Winston - Die große Show - Antonia Katharina Tessnow - E-Book

Winston - Die große Show E-Book

Antonia Katharina Tessnow

0,0

Beschreibung

Juna hofft noch immer, irgendwann einmal einen Platz im Leben zu finden, der sicher ist. Während die große Show für viel Aufregung sorgt, entwickelt sich das alte Gestüt nach und nach zum unvergesslichen Ort ihrer Sehnsucht und in ihren stillen Augenblicken gibt es nichts, was ihr fehlt. Die ehemalige Berufsreiterin und Landesverbandstrainerin des Modernen Fünfkampfes, Antonia Katharina Tessnow, ist 1975 in West-Berlin geboren. Sie sehnte sich ihre ganze Kindheit und Jugend nach einem Leben auf dem Land, weg vom Lärm der bedrängenden Stadt, die an der Mauer endete und die für sie, als junges Mädchen, unüberwindbar war. Sie hat eine Pferdebuch-Trilogie geschaffen, die nicht nur tief berührend und authentisch ist, sondern all die Sehnsucht nach Sicherheit und Heimat widerspiegelt, die sie selbst einst in sich trug. Winston ist nicht nur eine Buch-Serie für Jugendliche, Pferdefreunde, Kenner und Liebhaber, sondern auch für alle, die sich gern von herzerweichenden und anrührenden Geschichten des Lebens mitreißen lassen. 'Beim Lesen der Winston-Trilogie fühle ich mich in die Reiterzeit meiner Jugend zurückversetzt und erlebe durch die Bücher die Atmosphäre der Ställe, den Umgang mit den Pferden und das Flair des Reiterlebens wieder, als wäre ich dabei.' Bettina Wild, Diensthundeführerin, Tierkommunikatorin und Leiterin des Projektes: Landschaftspflegemit Ziegen, Schafen und Alpakas. Webseite der Autorin: www.antonia-katharina.de Webseite der Hundezucht der Autorin: www.bolonka-zucht.de

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 249

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Und in der Tat,

ein Pferd, das sich stolz trägt,

ist etwas so Schönes,

Bewunderns- und Staunenswürdiges,

dass es aller Zuschauer Augen auf sich zieht.

Keiner wird müde, es anzuschauen,

solange es sich in seiner Pracht zeigt.

Xenophon

Gewidmet

dem ehemaligen Ausbilder und Reitlehrer

Henning Müller

der meine Ausbildungszeit auf dem

Haupt- und Landgestüt Neustadt an der Dosse

zu einer unvergesslichen Erinnerung machte,

der mich lehrte,

an meine eigenen Fähigkeiten zu glauben

und dessen wohlwollende Unterstützung

maßgeblich zu meinem weiteren, reiterlichen

Werdegang beigetragen hat.

Und

Winston.

Über die Autorin:

Antonia Katharina Tessnow begann mit 8 Jahren zu reiten und wurde früh gefördert. Mit 13 Jahren übernahm sie ihre ersten Berittpferde und mit 15 zeitweilig den Großpferdeunterricht an einem renommierten Reitstall in Berlin, ihrer Geburtsstadt. Nach einem einjährigen USA-Aufenthalt arbeitete sie mehrere Jahre in einem Privatstall außerhalb Berlins. Mit 22 wechselte sie in einen Sportstall nach Schleswig-Holstein, in dem sie sich auf die Dressur spezialisierte und Pferde aller Klassen trainierte und ausbildete.

Nach einer anschließenden 6-jährigen Tätigkeit im Berliner Olympiastadion als Landesverbandstrainerin des Modernen Fünfkampfes in der Disziplin Springreiten, verließ sie den Sport und widmete sich ihrer künstlerischen, heiltherapeutischen und schriftstellerischen Arbeit.

Sämtliche Trainerscheine erwarb sie am Brandenburgischen Haupt- und Landesgestüt Neustadt an der Dosse. An dem Aufbau dieses Gestütes orientiert sich der Ort, an dem der Hauptteil der Winston Trilogie stattfindet.

Winston war Antonias erstes Berittpferd an der Landesreitschule Berlin. Der Charakter und der Lebenslauf von Winston im Buch wurde von diesem wunderbaren Tier inspiriert.

Heute lebt sie in einem kleinen Dorf am Rande der Mecklenburgischen Schweiz, schreibt Bücher, musiziert und führt eine Hundezucht der russischen Zarenhunderasse Bolonka Zwetna aus dem Alten Jagdhaus.

Webseite der Autorin:

www.antonia-katharina.de

Webseite der Bolonka Zwetna Hundezucht:

www.bolonka-zucht.de

***

Die gusseiserne Statue 'Stute mit Fohlen' auf dem Haupt- und Landgestüt Neustadt an der Dosse

***

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

1

Die Schulglocke klingelt. Ich habe mich oft genug über diesen Ton gefreut, vor allem in all den unzähligen Stunden, die nicht enden wollten und in denen ich nichts anderes, als den Schulschluss herbeigesehnt habe. Doch dieses Mal ist es anders, denn dieses Klingeln läutet das Ende meiner Grundschulzeit ein.

Die Lehrerin hat uns bereits verabschiedet. Jetzt ist es vorbei. Keiner springt so schnell auf wie sonst. Alle fangen etwas zögerlich an, ihre Sachen zu packen und sich zum Gehen fertig zu machen.

Ich weiß, dass ich viele von den Leuten, mit denen ich meine letzten Jahre verbracht habe, nicht wiedersehen werde. Ein seltsames Gefühl.

Die Sonne scheint und draußen sind es mindestens 30 Grad. Ich bin mit dem Fahrrad hier. Im Sommer fahre ich immer mit dem Fahrrad, weil das schneller geht. Der blöde Busfahrer muss ständig anhalten und manchmal trödelt der auf dem Heimweg dermaßen lange, dass man schon graue Haare hat, wenn man zu Hause ankommt. Und zu Hause wartet Winston auf mich. DEN soll ich warten lassen? Niemals! Keine Sekunde länger als nötig! Außerdem würde der sich ganz schön wundern, wenn ich plötzlich graue Haare hätte!

Darum fahre ich selbst. Da kann ich die Straßen lang rasen und so schnell um die Kurven sausen, dass man mich glatt mit einem Rennfahrer verwechseln könnte.

Den Bus hält niemand für einen Rennwagen, höchstens für eine lahme Ente. Und die lahme Ente fährt normalerweise erst am Gestüt vorbei, wenn ich schon lange bei meinem Winston im Stall bin. Oder bei Frieda in der Küche.

"Hey, Juna! Träumst Du schon wieder?", meine Lehrerin steht hinter mir. Ich habe sie gar nicht bemerkt.

"Ich? Wieso?"

Ich schaue mich um. Die Klasse ist fast leer.

"Die Schule ist zu Ende, Du kannst jetzt nach Hause gehen. Oder gefällt es Dir bei uns so gut, dass Du noch ein bisschen bleiben möchtest?", sie lächelt mich an.

"Bleiben die dann auch?", ich zeige auf Peer und René, die neben mir die einzigen sind, die noch im Klassenzimmer sitzen.

"Ihr drei! Ausgerechnet ihr drei! Unser Rabaukenteam! Ausgerechnet ihr wollt länger in der Schule bleiben? Das könnt ihr eurer Großmutter erzählen!", lacht sie.

Das stimmt. Kommt nicht so gut, wenn gerade wir das sagen. Wir waren schließlich immer die ersten, wenn es darum ging, nach der Stunde aus der Klasse zu rennen. Egal, ob es zur Pause oder zum Schulschluss geläutet hat. Hauptsache raus!

"Was macht Ihr denn noch hier?", frage ich Peer und René.

"Auf Dich warten vielleicht, Quatschtante! So wie jeden Tag."

"Ey", Peer tut so, als hätte er einen genialen Einfall, "lass uns doch heute mal zu Frieda fahren. Alle zusammen!"

"Geile Idee!", René ist begeistert. "Wir verstecken unsere Räder vor dem Tor und schleichen uns von hinten ins Haus rein. Bisher hat uns nie jemand erwischt und Frieda hält eh dicht."

"Als wenn die Leute euch nicht kennen würden! Wir gehen schließlich fast jeden Tag zu Frieda essen. Nun tut mal nicht so, als wärt ihr voll die Geheimagenten und schleicht euch heimlich in feindliches Territorium. Stellt doch einfach eure Räder in den Fahrradständer und kommt mit mir durch den Haupteingang, so, wie sonst auch."

"Wie langweilig!", meint Peer.

"Voll die Mädchennummer!", stöhnt René.

"Wollt Ihr jetzt bleiben oder fahren?", fragt unsere Lehrerin, die seit dem Klingeln eigentlich gar nicht mehr unsere Lehrerin ist.

Wir gucken uns an und jeder wartet darauf, dass der andere etwas sagt.

"Okay", sage ich zögerlich.

"Okay ... was? Wenn auf eine entweder-oder-Frage mit Okay geantwortet wird, gehe ich davon aus, Du hast mich nicht verstanden", unsere Lehrerin lacht schon wieder.

"Okay heißt: Wir gehen jetzt. Ich hab nämlich Hunger!" René, vorlaut wie immer.

"Ich auch!", schließt Peer sich an, "schließlich haben wir noch eine geheime Mission vor uns, bevor wir das Mittagessen erreichen. Dazu müssen die letzten Energiereserven reichen!"

"Alles klar: Ihr seid echte Helden!" Ich gehe zur Tür. Die steht weit offen. Keiner hat sie hinter sich zu gemacht. Ich drehe mich um:

"Kommt Ihr jetzt, oder was?"

"Schon auf dem Weg!", die beiden Agenten in geheimer Mission springen auf. Wir sind schon fast draußen, als unsere Lehrerin, die ja gar nicht mehr unsere Lehrerin ist, uns nachruft:

"Wollt Ihr euch gar nicht verabschieden?"

Wir stehen schon auf dem Flur.

"Ja, also ... tschüss dann", sage ich.

"Tschüss!", rufen auch Peer und René.

"Tschüss Ihr drei, und passt auf Euch auf!"

Dann sagt sie noch irgendwas, aber das verhallt im Treppenhaus. Wir warten gar nicht ab, bis sie ihren Satz beendet hat. Als sie fertig ist mit Sprechen, sind wir schon längst über alle Berge. Wie immer.

2

Frieda ist in der Küche und hat natürlich gute Laune.

"Juna, mein Sonnenschein, wie war Dein letzter Schultag?" Kaum hat sie das ausgesprochen, platzen Peer und René in die Küche. Mit einem Satz sind sie durch die Tür und knallen sie hinter sich zu.

"Geschafft!", prahlt René.

"Geheimagenten 007 und 008 melden sich zur Stelle!", Peer salutiert vor Frieda. Die lässt sich nicht aus der Ruhe bringen:

"Auch ein paar Nudeln mit Tomatensauce?"

"Oh, geil, Nudeln!", freut sich René.

"Essen echte Geheimagenten Nudeln?", fragt Peer.

"Geheimagenten können alles essen, was denkst Du denn?", entgegne ich. Peer hat mal wieder keine Ahnung.

"Also, ich hab noch nie gesehen, wie James Bond Spaghetti mit Tomatensauce gegessen hat", bemerkt Peer.

"Na, das filmen die natürlich nicht, weil es langweilig ist.

Oder würdest Du es spannend finden, 007 beim Essen zu beobachten?" Peer weiß echt gar nichts! Alles muss man ihm erklären!

"Keiner hat uns gesehen! Wir waren mal wieder schnell wie der Blitz!", erklärt René.

"Also, ihr Süßen, selbst wenn sie Euch nicht gesehen haben, gehört haben sie Euch bestimmt! Die Tür ist so laut zugeknallt, dass Ihr froh sein könnt, wenn Herr von Barnstedt nicht vor lauter Schreck von seinem Bürostuhl geflogen ist", Frieda stellt die Nudeln auf den Tisch.

Peer und René kichern mal wieder rum.

"Warum müssen ausgerechnet meine Freunde so bekloppt sein? Warum kann ich nicht ganz normale Freunde haben, so wie andere Menschen auch?", frage ich, allerdings nur mich selbst, nicht die anderen.

"Na, weil wir so toll sind!", meint René, der mein leises Nuscheln gehört hat.

"Und weil Du uns so gerne magst!", lacht Peer.

Ich verkneife mir meine Bemerkung und nehme mir ein paar Nudeln.

Wir haben alle großen Hunger. Jeder von uns fällt sofort über die Spaghetti her, als sie auf unseren Tellern landen.

"Wie weit ist eigentlich die Lindemann-Schule von der Akademie entfernt?", fragt Frieda.

"Also", Peer will gerade anfangen zu erzählen, als René ihn unterbricht:

"Stopf' Dir doch noch 'ne Ladung Nudeln in den Mund, dann versteht man Dich besser".

"Die ist zwei Orte von hier entfernt. Allerdings in die andere Richtung", erklärt Peer, unbeeindruckt von Renés Bemerkung. Er ist tatsächlich kaum zu verstehen. Aber da er immer seine Hände zum Reden mitbenutzt, ist schon klar, was er sagt.

"In welche Richtung?", frage ich.

"Westen", sagt er.

Ich schaue ihn fragend an:

"Woher weiß ich denn, wo Westen ist? Steht hier seit

Neustem ein Schild, oder was?"

Die beiden Jungs lachen. Frieda auch.

"Na da, wo die Sonne untergeht, man!", sagt René.

"Na, guck mal", fährt Peer mit seinem Finger auf dem

Tisch herum, "das Gestüt liegt im Süden. Darum fahren wir auch einmal durch Tresdorf und stoßen dann direkt auf das Haupthaus. Ich muss aber gleich nach rechts weg, diese olle Sandstraße lang, die immer so matschig wird, wenn's regnet, erinnerst du Dich?"

"Ach da lang, ist schon klar."

"Waldenhagen", beendet Peer seine Erklärung und macht sich wieder über seinen Teller her.

"Und Du?", fragt Frieda René.

"Kummersdorf", antwortet er.

"Da passt Du hin", entgegnet Peer, der sofort Renés

Ellenbogen in den Rippen hat.

"Aua!", entfährt es ihm.

"Blödmann", zischt René.

"Welche Schule ist da?", frage ich.

"Keine Ahnung wie die heißt", sagt René, "is 'ne

Hauptschule", ohne aufzuschauen isst er weiter.

"Das ist ja wieder ganz woanders", bemerkt Frieda.

"Stimmt. Ist auch etwas weiter weg. Ich werde jeden

Morgen mit dem Schulbus abgeholt."

"Dann fahrt Ihr also gar nicht mehr zusammen?"

Komisch! Die beiden sind mir so oft auf die Nerven gegangen, doch jetzt, wo mir klar wird, dass unsere gemeinsame Zeit vorbei ist, sitzt mir doch ein Kloß im Hals. Mein Teller ist noch nicht ganz leer, aber ich habe plötzlich gar keinen richtigen Hunger mehr.

"Nein", sagt René, "Keiner fährt mehr zusammen. Ab jetzt ist jeder für sich."

3

Es ist ein warmer Sommertag. Die Sonne scheint herrlich und alles wirkt viel lebendiger als im Winter. Die Welt scheint fröhlicher zu sein als in der dunklen Jahreszeit, in der alles gefroren ist und sämtliche Vögel auf und davon sind. Die Bereiter trainieren draußen, die Pfleger machen ihre Mittagspause in der Sonne und sogar die Pferde sehen glücklicher aus als sonst.

Ich fahre mit meinem Fahrrad die große Allee entlang. Wenn man das Fahren nennen kann, denn der Boden ist ziemlich zertreten. Wenn er nicht gerade frisch gewalzt ist, gleicht dieser weiche, aufgewühlte Sand eher einer Buddelkiste. Und zwar den gesamten Weg, bis hoch zum Stutenstall. Doch ich trete einfach so doll ich kann in die Pedale. Zum Laufen hab ich keine Lust.

Auf halber Strecke liegt der Jungpferdeberitt von Dirk und Marek. Ich mache kurz Halt und tue so, als wenn ich sie besuchen wollte. In Wirklichkeit bin ich jedoch schweißgebadet und brauche eine kleine Pause.

Mein Fahrrad lehne ich gegen die Stallmauer. Niemand ist zu sehen. Ich laufe durch die Stallgasse. Auch hier ist keiner. Nicht einmal Pferde in den Boxen. Die werden alle draußen sein.

Als ich um die Ecke biege und gerade zur Halle will, stolpere ich fast über die beiden Herren, die auf dem Boden sitzen, gemütlich an die Mauer gelehnt, ihr Mittag vertilgen und sich dabei sonnen.

„Na“, Marek, den ich aus Versehen getreten hab, blinzelt zu mir hoch, „und?“

„Ich dachte, Ihr arbeitet! Kann ja nicht wissen, dass Ihr hier eure Siesta macht!“

„Keine Ursache, Marek kann ab und zu mal ein paar Tritte gebrauchen“, scherzt Dirk und lacht.

Marek lacht nicht.

„Tut mir leid“, sage ich, bevor Marek reagieren kann.

„Aber es ist nicht Dein schlimmes Bein, oder?“

Marek hält sich plötzlich sein Bein und tut so, als würde er furchtbar leiden: „Mein Bein, mein Bein!“, jammert er.

Dirk winkt ab.

Ich setze mich zu ihnen auf den Boden.

Marek muss einfach jede Gelegenheit nutzen, den Clown zu machen.

„Müsst Ihr nicht arbeiten?“

„Mittagspause“, antwortet Dirk und beißt genüsslich von seinem Brot ab.

Ich lehne mich gegen die Mauer, schließe meine Augen und lasse mir die Sonne aufs Gesicht scheinen. Es herrscht absolute Stille. Nicht einmal die Bäume rauschen. Keine Landmaschinen, keine Autos, nichts.

„Dirk hat angefangen, Deinen kleinen Hüpfer zu reiten“, erklärt Marek.

„Monti?“, mit einem Schlag öffne ich die Augen und schau rüber zu Dirk. Der nickt.

„Und?“

Er nickt.

„Und?“, bohre ich nach.

Dirk bleibt stumm.

„So schlimm, ja?“, frage ich halb ernst, halb ironisch.

„Na ja, wie soll ich sagen?“, beginnt er zögerlich, „der hat ganz schön viel Energie, der Kleine.“

„Als er noch bei mir in der Fohlenaufzucht stand, war er auch immer der Erste, der morgens an die Tür gedrängelt kam. Der Erste, der sich auf den Hafer gestürzt hat und natürlich der Erste, wenn es raus auf die Koppel zum Toben ging. Manchmal ist er so rumgerast, dass er im Matsch ausgerutscht und hingeflogen ist. Er hatte überhaupt kein Gefühl dafür, mit welcher Geschwindigkeit er um die Ecken rennen kann, ohne auszurutschen. Und manchmal, wenn die Kleinen es nicht erwarten konnten, auf die Weide zu kommen, und er natürlich - wie immer an der Spitze der Herde - ganz vorn am Tor stand, dachte ich: Irgendwann, wenn er kräftig genug ist, rennt der einfach durch den Zaun.“

Mareks Blick verrät mir, dass er den ersten Reitversuchen offensichtlich beigewohnt hat und weiß, wovon ich spreche.

„Gut beschrieben“, Dirk schaut mich an, „und jetzt weißt

Du auch, wie die erste Reitstunde abgelaufen ist.“

Er beißt noch einmal von seinem Brot ab:

„Marek konnte ihn kaum halten. Wir waren da, wo wir immer sind, im Longierzirkel. Das ist der beste Ort. Du weißt ja, der ist außenrum komplett zu und die Pferde können nur im Kreis rennen. Marek stand unten und hat die Longe festgehalten.“

„Was mich wundert“, fällt Marek kurz ein, „Du longierst ihn doch seit Wochen! Der kennt das doch eigentlich!“ Dirk nickt: „Den Sattel und die Trense kennt er schon lange. Das ist nichts Neues für ihn. Und mich kennt er auch.“

Dirk wendet sich wieder zu mir: „Ich stelle mich also ganz vorsichtig in einen Steigbügel und ziehe mich hoch. Da war noch alles okay. Aber kaum, dass ich mich auf die andere Seite gelehnt hab, spastete er los, als wenn wir ihm angedroht hätten, ihn zu erschießen!“

Ich kann mir mein Lachen nicht verkneifen.

„Und der Herr Bereiter hat sich kurzerhand in den Sand gelegt“, fügt Marek hinzu.

Ich muss noch mehr lachen. Ganz schön gemein von mir. Aber ich stell mir gerade vor, wie sich die beiden Jungs vergebens an meinem kleinen Monti versuchen.

Seit eineinhalb Jahren kenne ich nun meine Tiere aus der Fohlenaufzucht. Keiner kennt die jungen Nachwüchsler so gut wie ich. Ich sehe sie schließlich jeden Tag und habe ihnen alles beigebracht, was sie bisher können: Stehenbleiben, Hufegeben, Geputztwerden, Bodenarbeit. Ich habe sie ans Halfter gewöhnt und daran, geführt zu werden. Sogar der Rabauke Monti hat es verstanden. Zwar etwas später als die anderen, aber er hat's verstanden.

„Es gibt da einen Trick.“

Die beiden gucken mich erwartungsvoll an.

Ich sage noch nichts, um die zwei ein bisschen auf die Folter zu spannen.

„Und?“, Marek.

„Okay, pass' auf“, sage ich, „Deal?“

Marek verdreht die Augen. Sogar das sieht bei ihm lustig aus. Er ist immer lustig und meint es nie böse. Und er kann das irgendwie auch jedes Mal aufs Neue rüberbringen. Wie macht er das bloß?

„Was willst Du?“, fragt Dirk.

„Warum bist Du überhaupt hergekommen?“, fragt Marek.

„Also, ich bin hier, weil, na ihr wisst schon: Die Sonne und der warme Sommertag und der blöde, sandige Weg mit dem Fahrrad. Und ich sage Dir, was ich will“, dabei wende ich mich an Dirk, „lass mich doch endlich mal aufs Pferd! Ich warte nun schon, seit dem ich hier bin, dass ich endlich mal Reiten darf! Ich kenne Monti gut, unter mir wird das gehen, glaub mir. Muss ja niemand wissen. Aber nach dem Sommer fängt doch die Reitakademie an, und die neue Schule auch. Ich hab jetzt seit fast fünf Jahren schon nicht mehr auf einem Pferd gesessen.“

„Und dass Du Dir ab und zu eines unserer Jungtiere schnappst und mit mir gemeinsam auf die Koppeln reitest, um die Pferde reinzuholen, zählt nicht, oder wie?“

„Nein, das zählt nicht. Das ist ja auch nur ganz selten.“

„Genau so selten, wie wir die Pferde reinholen“, Marek schaut mich mit einem verstohlenen Lächeln an.

„Also, jeden Tag“, ergänzt Dirk, „ganz selten halt.“ Beide äugen zu mir rüber und nicken.

Ich weiß mal wieder nicht, was ich sagen soll und lächle sie nur mit dem besten Lächeln an, das ich parat haben.

„Na gut“, sagt Dirk, „Du kannst mir heute Nachmittag helfen. Aber ob ich Dich auf den jungen Hengst lasse, weiß ich noch nicht. Das ist ziemlich gefährlich. Wenn Dir was passiert, fällt das auf mich zurück; das Thema hatten wir schon ungefähr 1000 Mal.“

„Ich weiß“, wie immer lasse ich meine Stimme extrem enttäuscht klingen und gucke Dirk mit dem mitleiderregendsten Blick an, den ich aufsetzen kann. Wie immer ohne Erfolg

„Wie geht’s Winston?“, fragt Marek.

„Winston?“, ich schließe meine Augen und lehne mich zurück an die Wand, „dem geht's gut. Wenigstens einer, der mich versteht und auf meiner Seite ist.“

Die zwei lachen. Sie lachen mich aus.

„Und er lacht mich nicht aus!“, füge ich hinzu.

„Sicher?“, hakt Dirk nach.

Seine Bemerkung überhöre ich natürlich. „Wann soll ich denn hier sein? Zum Reiten mein ich?“

„Drei?“

„Drei. Okay. Bis später dann.“

Marek und Dirk winken mir noch hinterher, doch ich eile zurück durch die Stallgasse, schwinge mich auf mein Rad und eiere durch die Buddelkiste zum Stutenstall. Winston wartet bestimmt schon.

4

Winston. Endlich! Hat ja mal wieder lang genug gedauert, bis ich Dich wiedersehe! Als ich mein Fahrrad an den Zaun lehne, schaut er auf. Er steht mittlerweile in der Fohlenaufzucht, nicht mehr in Einzelhaft. Und bei diesem herrlichen Wetter sind die Kleinen natürlich draußen.

Kaum, dass er mich erblickt hat, löst er sich auch schon von der Herde und trabt auf mich zu. Ich klettere über den Zaun und laufe ihm entgegen. Als er mich erreicht, pariert er durch zum Schritt, läuft die letzten Meter auf mich zu und drückt mir wie immer seinen Kopf in den Arm. Fast falle ich hinten über. Aber nur fast. Er hat schon eine Menge Kraft entwickelt, der Kleine. Doch umrennen würde er mich nie. Dafür hat er zu viel Gefühl und ist zu vorsichtig. Beim Kuscheln kann er zwar ganz schön rabiat sein, aber über den Haufen rennen würde er mich nicht. Er weiß ganz genau, wie weit er gehen kann.

„Und? Nen' schönen Tag gehabt?“

Winston schnauft einmal leise.

„Bereit für die tägliche Prozedur?“

Er schaut mit gespitzten Ohren auf und schüttelt sich einmal. Dabei staubt er wie ein altes Sofakissen.

„Wieder im Sand gebadet, was?“

Er quiekt kurz. Seit Anfang an quietscht dieses Pferd. Kein anderer seiner Artgenossen gibt derartige Geräusche von sich. Sofort muss ich lachen.

Winston hüpft sogleich umher und quiekt noch mehr. Es sieht zum Totlachen aus. Manchmal frage ich mich, ob er mich mit Absicht zum Lachen bringt?

„Komm' Du kleine Quietschkommode, wir werden Dich mal putzen.“

Er bleibt augenblicklich stehen und schaut mich mit einem Blick an, der fragt:

„Wieso wir?“

Ich muss schon wieder lachen.

„Ich werd' Dich putzen, mein Schatz. Du musst nur dastehen und nach Möglichkeit nicht allzu viel Blödsinn machen.“

Er atmet einmal tief ein. Es hört sich wie ein schwerer Seufzer an; und wie immer, wenn ihm etwas nicht gefällt, senkt er seinen Kopf, schließt die Augen halb und lässt die Ohren zu beiden Seiten baumeln. Dabei sieht er aus wie ein Esel.

Ich kann mich vor Lachen kaum halten.

„Juna, alles in Ordnung?“, Hanna steht am

Hinterausgang des Stutenstalles.

Ich kriege vor lauter Lachen kein Wort heraus.

Winston guckt sie an und spitzt wieder seine Ohren.

Seine Augen sind sofort wach und er stampft einmal sein beleidigtes Stampfen: Mit einem Vorderbein auf den Boden. Und quiekt dabei, was sonst.

Hanna sieht ihn, schüttelt den Kopf, winkt ab und geht zurück in den Stall.

„Ich hol mal Dein Halfter“, ich schaue meinen Schatz verliebt an.

Winston guckt, als würde ich gleich etwas tun, das ich noch nie getan habe.

Ich klettere zurück über den Zaun. Winston kommt mir hinterher und schiebt seinen Kopf zwischen den beiden waagerechten Zaunlatten hindurch. Dann schaut er mir nach. Sein Gesicht ist so enttäuscht, als würde ich nie wieder kommen.

„Hanna, ich geh jetzt Winston putzen.“

„Ach, ist ja was ganz Neues“, sie lächelt und blinzelt mir zu.

Stimmt, hätte ich ihr nicht zu sagen brauchen, mach ich schließlich jeden Tag so.

„Hättest Du mir nicht sagen brauchen, machst Du schließlich jeden Tag so.“

Sie kann natürlich Gedanken lesen. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt.

„Hanna?“

„Ja?“

Ich rede nicht weiter.

Hanna wartet einen Augenblick, ob was kommt; es kommt aber nichts. Sie lehnt ihren Besen gegen eine Boxentür, kommt zu mir rüber und lehnt sich neben mich an Wand.

Dann schaut sie mich erwartungsvoll an.

„Na ja, Hanna, weißt Du, was ist denn jetzt mit Reiten?“

Sie seufzt und schüttelt den Kopf:

„Ich kann Dir da nicht wirklich weiter helfen. Wir haben hier die hochträchtigen Stuten. Viele von denen, die noch nicht ganz so weit sind, stehen im Sommer 24 Stunden draußen. Und die Fohlen kann man nicht reiten. Aber was erzähl ich Dir da? Das weißt Du ja alles.“

„Wir haben jetzt sechs Wochen Ferien. Danach fängt die Reitakademie an.“

Ich stocke kurz, schlucke, gucke Hanna an:

„Und die Barnstedts drohen mir doch immer wieder, mich rauszuschmeißen, wenn das alles hier mit mir nicht funktioniert. Und ich will doch unbedingt hier bleiben.

Es muss funktionieren, verstehst Du? Es muss einfach!“

„Hast Du schon mal mit Dirk geredet?“

„Dem Clown?“

„Ich dachte, Winston ist 'der Clown'?“

„Und ich dachte immer, Marek ist der Clown!“

Wir haben gar nicht gemerkt, wie Henrik auf den Hof gefahren ist und mit offensichtlich guter Laune die Stallgasse entlang kommt.

„Vielleicht bist Du ja der Clown?“, entgegnet Hanna.

„Wie sieht's aus? Hast Du Arbeit für mich?“

Hanna schüttelt den Kopf:

„Alles ruhig. Die Nächste ist frühstens in 3 Wochen dran.“

„Dann mach ich mal 'nen kurzen Check-up. Sind alle draußen?“

„Indira hab ich gleich hier auf dem Paddok. Lass uns mit der anfangen.“

„Ich geh mal zu Winston“, werfe ich schnell dazwischen.

„Vergiss' die anderen Fohlen nicht“, sagt Hanna im Umdrehen, „und red' mal mit Dirk. Er wird Dich bestimmt verstehen.“

Wenn die wüsste! Dirk versteht gar nichts! Dirk hat immer nur Angst, dass was passiert. Der wird mich in einer Million Jahren nicht auf ein Pferd lassen. Ich hab ihn schließlich schon mindestens fünf Millionen Mal gefragt.

Ein helles Wiehern erklingt. Winston. Und ein Bummern hinterher. Auch Winston. Er tritt jetzt nicht mehr gegen die Boxentür, er tritt jetzt gegen so ziemlich alles, was vor ihm steht. Im Moment ist es der Zaun.

Ich schnappe mir ein Halfter und gehe raus.

Er schaut keck über die oberste Zaunlatte.

Ich klettere zurück auf die Koppel und halte ihm das Halfter hin, in das er sofort seine Schnauze versenkt. Er weiß nämlich ganz genau: Wenn er das Halfter um hat, passiert gleich was; und was ist aufregender für meinen Kleinen, als tolle Abenteuer, die es zu erleben gibt?

Der Strick ist schon am Halfter. Festhalten brauche ich ihn eigentlich nicht, denn er folgt mir auch, ohne dass ich ihn führen muss. Aber er muss das lernen! Hat Hanna mir eingebläut. Also mache ich das natürlich genau so.

Ich will alles richtig machen, denn ich will schließlich hier bleiben.

5

Winston wird erst mal vor dem Stall angebunden. Bei dem schönen Wetter putze ich draußen. Mein Putzzeug steht schon bereit.

Als erstes mache ich die Füße. Man sagt zwar nicht Füße beim Pferd, aber hier tun es trotzdem alle. Kaum nehme ich den Hufkratzer aus dem Putzkasten, hebt Winston auch schon sein linkes Vorderbein und hält es hoch, genau so, als würde ich daneben stehen und es festhalten. Er ist einfach ein Genie!

Ich kratze ihm den festgetretenen Sand und ein paar Kieselsteinchen aus den kleinen Hufen. Dann bürste ich sie kräftig ab. Meinen Hufkratzer muss ich dafür nur umdrehen. Da ist eine kleine Bürste dran, mit der geht das auch immer ganz gut. Nur manchmal, wenn die Weiden nass und matschig sind, muss ich mit einem Eimer Wasser und einer Wurzelbürste die Hufe förmlich schrubben, damit sie wieder sauber werden. Glänzen tun sie danach allerdings nicht.

Im Sommer benutze ich auch immer mal wieder ein wenig Huffett, vor allem, wenn der Boden so trocken und staubig ist wie die letzten Tage. Das Horn der Hufe wird dann leicht spröde und rissig, genau wie unsere Hände oder unsere Fingernägel.

Horn kann brechen, und wenn Stücke vom Huf abbrechen, kann das verheerende Folgen haben: Es können sich Risse bilden, die bis ins Innenleben des Hufes reichen, oder aber es bricht gleich ein so großes Stück ab, dass das Tier Schmerzen hat und lahmt. Und weil so etwas natürlich nicht passieren darf, benutze ich halt Fett. Aber wo ist es hin? In meinem Putzkasten ist es jedenfalls nicht. Ob Hanna es benutzt hat?

Ich muss Winston zurücklassen und mache mich erst mal auf die Suche nach dem kleinen, grünen Eimer. Ich gehe schnurstracks in unseren Pflegerraum. Er steht mitten auf dem Tisch. Was hat er denn da verloren?

Ich schnappe ihn mir und gehe wieder raus. Winston steht mit dem Kopf zur Tür und reckt sich in meine Richtung, als würde er versuchen, um die Ecke zu gucken. Kaum trete ich ins Freie, spitzen sich seine Ohren und er fixiert mich mit seinen Augen.

„Hab nur das Fett geholt“, ich halte ihm den Eimer hin.

Er beschnuppert ihn, als hätte er ihn noch nie gesehen.

Dabei kennt er ihn ganz genau. Er hat das Fett sogar schon probiert. Seinem Gesichtsausdruck nach hat es allerdings nicht besonders gut geschmeckt. Riechen tut es jedenfalls scheußlich. Das Kosten habe ich mir verkniffen.

Ich stelle das Fett erst mal zur Seite.

„Fingernägel lackieren kommt ganz zum Schluss“, lächle ich ihn an.

Erst mal nehme ich den Gummistriegel zur Hand. Damit raue ich das Fell auf und hoffe, ein wenig Staub aus meinem kleinen Sofakissen zu bürsten. Winston liebt seinen Gummistriegel. Er lehnt sich immer mit seinem ganzen Körper dagegen und genießt es, massiert zu werden. Heute macht er keine Ausnahme. Er streckt seinen Hals so weit vor wie er kann, hält sein Kopf schief und kaum, dass ich angefangen habe, fallen auch schon seine Äuglein zu.

Ich gehe langsam, in kreisenden Bewegungen, über seinen Körper. Das fördert die Durchblutung und ist daher vor jedem Training sehr sinnvoll. Je langsamer ich ihn striegle, um so entspannender ist der Effekt; je schneller ich meine Kreisbewegungen ausführe, um so anregender wirken sie. Das sind dieselben Wirkungen wie Massagen beim Menschen. Wenn es nach Winston ginge, könnte ich das stundenlang machen.

Ich habe aber noch sechs andere Fohlen zu betreuen, das mit dem stundenlangen Striegeln müssen wir leider vertagen.

Als ich absetze, ist Winston schlagartig wach. Er beobachtet natürlich ganz genau, was ich als nächstes tue. Ich nehme die Kardätsche und bürste sein Fell wieder glatt. Nach dem Striegeln sieht er immer ziemlich zerzaust aus.

Die Kardätsche in der einen Hand, den Striegel in der anderen, bürste ich sie immer wieder gegeneinander aus. Damit nehme ich den Staub, der von Winston kommt, aus den Borsten der Kardätsche. Den Striegel klopfe ich normalerweise auf dem Boden aus.

Um die Mähne und den Schweif kümmere ich mich nicht weiter, denn davon hat er noch nicht sehr viel. Aber die Hufe werden noch gefettet.

Ich habe schon seit langem für schwarzes Huffett plädiert. Vorher hatten wir grünes. Das sieht nicht so schön aus. Aber das schwarze Fett auf den dunklen Hufen verleiht der Gesamterscheinung eines Pferdes etwas Edles. Ich mag das.

„Juna, weißt Du, wie spät es ist?“, fragt Hanna, als sie an mir vorbeigeht.

„Keine Ahnung. Zwei?“

Sie bleibt stehen und holt ihr Handy aus der Hosentasche.

„Und?“, frage ich.

„Gleich halb drei.“

Oh, schon so spät! Dann mal weg mit Winston und ab zu Dirk.

„Hast Du die Aufzucht schon eingestreut und Heu rüber gefahren?“

„Nein, noch nicht. Ich wollte noch mal rüber in den Jungpferdeberitt.“

„Kannst Du vorher noch schnell den Stall fertig machen?“

„Mach ich!“

Hanna mustert Winston:

„Der sieht ja aus, wie aus dem Ei gepellt. Sein Fell glänzt richtig.“

„Ja, er hat sich gut entwickelt.“

Ich streiche einmal über seinen Rücken.

„Man sieht, dass er mal ein ganz Schicker wird“, meint Hanna.

„Dass er ein ganz Schicker ist, meinst du wohl!“

„Was ist mit den anderen?“

„Manchmal schaffe ich nicht alle. Die mache ich dann im Schichtdienst. Einen Tag die einen, den nächsten Tag die anderen. Weißt Du doch.“

„Klar, ich meine ja auch: Was ist heute mit den anderen.

Machst Du die noch?“