Willow Springs – Feeling Home - Mia Harper - E-Book

Willow Springs – Feeling Home E-Book

Harper Mia

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Beschreibung

Rückkehr ins Glück? 

Liz DeWitt ist Spitzenköchin in einem Edelrestaurant in San Francisco. Als ihr Onkel verunglückt und die beste Freundin Ceecee ihr das Angebot macht, bei ihr ins Café Lakeview einzusteigen, beschließt sie kurzerhand, dem Stress Goodbye zu sagen und in ihre Heimat zurückzukehren. Das Leben im idyllischen Willow Springs verläuft jedoch ganz anders als erwartet, denn da gibt es Joe Mariani, einen waschechter New Yorker, der seit kurzem der neue Polizeichef ist. Joe ist ein Macho, wie er im Buche steht. Allerdings ist er irgendwie auch – beinahe – unwiderstehlich ... 

Eine turbulente Liebe in einer kleinen Stadt – atmosphärisch, lustig und mit köstlichen Rezepten.




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Cover for EPUB

Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Liz deWitt ist Spitzenköchin in einem vegetarischen Restaurant in San Francisco. Täglicher Stress und immer neue Anforderungen verderben ihr jedoch zusehends die Passion fürs Kochen. Als ihr Onkel verunglückt und die beste Freundin Ceecee ihr das Angebot macht bei ihr ins Café einzusteigen, zögert Liz keine Sekunde. Doch das Leben im idyllischen Willow Springs ist viel aufregender als erwartet, besonders als sie dort auf Joe Mariani, den neuen Chief of Police, trifft.

Joe ist waschechter New Yorker und erst seit kurzem in Willow Springs. Nach einem traumatischen Erlebnis wollte er nur noch weg aus seiner Heimatstadt und auch in der neuen Umgebung kann er nicht vergessen und begegnet allem und jedem mit Misstrauen. Auch der gutaussehenden Neuen, die auf einmal in seinem Lieblingscafé arbeitet.

Liz muss sich bald eingestehen, dass sie den neuen Chief of Police zwar selbstgerecht und machohaft, gleichzeitig aber auch unerhört sexy findet. Und seine Küsse schmecken mindestens so süß und sündig wie ihre allerbesten Dessertkreationen …

Doch kann ihr Glück wirklich von Dauer sein?

Über Mia Harper

Mia Harper arbeitete lange bei großen Verlagen, bevor sie selbst mit dem Schreiben begann. Zusammen mit zwei sehr selbstbewussten Katern lebt sie in einer süddeutschen Großstadt, weil sie sich einfach nicht entscheiden kann, ob sie lieber nach Italien oder in die USA auswandern möchte.

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Mia Harper

Willow Springs – Feeling Home

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Informationen zum Buch

Newsletter

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Epilog — Acht Wochen später

Rezepte

Veganer Schokokuchen

Schokokuchen ohne Mehl

Gebratene Oliven

Ein großes DANKE geht an

Impressum

Lust auf more?

Kapitel 1

Sei ehrlich, Ceecee. Wie schlimm ist es? Kommt er durch?«

Liz DeWitt konnte beinahe körperlich spüren, wie sich ihre beste Freundin am anderen Ende der Telefonleitung wand. Ceecee hasste es, schlechte Nachrichten zu überbringen, das war schon immer so gewesen. Bereits im Kindergarten hatte sie es kaum über sich bringen können, Liz zu sagen, wenn ein Kuscheltier ein Auge eingebüßt oder sie einen Buntstift verloren hatte. Später in der Junior High hatte sich das fortgesetzt, als Ceecees Eltern sie für die großen Ferien zu ihrer Großmutter nach Idaho hatten schicken wollen. Geschlagene drei Wochen hatte sie gebraucht, bis sie Liz endlich gestehen konnte, dass aus den vielen gemeinsamen Plänen für den Sommer wohl nichts werden würde. Inmitten ihrer Angst und Sorge fühlte Liz ein kleines warmes Glimmen der Vertrautheit: Wäre die Lage nicht so ernst gewesen, hätte sie grinsen müssen. Denn wenn es hart auf hart kam, war auf Ceecee immer Verlass. Sie wusste, wann Liz sie brauchte, und würde sie niemals belügen.

Und auch diesmal enttäuschte die Freundin sie nicht. »Die Ärzte meinen, es wäre noch zu früh, etwas Definitives zu sagen. Sie haben Jack jetzt erst einmal ins künstliche Koma versetzt. Was sagt denn Tante Georgia?«

»Du weißt doch, wie sie ist. Sie möchte auf keinen Fall, dass ich mir unnötig Sorgen mache. Deswegen frage ich ja dich. Aber Ceecee … ihre Stimme hat so furchtbar gezittert, ich glaube, sie hätte beinahe geweint.«

»Oh.«

»Ja, oh.« Liz ließ sich aufs Sofa fallen und sah aus dem Fenster. Draußen konnte sie zwischen zwei Häusern ein Stück blauen Himmel erhaschen. Es herrschte strahlender Sonnenschein, wie so oft in San Francisco Anfang Mai, wenn die Touristensaison begann. Doch diesmal konnte selbst die Aussicht auf die wärmere Jahreszeit ihre Stimmung kein bisschen heben. Liz war bei ihrer Tante Georgia und deren Mann Jack aufgewachsen, und bessere Eltern hätte sie sich nicht wünschen können. Daher wusste sie genau wie ihre Freundin Ceecee, dass Georgia normalerweise ein Fels in der Brandung war. Sie hatte für fast alles Verständnis, und irgendwie schaffte sie es stets, für die verzwicktesten Situationen die passende Lösung zu finden – ganz gleich, ob es dabei um berufliche Krisen oder private Katastrophen ging. Zu Georgia ging jeder in ihrem Heimatort Willow Springs, sobald er oder sie in Schwierigkeiten war. Schließlich bekam ihre Tante fast alles aufs Beste geregelt, ohne auch nur einmal die Ruhe, geschweige denn die Fassung zu verlieren. Liz konnte sich nicht erinnern, sie je weinen gesehen zu haben. Wenn Georgia sich nicht mehr im Griff hatte, dann musste es um Liz’ Onkel wirklich, wirklich schlimm stehen.

»Vielleicht sollte ich lieber noch Rob fragen, wie er die Situation einschätzt. Immerhin ist er Mediziner.«

Ceecee gab ein undefinierbares Geräusch von sich. Liz konnte sich nicht entscheiden, ob es ein Lachen, ein Ächzen oder ein Stöhnen sein sollte. »Mediziner! Er ist Tierarzt. Nicht dass Mathilda bei ihm nicht in guten Händen wäre, aber ich glaube kaum, dass er irgendeine sinnvolle Diagnose stellen kann, wenn ein fast Siebzigjähriger von einer Leiter fällt.«

Jetzt musste Liz doch lächeln. Mathilda war Ceecees heiß geliebte Border-Terrier-Dame und mit ihren fast 14 Jahren schon ein richtiger Hundemethusalem. Vom Futter über das Trainingsprogramm bis hin zur Hundesitterin war für Matty nur das Allerbeste gut genug. Dass Ceecee die Hündin ihrem alten Schulfreund Rob anvertraute, hieß vermutlich, dass es in den umliegenden drei Counties keinen besseren Tierarzt als ihn gab. Liz hätte ohnehin nie daran gezweifelt, und das nicht nur, weil Rob immer noch ihr bester Freund war.

Aber phantastischer Hundedoc hin oder her – der Einwand ihrer Freundin war durchaus berechtigt. Wenn schon die behandelnden Ärzte nichts Genaues über Jacks Zustand sagen konnten oder wollten, was sollte ihr dann jemand nützen, der die Wehwehchen von Schmusetieren wie Mathilda kurierte?

»Du hast natürlich recht, das ist Blödsinn«, sagte sie. »Und egal, was Georgia meint, ich sollte mir die Sache selbst ansehen. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn …«

Es schnürte sich ihr unwillkürlich die Kehle zu. Die Vorstellung, dass ihrem Ziehvater etwas Schlimmes passieren könnte, er womöglich starb, und sie nicht für ihn da sein konnte, war einfach zu schrecklich.

Ceecees mitfühlende Stimme unterbrach ihre trüben Gedanken. »Das klingt jetzt vielleicht seltsam, aber … Hast du dir schon einmal überlegt, ob das nicht ein Zeichen des Himmels ist? Ich weiß nämlich genau, wie sehr du Heimweh nach Willow Springs hast, auch wenn du immer wieder versuchst, das zu überspielen. Das merkt jeder, der dich auch nur ein bisschen kennt. Ganz abgesehen davon könnte ich jemand Begabtes wie dich im Lakeview wunderbar gebrauchen.«

Liz holte tief Luft, doch bevor sie etwas sagen konnte, unterbrach ihre Freundin sie bereits wieder.

»Nein, nein, lass mich ausreden, bitte. Ich meine natürlich nicht, dass ich dich hier als Köchin anstellen will. Schließlich könnte ich mir gar nicht leisten, dich aus dem vegetarischen Gourmettempel von Frisco abzuwerben. Ich hatte eher gehofft, dass du meine Partnerin wirst. Immerhin sprichst du schon ganz schön lange davon, wie sehr dich deine liebe Chefin nervt. Und ob es nicht Zeit für was eigenes wäre.«

»Ja …« Liz zögerte, bevor sie sich einen Ruck gab. »Ja, du hast recht, das habe ich schon gesagt. Und es stimmt auch, Marybelle wird immer verrückter, besonders was meine Arbeitszeiten angeht. Aber nach Willow Springs zurückkehren, einfach so, von jetzt auf gleich? Wir wissen doch noch gar nicht, was wirklich mit Onkel Jack los ist. Vielleicht spielt er schon nächste wieder Woche Golf mit deinem Dad, als wäre nichts gewesen. Außerdem … Ich weiß ja nicht, was du dir vorstellst, aber so riesig sind meine finanziellen Reserven dann auch nicht, als dass ich mich irgendwo einkaufen könnte. Erst recht nicht beim unumstrittenen Gourmettempel«, sie dehnte das Wort, »von Willow Springs.« Das war nur halb geschmeichelt. Sie wusste, welche hohen Ansprüche ihre Freundin an alles stellte, was in ihrem Café serviert wurde. Es war kein Wunder, dass mit jedem Jahr die Umsätze stiegen; bestimmt wurde das Lakeview in jedem Reiseführer erwähnt, in dem auch Willow Springs vorkam. Und bei den Einheimischen war es seit der Eröffnung vor gut sechs Jahren so oder so eine feste Größe.

Ceecee lachte. »Du und dein Können sind Gold wert. Frisches Kapital haben wir eigentlich nicht nötig, es sei denn, du willst drei neue Dampfgarer anschaffen, oder was auch immer Genies der modernen vegetarischen Cuisine sonst so brauchen.« Sie machte eine Pause und wurde wieder ernst. »Nein, ehrlich, Liz, ich muss zugeben, ich bewege das bereits eine ganze Weile in meinem Herzen. Du kommst kaum noch nach Hause, weil du dich jedes Mal fast nicht losreißen kannst, wenn du wieder fahren musst, stimmt’s? Und bei deinem letzten Besuch ist es dir noch schwerer gefallen als sonst. Oder warum sonst hast du den Flug so oft verschoben, bis man den Wutschrei deiner Marybelle quasi bis nach Greenwood County hören konnte? Mir kannst du nichts vormachen, meine Süße.«

Liz zuckte zusammen. Es stimmte, manchmal wollte sie gar nicht nach Hause fahren, weil sie wusste, wie weh ihr der Abschied tun würde. Und bei ihrem Besuch im Dezember hatte sie den Flug zweimal verschoben und ihre Chefin mit fadenscheinigen Ausreden vertröstet. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie dennoch insgeheim gehofft, es wäre niemandem aufgefallen. Sie wollte nicht, dass sich Freunde und Familie Sorgen machten, ob es ihr gut ging. Kommentiert hatte die Verschieberei zumindest weder Ceecee noch Rob, und auch Georgia und Jack hatten sie mit keiner Silbe wieder erwähnt. Wobei, wenn sie sich überlegte, wie viele Fotos aus Willow Springs ihr Onkel ihr seitdem per Messenger App geschickt hatte … Vielleicht war sie doch nicht so ungerührt erschienen, wie sie geglaubt und gehofft hatte?

Ceecee redete unterdessen schon weiter: »… und jetzt, wo Cal und ich uns endlich verlobt haben und bald heiraten, will ich auch nicht mehr lange mit dem Kinderkriegen warten. Du weißt ja, ich will einen ganzen Stall voller Babys, und Cal auch. Wem sollte ich dann das Lakeview anvertrauen, wenn nicht meiner besten Freundin?« Ihre Stimme bekam diesen bittenden Unterton, dem eigentlich niemand widerstehen konnte. Eine sehr praktische Eigenschaft, wie Liz und Rob schon in der Grundschule herausgefunden hatten, besonders wenn sie gemeinsam etwas ausgefressen hatten.

Allerdings ließ Liz sich nicht so leicht beeindrucken. »Sei nicht böse, Cee, dass ich hier vor Begeisterung nicht gleich ausflippe. Ja, ich gebe mich geschlagen, ich habe schon ein bisschen Heimweh nach euch und Willow Springs. Trotzdem, ich muss erst mal darüber nachdenken. Selbst wenn es ein wirklich tolles Angebot ist und ich dir total dankbar dafür bin. Nur bin ich irgendwie kaum imstande, an etwas anderes zu denken als an Jack und Georgia.« Wieder stellte sie fest, wie ihre Stimme ins Zittern kam. Sie holte tief Luft, um dagegen anzukämpfen. »Das ist alles ein bisschen sehr viel im Moment. Und deswegen ist es vermutlich auch nicht besonders klug, wenn ich gerade jetzt solche Entscheidungen treffe«, erwiderte sie langsam.

»Das verstehe ich doch, Liz. Es tut mir auch total leid, wenn ich dich damit einfach so überfalle. Für dich kommt das natürlich sehr plötzlich, aber ich habe wirklich schon lange darüber nachgedacht. Sehr lange sogar.« Im Hintergrund konnte Liz ein leises Klirren hören; vermutlich griff Ceecee nach einer Tasse, die natürlich mit ihrem Lieblingsgetränk Kaffee gefüllt war. »Versprich mir einfach nur, darüber nachzudenken. Wäre das nicht schön, wir zwei wieder vereint in Willow Springs?«

Liz seufzte. »Versprochen, Ceecee.« Sie hielt kurz inne. »Wirklich, Cee, das mache ich. Ich denke ernsthaft darüber nach. Aber zuerst buche ich jetzt einen Flug zu euch. Ich will mir selbst ein Bild machen.«

»Recht hast du, Liz. Wenn du magst, sage ich Georgia Bescheid – am besten aber erst, nachdem du im Flieger sitzt. Und Dad kann dich abholen. Der weiß sowieso nicht, wohin mit sich, seit sein bester Kumpel im Koma liegt.«

»Ach, Cee, was würde ich nur ohne dich machen? Ich danke dir. Ich melde mich, sobald ich hier alles geregelt habe. Bye.«

»Keine Ursache. Ich freue mich so, dass du kommst! Auch wenn der Anlass natürlich kein schöner ist. Trotzdem, ich freue mich. Bis bald.«

Sie legten auf. Liz hielt das Telefon noch einen Augenblick in der Hand, bevor sie es gedankenverloren neben sich auf das orangefarbene Sofa fallen ließ. Wir beide wieder vereint in Willow Springs, hallte die Stimme ihrer Freundin in ihr nach. Ihr Blick glitt durch ihre Einzimmerwohnung, die angesichts der Mietpreise in der San Francisco Bay Area mit 35 Quadratmetern geradezu fürstliche Ausmaße hatte, und blieb am gerahmten Foto auf dem Sideboard hängen.

Sie, Rob und Ceecee im Sommer vor ihrem Abschlussball – damals waren sie noch die drei Musketiere gewesen. Rob mit seinem zuversichtlichen Grinsen und den ebenmäßigen Gesichtszügen. »Wie gemeißelt«, sagte Tante Georgia immer gern. Und Ceecee mit den seidig glatten braunen Haaren, dem Funkeln in den lachenden blauen Augen und diesem Porzellanteint, der selbst auf einem Foto diesen ganz besonderen Glow ausstrahlte. Kein Wunder, dass die beiden in ihrer Jahrgangsstufe gemeinsam Prom Queen und Prom King geworden waren. Zwar war Ceecee damals mit ihrem jetzigen Verlobten Cal auf dem Ball erschienen, der in Milwaukee schon Jura studiert hatte, aber daran hatte sich niemand weiter gestört. Und zu guter Letzt Liz selbst als Dritte auf dem Foto, mit weißblonden Locken und den zum Kussmund geschürzten Lippen. Der Kussmund war für Onkel Jack bestimmt gewesen, dessen Leidenschaft fürs Fotografieren nur noch von seiner Leidenschaft fürs Fischen übertroffen wurde.

Sie schloss die Augen.

Neue Bilder tauchten vor ihr auf: von den Ahornbäumen, die sich im Wasser des Pine Lake spiegelten, von Ceecee und Rob, wie sie auf den Stufen der Tierarztpraxis von Robs Eltern frische Muffins gegessen hatten, von Tante Georgia, wie sie mit Ceecees Vater über endlos lange Tabellen über den Schreibtisch gebeugt saß, von Onkel Jack, wie er sie fest an der Hand gehalten hatte, wenn sie durch den Schnee zum sonntäglichen Gottesdienst in St. Mark’s gestapft waren, oder wie er sie jahrelang zum Treffen der Girls Scouts drei Orte weiter gefahren hatte. Wie er ihr als Kind gezeigt hatte, wie man den Wurm am Haken befestigen musste, wenn man den größten Fisch im Clam River fangen wollte. Von seiner komischen Verzweiflung, als sie ihm mit 13 Jahren erklärt hatte, dass sie nie, nie, nie wieder ein Tier essen wollte – »und das gilt auch für Würmer und für Fische sowieso« –, und von seinem Stolz, als Georgia und er sie vor zwei Monaten hier in San Francisco besucht und sie den beiden den schönsten Tisch im Marybelle’s reserviert hatte.

Unvermittelt liefen ihr Tränen über die Wangen. Sie heulte und schluchzte, bis sie sich innerlich ganz leer fühlte und ihre Augen brannten. Dann erst setzte sie sich auf, wischte sich über die Wangen und holte dreimal tief Luft, bis ihr Atem wieder ganz ruhig ging.

Nein, sie konnte nicht glauben, dass Onkel Jack sterben sollte. Das war schlicht und ergreifend unmöglich. Er hatte noch so viel vor in seinem Leben, und Tante Georgia brauchte ihn so sehr! Es konnte nicht sein, dass ausgerechnet jemand wie er so früh gehen sollte. Jemand, der immer nur das Beste in anderen Menschen sah, der so liebenswürdig und einzigartig war. Entschlossen schüttelte sie den Kopf.

Etwas anderes hatte hingegen ein Ende gefunden, das war ihr in den vergangenen Minuten klar geworden. Ihre Zeit in San Francisco war vorbei. Wenn sie ehrlich zu sich war, hatte sie das schon lange gewusst, nicht nur dann, wenn sie das Heimweh nach Willow Springs umgetrieben hatte. Das lag nicht etwa an »The City«, wie die Einheimischen San Francisco gern nannten: In den vergangenen drei Jahren hatte sie sich hier richtig wohlgefühlt, in dieser verrückten Stadt mit der charmanten Architektur und der quirligen Gastroszene, in dem jede noch so ausgefallene kulinarische Idee ihre Fans fand, bis sie vom nächsten abgefahrenen Trend abgelöst wurde. Sie hatte den einen oder anderen besonderen Menschen kennengelernt, Freunde gewonnen, die sie sicherlich in Zukunft vermissen würde. Lange hatte sie sogar geglaubt, dass sie nach ihrer Zeit am Culinary Institute in Vermont und den Wanderjahren in Europa endlich wieder einen Ruhepol gefunden hatte, eine neue Heimat, von der sie sich durchaus vorstellen konnte, hierzubleiben und eine Zukunft aufzubauen. Der Job als Küchenchefin im Marybelle’s, einem von San Franciscos erfolgreichsten vegetarischen Restaurants, war dabei das Tüpfelchen auf dem i gewesen. Sie hatte die Herausforderung und den Erfolg lange Zeit mit jedem Tag neu genossen.

Trotzdem, in den seltenen Minuten, in denen sie ganz tief in sich hineingespürt hatte, war ihr immer bewusst gewesen, dass sie im Grunde nicht bleiben, dass sie diese Stadt irgendwann wieder verlassen würde. Egal, wie schön das Leben hier sein konnte, wie aufregend, wundervoll und besonders. Denn sie gehörte nicht hierher: Nein, sie gehörte zu ihrer Familie, nach Wisconsin, nach Willow Springs. Zu den Seen und Wäldern der Northern Highlands, wo die Luft an einem Frühlingsabend klarer und würziger riechen konnte als jeder noch so sorgfältig ausbalancierte Designer-Gin. Zu den Leuten in Greenwood County, die man in einer Großstadt wie San Francisco sicher als Hinterwäldler betrachtete, die aber bei aller Knurrigkeit und seltsamen Gewohnheiten doch unglaublich großzügig und warmherzig sein konnten. Außerdem gab es in dem für seine Milchwirtschaft bekannten Wisconsin nun einmal den leckersten Blauschimmelkäse der Welt – wenn man vielleicht vom englischen Stilton absah. Aber wirklich nur ganz vielleicht.

Zum ersten Mal seit Jahren gestand sie sich zu, diesen Gedanken Raum zu geben: Zu fern war ihr die Möglichkeit erschienen, tatsächlich einmal dorthin zurückkehren zu können. Doch jetzt – Liz konnte nicht anders, sie musste auf einmal lachen, weil sie sich trotz aller Sorge um Jack so fühlte, als wäre ihr eine riesige Last von den Schultern gefallen – schien es, als würde ihr das Schicksal eine einmalige Chance gewähren. Warum war sie nur nicht früher darauf gekommen? Denn Kochen konnte sie auch dort, an der Seite ihrer liebsten und ältesten Freundin, der vermutlich geschäftstüchtigsten und ganz bestimmt schönsten Gastronomiebesitzerin, die Greenwood County je gesehen hatte.

Liz stand auf, putzte sich die Nase, strich die Haare zurück und straffte die Schultern. Sie hatte noch jede Menge zu erledigen.

Es war Zeit, nach Hause zurückzukehren.

Kapitel 2

Joe Mariani spazierte entspannt die Hauptstraße von Willow Springs entlang. Er sog tief die Luft ein und spürte ihr im Rachen nach, bis sie seine Lunge komplett ausfüllte. Sie hatte dieses ganz besondere Aroma, das er so nur aus seinem neuen Wohnort kannte, wie frisch gewaschen, mit einem ganz leicht harzigen Unterton. Eins war mal sicher: So eine Luft gab es in New York City nicht.

Joe war in New York geboren und aufgewachsen und hatte die ersten 33 seiner 34 Lebensjahre dort verbracht. Nicht, dass er nie rausgekommen wäre – nonna Francesca und nonno Gianni hatten natürlich dafür gesorgt, dass er den Rest der Familie in bella Napoli kennenlernte. Auch wenn sie selbst schon als Kinder mit ihren Eltern nach New York übersiedelt waren, galt ihnen Neapel immer noch als richtige Heimat. Sooft es ging, hatten sie daher ihre zahlreichen Enkelkinder zu deren ähnlich zahlreichen Cousins und Cousinen mitgenommen, und Joe hatte allerbeste Erinnerungen an so manchen heißen Sommertag im Land seiner Vorfahren. Ja, er mochte Italien, und er liebte New York, keine Frage, und vermutlich würde er irgendwann auch dorthin zurückkehren. Trotzdem, so gut wie in Willow Springs roch es weder in Little Italy noch in San Lorenzo. Er war mittlerweile sogar überzeugt davon, dass ein einzelner tiefer Atemzug hier ihn wacher und ausgeglichener machte als zehn normale irgendwo anders.

Überhaupt hatte das Leben im nördlichen Wisconsin jede Menge Vorteile. Als Chief of Police war das Leben hier deutlich stressärmer und längst nicht so hektisch wie als Cop beim NYPD. Lebensgefährliche Situationen waren Mangelware. Für Joe war das einer der ausschlaggebenden Gründe für seinen Umzug gewesen. Natürlich gab es auch Schlägereien oder den einen oder anderen Diebstahl, und erst neulich hatte er sogar in einer Unfallsache mit Fahrerflucht ermitteln müssen. Und klar, Touristen tummelten sich hier fast so viele wie im Big Apple, was einige der üblichen Probleme mit sich brachte – aber erstaunlicherweise waren die Leute alle wesentlich besser drauf. Musste an der Reizüberflutung in der Ostküstenmetropole liegen. In seiner Heimatstadt wusste man bei Touris eigentlich nie, was sie für plötzliche Persönlichkeitsveränderungen durchmachen würden. Nur ein New Yorker kam mit New York eben so zurecht wie … na ja, wie ein New Yorker. Die ganzen Hiker, Angler und Familien, die es nach Wisconsin zog, benahmen sich hingegen fast durchweg gesittet. Deswegen waren Joe und sein Team auch mehr mit dem beschäftigt, was man so Prävention und Bürgernähe nannte. Auch keine schlechte Aufgabe; es gab sogar Momente, bei denen sich er sich als »Freund und Helfer« ausgesprochen wohlfühlte. Wenn seine früheren Kollegen wüssten, wie viel Spaß ihm zum Beispiel die Verkehrserziehung in der Grundschule machte!

Joe schüttelte über sich selbst den Kopf und bog von der Wausau Avenue schwungvoll in die Main Street ein – also, was man hier in Willow Springs eben als »Avenue« oder »Main Street« bezeichnete, denn im Grunde waren es natürlich wenig mehr als typische Kleinstadtstraßen mit ein paar Läden für Touristen und Einheimische: zwei Geschäfte für Anglerbedarf, die vermutlich seit Generationen im erbitterten Konkurrenzkampf lagen, ein Burgershop, ein Spirituosenladen, der sogar eine ganz ordentliche Auswahl an Craftbier aufzuweisen hatte, ein Minimart und das, was man sonst noch brauchte. Während Joe an der großzügig bemessenen Verkaufsstelle der ansässigen Käserei vorbeilief, stellte er wieder einmal fest, dass er und sein Team sich zwar im Großen und Ganzen gut ausgelastet fühlten, die richtig harten Jungs in Greenwood County allerdings doch eher rar waren. Bestimmt lag auch das an der Luft.

Aber das Schönste an Willow Springs war einfach, dass man jede Menge Platz für sich hatte. Man konnte in Ruhe über das Leben nachdenken oder vielleicht auch nur über den Dienstplan brüten. Wenn man nicht gerade auf der Straße nett gegrüßt wurde. Okay, jetzt war es schon nach 23 Uhr, noch dazu an einem Donnerstag, und um diese Uhrzeit befand sich auf der Main Street von Willow Springs natürlich keine Menschenseele, die ihn hätte grüßen können. Das sollte aber selbstverständlich nicht heißen, dass Joe seine Pflicht vernachlässigte – auch an diesem angenehm warmen Maiabend lief er eine letzte Patrouille, selbst wenn er das eigentlich einem seiner beiden Deputys hätte auftragen oder sich dafür hinter das Steuer seines Dienstwagens klemmen können. Aber er mochte diesen letzten Kontrollgang einfach zu sehr, nicht zuletzt deswegen, weil er so auch seinem Bewegungsdrang nachgehen konnte. Wenn es an seiner neuen Heimat etwas auszusetzen gab, war das in Joes Augen der beklagenswerte Mangel an vernünftigen Fitnessstudios. Er konnte nicht einfach so eine tägliche Runde im Kraftraum des Polizeireviers einlegen, sondern musste bis zum nächsten Gym etliche Meilen fahren. Am Anfang hatte er das ein paar Wochen versucht, dann aber feststellen müssen, dass er das nicht so ganz in seinem täglichen Terminplan unterbrachte – oder vielleicht passte die lange Fahrstrecke auch einfach nicht zu seinem neuen entspannten Lebensstil in Willow Springs. Deshalb war ihm in den letzten Monaten nichts anderes übrig geblieben, als sich nach diversen Outdoor-Sportarten umzusehen. Langsam gewöhnte er sich dran und musste sogar zugeben, dass die auch ihren Charme haben konnten. Besonders das Paddeln hatte es ihm angetan. Er mochte es einfach, wie die Bewegungen seine Arm- und Rückenmuskeln forderten, und das Dahingleiten übers Wasser hatte wirklich etwas für sich. Je nach Tageszeit und Wetter sahen die Seen immer anders aus, und er fand es besonders schön anzuschauen, wenn der Himmel bedeckt war und sich die Wasseroberfläche unter einer leichten Brise kräuselte. Jetzt im Frühling passierte das ziemlich oft, und das stahlgraue Wasser vor dem hellen Grün der frisch belaubten Ahornbäume, die die meisten Ufer säumten … Ja, das hatte was, das konnte niemand leugnen, fand Joe. Im Sommer würde er sich sogar endlich sein eigenes Boot zulegen; er hatte schon ein passendes Modell im Auge. Bisher lieh er sich das Kanu noch bei George Leadbetter, dem Mädchen für alles in Willow Springs.

Nur Angeln lehnte Joe als Sport grundsätzlich ab – wenn man stundenlanges Rumsitzen und Schweigen überhaupt als Sport bezeichnen konnte. Manche behaupteten ja, das wäre ausgesprochen meditativ. Nein, ihm war da eine kleine Meditation zu später Stunde hier auf der Main Street wesentlich lieber. Noch dazu, wenn er sich sicher sein konnte, dass sämtliche 3327 Einwohner von Willow Springs brav in ihren Betten lagen und schliefen. Oder sich dort anderen, möglicherweise etwas aufregenderen Tätigkeiten hingaben. Joe grinste. Schließlich war er ein Mann, ein italienischstämmiger noch dazu, da durfte ihm bei dem Gedanken an ein Bett vielleicht noch was anderes einfallen als seliger Schlummer. Wobei er zugeben musste, dass in seinem eigenen Bett für seinen Geschmack schon ein bisschen zu lange Flaute herrschte. Daran musste er eigentlich dringend mal was ändern. Hm, vielleicht war die mangelnde Auswahl an ungebundenen attraktiven Frauen auch ein gewisser Nachteil von Willow Springs.

Irgendwo in der Ferne kläffte ein Hund. Haustierhaltung war definitiv kein Grund für Joe gewesen, von der Großstadt in eine ländliche Idylle zu ziehen. Er war immer noch erstaunt, wie selbstverständlich die Leute hier massenweise Hunde, Hühner oder sonstiges Getier hielten. Alison aus der Funkzentrale hatte sogar ein Pferd, fünf Ziegen, drei Schafe und diverse Gänse, soweit er wusste. Einfach verrückt! Wenn man Joe fragte, gehörten Tiere am besten auf einen Teller, in großzügigen Portionen und hübsch angerichtet. Wobei … mit einer Katze würde er sich möglicherweise anfreunden können.

Der Gedanke an eins dieser schnurrenden, freundlichen Wesen in seiner reichlich einsamen Junggesellenbehausung gefiel Joe seltsamerweise seit ein, zwei Monaten. Er konnte es sich selbst nicht so recht erklären, warum, aber die Idee erwies sich als hartnäckig. Merkwürdig, was Ruhe und das absolute Fehlen jeglicher Sippschaft im Umkreis von mehreren hundert Meilen mit den Gedanken eines Mannes so anstellen konnten! Nicht, dass er irgendetwas gegen besagte Sippschaft hatte. Er würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass er seine ausgedehnte Familie mit all den Großeltern, Tanten, Cousinen, Schwägerinnen und Onkel ausgesprochen gern hatte und seine Eltern und die beiden missratenen Brüder heiß und innig liebte. Und auf seine fünf Nichten und Neffen ließ er erst recht nichts kommen. Trotzdem, zu Hause war es quasi Tag und Nacht ausgesprochen trubelig, eigentlich herrschten immer bei irgendwem Drama und Aufregung. In Willow Springs hingegen konnte man sich selbst denken hören. Und eine Katze, dachte Joe, eine Katze, das wäre … das wäre einfach nett. Ihm fiel wieder ein, dass seine Nachbarin Steph Plattner erst gestern erzählt hatte, es gäbe bei Mrs. Tillman drei Straßen weiter einen hübschen Wurf und dass sie und ihr Mann Aaron bereits beschlossen hatten, für ihre Tochter ein Kätzchen anzuschaffen. Vielleicht sollte auch er endlich Nägel mit Köpfen machen und nicht mehr länger nur darüber nachdenken? Er könnte gleich morgen …

Aus diesen angenehmen Überlegungen wurde Joe durch einen unerwarteten Anblick gerissen. Er hielt inne. Aus dem Lakeview, seinem Stammcafé, schien Licht. Dort gab es den absolut besten Caffè Latte im Northern Highland von Wisconsin, ach was, den besten Caffè Latte jenseits von New York. Die Bohnen immer frisch geröstet, die Temperatur absolut perfekt – nicht zu heiß, wie das manche Besserwisser immer so gern machten, sondern trinkfertig –, und dazu diese Milch, die garantiert von glücklichen Kühen stammte, so lecker, wie sie war. Selbst Cousine Maria hatte sich beeindruckt gezeigt, als sie im Februar mit den Großeltern zu Besuch gewesen war. Und sie galt in der amerikanischen Hälfte seiner Familie als absolute Expertin, was Caffè Latte anging. Schließlich hatte sie das Kaffeemachen in den Ferien bei Großonkel Alberto gelernt, der laut diverser Reiseführer eins der besten baretto von Neapel führte.

Jedenfalls kannte Joe sich durch seine häufigen Besuche im Lakeview gut genug aus, um zu wissen, dass die Besitzerin sich niemals um diese Uhrzeit dort herumtreiben würde. Ceecee Kaufman war zwar enorm fleißig und ziemlich geschäftstüchtig, aber Überstunden mitten in der Nacht kamen für sie ganz bestimmt nicht infrage. Das würde schon ihr stockkonservativer Verlobter Cal McNamara nie im Leben zulassen. Nach Meinung von Joe war McNamara einer dieser Typen, die erwarteten, dass ihre Frauen brav zu Hause waren, noch bevor sie den ersten Whisky des Abends tranken. Insgeheim fragte er sich, wie das Ganze wohl nach der Hochzeit laufen würde. Ob McNamara seiner bildschönen Frau dann einfach befehlen würde, ihr heiß geliebtes Café zu verkaufen und die hauptberufliche Anwaltsgattin zu geben? Zwar kannte er sie nicht besonders gut, aber so ganz konnte Joe sich nicht vorstellen, dass Ceecee sich dem einfach fügen würde. Dafür war sie bei aller freundlichen Sanftheit doch viel zu sturköpfig und außerdem viel zu stolz auf ihr Café. Die Frauen seiner Familie jedenfalls pflegten Anweisungen ihrer Angetrauten bestenfalls amüsant zu finden und ignorierten sie meist nachsichtig. Gut möglich, dass auch Ceecee Kaufman zu solch einer Taktik greifen würde. Joe wäre es nur recht – auf seinen fast täglichen Caffè Latte würde er nämlich nur äußerst ungern verzichten.

Der Lichtstrahl aus dem Lakeview veränderte sich, wurde schmaler und dann wieder breiter, so als hätte jemand eine Tür geöffnet. War es vielleicht eine der Angestellten, die sich dort zu schaffen machte? Nein, dafür hatte Ceecee eindeutig ein zu weiches Herz, als dass sie irgendjemanden aus ihrer Belegschaft um diese Uhrzeit hätte arbeiten lassen. Schließlich hatte das Café schon seit Stunden geschlossen und würde morgen in aller Frühe für die Frühstücksgäste wieder die Pforten öffnen.

Es konnte also nur ein Fremder sein.

Angespannt trat Joe dichter an das Lakeview heran. Seine Nackenhaare stellten sich auf, und schlagartig hatte er ein ganz, ganz dummes Gefühl. Ob er besser Verstärkung anfordern sollte? Die Regel, dass sich ein guter Cop niemals allein in eine brenzlige Situation begab, wurde einem schließlich nicht grundlos in der Polizeischule eingebläut, und er selbst wusste nur zu gut … Joe schüttelte den Kopf. Das hier ist nicht New York, Junge, denk dran, ermahnte er sich. Das fing schon damit an, dass nicht quasi an jeder zweiten Ecke ein Streifenwagen stand. Hier in Greenwood County hatten seine beiden Deputys nicht nur längst Feierabend, sondern wohnten auch noch in zwei meilenweit entfernten Nachbarorten. Bis sie am Lakeview wären, würde es wahrscheinlich ewig dauern, und der Übeltäter – wenn es denn überhaupt einen Übeltäter gab – wäre längst über alle Berge. Und Joe hatte sich in den vergangenen Monaten auch mit keiner einzigen Situation konfrontiert gesehen, die er nicht sehr entspannt allein hatte in den Griff kriegen können. Selbst den Typen mit der Fahrerflucht hatte er keine drei Stunden später festsetzen können. Er begnügte sich also damit, seine Position an die Funkzentrale durchzugeben, und versicherte, dass er sich wieder melden würde, sobald er die Situation geklärt hätte.

Etwas beruhigt überlegte er, wie er jetzt vorgehen sollte. Als Erstes würde er ausprobieren, ob die Vordertür vom Café zu öffnen war. Das Naheliegende war nämlich oft das Beste, so bescheuert das auch klang. Genau wie der Rest von Willow Springs wusste er, dass das Lakeview weder eine Alarmanlage noch eine Türklingel hatte. Ceecee konnte die Dinger nicht ausstehen, wie sie mal erzählt hatte, und da der Gastraum meistens voll war und Ceecee und ihre Kellnerinnen Maggie und Ruthie im Dauereinsatz durch den Laden eilten, sparte sie sich den Lärm. Eine weise Entscheidung, fand Joe. Er blickte sich ein letztes Mal um, bevor er die Klinke runterdrückte. Lautlos und gut geölt glitt die Tür auf.

***

»Holy SHIT!«

Die Stimme, die diesen Fluch aussprach, war nicht besonders laut. Trotzdem jagte ihr rauer Klang Joe kaltheiße Schauer über den Rücken – und das lag nicht an den nervenaufreibenden Minuten, die hinter ihm lagen.

Ohne Zwischenfall hatte er das Lakeview durchquert, den Gastraum des Cafés nach möglichen Eindringlingen abgesucht und sich dann weiter richtig Küche vorgewagt. Die Geräusche, die aus der Richtung kamen, hatten sein ungutes Gefühl nicht gerade beruhigt. Erst ein Klopfen, dann ein Schaben, als würde etwas über den Boden gezogen werden, dann wieder ein Klopfen und ein unterdrücktes Ächzen. Ertappte er hier jemanden dabei, wie er das Lakeview leer räumen wollte? Oder war Schlimmeres passiert? Ein Einbruch geschah schließlich im Dunkel der Nacht, eine Bluttat im Affekt hingegen war etwas ganz anderes. Und die Küche war hell erleuchtet. Vor Joes innerem Auge war unwillkürlich das Bild eines hitzigen Streits erschienen, ein Schlag, ein hilfloses Opfer, das blutend auf dem Fliesenboden zusammenbrach …

An diesem Punkt seiner Überlegungen hatte er sich jedoch selbst zur Ordnung gerufen. In Willow Springs passierte so wenig, dass die Nachrichten des Lokalradios vermutlich im Kinderfernsehen hätten vorgelesen werden können. Allerdings – man wusste ja nie: Oft genug verbarg eine wohlgeordnete Fassade die schlimmsten Entgleisungen, wie jeder Cop in New York früher oder später begriff. Und in Willow Springs war das ganz bestimmt nicht anders. Aber selbst wenn sich seine Befürchtungen als grundlos herausstellen sollten, hatte er nicht so lange als Cop im 5. Precinct überlebt, um jetzt die simpelsten Vorsichtsmaßnahmen außer Acht zu lassen. Er zog seine Dienstwaffe. Atmete noch einmal tief durch. Und machte dann zwei schnelle Schritte durch die Tür.

Der Anblick, der ihn dort erwartete, ließ ihn erstarren. Nicht Ceecee, er hatte recht gehabt. Auch nicht Maggie oder Ruthie. Aber eine Frau – und was für eine.

Die kleine Ecke seines Gehirns, die noch funktionierte, wisperte das Wort »Eiskönigin«. Er blinzelte. Dann blinzelte er noch mal. Und riss sich zusammen. Schließlich konnte er sich ungefähr vorstellen, was mit Männern passierte, die sich Frauen auslieferten, die aussahen, als wären sie direkt den erotischen Fieberträumen skandinavischer Arthouse-Regisseure entsprungen. Oder als wollten sie gleich mit ihrer kleinen Schwester und ein paar Drachen verlorene Königreiche erobern.

Er suchte Beistand in der Routine. »Nehmen Sie die Hände hoch, Ma’am, und halten Sie sie so, dass ich sie sehen kann.«

Na also, klappte doch mit der Routine. Daenerys’ große Schwester nahm tatsächlich die Hände hoch. Joe ließ den Blick über sie gleiten. Sneakers, endlos lange Beine, ein Sommerkleidchen – vielleicht ein bisschen zu knapp für Nord-Wisconsin Ende Mai –, weißblonde Locken und dazu ein Gesicht, das bei näherer Betrachtung ganz und gar nicht wie die klassische Schönheit Daenerys Targaryen aus Game of Thrones aussah. Dazu war es viel zu … nun ja, »unkonventionell« war vermutlich der richtige Begriff. Nicht ein Hauch von Make-up, riesige grüne Augen, geschwungene Augenbrauen und ein ausdrucksvoller Mund. Joe fiel auf, dass die Unterlippe etwas üppiger war als die Oberlippe. Ihm fiel außerdem auf, dass besagte Unterlippe zitterte. Die Frau hatte Angst. Er senkte die Waffe – schließlich war das Sommerkleidchen eindeutig zu kurz und zu eng anliegend, als dass sie darin irgendwo eine Knarre hätte verstecken können.

»Was zum Teufel soll das? Wie kommen Sie dazu, eine harmlose Bürgerin ohne irgendeinen Anlass zu bedrohen, Sie Vollidiot? Noch dazu auf Privatbesitz?«

Lange Beine und sexy Unterlippen hin oder her, das ging nun doch einen Tick zu weit. Seine mamma hatte ihn schließlich gut erzogen; er schätzte es auch nach Jahren auf Streife in New York nicht, wenn Frauen fluchten. Schon gar nicht, wenn sie dabei seine Intelligenz anzweifelten. Nette Mädchen taten so etwas einfach nicht.

»Ma’am, ich fordere Sie auf, sich auszuweisen. Wie Sie ganz richtig beobachtet haben, befinden wir uns auf Privatbesitz. Um«, er warf einen Blick auf die Uhr in der Küche und auf die hinter der Blondine aufklaffende Stahltür, »23 Uhr 48. Was haben Sie um diese Zeit in Ceecees Kühlkammer zu suchen?«

Es war, als hätte er ein Licht in ihr angeknipst. Sie fing an zu lächeln. »Ceecee, soso. Sie nennen meine beste Freundin also beim Spitznamen. Die ab nächster Woche übrigens auch meine Geschäftspartnerin ist. Wir befinden wir uns also mehr oder weniger auf meinem Privatbesitz.« Jetzt wurde ihr Lächeln zu einem breiten Grinsen, und Joe wurde es aus unerfindlichen Gründen schlagartig warm. »Liz DeWitt. Und wer sind bitte Sie, Officer?«

Kapitel 3

Ich hatte richtig Mitleid mit ihm, der Arme. Er sah so entschlossen aus, als würde er gleich eine ganze Gangsterbande stellen wollen. Und dann war da nur ich.« Liz hob das Weinglas und lächelte Rob verschwörerisch an. Mittlerweile konnte sie über die Erfahrung lachen, aber in der Situation selbst wäre sie beinahe gestorben vor Angst. Schließlich war sie im Laufe ihres Berufslebens schon Tausende Male aus der Kühlkammer getreten, noch nie aber hatte sie dabei in den Lauf einer Waffe blicken müssen. Oder darüber in Augen, die so – sie überlegte einen Moment – gefährlich schimmerten wie dunkler Karamell, eine Sekunde bevor er verbrannte. Wirklich, abgesehen von seiner allgemeinen Begriffsstutzigkeit war der neue Chief of Police von Willow Springs brandheiß. Und zumindest optisch ziemlich genau ihr Typ.

»Steph hält große Stücke auf ihn. Sie meint, sie hätte noch nie einen so netten Nachbarn gehabt. Oder, ich zitiere«, Rob malte mit zwei Fingern zur weiteren Bekräftigung Anführungszeichen in die Luft, »einen so lecker aussehenden. Und Missy sagt, niemand könne so toll das Krabbenburger-Lied singen wie er.«

»Deine Nichte ist natürlich schon mit vier eine ganz große Musikkennerin. Da kommt sie ganz nach ihrem Vater.«

Rob grinste. Sein Schwager Aaron behauptete gerne, er würde sich noch nicht mal unter der Dusche trauen zu singen, aus purem Mitleid mit seinen Mitmenschen. Ob seine Stimme wirklich so schaurig war, konnte in Willow Springs niemand beurteilen, selbst Steph schwor, in ihrer Gegenwart sei ihrem Mann nie auch nur eine halbe Songzeile über die Lippen gekommen. Obwohl er Missy anbetete, würde Aaron deshalb nie mit seiner Tochter das Krabbenburger-Lied singen, und so war es kein Wunder, dass die arme Kleine sich in der Nachbarschaft Ersatz suchen musste. »Aber sie hat doch diese begabte Patentante. Du warst schließlich die Beste in der musikalischen Früherziehung, oder habe ich das falsch in Erinnerung?«

»Nett von dir, dass du dir diesmal verkniffen hast zu erwähnen, dass ich schon von der ganz, ganz großen Karriere als Primaballerina geträumt habe. Bis ich dann leider feststellen musste, dass ich offenbar mit zwei linken Füßen gesegnet bin.«

Robs Lächeln vertiefte sich. »Ich bin heute Abend anscheinend nicht gut in Form, sorry, Babe.« Er zuckte mit den Schultern. »Nein, im Ernst, Liz, Joe Mariani ist schon in Ordnung. Wir sind zwar nicht gerade eine Verbrecherhochburg, aber er tut echt viel für Stadt und County. Und ich glaube, dass unsere älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger viel ruhiger schlafen können, seit er Chief O’Hara beerbt hat.«

Liz gab ein skeptisches »Hm« von sich. Gut schlafen hatte sie nach ihrer Begegnung mit Joe Mariani nicht können. Und das hatte sicherlich nicht nur daran gelegen, dass sie schon das zweite Mal innerhalb weniger Wochen von San Francisco nach Willow Springs geflogen und neben dem Umzugsstress auch noch mit den zwei Stunden Zeitverschiebung zwischen Kalifornien und Wisconsin zu kämpfen hatte. Denn irgendetwas hatte der Kerl an sich … und das war bestimmt nicht dieses ganze »Ich-bin-ein-italienischer-Macho-in-Uniform-holt-mich-hier-raus«-Gehabe, das er so aggressiv ausstrahlte. Eher vielleicht die Tatsache, dass er diese Uniform auf so unverschämt sexy Weise ausfüllte. Ob es tatsächlich stimmte, was man über Männer in Uniform sagte? Bei Joe Mariani konnte sie sich beunruhigenderweise tatsächlich vorstellen, dass er …

Rob unterbrach ihre Gedanken, indem er sagte: »Aber ich sehe, du hast schon genau den gleichen verträumten Ausdruck im Gesicht wie Steph, wenn sie von ihm spricht. Muss ich mir jetzt Sorgen machen?« Er zog eine betont betroffene Miene und griff sich mit einer Hand ans Herz.

»Ach, Robbie, mein Liebster. Du weißt doch, du bist der schönste Mann der Welt«, frotzelte sie und zwinkerte ihm zu.

Und es stimmte, Rob war der schönste Mann der Welt. Er hatte den perfekten Körper, groß, schlank, athletisch, ohne muskelbepackt zu sein. Sein Gesicht war von einer klassisch-markanten Schönheit, aber aus seinen grünen Augen sprach die pure Lebenslust: als wäre es völlig unmöglich, an seiner Seite auch nur eine langweilige Sekunde zu erleben.

Kurzum, er sah so unglaublich gut aus, versprühte einen solchen unbekümmerten Charme, dass jede Person, die ihn kennenlernte, zuerst dachte, er wäre ein Model oder mindestens schwul. Erstaunlicherweise war er weder das eine noch das andere, sondern der Tierarzt in Willow Springs. Dazu war er ausgesprochen hetero und auf eine sehr selbstverständliche Art und Weise sexy. Wenn er mit seinen langen eleganten Fingern beiläufig die dunkelblonde Haarsträhne zurückstrich, die ihm immer wieder ins Gesicht fiel, ließ das viele Frauen unwillkürlich innehalten und darüber nachdenken, was er mit diesen Fingern sonst noch alles anstellen könnte. Manchmal glaubte Liz, dass sie das einzige weibliche Wesen im Umkreis von fünfzig Meilen war, das ihn sich noch nie als Held ihres plötzlich ungeheuer aufregenden Liebeslebens vorgestellt hatte. Allerdings war sie gegen seinen Charme schon immer völlig immun gewesen. Es half, wenn man jemanden mit fünf getröstet hatte, weil er sich wegen des Todes seines heiß geliebten Kanarienvogels Mr. Blobby die Augen ausgeheult hatte. Oder wenn man mit ihm die erste Zigarette hinter dem Schuppen der Eltern geteilt und ihm danach eine gefühlte Ewigkeit beim Kotzen zugesehen hatte. Und nicht zuletzt, wenn man ihm vor dem Spiegel Regieanweisungen bezüglich einer ganz bestimmten Haarsträhne gegeben hatte, weil er fand, dass er ein paar coole Moves brauchte, um »die Weiber« zu beeindrucken, ihm das aber vor seinen jüngeren Schwestern zu peinlich gewesen war. Da waren sie 15 gewesen, und Rob hatte sich für ihre Hinweise revanchiert, indem er ihr gesteckt hatte, dass Todd Evans aus dem Chemiekurs auch total auf sie stand, er sich aber nicht traute, sie »klarzumachen«, und sie die Initiative ergreifen müsse.

Der Sommer mit Todd war zwar toll gewesen, lang getrauert hatte sie aber nicht, als er im Herbst Schluss gemacht hatte – wer tat das schon mit 15? –, doch Liz würde nie dieses aufregende Prickeln, dieses unwiderstehliche Gefühl von Macht vergessen, weil sie damals den ersten Schritt gemacht hatte. Dank Rob hatte sie den bestmöglichen Start in ihr Liebesleben gehabt, davon zehrte sie heute noch. Sie musste zwar zugeben, dass dieses Liebesleben in letzter Zeit ein bisschen brachgelegen hatte, aber das würde hoffentlich nicht ewig so bleiben.

»Nein, du weißt doch, ich kann solche überkorrekten Typen nicht leiden. Ma’am, ich fordere Sie auf, sich auszuweisen«, äffte sie Joe nach. »Was macht so jemand wie er eigentlich hier bei uns?«

Rob zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Das Übliche vermutlich. Sehnsucht nach Ruhe und Entspannung. Oder vielleicht kann er hier auch schneller Karriere machen.«

»Karriere als Chief of Police in einem kleinen County in Wisconsin?« Sie schaute ihren besten Freund skeptisch an. »Wohl kaum. Ach, na ja«, gab sie sich desinteressiert, auch wenn sie eine gewisse Neugier vor sich selbst nicht verleugnen konnte, »ist ja auch egal. Jedenfalls war es wirklich völlig übertrieben, wie er sich aufgeführt hat. Als hätten wir mit Cal nicht schon einen aufgeblasenen Liebhaber von Recht und Ordnung hier in Willow Springs.«

Rob stellte seine Bierflasche auf den Tisch und sah sich um. Sie saßen im schummrig beleuchteten Angels’ Delight, der einzig anständigen Bar im Ort, die alle Einheimischen nur Angels nannten und die an einem Freitagabend Ende Mai weitgehend von Touristen verschont geblieben war. Vielleicht lag das an der etwas versteckten Lage, vielleicht auch an ihrem zurückhaltenden Äußeren, das für Nicht-Einheimische eine etwas verschlafene Absteige suggerieren mochte. Aber die Getränkeauswahl war hervorragend, die Einrichtung mit ihren warmen Messingakzenten und den Scheunentoren unaufdringlich retro, die Musik weder zu edgy noch zu mainstream, die Preise waren mehr als fair – und das vielleicht Wichtigste: Die Bedienung war kompetent und freundlich, wusste aber, wann sie auf Abstand gehen musste. Man konnte sich also ungestört unterhalten und nebenher noch etwas Leckeres trinken. Perfekt nach einem langen Tag.