaupt machte? Gestern Abend hatte ich ihn für einen Studenten gehalten, jetzt bei Tag fand ich, dass er älter aussah. Vielleicht Mitte zwanzig. Natürlich kein Alter, in dem man nicht mehr studieren könnte. Dennoch …
„Hallo, Will. Was treibt dich denn zu so früher Stunde schon hierher?«
Rodney kam die Treppe aus dem Keller herauf, mit einem Fass Bier auf der Schulter. Jetzt wurde auch der Barkeeper auf mich aufmerksam. Verunsichert hielt er in der Bewegung inne und stellte das Glas schließlich ab. Vermutlich fragte er sich, wie lange ich schon hier war, ohne dass er mich beachtet hatte. Etwas, das ihm durchaus Ärger einbringen konnte.
„Ich komme gerade von den Trainingslots“, antwortete ich Rodney. „Hatte gehofft, hier einen Kaffee oder vielleicht auch einen Glühwein zu bekommen. Es ist arschkalt draußen.“
Rodney lachte, was mit seiner Reibeisenstimme kratzig klang, als wäre er schwer erkältet. „Glühwein dauert. Aber Kaffee kannst du haben. Cory.“ Er nickte dem Barkeeper zu, der sofort zur Kaffeemaschine eilte und meine Bestellung ausführte.
Ich schlenderte gemächlich zum Tresen und nahm auf einem der Barhocker Platz. Irgendwie musste ich Cory – schöner Name – in ein Gespräch verwickeln, ehe sich die Bar zunehmend füllen würde. Die Lots für heute waren bald durch, dann würden einige der Besucher, die sich die Trainingsrennen angesehen hatten, hierherkommen. In ein paar Stunden dann auch das Abendpublikum. Hier war eigentlich täglich etwas los. Die Bar auf der Rennbahn war so was wie das Pendant zum Golfclub. Für meinen Geschmack nur mit deutlich angenehmerer Atmosphäre.
Cory stellte die Tasse mit dem Kaffee vor mich. Ich hätte jetzt snobmäßig darauf hinweisen können, dass er nicht nachgefragt hatte, was für einen Kaffee ich wollte. Die Auswahl war inzwischen groß, aber tatsächlich mochte ich den stinknormalen schwarzen Kaffee immer noch am liebsten.
„Wie geht es deinem Freund?“, erkundigte sich Cory, und ich war für einen Moment verwundert, dass er sich wirklich an mich und Brady erinnerte.
„Schläft vermutlich immer noch seinen Rausch aus“, antwortete ich grinsend. „Oder kämpft mit seinem Kater.“
Auch Cory lächelte und strich sich mit einer Hand die halblangen schwarzen Haare zurück. Anschließend fuhr er damit fort, Gläser zu polieren. Zwischen uns herrschte Schweigen, das ich nicht mal unangenehm fand, aber es brachte mich meinem Ziel natürlich nicht näher.