Winter der Herzen - Tina Müller - E-Book

Winter der Herzen E-Book

Tina Müller

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Beschreibung

Weihnachten in Winterberg bedeutet für Sophie Becker vor allem eines: Stress und Glitzer. Doch jedes Jahr steht sie an ihrem kleinen Stand auf dem Weihnachtsmarkt, wo sie handgemachte, nachhaltige Geschenke verkauft - nicht aus Liebe zur Weihnachtszeit, sondern als stillen Protest gegen Konsumrausch und Kitsch. Doch tief in ihrem Herzen trägt Sophie eine leise Hoffnung, den Zauber der Weihnachtszeit doch noch zu finden. Als sie eines Morgens einen geheimnisvollen Zettel an ihrem Stand entdeckt, beginnt für Sophie eine rätselhafte Schnitzeljagd durch ihre Heimatstadt. Wer steckt hinter den Botschaften, die überraschend persönlich wirken? Begleitet von Alexander, dem stillen Schreiner mit der warmen Ausstrahlung, folgt sie widerwillig den Hinweisen. Auf ihrem Weg durch die verschneiten Gassen von Winterberg begegnet Sophie nicht nur vergessenen Erinnerungen, sondern auch den kleinen Wundern, die Weihnachten erst besonders machen. Und vielleicht ist die Liebe ja doch näher, als sie dachte. Eine herzerwärmende Geschichte über die Magie von Weihnachten, die Kraft kleiner Gesten und die stille Schönheit eines verschneiten Winterabends - ideal für alle, die sich in der Adventszeit nach Wärme und Zauber sehnen. Mit zahlreichen Extras: Winterberger Rezepte, Winterberger Märchen, Sagen und Legenden, Weihnachtsbräuche, Bonuskapitel, ein Überraschungsepilog von Alexander, Bastelideen usw.

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Seitenzahl: 285

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 01: Kein Fest für Romantiker

Kapitel 02: Rätselhaft

Kapitel 03: Dem Licht folgen

Kapitel 04: Eine Reise in die Vergangenheit

Kapitel 05: Wo der Winter am lautesten spricht

Kapitel 06: Das alte Rathaus

Kapitel 07: Der Hüter des Winters

Kapitel 08: Alte Wunden, neue Gefühle

Kapitel 09: Die Kapelle der Wünsche

Kapitel 10: Ein Hauch von Weihnachtszauber

Kapitel 11: Ein neuer Morgen

Kapitel 12: Spuren im Schnee

Kapitel 13: Mr. X-Mas

Kapitel 14: Nähe und Distanz

Kapitel 15: Vertrauen

Kapitel 16: Ein neuer Anfang

Kapitel 17: Zusammenwachsen

Kapitel 18: Ein Blick in die Zukunft

Kapitel 19: Vorfreude

Kapitel 20: Weihnachtsfestwunder

Epilog: Im Herzen zu Hause

Bonuskapitel 1-5

Anhang

Nachwort

Über die Autorin

Mein Shop

Meine Bücher

Danke

Vorwort

Liebe Leser,

willkommen in Winterberg, einer kleinen, verschneiten Stadt voller Geheimnisse und Wunder. Als ich an Winter der Herzen arbeitete, hatte ich das Gefühl, selbst durch die schneebedeckten Straßen zu schlendern, die warmen Lichter des Weihnachtsmarktes zu sehen und das Kribbeln der Kälte auf den Wangen zu spüren. Winterberg ist ein Ort, in dem die kalte Jahreszeit nicht nur Kälte bringt, sondern auch Nähe, und wo Märchen und echte Gefühle so nah beieinander liegen, dass man sich fragt, ob nicht auch die eigenen Herzenswünsche hier in Erfüllung gehen könnten.

Die Märchen aus der Falk'schen Märchensammlung, die in der Geschichte vorkommen, sind fiktiv, aber ich wollte die Atmosphäre jener alten Geschichten einfangen, die man sich am Feuer erzählt. Es sind Märchen von Hoffnung, von Verlust und von dem Mut, sich wieder für das Leben und die Liebe zu öffnen – Themen, die auch Sophie und Alexander in dieser Geschichte begleiten. Sie finden im Anhang ein paar der alten Märchen, weitere Informationen zum Märchensammler Johann Albrecht Falk sowie einige Winterberger Sagen und Legenden.

Ich hoffe, dass Sie beim Lesen genauso viel Freude und Wärme empfinden wie ich beim Schreiben. Vielleicht schenkt Ihnen Winter der Herzen ein kleines Stück Winterzauber, das Sie noch lange nach dem letzten Kapitel in sich tragen werden.

Herzlichst. Tina Müller

Hinweis der Autorin: Der in dieser Geschichte beschriebene Ort Winterberg ist rein fiktiv und steht in keinem Zusammenhang mit der real existierenden Stadt gleichen Namens. Mein Winterberg ist ein Schauplatz der Fantasie, geprägt von verschneiten Gassen, warmem Lichterglanz und der Magie der Weihnachtszeit – ein Ort, der nur in dieser Geschichte existiert.

Kapitel 1: Kein Fest für Romantiker

3. Dezember – Und wieder beginnt es. Der Weihnachtsmarkt ist wie ein Tollhaus auf Glitzer und Zuckerguss. Ich habe mich wieder dazu breitschlagen lassen, einen Stand zu betreiben, obwohl ich Weihnachten im Grunde für eine riesige Täuschung halte. Glänzender Kitsch, leere Phrasen und überzuckerte Liebe – nichts davon hat mit der Realität zu tun. Mal sehen, ob ich es überlebe, ohne dass mir ein blinkender Engel den Verstand raubt.

Die Weihnachtszeit war ein Kaleidoskop aus Lichterglanz, Trubel und Chaos – und Sophie Becker begegnete ihr jedes Jahr mit einer Mischung aus Gleichmut und Skepsis. Sie saß zwischen einem Berg aus handgestrickten Mützen und selbstgegossenen Kerzen aus Bienenwachs und beobachtete, wie die Menschen hektisch von Stand zu Stand eilten, als könnte ein einziges verpasstes Geschenk die Feiertage ruinieren. „Weihnachten: Die Zeit, in der die Leute vergessen, dass man Glück nicht in letzter Minute an einem Marktstand kaufen kann“, murmelte sie und zog ihre Strickmütze tiefer ins Gesicht.

Es war der dritte Dezember, und Winterberg war bereits im Würgegriff des Weihnachtswahnsinns. Überall funkelten Lichterketten, künsdiche Tannenzweige zierten Laternenpfähle, und eine unheimlich fröhliche Version von Jingle Bells tönte aus unsichtbaren Lautsprechern. Der Winterberger Weihnachtsmarkt hatte den Marktplatz fest im Griff, ein schillerndes Labyrinth aus Glühweinduft, rutschigen Gehwegen und so viel Kitsch, dass man meinen könnte, eine Schneekugel sei explodiert. Die Menschen schoben sich von Stand zu Stand, offenbar fest entschlossen, ihr Geld für Dinge auszugeben, die spätestens im Januar in einer Kiste unter dem Bett verschwinden würden. Mit einem genervten Augenrollen beobachtete Sophie, wie eine Familie vor dem Stand neben ihrem stehenblieb und sofort mit Plastikspielzeug und blinkenden LED-Lichtern überschüttet wurde. Die Kinder kreischten begeistert, die Eltern seufzten, und Sophie konnte nicht anders, als leise zu lachen.

„Na, wenn das mal nicht der wahre Geist von Weihnachten ist“, murmelte sie, bevor sie die Aufmerksamkeit zurück auf ihren eigenen Stand lenkte – ihre persönliche kleine Rebellion gegen den Konsumwahn. Und doch stand sie hier, jedes Jahr aufs Neue, vielleicht, weil ein Teil von ihr hoffte, dass es da draußen doch noch Menschen gab, die den Zauber der einfachen Dinge schätzten.

Sophies Marktbude war schlichter als alle anderen. Statt funkelndem Kitsch gab es hier handgemachte Sachen: gestrickte Mützen, handgezogene Kerzen aus Bienenwachs, kleine Schachteln gefüllt mit selbst gebackenen Keksen und sogar Bienenwachs- und Stofftücher als nachhaltige Alternative zu Geschenkpapier. Kein Plastik, keine blinkenden Lichter – nur Wärme und das, was sie „echte Weihnachtsgeschenke“ nannte.

Gerade als sie sich wieder ihrer Strickarbeit zuwenden wollte, hörte sie, wie jemand vor ihrer Bude haltmachte und einen Moment zögerte. Sie hob den Kopf und sah Alexander, der ihr mit einem schiefen Lächeln eine dampfende Tasse entgegen hielt. Alexander war Schreiner und führte seit ein paar Jahren ebenfalls einen Stand auf dem Weihnachtsmarkt – so hatten sie sich kennengelernt und langsam angefreundet.

„Ich dachte, du könntest ein bisschen Wärme gebrauchen“, sagte er.

Seine Stimme war tief und angenehm, und Sophie konnte nicht umhin, bei seinem schüchternen, fast jungenhaften Blick zu lächeln.

„Danke“, antwortete sie und nahm die Tasse in die Hände. Der heiße Kakao roch nach Zimt und Schokolade, und einen winzigen Moment lang fühlte sie sich tatsächlich ...ja, fast weihnachtlich.

„Und wie läuft das Geschäft?“ Alexander rieb sich die Hände, seine

Wangen waren vom kalten Wind gerötet.

„Lass mich raten: Die Leute stürzen sich auf deinen Stand wie auf Gratisproben im Supermarkt?“

Sophie lachte leise. „Oh ja, sie stehen stundenlang an, um handgestrickte Mützen und Bienenwachskerzen zu ergattern. Weihnachten ist doch die Zeit der Besinnlichkeit – und der nachhaltigen Geschenke, wie du weißt.“

Alexander zog die Augenbrauen hoch und grinste. „Ich finde es großartig, dass du es trotzdem machst. Es hat etwas ... Bodenständiges.“

„Oder Zynisches?“, fragte sie mit einem herausfordernden Blick.

„Manche Menschen hier würden das so sehen.“

„Vielleicht. Aber ich weiß, dass du das aus Überzeugung machst, Sophie“, sagte er ruhig, und das Lächeln verschwand von seinem Gesicht, als er sie eindringlich ansah. „Und genau das gefällt mir.“ Sophie zuckte ein wenig zusammen, überrascht von der Ernsthaftigkeit in seinen Worten.

Alexander war normalerweise eher der stille Typ, der ungern im Mittelpunkt stand. Meistens hielt er sich im Hintergrund und half ihr mit Dingen, die sie nicht alleine tragen konnte, oder brachte ihr – wie jetzt – eine heiße Schokolade, ohne viel Aufhebens darum zu machen. Aber heute lag in seiner Stimme etwas Neues, etwas, das sie ein wenig aus dem Gleichgewicht brachte.

Bevor sie eine Antwort finden konnte, kam eine ältere Dame an den

Stand, die Sophies Mützen neugierig beäugte.

„Haben Sie die selbst gestrickt, junge Frau?“, fragte sie und drehte eine von Sophies Mützen prüfend in ihren Händen. „Meine Nichte strickt auch, aber so schöne Muster kriegt sie nicht hin.“

Sophie nickte und lächelte höflich und nahm das Kompliment entgegen, während Alexander sich unauffällig zurückzog und ihr einen letzten Blick zuwarf. „Ich muss los, aber ich komm später nochmal vorbei“, sagte er und hob die Hand zum Abschied.

„Mach das“, antwortete sie, bevor sie sich wieder der alten Dame zuwandte. Doch sie spürte seinen Blick noch eine Weile auf sich, und ein Teil von ihr hätte fast gehofft, dass er einfach geblieben wäre.

Nachdem die ältere Dame schließlich gegangen war und Sophie ihr eine ihrer handgegossenen Bienenwachskerzen und die Mütze verkauft hatte, lehnte sie sich einen Moment zurück und ließ den Blick über den Weihnachtsmarkt schweifen. Menschen drängten sich von Stand zu Stand, Kinderstimmen und Lachen mischten sich mit dem Duft von Glühwein und gebrannten Mandeln, und irgendwo erklang ein lauter Trinkspruch.

„Na, was meinst du, Sophie?“, erklang eine vertraute, energische, Stimme. „Ein Hauch von Weihnachtszauber? Ich sehe, du fängst an, zu

lächeln!“ Vor ihr stand Tante Erna, eine beeindruckende Erscheinung in ihrem überladenen Wintermantel und einer dicken Wollmütze in Tannengrün, die mit einem gestrickten Rentiermuster verziert war. Tante Erna trug zwei große Taschen voller selbst gebackener Kekse und

eine Thermoskanne, die vermutlich randvoll mit ihrem berühmten, Weihnachtspunsch war. „Lächeln? Ich? Weihnachtszauber? Kaum“,

entgegnete Sophie trocken. „Das ist wahrscheinlich nur ein Nervenzucken.“ Erna lachte laut und drückte Sophie eine Tüte voller Kekse in die Hand.

„Ach komm schon, Liebling. Weihnachten ist die schönste Zeit des Jahres. Du musst nur die Augen aufmachen und sehen, wie viel Freude um dich herum ist!“

Sophie verdrehte die Augen. „Wenn Freude bedeutet, sich am Glühweinstand gegenseitig fast umzurennen, um einen Becher überteuerten Punsch zu ergattern, dann hast du recht.“ Erna tätschelte ihr den Arm. „Dein Herz ist härter als ein alter, vertrockneter Christstollen, mein Schatz. Aber ich weiß, dass du es lieben würdest, wenn du nur die richtige Gelegenheit bekämst.“

Lächelnd schüttelte Sophie den Kopf. „Vielleicht. Aber bis dahin bin ich ganz glücklich mit meiner zynischen kleinen Weihnachtswelt hier.“

Doch als sie das sagte, merkte sie, dass ihre Worte nicht mehr ganz so viel Überzeugung hatten wie sonst. Ein Gedanke schlich sich leise in ihren Kopf: Vielleicht hatte Tante Erna recht. Vielleicht hatte sie nur zu lange in ihrem Zynismus gelebt, um zu vergessen, wie es war, sich wirklich auf Weihnachten einzulassen.

„Ach, Sophie“, sagte Erna und schüttelte den Kopf. „Ich wette, bis zum Heiligabend haben wir dich soweit. Ich arbeite dran, versprochen!“ Sie zwinkerte und begann, ihre Kekse neben Sophies Bienenwachskerzen zu drapieren, als wären sie ein Geschenk der Weihnachtsgötter höchstpersönlich. Sophie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Ich hoffe, du erwartest nicht, dass die Leute deine Plätzchen kaufen, nur weil sie direkt neben meinen Meisterwerken liegen.“

„Ach, nein, meine Liebe“, rief Erna fröhlich. „Ich verschenke sie!

Weihnachten ist schließlich die Zeit der Großzügigkeit.“

Sie lachte leise und verdrehte die Augen. Natürlich verschenkte Tante Erna die Plätzchen. Aber sie musste zugeben, dass die älteren Passanten, die sich einen Keks aus dem Korb nahmen und Erna mit einem Lächeln dankten, der Szenerie tatsächlich ein bisschen Charme verliehen. So etwas war schwer zu hassen – selbst für sie. Nachdenklich ließ den Blick über den Weihnachtsmarkt schweifen.

Menschen schlenderten an den traditionellen Marktbuden vorbei, Kinder saßen auf den Schultern ihrer Eltern, und in der Ferne drehte das Karussell leise ratternd seine Runden. Irgendwo erklang die sanfte Melodie eines Leierkastens, während die Luft nach gebrannten Mandeln, Tannenzweigen und einem Hauch kalter Luft duftete.

Es war beinahe ... schön.

Gerade, als sie diesen Gedanken hatte, tauchte Alexander wieder auf, diesmal mit einem Geschenk in der Hand, das er ihr mit einem geheimnisvollen Lächeln entgegenhielt. „Ich hab da noch was für dich. Ich hab’s bei einem Händler am anderen Ende des Marktes gefunden. Dachte, es passt zu deinem alternativen Stil.“

Sophie hob die Augenbrauen. Es war schlicht in braunes Packpapier gewickelt, und als sie es öffnete, entdeckte sie ein kleines Notizbuch aus recyceltem Papier, dessen Einband mit goldenen Sternen bestickt war. Ihr Herz machte einen kleinen Satz.

„Für deine Gedanken“, sagte Alexander sanft. „Manchmal wirken sie so tief und weitreichend. Vielleicht hilft dir das hier, sie zu ordnen.“

Sophie wusste nicht, was sie sagen sollte. Alexander, dachte sie und 'blickte in sein offenes, freundliches Gesicht. Er war wie eine warme Decke inmitten all der kühlen, blinkenden Lichter – jemand, der einfach nur da war, ohne Fragen, ohne Erwartungen. Sie spürte, wie sich ein leises Lächeln auf ihre Lippen schlich, und diesmal war es echt.

„Danke“, sagte sie schließlich, ihre Stimme ein wenig leiser als sonst.

„Das ... bedeutet mir mehr, als du vielleicht glaubst.

Alexander nickte und lächelte zurück, und in diesem Moment schien es, als würde der Lärm des Weihnachtsmarktes um sie herum verstummen. Alles war einfach nur still, ruhig – und dann fühlte sie plötzlich die Berührung seiner Hand, die ihre kurz streifte, bevor er sich wieder zurückzog.

„Ich komm später noch mal vorbei“, sagte er und schenkte ihr einen letzten Blick, der ihr Herz ein wenig schneller schlagen ließ. Danndrehte er sich um und ging zurück zu seiner Bude gegenüber, wo, bereits eine kleine Gruppe von Kindern begeistert seinehandgeschnitzten Figuren betrachtete.

Alexander verkaufte handgefertigte Holzspielzeuge und Weihnachtsschmuck – kleine Holzpferdchen, kunstvoll geschnitzte Engel und sogar Miniaturen von Tannenbäumen, die er mit winzigen, sorgsam gemalten Details verzierte.

Sophie wusste, dass er oft direkt am Stand schnitzte, mit einem konzentrierten Ausdruck im Gesicht und Spuren von Holzspänen auf seinem Pullover. Sie hatte beobachtet, wie seine Hände ruhig und geschickt arbeiteten, wie das Holz unter seinen Fingern Formen annahm, die Geschichten zu erzählen schienen. Für ihn war es nicht nur ein Job, das spürte man in jedem seiner Stücke.

Nachdenklich sah Sophie ihm nach, während sich eine unerwartete, warme Zufriedenheit in ihr ausbreitete. Vielleicht lag es am Kakao - oder an dem liebevoll gefertigten Notizbuch, das Alexander ihr geschenkt hatte und das sie immer wieder in den Händen hielt.

„Der Junge hat etwas Besonderes an sich, findest du nicht?“ Tante Ernazwinkerte ihr zu und drückte ihr einen selbst gebackenen Keks in die

Hand. „Vielleicht solltest du ihn ein bisschen näher kennenlernen. So jemand fällt nicht vom Weihnachtsbaum.“

Mit einem verschmitzten Lächeln sah Sophie ihre Tante an. „Ach,

Tante Erna. Wenn Weihnachten für irgendetwas gut ist, dann dafür, dass du mir ungeniert Ratschläge in Sachen Liebe geben kannst.“ Erna lachte herzlich und schüttelte den Kopf. „Warte nur ab, Kind. Irgendwann wirst auch du den Zauber von Weihnachten entdecken - und vielleicht sogar einen Mann, der ihn mit dir teilt.“

Sophie schüttelte den Kopf, aber während sie über den Markt schaute und an Alexander dachte, blieb ein kleiner Funken Hoffnung in ihr. Vielleicht, dachte sie, ganz vielleicht, würde dieses Jahr tatsächlich anders werden. Denn manchmal – auch das wusste sie tief in ihrem Inneren – brauchte es nur einen winzigen Funken, um ein Feuer zu entfachen.

Kapitel 2: Rätselhaft

4. Dezember – Wenn ich noch einmal das Lied „Last Christmas” hören muss, gehe ich freiwillig in den Winterschlaf – so bis Mitte Januar. Oder wie wäre es mit einer Petition gegen Glühweinstände direkt neben Lautsprechern? Ich könnte? unterschreiben und gleichzeitig Strafen für das schiefe Singen von Weihnachtsliedern vorschlagen. Ich weiß, ich sollte mich nicht aufregen, aber ernsthaft: Das ist keine Musik, das ist psychologische Kriegsführung in Dauerschleife,

Am nächsten Morgen ging Sophie ein wenig widerwillig zum Weihnachtsmarkt. Es war noch früh, der Himmel trüb und grau, und die Luft war eiskalt – das genaue Gegenteil von dem behaglichen Weihnachtsgefühl, das in den Filmen so oft heraufbeschworen wurde. Sie zog den Mantel enger um sich, vergrub die Hände in ihren Taschen und seufzte.

„Der vierte Dezember“, grummelte sie vor sich hin. „Und ich habe schon jetzt genug von Weihnachten.” Während sie über den Markt ging, huschte ihr Blick zu den anderen Buden. Alles glänzte, glitzerte, funkelte – aber in Sophies Augen wirkte es überladen.

„Mehr Schein als Sein“, dachte sie, als ihr Blick auf einen Stand voller blinkender Schneemannfiguren fiel. Ein Kunde hielt eine der Figuren hoch, die grell blinkte, und kicherte zufrieden. Sophie wandte den Blick ab und bemerkte einen kleinen Stand mit kunstvoll, handgefertigten Räucherhäuschen. Doch kaum jemand blieb stehen. Die meisten strömten zu den Plastikdekorationen, die zum halben Preis angeboten wurden.

Ein unangenehmes Ziehen breitete sich in ihrem Magen aus. „Kein Wunder, dass die letzten echten Weihnachtsmanufakturen nur gerade so überleben“, dachte sie traurig. „So viel zur Besinnlichkeit.“ Sie konnte nicht verstehen, warum so viele Menschen diese künstliche Überladung der Sinne mit Weihnachten verbanden. Als sie ihre Marktbude erreichte, fiel ihr Blick sofort auf ihr Schild „Ohne Gedöns – Nachhaltiges mit Herz“.

Es hing – mal wieder – schief. Sie strich mit den Fingern über die handgemalten Buchstaben und dachte an ihren Onlineshop, wo sie neben Strickmützen und Kerzen auch Bienenwachstücher, wiederverwendbare Stoffbeutel und andere Kleinigkeiten anbot - Dinge, die den Alltag ein wenig bewusster machten.

Doch das Schild war und blieb schief. Sophie stöhnte genervt. Wie oft habe ich das schon befestigt? Wohin verschwinden all diese Nägel bloß? Sie seufzte, holte den Schlüssel hervor, öffnete das Schloss und schob die Tür auf.

Der vertraute Geruch nach Wachs und Holz empfing sie, und der Anblick ihrer kleinen, liebevoll eingerichteten Welt beruhigte sie. Plötzlich entdeckte sie auf dem Boden einen kleinen Umschlag mit ihrem Namen darauf, den jemand offenbar durch die Türritze geschoben hatte. Sie zog die Augenbrauen hoch. „Was soll das denn?“ Langsam hob sie den Umschlag auf, drehte ihn in den Händen und öffnete ihn vorsichtig. Darin befand sich ein Zettel, auf dem in sauberer Handschrift geschrieben stand: „Suche das Herz des Winters, wo Licht und Schatten sich begegnen.“

Sophies Stirn legte sich in Falten. „Was zum ...?“ Sie las die Worte erneut, doch sie wurden nicht klarer. Wer machte sich bitte die Mühe, so etwas zu schreiben und in ihren Stand zu deponieren?

„Morgen, Sophie.“ Die vertraute Stimme ließ sie aufblicken. Alexander stand ein paar Meter entfernt, einen dampfenden Kaffeebecher in der Hand, und war ihr ein Lächeln zu. „Guten Morgen“, murmelte sie, den Zettel in der Hand. Alexander kam näher und musterte sie. „Alles in Ordnung? Du siehst aus, als hättest du einen Drohbrief bekommen.“

„Das nicht.“ Sophie hielt ihm den Zettel hin, und Alexander nahm ihn vorsichtig entgegen. „Suche das Herz des Winters, wo Licht und Schatten sich begegnen.“Er las die Worte laut vor und blickte dann zu Sophie. „Was hat das zu bedeuten?“

„Das frage ich mich auch. Gerade eben habe ich diesen Umschlag in meiner Bude gefunden. Keine Ahnung, wer ihn dort hinterlassen hat.“

„Vielleicht ein Verehrer?“ Alexander grinste, doch Sophie verdrehte nur die Augen.

„Wohl eher ein Spinner.“ Sie verschränkte die Arme. „Was soll das überhaupt heißen? ,Herz des Winters? Das klingt, als wolle mir jemand ein Rätsel aufdrängen.“

Alexander betrachtete den Zettel nachdenklich. „Vielleicht. Aber die Frage ist: Warum?“ Sophie seufzte. „Ehrlich gesagt, ich habe keine Zeit für so einen Quatsch. Ich muss arbeiten.“ Alexander betrachtete den Zettel nachdenklich. „Vielleicht will er ... dass du dir Zeit nimmst.“ Sophie runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?“

„Na ja“, begann er und gab ihr den Zettel zurück, „vielleicht hat dieser ,Mr. X-Mas' – oder wie auch immer du ihn nennen möchtest – bemerkt, dass Weihnachten nicht unbedingt dein Lieblingsfest ist.“ Er grinste schief. „Unbekannte nennt man doch oft Mr. X, und bei dir passt das X-Mas einfach perfekt.“

„Oh, großartig“, sagte Sophie trocken und zog eine Augenbraue hoch. „Jetzt bekomme ich also anonyme Weihnachtsanalysen frei Haus?“ Alexander grinste leicht. Nur mal angenommen: Vielleicht ist das hier kein Zufall. Vielleicht versucht dieser ,Mr. X-Mas‘ wirklich, dich an etwas zu erinnern. Oder dich auf etwas hinzuweisen.“

„Zum Beispiel?“

„Zum Beispiel, warum du Weihnachten ursprünglich mal gemocht hast.“

Sophie verdrehte die Augen. „Falls ich das jemals getan habe.“

„Hast du bestimmt“, sagte er ruhig. „Vielleicht will er, dass du das wiederfmdest.“ Sophie lachte ungläubig. „Also, ich weiß ja nicht, wie das bei dir so läuft, aber wenn ich jemandem helfen will, schicke ich ihm keine kryptischen Rätsel. Ich mache das hier nicht mit, Alexander.“

„Nein? Aber du bist doch neugierig.“

„Bin ich nicht.“

„Doch, bist du.“ Er hielt ihrem Blick stand, und Sophie merkte, dass er recht hatte. Irgendetwas an diesem Zettel ließ sie nicht los. Die Worte klangen wie eine Einladung – oder eine Herausforderung. Alexander lächelte. „Komm schon. Du willst doch wissen, was es mit diesem ,Herz des Winters' auf sich hat.“ Sophie presste die Lippen zusammen, doch dann seufzte sie. „Vielleicht.“

„Hast du schon eine Idee?“ Sie zögerte, bevor sie antwortete: Sie zögerte, bevor sie antwortete: „Es könnte ein bestimmter Lesesaal in der Bücherei sein. Dort gibt es ein großes Buntglasfenster. Im Winter sieht das Licht, das durchscheint, aus, als würde es den Raum mit einem

warmen Glühen erfüllen. Es ist fast so, als wäre das Fenster eine Art ,Herz‘, das mitten in der kalten Jahreszeit Wärme und Licht schenkt.“

Alexander nickte. „Das klingt plausibel. Der Weihnachtsmarkt öffnet erst in einer halben Stunde – wir haben genug Zeit, um nachzusehen.“

„Warum bist du eigentlich so begeistert davon?“, fragte sie skeptisch.

„Weil ich glaube, dass dieser Mr. X-Mas dir wirklich helfen will.“ Er sah sie an, ernst und mitfühlend. „Vielleicht siehst du das irgendwann auch so.“ Sophie schüttelte den Kopf, konnte aber ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken. „Na gut. Aber nur, weil ich wissen will, wer der Idiot ist, der sich die Mühe macht, mir so einen Zettel zu hinterlassen.“ Alexander schmunzelte und begleitete sie durch die schneebedeckten Straßen in Richtung Stadtbücherei. Die Morgensonne war inzwischen durch die Wolken gebrochen und tauchte die Stadt in ein sanftes Licht, das die kahlen Aste und das Eis auf den Fenstersimsen glitzern ließ.

Die Bücherei war ein Ort der Ruhe und der Erinnerungen. Das alte Gebäude mit seiner Fachwerkfassade wirkte wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Sobald sie eintraten, umfing sie der angenehme Geruch von Papier und Holz. Die hohen Bücherregale standen dicht beieinander, als schützten sie die Geschichten, die darin schlummerten, vor der Hektik der Außenwelt. Ein sanftes Knarzen begleitete ihre Schritte, als sie über den Holzboden gingen. Sophie spürte, wie sich ihre Schultern entspannten, während sie die vertrauten Regale betrachtete. Sie hatte als Kind Stunden hier verbracht, immer auf der Suche nach dem nächsten Buch, das sie in eine andere Welt entführen würde. Auch jetzt, wo sie hier Teilzeit arbeitete, fühlte sich die Bücherei manchmal noch wie dieser sichere Ort aus ihrer Kindheit an.

Alexander bemerkte ihren versonnenen Blick. „Du warst früher oft hier, oder?“ fragte er leise. Sophie nickte, ein leises Lächeln spielte auf ihren Lippen. ,Ja. Als Kind habe ich hier die meisten Winternachmittage verbracht. Es war ... ein sicherer Ort.“

Ihre Stimme war ruhig, fast sanft, als sie sprach. Alexander schwieg, aber in seinem Blick lag ein stilles Verständnis. „Vielleicht ist es das immer noch.“ Die Bücherei war beinahe leer, als sie ankamen. Nur ein älterer Herr saß in der Ecke und las konzentriert, während die Büchereiangestellte Frau Morgenstern am Empfangstresen ein paar Bücher einräumte. Sie sah auf und schenkte Sophie und Alexander ein warmes Lächeln. „Guten Morgen, ihr beiden? Was verschlägt euch an einem Samstagmorgen in die Bücherei?“, fragte Frau Morgenstern, ihre Stimme herzlich und ein bisschen neckisch. „Guten Morgen, Frau Morgenstern!“, antwortete Sophie. Frau Morgenstern schmunzelte. „Ich hätte ja gedacht, der Weihnachtsmarkt hält dich komplett auf Trab! Aber es ist schön, dich mal wieder hier zu sehen – auch wenn du im Dezember kaum Zeit für deine Arbeit in der Bücherei findest.“ Sophie lächelte. „Das tut er, aber wir haben noch etwas Zeit, bevor er öffnet. Ich komme ja bald wieder. Wir ... suchen etwas.“ Frau Morgenstern hob fragend die Augenbrauen. „Etwas Bestimmtes?“

Sozusagen.“ Sophie fühlte sich plötzlich ein bisschen albern, aber sie war fest entschlossen, das Rätsel zu lösen. „Aber wir wollen Sie nicht aufhalten. Ich schaue später noch einmal bei Ihnen vorbei, versprochen.“ Frau Morgenstern lächelte. „Gut, aber lassen Sie mich wissen, wenn Sie Hilfe brauchen.“ Sophie nickte dankbar und führte Alexander zu dem Leseplatz mit dem großen Buntglasfenster, das in allen möglichen Farben leuchtete. „Das ist das ,Herz des Winters', das ich meinte“, flüsterte sie. „Mal sehen, ob wir etwas finden.“ Sie suchten den Bereich um das Fenster ab, einschließlich des Fensterbretts ab, schauten in den Fächern und hinter den Büchern – und schließlich fand Alexander zwischen zwei alten Bänden einen weiteren Zettel. „Hab ihn“, flüsterte er und zog den Zettel vorsichtig hervor. Er entfaltete das Papier und las laut vor: „Lass dich nicht von den Schatten täuschen. Folge dem Licht, das nie erlischt.“ Sophie runzelte die Stirn und starrte auf die Worte. Was für ein Spiel trieb derjenige hier? Und warum das Ganze? Sie fühlte, wie eine seltsame Mischung aus Neugier und Frustration in ihr aufstieg. Wer auch immer dieser „Mr. X-Mas“ war, er schien zu wissen, wie man ihre Aufmerksamkeit erregte.

Sie wollte nicht zugeben, dass die Worte sie auf eine Weise berührten, die sie nicht erklären konnte. Aber da war etwas ... ein Gefühl, das sie lange nicht mehr gespürt hatte. Ein leises Ziehen, ein Hauch von Abenteuer. Vielleicht, dachte sie widerwillig, war ihr Leben in letzter Zeit einfach zu vorhersehbar gewesen.

Aber dann schüttelte sie den Kopf. Nein, das war dumm. Sie brauchte keine Spielchen, keine geheimnisvollen Botschaften. Sie brauchte Ordnung und Struktur. Und trotzdem ... sie konnte nicht aufhören, über die Worte nachzudenken. „Folge dem Licht, das nie erlischt.“Was sollte das bedeuten? Neben ihr sah Alexander sie an, ein kleines Lächeln auf den Lippen. „Ich glaube, jetzt geht's erst richtig los. Lasset die Spiele beginnen!“ Sophie verdrehte die Augen, konnte aber nicht verhindern, dass ein leichtes Lächeln auf ihrem Gesicht erschien. „Vielleicht. Aber ich mache das nur, um herauszufinden, wer dahintersteckt – nicht, weil ich an irgendeine Weihnachtsmagie glaube.“

„Natürlich nicht“, sagte Alexander mit gespielter Ernsthaftigkeit, woraufhin Sophie lachen musste. Ein Funken Neugier hatte sich in ihr entzündet – und diesmal konnte sie ihn nicht so leicht ignorieren. Wer auch immer dieser „Mr. X-Mas“ war, wollte sie anscheinend in eine Art weihnachtliches Rätselspiel hineinziehen. Und auch wenn es ihr widerstrebte, musste sie zugeben, dass es ihr ein bisschen gefiel. „Na schön“, sagte sie leise und warf Alexander einen entschlossenen Blick zu. „Das Spiel ist eröffnet.“

Kapitel 3: Dem Licht folgen

5. Dezember – Ich hätte nie gedacht, dass ich mich auf so etwas wie eine Schnitzeljagd einlassen würde. Alexander hat mich tatsächlich überredet, diesem komischen Spiel zu folgen. Irgendwie kann ich seinem ruhigen Optimismus nicht widerstehen, Vielleicht wird das ja sogar... interessant? Nein, das ist verrückt. Weihnachten wird nie „interessant“ für mich sein. Aber warum zum frostigen Tannenzweig klopft mein Herz schneller, wenn ich daran denke, was der nächste Hinweis sein könnte?

Die Worte auf dem neuen Zettel schwirrten immer noch in Sophies Kopf herum: „Lass dich nicht von den Schatten täuschen, Folge dem Licht, das nie erlischt.“ Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, und während sie neben Alexander die Gassen der Altstadt entlangging, spürte sie eine seltsame Mischung aus Neugier und Arger. „Was sollte dieses Spiel? Und was sollte dieser Unsinn mit dem Licht, das ,nie erlischt'?“

„Also, wenn wir mal logisch an die Sache rangehen“, begann Alexander, der das Rätsel anscheinend genauso ernst nahm wie sie, „klingt das nach einem Ort, der tatsächlich etwas mit Licht zu tun hat. Vielleicht etwas, das symbolisch oder tatsächlich immer leuchtet.“

Sophie dachte nach und ließ ihren Blick über die verschneiten Dächer und schneebedeckten Straßen schweifen. „Hm ... was könnte das ,Licht, das nie erlischt' bedeuten? Winterberg hat ein paar interessante Sehens-würdigkeiten, aber sie so etwas wie ein ewiges Licht?”

Alexander nickte nachdenklich. „Vielleicht etwas Kirchliches? Oder ... warst du schon mal im Weihnachtsmuseum? Dort brennt doch das ganze Jahr über diese eine Kerze, oder?

Sophie blinzelte. „Das Weihnachtsmuseum?”

Alexander grinste leicht. „Ja. Es ist eigendich ein ganz schöner Ort. Die Touristen lieben es, aber die Einheimischen gehen eher selten hin.”

„Ich war das letzte Mal als Kind dort. Das Museum fand ich langweilig, aber ich erinnere mich an die Kerze.” Sophie zog den Zettel aus ihrer Tasche und betrachte die Worte erneut. „Licht, das nie erlischt. Das könnte tatsächlich passen.”

„Aber bevor wir losstürmen, sollten wir uns um unsere Stände kümmern”, sagte Alexander pragmatisch. „Wir können nicht einfach verschwinden, ohne Bescheid zu geben. ”

Sophie nickte. „Stimmt. Jule könnte meinen Stand eine Weile im Auge behalten.” Sie seufzte, zog das Schild „Bin gleich zurück” hervor und schob es in die Halterung an ihrer Bude. „Ich hoffe, sie hat Verständnis für meine ... spontane Abenteuerlust.”

Alexander grinste. „Ich glaube, Jule ist froh, wenn du mal Spaß hast.”

Sophie verdrehte die Augen, aber ihre Mundwinkel zuckten. „Wie großzügig von ihr. Na gut, wenn es der guten Sache dient ...“

„Bereit?“, fragte Alexander mit einem leichten Glitzern in den Augen.

„So bereit, wie ich nur sein kann“, antwortete Sophie und zog ihren Schal fester um den Hals und lief los. Nachdem sie alles geklärt hatten, machten sie sich auf den Weg zum Winterberger Weihnachtsmuseum.

Es lag nur ein paar Straßen entfernt, versteckt in einem historischen Fachwerkhaus, das im Winter besonders malerisch aussah. Schneeflocken bedeckten die Dachschindeln, und durch die Fenster schimmerte ein warmes Eicht, das den kalten Wintermorgen in einladenden Glanz tauchte. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich hier jemals wieder reingehe“, murmelte Sophie, als sie die schwere Holztür öffnete. „Warum nicht?“, fragte Alexander.

„Keine Ahnung. Vielleicht, weil es mir früher zu ... perfekt erschien. Weihnachten wie aus dem Bilderbuch. Das passte nie zu mir.“ Alexander lächelte, sagte aber nichts. Im Inneren des Museums umfing sie eine wohlige Wärme. Der Duft nach Zimt und Tannenzweigen lag in der Luft, und überall schimmerte das Licht kleiner Kerzen. Eine ältere Dame am Empfang nickte ihnen freundlich zu, als sie eintraten.

„Guten Morgen! Schön, dass Sie vorbeischauen.“

„Guten Morgen“, antwortete Alexander höflich. Sophie lächelte, hielt aber schon Ausschau nach der Kerze, an die sie sich vaste erinnerte.

„Die ewige Kerze müsste in der hinteren Ausstellung stehen“, sagte Alexander, als ob er ihre Gedanken lesen könnte. Nachdem sie Eintritt gezahlt hatten, gingen sie durch die schmalen Gänge und vorbei an Krippenfiguren, altem Weihnachtsschmuck und Fotografien aus längst vergangenen Zeiten. Schließlich erreichten sie eine kleine Nische mit einer schlichten, weißen Kerze, die in einer Glaslaterne stand. Ihr Licht flackerte sanft, und eine kleine Plakette daneben erklärte, dass sie seit Jahrzehnten ununterbrochen brannte. „Da ist sie“, murmelte Sophie und trat näher. Alexander blickte sich um. „Und ... siehst du etwas Ungewöhnliches?“ Sophie ließ ihren Blick über die Laterne wandern, über den Sockel und die umliegenden Gegenstände. Schließlich entdeckte sie einen kleinen, gefalteten Zettel, der zwischen zwei der Dekorationsstücke klemmte. „Hier.“ Sie zog den Zettel hervor und entfaltete ihn. „Schenke dir einen Moment der Ruhe, und das Licht wird deinen Weg erhellen.“ Alexander las die Worte laut vor und musterte siedann nachdenklich. „Was denkst du? Was könnte das bedeuten?“

„Keine Ahnung.“ Sophie schüttelte den Kopf. „Soll ich jetzt meditieren oder was?“ Alexander lachte leise. „Vielleicht bedeutet es nur, dass wir innehalten sollen. Mal kurz durchatmen, bevor wir weiterrennen.“

„Das klingt nach etwas, das du dir ausgedacht hast.“

„Vielleicht.“ Alexander grinste. „Aber es könnte auch der Schlüssel zum nächsten Schritt sein.“ Sophie warf ihm einen skeptischen Blick zu, ließ sich dann aber doch auf eine der Bänke nieder, die in der Nische standen. Alexander setzte sich neben sie. „Na schön. Ein Moment der Ruhe. Aber nicht länger als eine Minute.“

„Deal.“ Sie schlossen die Augen und lauschten den gedämpften ’Geräuschen des Museums. Der sanfte Duft von Wachs und Tannen lag in der Luft, und Sophie spürte, wie sich eine unerwartete Ruhe in ihr ausbreitete. Die Worte auf dem Zettel schienen für einen Moment Sinn zu ergeben – nicht alles musste sofort beantwortet werden. Als sie die Augen wieder öffnete, bemerkte Sophie, dass etwas hinter der Laterne versteckt lag. Es war ein kleines Päckchen, das sie vorhin übersehen haben musste. „Der nächste Hinweis." Sie nahm es vorsichtig hervor und öffnete es.

Darin lag eine kleine, weiße Kerze, ähnlich der in der Laterne, nur mit einem goldenen Band umwickelt. Um die Kerze war ein Zettel gerollt: „Diese Kerze weist dir den Weg. Gehe zum alten Freund, der in den Wäldern ruht."

„Mr. X-Mas hat also einen gewissen Hang zu poetischen Rätseln“, murmelte Sophie, als sie den Zettel las. Sie hob die Kerze hoch und zeigte sie Alexander, der sie mit einem nachdenklichen Ausdruck ansah.

„Ein alter Freund, der in den Wäldern ruht ...“, wiederholte er langsam und schob die Hände in die Taschen seines Mantels. „Das könnte alles Mögliche bedeuten. Aber ... gibt es nicht diesen alten Baum am Waldrand, den die Leute ,den Hüter des Winters' nennen? Der große Baum, der jedes Jahr zu Weihnachten von den Kindern und Erwachsenen geschmückt wird?“

Sophie nickte langsam. „Stimmt. Ich hab als Kind immer gehofft, dass da draußen wirklich jemand lebt, der den Winter bewacht.“ Sie lächelte verlegen. „Damals fand ich es ziemlich magisch. Heute klingt das alles ein bisschen naiv, oder?“

Alexander schüttelte den Kopf. „Magie ist doch nichts Schlechtes, Sophie. Vielleicht hat Mr. X-Mas dich genau deshalb hierher gelockt - um dich daran zu erinnern, dass die kleinen Wunder noch da sind. Man muss nur die Augen offenhalten.“ Ein leichter Knoten löste sich in Sophies Brust. Vielleicht hatte Alexander recht. Vielleicht war diese Schnitzeljagd mehr als nur ein Spiel. Vielleicht wollte Mr. X-Mas ihr tatsächlich eine Botschaft übermitteln – eine Einladung, Weihnachten auf eine neue Weise zu erleben. „Na schön“, sagte Sophie und steckte die Kerze und den Zettel in ihre Tasche. „Dann wissen wir also, was als Nächstes kommt. Wir sollen in den Wald – zu diesem alten Baum, dem Hüter des Winters.“ Sie warf Alexander einen schelmischen Blick zu. „Aber wenn das alles nur ein Trick ist, um uns stundenlang durch den Schnee zu jagen ... dann bringe ich diesen Mr. X-Mas um.“ Alexander lachte leise. „Dann stehen wir ihm gemeinsam gegenüber. Ich bin dabei.“ Die beiden verließen das Museum und traten hinaus in die klare, kalte Winterluft.

Die Schneeflocken fielen sanft auf die Stadt herab, und die Sonne brach durch die Wolken, tauchte die Straßen und Dächer in ein sanftes goldenes Licht. Für einen Moment blieben sie stehen, um die Ruhe zu genießen, und Sophie spürte ein Kribbeln, eine Art leise Vorfreude, die sie schon lange nicht mehr gespürt hatte. Doch ein Blick auf die Uhr holte sie zurück in die Realität. „Wir sollten zurück zu unseren Ständen. Jule kann schließlich nicht ewig auf meine Bude aufpassen.“ Alexander nickte zustimmend. „Wir haben zumindest den nächsten Hinweis – und der Wald läuft uns ja nicht davon. Nach Feierabend können wir die Spur weiterverfolgen.“

„Stimmt.“ Sophie schmunzelte und warf einen letzten Blick auf die kleine Kerze, die sie in ihre Tasche gesteckt hatte. „Vielleicht war das auch gar nicht so schlecht ... ein bisschen Vorfreude hat ja seinen Reiz.“

„Genau“, sagte Alexander, während sie gemeinsam zurück zum Markt gingen. „So bleibt es spannend.“ Als sie den Weihnachtsmarkt erreichten, spürte Sophie sofort die warme, geschäftige Atmosphäre. Menschen lachten, Kinder jagten hintereinander her oder drängten sich um das Karussell, und die Düfte von Glühwein, gebrannten Mandeln und Zimt erfüllten die Luft.