Winterzauber auf Sylt - Lena Wolf - E-Book + Hörbuch

Winterzauber auf Sylt Hörbuch

Lena Wolf

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Beschreibung

Bestsellerautorin Lena Wolf verzaubert uns mit winterlichem Inselflair, warmherzigem Humor und einer im wahrsten Sinne «köstlichen» Liebesgeschichte. Mitten im Winter reist die junge Foodbloggerin Liv zu ihrer Tante Tilda nach Sylt. Die beiden Frauen haben sich lange nicht gesehen, aber nun braucht Tilda Hilfe. Denn seitdem ihr Mann Bruno verstorben ist, findet sich die ältere Dame nicht mehr zurecht. Tatsächlich herrscht in dem Friesenhaus das reinste Chaos. Beim Aufräumen findet Liv das Rezept von Brunos berühmter Bouillabaisse. Mithilfe ihrer Kochkünste erweckt sie Tildas Lebensgeister wieder, und gemeinsam wollen die beiden das Haus auf Vordermann bringen. Doch Tilda hat Liv nicht die ganze Wahrheit erzählt. Und auch der attraktive Nachbar Kaj hütet ein folgenschweres Geheimnis. Liv ahnt, dass dieser Inselwinter noch jede Menge weiterer Überraschungen bereithält … Ein Buch so herzerwärmend und einladend wie Schokolade vorm Kamin.

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Zeit:11 Std. 37 min

Sprecher:Sandra Voss
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Lena Wolf

Winterzauber auf Sylt

Roman

 

 

 

Über dieses Buch

Er erwidert meinen Blick gerade so lang, wie die Fahrt es zulässt. Und ich kann seine Augen sehen, die olivfarben schimmern, wie das Meer an einem windstillen Tag …

 

Mitten im Winter reist die junge Foodbloggerin Liv zu ihrer Tante Tilda nach Sylt. Die beiden Frauen haben sich lange nicht gesehen, aber nun braucht Tilda Hilfe. Denn seitdem ihr Mann Bruno verstorben ist, findet sich die ältere Dame nicht mehr zurecht. Tatsächlich herrscht in dem Friesenhaus das reinste Chaos. Beim Aufräumen findet Liv das Rezept von Brunos berühmter Bouillabaisse. Mithilfe ihrer Kochkünste erweckt sie Tildas Lebensgeister wieder, und gemeinsam wollen die beiden das Haus auf Vordermann bringen. Doch Tilda hat Liv nicht die ganze Wahrheit erzählt. Und auch der attraktive Nachbar Kaj hütet ein folgenschweres Geheimnis. Liv ahnt, dass dieser Inselwinter noch jede Menge weiterer Überraschungen bereithält …

 

Ein Buch, so herzerwärmend und einladend wie Schokolade vorm Kamin.

Vita

Lena Wolf stammt aus Norddeutschland und hat bereits unter dem Namen Mia Morgowski sehr erfolgreich Romane veröffentlicht. Mit «Ein Sommer auf Sylt» landete sie einen weiteren Spiegel-Bestseller. Nach «Ein Zuhause auf Sylt» nimmt uns Lena Wolf nun erneut mit auf ihre Lieblingsinsel. Ihren Urlaub verbringt sie dort am liebsten mit der Familie. Im Gegensatz zu ihren Protagonistinnen träumt sie allerdings noch von einem eigenen Zuhause auf Sylt.

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Oktober 2023

Copyright © 2023 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

Redaktion Katrin Fillies

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

Covergestaltung ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung Myriam Schöfer; Shutterstock

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-644-01660-6

www.rowohlt.de

 

Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

1Ein Flokati in Orange

«Sie möchten also zum Dünenpfad Nummer 3a?», fragt der Taxifahrer spöttisch und drückt sich kraftstrotzend gegen die Lehne seines Sitzes, sodass ich unwillkürlich meine Knie ein Stückchen zu mir heranziehe. Im Rückspiegel streift mich sein überheblicher Blick. «Nicht vielleicht doch eher zur Nummer 3?»

3 oder 3a – wird schon kein Kilometer dazwischenliegen, denke ich, zerre aber dennoch mein Handy aus der Handtasche und scrolle durch die letzten Nachrichten. Recht bald finde ich, wonach ich gesucht habe: die WhatsApp meiner Tante Matilda, in der sie mir ihre Adresse mitteilt. «Nein», gebe ich freundlich, aber entschieden zurück. «Hier steht ausdrücklich 3a, und das a wurde mit einem Ausrufezeichen versehen. Es muss also wichtig sein. Liegt übrigens in Rantum», führe ich sicherheitshalber aus. Nicht, dass er mich bei der falschen Düne absetzt. Als ich kurz aufblicke, um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, bekomme ich gerade noch mit, wie der Fahrer sein stoppeliges Kinn vorschiebt und mit den Augen rollt. Ich übergehe es, wer weiß, was ihm über die Leber gelaufen ist. Auch bei mir stapeln sich zurzeit die Sorgen.

Demonstrativ wende ich den Kopf zur Seite und schaue aus dem Fenster. Karge Winterlandschaft zieht an mir vorbei, Heidekraut vermutlich. Dazwischen vereinzeltes Dünengras, struppig und blass. Alles wirkt etwas trostlos – und passt damit wunderbar zu meiner Stimmung. Einzige Aufmunterung in der Szenerie: Die Sonne strahlt von einem klaren, blauen Himmel zu uns herunter, ein bisschen so, als wolle sie sich für die unspektakuläre Kulisse entschuldigen. Angesichts dieser Vorstellung muss ich ein wenig schmunzeln. Da ich das Handy noch in der Hand halte, gelingt mir ein schnelles Foto durch die Scheibe.

Wie lange lebt Tante Matilda inzwischen auf Sylt?, überlege ich. Seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, müssen fünfzehn Jahre vergangen sein. Kann das sein? Ich versuche, meinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen, vermag mich aber beim besten Willen nicht zu erinnern. Auch wie sie aussieht, weiß ich nur noch schemenhaft. Ihre Haare waren blond und lang, oft zu einem Zopf geflochten.

Matilda ist die ältere Schwester meiner Mutter, hat mit Mama aber kaum Gemeinsamkeiten. Daran entsinne ich mich immerhin noch sehr gut.

Denn während Mama meist verbissen für alles kämpfte, schien Matilda dem Leben mit einem Lächeln zu begegnen. In meiner Erinnerung erledigte sie ihren Alltag mit lässiger Erhabenheit, stets bemüht, auch dem schlimmsten Unglück eine Prise Gutes abzugewinnen. Jeder wollte mit ihr befreundet oder in ihrer Nähe sein, als sei sie von einer bunten, glückgeschwängerten Aura umgeben. Doch trotz aller Leichtigkeit hatte Matilda etwas Verbindliches, sie brachte Angefangenes zu Ende, ruhte in sich selbst. Im Nachhinein glaube ich, dass meine Tante der Typ Frau ist, der Mama gern gewesen wäre.

Mein Papa verkörpert in unserer Familie den Ruhepol. Mit sehr viel Geduld und einer Beharrlichkeit, die man auf diesem Planeten wahrscheinlich kein zweites Mal findet, löst er so ziemlich jedes Problem. Zumindest, wenn es handwerklicher Natur ist. Da er dabei sehr pingelig vorgeht, kann das Resultat allerdings eine gewisse Zeit auf sich warten lassen. Die Reparatur unserer Kaffeemaschine hat beispielsweise zwei Jahre in Anspruch genommen, wobei das Timing im Grunde perfekt war, da die Fertigstellung exakt in jene Woche fiel, in der das zwischenzeitlich neu angeschaffte Modell seinen Geist aufgab. Papa ist weder ein Freund großer Worte, noch liebt er Veränderungen. Bis zu seiner Pensionierung im letzten Jahr war er als Ingenieur für dieselbe Firma in Bremerhaven beschäftigt. Noch heute wohnt er am Stadtrand in unserem kleinen Häuschen, in dem ich vor etwas über 32 Jahren meine ersten gebrabbelten Laute von mir gegeben habe.

Meine Mutter hingegen meistert alles, was ansteht, fix und hektisch. Sie ist süchtig nach Wandel und neuen Herausforderungen, genauso wie nach ihrer täglichen Joggingeinheit. Das einzige Hobby, das sie sich gönnt. Mama hasst zeitraubende Tätigkeiten, wie beispielsweise Kochen. Als Wirtschaftsprüferin arbeitet sie rund um die Uhr, inzwischen hauptsächlich im Ausland. Aber sie jettete eigentlich auch schon in meiner Kindheit ständig um die Welt. Oft brachte sie mir von ihren Reisen lustige Souvenirs mit, um die mich meine Freundinnen beneideten.

So manches Mal habe ich mir allerdings gewünscht, sie würde stattdessen mehr Zeit mit mir verbringen. Warum meine Eltern sich überhaupt Nachwuchs wünschten, ist mir bis heute ein Rätsel, denn sie hatten im Grunde nicht die nötige Muße für ein Kind. Und so kam es, dass sie bald nach meiner Geburt Matilda zu uns holten.

Aus Erzählungen weiß ich, dass meine Tante damals ledig war, nicht weit von uns entfernt wohnte und als Nachtschwester in einem Krankenhaus arbeitete, wo sie sich auf Mamas Drängen für die Wochenendschichten eintragen ließ. In der übrigen Zeit wurde sie zu meinem Kindermädchen, für mich ein echter Glücksfall. Matilda und ich unternahmen die tollsten und aufregendsten Dinge, sie hatte immer geniale Ideen. Wir liebten es, zusammen Fahrrad zu fahren und Picknicktouren mit meinen Kuscheltieren zu unternehmen. Aber auch wenn wir einfach einen ruhigen Tag zu Hause verbrachten, fühlte ich mich bei ihr wohl und geborgen. Dann backte sie uns ihre magischen Zimtschnecken, garniert mit Wundersahne und Zauberstreuseln, die uns in unserer Fantasie in knallbunte Abenteuerländer beförderten. Abends übergab sie das Ruder an Papa, während Mama ihre Karriere vorantrieb.

Doch leider war Matilda eines Tages nicht mehr da. Wann genau es geschah, daran kann ich mich partout nicht entsinnen. Ich weiß aber noch, dass ich bereits das Gymnasium besuchte und meine Tante ohnehin nur noch am Nachmittag kam, um etwas zu kochen oder ein Auge auf meine Hausaufgaben zu werfen. Warum diese einzigartige Zeit zu Ende ging, will mir auch nicht mehr einfallen. Ich weiß nur, dass Matilda irgendwann fortzog. Von da an beschränkte sich unser Kontakt auf Telefonate, dann schrieben wir uns eine Zeit lang Briefe, und noch später wurden aus mehrseitigen Schriftstücken sporadische Urlaubspostkarten, E-Mails oder Handynachrichten. Meist hörten wir zum jeweiligen Geburtstag voneinander, tauschten einen Dreizeiler aus und endeten damit, dass wir versprachen, uns bald wiederzusehen. Wozu es niemals kam.

Inzwischen scheint es eine Ewigkeit her zu sein, dass Matilda und ich uns wirklich unterhalten haben, darum bin ich fast aus allen Wolken gefallen, als ich in der vergangenen Woche plötzlich eine Nachricht von ihr erhielt. Und zwar mit der Einladung, sie auf Sylt zu besuchen. In ihrem Haus im Dünenpfad 3a.

Verrückt, denke ich, dass sie sich nach der langen Funkstille bei mir gemeldet hat, ausgerechnet jetzt, da ich ihre Unterstützung bitter nötig habe.

Noch einmal durchforste ich unsere letzte Korrespondenz auf meinem Telefon. Matilda schrieb mir, dass sie neuerdings töpfere und ihre Werke nun mit meiner Hilfe über das Internet vermarkten möchte. Fotos ihrer Schöpfungen hat sie keine angefügt, aber ich kann mir vorstellen, was mich erwartet: dickwandige Tonkrüge und Becher in Braun- und Orangetönen. Nicht so unbedingt mein Fall. Andererseits soll ich die Sachen ja nicht kaufen, sondern sie für andere Interessenten attraktiv in Szene setzen, und in dieser Hinsicht bin ich zuversichtlich. Eine Website und ein Instagram-Account mit ansprechenden Bildern – und schon wird Matilda Abnehmer finden, da bin ich mir sicher.

Ich arbeite nämlich als sogenanntes Social-Media-Double und kenne mich mit den sozialen Netzwerken folglich aus. Für meine Kunden betreue ich deren Accounts und fülle sie stellvertretend mit Leben. Vor allem Soloselbstständige, die zwar Tag und Nacht schuften, haben oftmals kaum Zeit, sich und ihre Firma im Netz zu präsentieren. Also übernehme ich diese Aufgabe. Solange die Produkte ethisch vertretbar sind, mache ich den Job gern, auch wenn ich selbst keinen Cent dafür ausgeben würde. Schon häufig hat meine Geschäftspartnerin Meike Klienten akquiriert, deren Waren ich so gar nichts abgewinnen konnte. Am Ende zeigten sich aber immer alle mit meiner Arbeit zufrieden.

Meike. Bei dem Gedanken an sie rumort es in meinem Magen. Meike ist oder besser war nicht nur meine Geschäftspartnerin, sondern auch eine sehr gute Freundin. Zudem wohnten wir in einer Berliner WG, gemeinsam mit Martin, dem Dritten im Bunde.

Meike und Martin. Zu meinem Magengrummeln gesellt sich ein Stechen in meinem Herzen. Obwohl ich es die gesamte Zugfahrt von Berlin bis nach Westerland geschafft habe, nicht über die beiden nachzudenken, trifft mich die Erinnerung nun umso heftiger. Meike und Martin, MM. Passt perfekt, denke ich voller Ironie, und mein Herz verkrampft sich erneut. Denn Olivia und Martin hätte ich mir bis vor Kurzem auch sehr gut vorstellen können. Aber Pustekuchen, wie konnte ich nur so naiv sein?

Das Taxi hält an einer Ampel, und ich blicke auf einen Aushang links von mir, der an einem Zaunpfahl befestigt ist und den Tannenbaumverkauf auf irgendeinem Hof ankündigt. Oben auf dem Pflock landet eine Möwe. Sie legt den Kopf schief und schaut mich neugierig durch die Fensterscheibe an, dann reckt sie den Hals und gibt ihr unverkennbares Geschrei von sich. Fast so, als würde sie meinen Schmerz nachempfinden. Oder lacht sie mich aus, weil ich so dumm war?

Während das Lichtzeichen auf Grün springt und unser Wagen mit quietschenden Reifen losbraust, versuche ich verbissen, mich auf andere Gedanken zu bringen, doch es ist zu spät. Martin und ich … zu allem Überfluss steigen mir Tränen in die Augen. Ich kann es nicht verhindern, dass mir Bilder vom Nachbarschaftsfest wie ein Diavortrag durch den Kopf jagen. Von jener Party, auf der vor vier Wochen alles begann. Es war Anfang November, viel zu warm für die Jahreszeit und somit perfekt, um ein letztes Mal im Innenhof unseres Wohnblocks zusammenzukommen. Kurzfristig und unkompliziert, wie es in Berlin so üblich ist. Es gab, was sich auf die Schnelle organisieren ließ: Alkohol, Bratwurst und laute Musik. Wir wollten gemeinsam feiern, Meike, Martin und ich, mit Freunden und weiteren Hausbewohnern. Doch dann lag Meike mit Fieber im Bett. «Geht ruhig allein», forderte sie uns auf und wünschte mit triefender Nase noch «viel Spaß».

Also gingen wir. Nur kurz, nahmen wir uns vor, doch wie immer, wenn man nicht lange bleiben will, wurde es richtig nett. Und spät. Martin und ich tanzten miteinander, zunächst wild, später eng umschlungen. Irgendwann küssten wir uns, es war ja nichts dabei. Das dachte ich zumindest. Hätte ich geahnt, was wirklich los war, ich wäre doch nie …

Nun habe ich keinen Job und kein Zuhause mehr und kann nur hoffen, dass mir in den nächsten Tagen eine zündende Idee für meine Zukunft kommt.

Ich wische mir eine Träne aus dem Augenwinkel und betrachte einen Moment lang die vorbeiziehenden Felder und Reetdachhäuser. Es erscheint mir surreal. Noch heute Morgen stand ich mitten im Berliner Hauptbahnhof, um mich herum wimmelte es von hektisch hin und her rennenden Menschen. Für meine Kundentermine reise ich viel mit dem Zug, sodass mir das Durcheinander vertraut ist. Ich mag es sogar. Und jetzt bin ich auf dieser Insel im Winterschlaf. Sie hat mich nie sonderlich gereizt, ein Paradies für Ornithologen oder für alle, die Schickimicki lieben, aber nicht für eine Großstadtpflanze wie mich. Dass Matilda hier lebt, machte Sylt zwar ein wenig attraktiver, doch selbst für einen Kurztrip fehlte mir bislang die Zeit. Und nun verhält es sich wie erwartet: Die Weite und Einöde erschlagen mich, und ich würde einiges dafür geben, mich durch den Berliner Dschungel zu schlängeln.

Ich kaue auf meiner Unterlippe. So ein Tapetenwechsel wird dir guttun, Olivia, spreche ich mir im Geiste Mut zu. Hier lenkt dich nichts ab. Du kannst neue Kraft schöpfen und Pläne schmieden.

«Ich weiß natürlich, dass der Dünenpfad in Rantum liegt», holt mich der Taxifahrer aus den Gedanken. Sein Tonfall klingt pikiert. «Was ich allerdings nicht wusste, ist, dass die Nummer drei noch vermietet wird. Ich hab da nämlich schon länger keinen Fahrgast mehr rausgelassen und auch sonst niemanden gesehen. Könnte mir vorstellen, dass es da drinnen gewaltig müffelt.» Demonstrativ kneift er sich mit Daumen und Zeigefinger die Nase zu.

Ich stoße einen genervten Seufzer aus. «Tja, dann habe ich ja Glück, dass ich in die 3a will.»

Er räuspert sich. «Also nur damit Sie hinterher nicht behaupten, ich hätte Sie nicht gewarnt», raunt er verschwörerisch. «In der 3a wohnt eine alte Scha…»

Hinter uns wird gehupt, und er beeilt sich, den Lieferwagen zu überholen, der an einer Einfahrt stehen geblieben war.

Eine alte was?, überlege ich. Eine alte Schachtel? Doch wohl nicht … Schabracke?

«Wollen Sie etwa zu der?», hakt er sensationssüchtig nach. «Zu der Alten? Sind sie vom Amt oder so?»

Vom Amt? Wovon redet er? «Ich … also … nein!»

Während ich nach Worten suche, plappert er munter weiter. «Wissen Sie, hier in meinem Wagen und überhaupt auf der Insel wird viel geredet. Über Gott und die Welt. Darum dachte ich, Sie arbeiten vielleicht für die Behörde und sehen mal nach dem Rechten. Gerade erst letzte Woche war ich auf ein Bier in der Ankerklause, und da hat mir der Postbote Petersen doch glatt erzählt, dass …»

Mehr erfahre ich nicht, denn in diesem Moment erhält er einen Funkspruch aus der Zentrale.

Dankbar für die Störung, wende ich mich wieder der Umgebung zu, lehne meinen Kopf an die Fensterscheibe und muss gähnen. Linker Hand erstrecken sich ein paar Neubauten im Friesenstil, nett. Dann biegen wir ab. Die Ausläufer eines Örtchens erscheinen, und langsam werde ich aufmerksamer. Kleine Kapitänshäuser in winzigen verwunschenen Gärten reihen sich wie selbstverständlich an gediegene Reetdachvillen, die inmitten pompöser Grundstücke thronen. Ich bin verblüfft über die vielfältige Bauweise und fotografiere alles. Zwischen den Häusern glaube ich manchmal, das Meer zu sehen, doch es ist nur der Himmel, der mit der Landschaft zu verschmelzen scheint.

«Wissen Sie, was sich die Sylter außerdem erzählen?», der Fahrer hat das Gespräch mit der Zentrale beendet und will offenbar bei der Geschichte mit dem Postboten anknüpfen, doch er verstummt, als ihn mein tadelnder Blick im Rückspiegel trifft. Was auch immer die Leute reden, denke ich, es interessiert mich nicht. Hat es noch nie. Ich mache mir lieber mein eigenes Bild. Wobei … in Bezug auf Martin hätte ich gern jemanden gekannt, der mich vor ihm warnt. Doch nun ist es zu spät.

«Na, dann eben nicht», tönt es von vorn. Der Fahrer setzt den Blinker, gibt noch einmal Gas, biegt in eine Auffahrt ein und bremst kurz darauf mit Schwung vor einem Doppelhaus.

«So, da wären wir. Dünenpfad Nummer 3 und 3a. In Ran-tum.» Er betont es, als sei ich schwer von Begriff. «Viel Erfolg, was auch immer Sie dort vorhaben.»

Ich ignoriere die Ironie in seiner Stimme und reiche ihm wortlos einen Hunderter nach vorne, den ich in Westerland aus einem Automaten gezogen habe.

Nach kurzer, kritischer Überprüfung lässt er den Schein in der Hosentasche verschwinden. «Wechselgeld hab ich im Kofferraum», brummt er, «sicher ist sicher.»

Wir steigen beide aus. Mit geübtem Griff befördert er mein Gepäck aus dem Auto, unterdessen betrachte ich neugierig das endlich erreichte Ziel: ein altes, reetgedecktes Haus mit verwaschenem rotem Klinker und verblichenem Dach. Über dem Giebel hängt ein Wetterhahn derart windschief, man möchte meinen, er übergibt sich gerade.

«Hey, hallo, sind Sie noch frei?» Ein Typ, schätzungsweise Mitte dreißig, mit dunkelblondem, zurückgekämmtem Haar, hetzt in diesem Moment aus der linken Haushälfte. Während die Tür hinter ihm ins Schloss fällt, eilt er mit Riesenschritten durch den Vorgarten auf uns zu. «Perfektes Timing», japst er, wirft einen raschen Blick auf seine Armbanduhr und grapscht dann nach der Beifahrertür. «Ich muss ganz schnell nach Hörnum.»

Mit geradezu provozierender Gelassenheit schiebt sich ihm der Taxifahrer in den Weg. «So ganz schnell läuft das hier aber nicht», grunzt er und verschränkt die Arme vor der Brust.

Der fremde Typ hält inne. Er ist einen guten Kopf größer als der Taxifahrer und um einiges schlanker. Sichtlich ungehalten fährt er sich durch die Haare, wobei sich eine Strähne löst, die er ungeduldig wieder glatt streicht. «Ach, und wie läuft es stattdessen?»

Er steht inzwischen so nah vor mir, dass ich gar nicht anders kann, als ihn anzustarren. Von oben bis unten. Der Kerl trägt einen ausladenden Wollmantel in Dunkelblau, darunter einen Businessanzug, von dem ich zwar nur die Hosenbeine erkennen kann, der aber selbst auf dem kurzen Stück teuer aussieht und es vermutlich auch war. Schließlich sagt man doch, dass dies die Insel der Reichen ist. Um seinen Hals baumelt ein blau gemusterter Schal, wahrscheinlich aus Kaschmir. Was allerdings so gar nicht zu dem gediegenen Auftritt des Typen passt, ist die Tatsache, dass er eine eigenartig gebeugte Haltung eingenommen hat und sich den rechten Arm irgendwie umständlich vor den Bauch hält. Als habe er Schmerzen. Oder müsste mal aufs Klo.

«Na ja», der Taxifahrer reibt sich über die nackten Unterarme, zieht dann eine Basecap aus seiner hinteren Hosentasche und stülpt sie sich über den Kopf. «Es läuft nur ohne den da.» Er deutet mittels Kopfbewegung auf die Körpermitte des Fremden. «Keine Hunde. Ist Vorschrift.»

Hat er Hunde gesagt? Ich werfe einen verwunderten Blick auf den Mann vor mir, kann aber keinen Vierbeiner entdecken.

Während die beiden Herren sich mit versteinerter Miene taxieren, trete ich fröstelnd von einem Bein auf das andere. Ist mir ohnehin egal. Meinetwegen kann er einen Esel in die Karre zwängen, Hauptsache, die Kerle kommen mal zu Potte. Ich würde mir ja gerne einfach meine Reisetasche schnappen und mich schleunigst in Richtung Haus aufmachen. Dummerweise schuldet mir der Fahrer aber noch eine nicht unerhebliche Summe Wechselgeld. Und da ich zurzeit keinen Job habe, bin ich auf jeden Cent angewiesen. Gerade als ich mich in Erinnerung bringen will, bewegt sich etwas unter dem Mantel des fremden Mannes. Ungeniert starre ich auf seine Bauchgegend, kann aber noch immer nichts ausmachen.

«Sie wollen mir allen Ernstes die Beförderung verweigern, nur wegen eines Hundes?», höre ich ihn sagen. Er dreht sich leicht, hebt seinen rechten Arm, und zum Vorschein kommt … ein orangefarbenes Lammfellkissen. Ich kneife die Augen zusammen, um schärfer sehen zu können.

«Ach du je», platzt es aus mir heraus, «das ist ja tatsächlich ein Hund!» Ich gerate aus dem Häuschen. Nicht nur hat das winzige Tierchen die Haare eines Flokatis, der Hund ist in der Tat knallorange. «Der ist aber niedlich.»

Ich hätte es besser wissen müssen. Niedlich ist so ziemlich das letzte Adjektiv, mit dem ein Mann sein Hab und Gut beschrieben haben möchte. Entsprechend vorwurfsvoll ist der Blick, der mich kurz streift.

Man könnte eine Stecknadel fallen hören, so still wird es plötzlich. Für einen Moment beäugt jeder den anderen.

«Gehen Sie doch zu Fuß», beende ich die gemeinsamen Schweigesekunden. «Der Hund wird es Ihnen danken.» Wobei ich weder eine Ahnung habe, wo genau Hörnum liegt, noch, ob der Fiffi wirklich Lust hat, die Strecke auf seinen kurzen Beinchen zu laufen.

«Sehe ich aus, als sei ich für einen Strandspaziergang angezogen?», blafft mich das Herrchen an. «Von hier aus wäre ich gut vier Stunden unterwegs.» Dann wendet er sich zum Taxifahrer: «Wenn Sie mich schon nicht mitnehmen, würden Sie dann so gütig sein und einen Kollegen rufen, und zwar am besten einen, der keine Angst vor Zwergpudeln hat?»

«Ich habe keine Angst», bäumt sich der Chauffeur auf, «es ist nur so –»

«Ähm. Könnte ich vielleicht mal schnell mein Wechselgeld erhalten», grätsche ich dazwischen. Augenblicklich richtet sich der Groll des Fahrers gegen mich.

«Ständig diese gestressten Touris», bekomme ich zu hören. Aber immerhin: In Zeitlupe fummelt er sein Geldtäschchen aus dem Kofferraum und streckt mir die entsprechenden Scheine entgegen.

Mechanisch greife ich danach. «Danke», sage ich knapp, und obwohl ich den Männern eigentlich keine Erklärung schuldig bin, deute ich mit vager Geste auf das Haus und sage: «Meine Tante erwartet mich. Einen schönen Nachmittag noch.» Ich schnappe mir meine Tasche und will mich gerade in Richtung Vorgarten umdrehen, da registriere ich, dass mich vier aufgerissene Augen anstarren.

«Ihre Tante?», gluckst der Taxifahrer und scheint sich innerlich zu kringeln. Der fremde Typ hingegen wirkt plötzlich ein bisschen blass um die Nase. Er wirft mir einen Blick der Marke Auch das noch zu, atmet einmal tief ein und … wendet sich von mir ab.

2Matilda

Die Blicke der Männer brennen mir im Rücken, während ich so lässig wie möglich durch das hüfthohe grüne Gartentor schlüpfe, das der Kerl nachlässig hat offen stehen lassen. Anschließend stapfe ich mit meinen derben Winterboots, die für Sylt vermutlich nicht schick genug sind und laut Aussage von Meike an meinen dünnen Beinen wie zwei Elefantenfüße wirken, den schmalen, gepflasterten Weg Richtung Haus entlang. Nebenbei frage ich mich, was um alles in der Welt die beiden Typen für ein Problem haben. Vollkommen albern! Ich sehe zu, dass ich außerhalb ihrer Reichweite gelange, und bremse auch nicht, als es mich juckt, ein Foto zu knipsen. Denn dieses antike Gebäude mit seinen zwei Wohnhälften ist definitiv das schönste Friesenhaus, das ich seit meiner Ankunft auf der Insel gesehen habe.

Es verläuft über Eck, also eigentlich in einer Kurve, in der Mitte befindet sich eine pompöse grüne Eingangstür, genau genommen sind es zwei: 3 und 3a. Der gemeinsame Garten vor den Haushälften macht um diese Jahreszeit nicht viel her. Aber im Sommer, wenn alles grünt und blüht, sieht es hier bestimmt herrlich verwunschen aus.

Als ich vor der Haustür auf der rechten Seite stehe, werfe ich noch einen schnellen Blick auf die Terrasse. Sie wurde durchgehend angelegt, also entlang beider Vorgärten, abgetrennt werden die Bereiche lediglich durch den gepflasterten Eingangspfad, über den ich gekommen bin. Und von ein paar brusthohen Kiefern, die allerdings etwas aus der Form geraten sind. Die linke Gartenseite wirkt unbewohnt, fast verwaist und dadurch aufgeräumt. Wohingegen auf der anderen Seite, also in Matildas Refugium, Töpfe mit welken Hortensien und Rosenbüschen sowie mehrere große Windlichter kreuz und quer herumstehen.

Hier hat meine Tante also die vergangene Zeit gelebt, denke ich und werde auf einmal schrecklich nervös. Mir klopft das Herz beinahe bis zum Hals, als ich meinen Finger nach dem leicht verrosteten Klingelknopf ausstrecke. Was, wenn Tante Matilda und ich nicht mehr miteinander klarkommen? Wenn wir einander womöglich sogar unsympathisch sind? Denn nur weil wir uns vor Jahren sehr nahestanden, bedeutet das ja nicht, dass wir uns ein Leben lang mögen. Außerdem – ich war ein Kind. Kinder mag man immer irgendwie. Inzwischen habe ich mich aber verändert und sie sich sicher auch.

Unter meinem Parka beginne ich zu schwitzen. Die Frage, warum sie damals von uns fortging, kommt mir wieder in den Sinn. Ich weiß, dass ich meinen Vater nach dem Grund gefragt habe, und zwar mehrfach, doch ich kann mich an keine plausible Antwort von ihm erinnern. Trotz der Kälte öffne ich den Reißverschluss meiner Jacke, um besser Luft zu bekommen.

Reiß dich zusammen, Olivia, ermahne ich mich. Tante Matilda hat dich eingeladen, also wird sie auch Lust haben, dich zu sehen. Außerdem hast du keine infrage kommende Alternative. Denn selbst wenn ich zurückwollte, wüsste ich nicht, wohin. Aus der WG bin ich rausgeflogen, und die meisten meiner Freunde leben selbst nur zur Miete in Wohngemeinschaften. Mein einziger Notfallplan sähe darum vor, bei meinen Eltern unterzuschlüpfen, also bei Papa, denn Mama ist todsicher irgendwo unterwegs. Doch auch wenn ich mich wirklich gut mit ihm verstehe – wer bitte schön möchte mit Anfang dreißig wieder in seinem Kinderzimmer einziehen?

Ich straffe die Schultern, gebe mir einen Ruck und klingele. Das rostige Teil hat es mir angetan, sodass ich die aufkommende Nervosität damit überbrücke, geschwind ein paar Fotos zu schießen. Dabei entgeht mir, dass die Haustür einen Spaltbreit von innen aufgeschoben wird. Kurz schreie ich auf, als ich eine dürre Hand in der Öffnung erspähe, die meinen Unterarm umschließt und mich mit festem Griff ins Haus zieht. Ich schaffe es gerade noch, mit der freien Hand meine Reisetasche zu schnappen, und schon lande ich samt Gepäck in einem leicht modrig riechenden Flur. Mit hämmerndem Puls warte ich, dass meine Augen sich an das schummrige Licht gewöhnen.

Könnte mir vorstellen, dass es da drinnen gewaltig müffelt, kommen mir die Worte des Fahrers wieder ins Bewusstsein, noch ehe ich scharf sehen kann und meine Tante erspähe, die vor mir steht und lächelt. Mit einer Hand umfasst sie weiterhin meinen Arm, während sie mit der anderen schwungvoll die Haustür ins Schloss wirft.

«Meine Kleine!» Matilda schnappt sich nun auch noch meine andere Hand. Auf Armeslänge hält sie mich fest, sodass wir uns in die Augen schauen können. Trotz der dürftigen Beleuchtung erkenne ich ihre vertrauten Gesichtszüge sofort wieder. Auch ihre wilden, dunkelblonden Haare. Sie trägt sie noch immer lang, doch sind sie inzwischen von grauen Strähnen durchwoben. Schmal ist sie geworden, auch das erfasse ich auf Anhieb. Sie hat eine lange Hose an, irgendein gemustertes Shirt mit dezent funkelnden Glitzersteinchen im Dekolletébereich und dazu eine wadenlange, braune Strickjacke, die sie noch schlaksiger und schmächtiger macht. In meiner Erinnerung war Matilda kurvig und durchaus mit ein paar Pölsterchen ausstaffiert, was ihr bestens stand. Nun ähnelt sie Mama und erscheint mir fast ein wenig klapprig. Ihr ehemals pausbäckiges Gesicht hat sich zu einem Oval geformt, aus dem ihre feine Nase wie eine kleine Felsspitze emporragt. Einzig Matildas volle Lippen sind geblieben. Sie wirken durch einen Kranz zarter Fältchen nur umso reizender.

«Tante Tilda», entfährt mir wie selbstverständlich die Koseform ihres Namens.

Schon drückt sie mich an ihre Brust und sagt mit einem Lächeln in der Stimme: «Lass doch bitte die Tante weg, Livi. Diese Bezeichnung mochte ich ehrlich gesagt noch nie, und nun macht sie mich außerdem noch alt.»

Dass sie mich Livi nennt, so wie früher, gefällt mir hingegen. Für ein paar Sekunden hält sie mich so fest, als wolle sie mit mir verschmelzen, dann schiebt sie mich ein winziges Stückchen von sich fort, damit wir uns erneut ansehen können.

Meine Pupillen haben sich inzwischen vollends an die Lichtverhältnisse gewöhnt, und ich kann weitere Details ausmachen. Zum Beispiel Matildas samtige, grüne Augen, die ich als Kind so geliebt habe und auf die ich immer ein bisschen neidisch war. Meine sind braun und gefallen mir erst, seit ich mich auch mit meinen Sommersprossen und den brünetten Haaren arrangiert habe. In meiner Schulklasse gab es damals zahlreiche wunderschöne Mädchen mit goldenen Locken. Lange hegte ich den sehnlichen Wunsch, so engelsgleich auszusehen wie sie.

Ich muss schlucken. Fast vergessene Gefühle regen sich, und ein glückseliges Kribbeln geht mir durch den Körper. Mit Matilda an meiner Seite fühlte ich mich stets wie in einen sicheren Kokon gebettet. Sie gab mir Geborgenheit und Halt, sie war mein Vorbild und meine beste Freundin. Außerdem Mutterersatz. Mein Herz scheint auf einmal zu summen. Ein wenig verlegen blicke ich zu Boden.

Meine Tante umschließt mein Gesicht mit ihren Händen. «Müde siehst du aus, Livi, und immer noch viel zu dünn. Trotzdem bist du wunderhübsch. Die langen Haare stehen dir!» Ihre Augen strahlen so viel Wärme und Güte aus, dass ich zu Tränen gerührt bin. «Ich bin überglücklich, dass wir uns endlich wiedersehen!» Sie lächelt ihr schönstes Matilda-Lächeln, und ich bilde mir ein, die bunte Aura um sie herumschweben zu sehen.

«Ich freu mich auch so sehr!», gestehe ich ergriffen. Und als habe mich jemand in eine Zeitmaschine verfrachtet, fühle ich mich plötzlich in meine Kindheit zurückversetzt. Ich bin wieder zwölf und gerade vom Schlittschuhlaufen heimgekehrt. Matilda steht in unserem langen, weiß gefliesten Hausflur, zupft mir die Handschuhe von den eisigen Fingern und reicht mir einen dampfenden Becher Kakao, der mich sofort von innen wärmt. Mir läuft ein wohliger Schauer über den Rücken.

«Wie lange haben wir uns bloß nicht gesehen?», stammele ich, weil mir im Rausch der Emotionen nichts Besseres einfällt.

«Vierzehn Jahre und sechs Monate. Es war zu deinem achtzehnten Geburtstag, als ich dich in dem Lokal besucht habe, in dem du seinerzeit gekellnert hast.»

Mir klappt die Kinnlade herunter. «Du liebe Zeit – ja! Das hatte ich ganz vergessen!» Während meiner letzten Schuljahre jobbte ich in einem Restaurant in Bremerhaven. Ich liebte es schon damals, andere zu bekochen und zu bewirten, und war fast jede freie Minute dort, um auszuhelfen, auch an dem Tag, als ich volljährig wurde. «Aber zu der großen Party ein paar Tage später konntest du nicht kommen», fällt es mir wieder ein. «Warum eigentlich nicht?»

Sie übergeht die Frage und drückt mich erneut an sich. Ich atme ihren vertrauten Duft ein. Sie trägt immer noch dasselbe Parfüm. Vanille und schwarzer Pfeffer, so hat sie es mir einmal erklärt, mit einem Hauch Zitrus.

In meinem Kopf entstehen aufs Neue Bilder. Ich sehe Matilda und mich, wie wir beide dick eingemummelt auf dem Balkon unseres Hauses sitzen, mit Blick auf den Garten. Es lag Neuschnee, doch ich durfte nicht mit den anderen Kindern spielen, da ich die Windpocken hatte. Ich war kaum zu trösten, doch Matilda wusste Rat: Als wäre sie Mary Poppins, zauberte sie vor meiner Nase eine Art Weihnachtsmarkt. Mit Laternen am Geländer, Vanillekipferln und Kinderpunsch. Und über allem lag der Duft von Zitrus und schwarzem Pfeffer.

«Schön hast du es hier.» Obwohl ich außer der Hausfassade und dem Vorgarten noch nicht viel gesehen habe, verspüre ich den Drang, etwas zu sagen. Pflichtschuldig lasse ich daraufhin meinen Blick durch den Flur schweifen, in dem es dummerweise gar nicht schön aussieht. Im Gegenteil. Um mich herum herrscht das reinste Chaos. Auf die Schnelle erblicke ich eine alte Stehlampe ohne Schirm, zwei Säcke mit Altkleidern und eine Bodenvase, in der ein piksiger, verstaubter Blumenstrauß darauf wartet, endlich entsorgt zu werden. Außerdem entdecke ich einen Garderobenständer aus Holz, der einem Wiener Caféhaus entsprungen sein könnte und der mit einer Wolldecke, diversen Regenschirmen und einem zusammengeknoteten Paar Straßenschuhen behangen ist. An seinem Fuß stapeln sich Bücher, als habe meine Tante den Schiefen Turm von Pisa gleich mehrmals nachbauen wollen. Pappkartons in jeder Größe stehen kreuz und quer auf dem Boden und scheinen keinerlei Funktion zu haben, außer den Durchgang zu versperren.

Mistet Matilda aus?, überlege ich. Denn eigentlich war sie immer ein ordentlicher Mensch und erzog mich auch dementsprechend. Sie trug mir nie etwas hinterher und rührte auch in meinem Zimmer nichts an, war aber stets darauf bedacht, dass ich mein Spielzeug nicht überall liegen lasse.

«Ach, so richtig nett ist es hier schon lange nicht mehr.» Matilda blickt verschämt durch den Flur und scheint nach Worten zu suchen. Doch dann streicht sie sich mit Schwung eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lacht mich an. «Komm, lass uns in die Küche gehen. Dort ist es gemütlicher.» Rasch zwängt sie sich an mir vorbei. «Deine Tasche kannst du erst mal hier deponieren und die Jacke an die Garderobe hängen. Nachher zeige ich dir dein Zimmer.»

Ich nicke. «Okay.»

Vorsichtig, um das hölzerne Teil nicht zum Umstürzen zu bringen, schaufele ich meinem Parka einen Haken am Kleiderständer frei. Mein Gepäck findet zwischen zwei Kartons Platz. Zum Glück habe ich nur wenig mitgenommen, denke ich. Bei meinem überstürzten Aufbruch in Berlin habe ich auf die Schnelle diese Reisetasche und zwei Koffer gepackt, die aber per Post an Papa gingen.

Mit großen Augen folge ich meiner Tante. Vom Flur gehen links und rechts jeweils zwei Räume ab, doch die Türen sind geschlossen, also kann ich nur ahnen, was genau sich dahinter verbirgt. Wohnzimmer, Bad und Küche, nehme ich an. Vielleicht auch Matildas Schlafzimmer? Am Ende des Korridors schlängelt sich eine steile Holztreppe nach oben. Sie ist meerblau getüncht, der Handlauf weiß lackiert, und sieht ein bisschen aus, als würde sie direkt ins Wasser führen. Oder in den Himmel.

«Dort oben befindet sich dein Zimmer», erklärt mir Matilda, die im letzten Türrahmen lehnt und auf mich wartet. Sie schiebt die Tür auf und erntet dafür ein widerwilliges Quietschen. «Das olle Ding wollte ich längst ölen», knurrt sie.

Schmunzelnd betrete ich den Raum. Und fühle mich verzaubert. Nicht weil er sonderlich hübsch oder aufgeräumt wäre, denn das ist er nicht. Doch mich empfängt eine behagliche Wärme und der Duft nach frisch aufgebrühtem Kaffee. Ich sauge den Geruch tief ein, während ich mich weiter umblicke. Das Highlight ist definitiv die bodentiefe Fensterfront, durch die ich den Vorgarten und ein niedliches, gut frequentiertes Vogelhäuschen entdecke. Beides konnte ich bei meiner Ankunft nicht sehen, da die verkrumpelten Kiefern es verdeckten. Umso überraschter bin ich nun von dem Idyll. Draußen dämmert es bereits, und die Vögel scheinen sich vor der Nacht noch schnell die Bäuche vollschlagen zu wollen.

«Ach herrje», seufzt Matilda neben mir, als würde sie des Chaos, das uns umgibt, in diesem Moment erst so richtig gewahr. «Warte, ich räume uns ein Plätzchen frei.»

Ich wende mich zu ihr und sehe, dass sie zu einem Hochtisch aus Holz eilt, der vor dem Fenster steht und vor Papieren förmlich überquillt. Beherzt schiebt sie das Sammelsurium zu einem Stapel zusammen, den sie anschließend, wenig umsichtig, auf einem der Sitzhocker deponiert. «Setz dich. Möchtest du auch einen Kaffee, oder soll ich dir lieber Tee machen?»

«Gern Kaffee.» Während ich ihrem Wunsch nachkomme und mich auf einen der barhockerartigen Stühle niederlasse, fällt mein Blick auf einen kupferfarbenen, überdimensionierten Gasherd. Er sieht aus, als habe er ein Vermögen gekostet.

«Nicht schlecht!», staune ich, «offenbar kochst du immer noch so gern.» Die Küche im Landhausstil hat ihre besten Jahre eindeutig hinter sich, doch der Herd ist definitiv neu. Er wirkt zwischen den Schränken wie ein Fremdkörper. Ihm gegenüber, mitten im Raum, befindet sich eine schmale Kochinsel, aus deren Unterbau Matilda Becher, Milch und Zucker hervorholt.

«Geht so», gibt sie lapidar zurück.

Kein Wunder, denke ich. Wie soll man sich in diesem Chaos auch zurechtfinden? Denn sogar hier lagern Bücherstapel und kleinere Kartons.

«Kann ich dir helfen?», biete ich an, um nicht untätig herumzusitzen.

«Auf keinen Fall!» Matilda klingt entrüstet. «Du bist mein Gast und sollst erst einmal in Ruhe ankommen.» Sie hat inzwischen ein Tablett vollgeladen und bringt es an den Tisch. Mit flinker Hand verteilt sie die Becher.

Ich stutze und sehe sie mir genauer an. «Die sind ja traumhaft schön!» Mein Blick wandert zu meiner Tante.

«Freut mich, wenn sie dir gefallen. Dann hat unsere Zusammenarbeit ja eine gute Basis.»

«Wie? Hast du die selbst gemacht?» Ich schnappe mir einen der Becher, ehe sie ihn befüllen kann. Staunend drehe ich ihn in meinen Händen. Dann greife ich mir den zweiten und vergleiche sie miteinander. Beide sind farbig lasiert, in unterschiedlichen Fliedertönen, die Kanten jedoch blieben unbehandelt, was einen gelungenen Kontrast ergibt. Doch herausragend ist die Art der Lasierung: In beide Becher wurden außen Pflanzendetails geprägt, in den einen Grashalme und in den anderen Blütenstände, vermutlich Heidekraut. Der modellierte Bereich wurde hauchzart in einem abweichenden Farbton bemalt, und zwar bewusst nachlässig. Diesen Stil habe ich noch nirgends gesehen.

«Krass, die Idee mit der Prägung», begeistere ich mich. «Das sind ja echte Unikate!»

Matilda ist sichtlich verlegen. Sie deutet auf ein Wandregal oberhalb des Herdes, auf dem sich Müslischalen und Teller stapeln. «Da drüben findest du weitere Exemplare. Und im Wohnzimmer stehen auch noch große Schalen.»

Sofort springe ich auf und inspiziere die Stücke auf dem Küchenregal. Kein einziges von Matildas Werken erinnert an die dickwandigen Schöpfungen der Siebzigerjahre. Ich ziehe ein paar der Schälchen hervor, positioniere sie zu einem Turm und fische mein Handy aus der Hosentasche. Dann knipse ich erste Fotos. Zugegeben, das Licht ist nicht perfekt, und im Hintergrund müsste man definitiv für Ordnung sorgen, doch ich nutze flink die geeigneten Filter und bin fürs Erste zufrieden.

«Setz dich wieder hin, Livi, du bist eben erst angekommen und sollst dich nicht gleich verausgaben.» Matilda schenkt uns ein.

«Hm-m», murmele ich und trabe folgsam zum Tisch zurück. Gerade noch kann ich sehen, dass meine Tante mich mit einem versonnenen Lächeln auf den Lippen beobachtet. Ich setze mich ihr gegenüber, schließe meine Hände um den Becher und spüre, wie mich eine angenehme Wärme durchströmt. Danach greife ich nach meinem Handy. «Schau, deine Schalen sind sehr fotogen!» Ich strahle Matilda an. «Wo, sagtest du, finde ich noch mehr davon?»

Sie deutet augenrollend auf eine verschlossene Flügeltür, die von der Küche abgeht. «Drüben im Wohnraum. Aber ehrlich, Schätzchen, erzähl doch jetzt mal von dir.»

«Mach ich gleich.»

Schon stehe ich im Wohnzimmer. Auch dieser Raum ist nicht sonderlich groß und besticht ebenfalls durch die imposante Fensterfront. Hier ist sie zur Hälfte von schweren, graublauen Samtvorhängen verdeckt. Dahinter führt eine Tür auf die Terrasse. Es dauert eine Weile, bis ich dahinterkomme, warum das Zimmer so viel kleiner wirkt, als es ist. Doch dann registriere ich die Deckenbalken, die naturbelassen wurden, und zwar dunkelbraun, und die einen förmlich erdrücken. Außerdem kommt auch hier die Unordnung hinzu: Auf einem geschwungenen, pistazienfarbenen Sofa schichten sich Klamotten, ebenso auf dem nebenstehenden Sessel. Und der schmale Esstisch, der stiefmütterlich an die Wand geschoben wurde, wird von ein paar verstaubten Wandlampen und allerlei Pappkartons buchstäblich begraben.

Sprachlos verharre ich einen Moment. Bis mein suchender Blick fündig wird: In der oberen Etage eines ehemaligen Weinkühlschranks, der nun offenbar als Sideboard dient, stehen die Schüsseln. Vollgestopft mit losen Papieren und aufgerissenen Briefumschlägen. Kurz wundere ich mich über den Umstand, dass der Schrank umfunktioniert wurde. Aufgrund diverser Jobs in der Gastronomie habe ich nämlich eine ungefähre Ahnung, wie viel Geld für derartige Kühlschränke verlangt wird. Aber was soll eine solche Anschaffung, wenn man sie gar nicht nutzt? Doch dann richte ich meine Aufmerksamkeit auf Matildas Werke.

«Wow», rufe ich so laut, dass sie mich in der Küche hören kann. «Die sind ja der Hammer!»

Ich schnappe mir eine Schale, stopfe den Inhalt kurzerhand auf den frei gewordenen Glaseinlegeboden in den Schrank und kann gar nicht fassen, wie professionell und kunstvoll sie gestaltet ist. Bei diesem Exemplar diente offenbar eine Hortensienblüte als Prägevorlage. Mit Sorgfalt setze ich die Schale auf dem Boden ab, um mich ihrem cremefarbenen Pendant zu widmen. Nachdem ich auch dieses Kunstwerk von allerhand Krimskrams befreit und anschließend ausgiebig betrachtet habe, stelle ich beide Gefäße behutsam ineinander.

Meine Tante hat in der Zwischenzeit ein Schüsselchen mit Weihnachtsgebäck auf dem Tisch deponiert. Sie knabbert an einem Keks, während ich die Schalen vor der Terrassentür auf dem Boden in Position bringe. Es ist ein alter, ausgeblichener Holzboden, vermutlich Eiche, der für meinen Geschmack als perfekter Untergrund dient. Leider ist es inzwischen draußen dunkel geworden, doch die Kamera lässt sich entsprechend einstellen, und mithilfe einiger Kniffe sind die Bilder am Ende gar nicht übel.

Ich trete zu meiner Tante und präsentiere ihr die Aufnahmen. Mit geneigtem Kopf betrachtet sie Foto für Foto. Am Ende seufzt sie ergriffen. «Ich wusste, warum ich dich um Rat gefragt habe, Livi. Diese Farben …» Sichtlich beeindruckt blickt sie zwischen den Fotos und dem Arrangement auf den Dielen hin und her. «Aber wie kann das sein? Mein Boden sieht doch ganz anders aus?»

«Das lässt sich alles mit Filtern bearbeiten», erkläre ich ihr den hellen Hintergrund. «Kein Hexenwerk.» Ich schnappe mir ein Vanillekipferl, und noch während es auf meiner Zunge zergeht, werde ich fünfundzwanzig Jahre zurück in meine Kindheit katapultiert. Matilda hatte schon damals das Rezept dahingehend abgewandelt, dass die Kekse nicht so süß, dafür aber umso mehr nach Vanille schmecken. Köstlich. Am liebsten würde ich mich in die Schale hineinknien.

«Morgen, wenn hoffentlich die Sonne scheint, mache ich mich wieder ans Werk. Du wirst staunen, was natürliches Licht ausmacht.» Ich werfe ihr einen prüfenden Blick zu. «Willst du die Stücke eigentlich erst mal nur präsentieren? Um Aufmerksamkeit zu erlangen? Wenn du nämlich einen echten Verkaufsaccount einrichten möchtest, müsstest du dich auch mit so Sachen wie einem Gewerbeschein und Steuern befassen.»

Ich sehe, wie Matildas Augen nervös zu flackern beginnen. «Ich habe mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken darüber gemacht», gesteht sie, fügt aber nach einigem Nachdenken hinzu: «Lieber zunächst nur abbilden. Ich glaube, es wird sich eh niemand dafür interessieren.»

«Da behaupte ich aber das Gegenteil», entgegne ich und kann nicht umhin, einen weiteren Keks zu stibitzen. «Wie dem auch sei – morgen überlegen wir uns, wie wir dich und deine Arbeiten in Szene setzen.»

«Mich?» Ein Ausruf des Entsetzens kommt von meiner Tante. «Muss das sein? Ich bin kein bisschen fotogen.» Matilda fährt sich durch die Haare. «Und beim Friseur war ich auch seit Ewigkeiten nicht, also nein – ohne mich.»

«Keine Sorge», ich zwinkere ihr zu. «Wenn du nicht möchtest, musst du nicht Modell stehen. Deine Produkte sprechen für sich. Aber vielleicht kannst du auf dem einen oder anderen Bild eine Schale halten, sodass deine Hände im Fokus sind. Oder dein Kopf im Profil. Vertrau mir, das wird richtig toll.»

Meine Tante sieht wenig begeistert aus, schenkt mir aber dennoch ein warmes Lächeln. Bis ihre Miene plötzlich ernst wird. «Wie die Zeit vergeht! Ich schlage vor, dass wir etwas essen, oder bist du nicht hungrig?» Sie schmunzelt. «Als kleines Kind warst du jedenfalls immer unersättlich.»

«Und darum ziemlich pummelig …»

«Aber kerngesund.»

Wir müssen lachen.

«Wie wäre es mit einer großen Portion Arme Ritter?», überlegt Matilda laut, und ich reiße sogleich erfreut die Augen auf.

«Au ja!» Diese in Ei gebackenen Brote waren meine Leibspeise. Auf einmal spüre ich meinen knurrenden Magen.

«Die süße Variante? Mit Zimt und Zucker? Oder herzhaft?»

Wir wechseln einen schnellen Blick und sagen wie aus einem Mund: «Lieber süß als Gemüs’.» Danach prusten wir los. Den Reim habe ich als Kind erfunden, weil ich kein Grünzeug mochte, sondern am liebsten nur Süßes.

«Na dann!» Matilda schlägt sich mit Elan auf die Schenkel und steht auf. Plötzlich fällt ihr etwas ein: «Ich habe übrigens deinen … äh … Blog gelesen.» Das moderne Vokabular scheint ihr nicht so geläufig zu sein. «Diese Seite, auf der du übers Kochen schreibst. Schon ein paar Mal habe ich ein Gericht nachgekocht, sofern mir die Zutatenliste nicht zu lang und zu ausgefallen war.» Sie hält kurz inne. «Da du selbst so gerne kochst – hast du das Rezept des alten Klassikers womöglich längst modernisiert?» Neugierig sieht sie mich an.

«Ich habe die Ritter seit bestimmt zwanzig Jahren nicht gegessen», erkläre ich und denke kurz nach. «Das letzte Mal war, als du sie für mich zubereitet hast.»

«Es war dir vermutlich zu schlicht, um es nachzukochen?»

«Papperlapapp», gebe ich entrüstet zurück. Die Wahrheit ist: Ich hatte das Gericht glattweg vergessen.

Matilda beginnt, die Zutaten aus dem Kühlschrank zusammenzusammeln. Es juckt mich in den Fingern, ihr zur Hand zu gehen. Kochen ist noch immer mein Hobby. Nein, es ist eigentlich viel mehr, es ist meine große Leidenschaft. Denn sosehr ich meinen Job im Social-Media-Bereich auch mag, hätte ich die Wahl, würde ich mich ohne zu zögern fürs Zubereiten von Speisen entscheiden. Ich durfte in Restaurants zwar nie an den Herd, weil mir die Ausbildung fehlte, aber beim Catering war ich voll involviert. Von der Planung bis zur Auslieferung – und ich liebte es.

Doch noch mehr gefiel es mir, eigene Gerichte zu kreieren. In Berlin kochte ich, sooft es ging, für die WG und Nachbarn. Sie waren meine Versuchskaninchen und Kritiker, dank ihnen rief ich eines Tages den Foodblog ins Leben. Er kam überraschend gut an, brachte aber kein Geld ein, sodass ich ihn nur als Hobby betreiben konnte. Das war kein Problem, im Job verdiente ich von Anfang an genug. Gleichzeitig floss aber all meine Zeit in die Projekte, und zum Kochen kam ich kaum mehr.

«Gibst du mir mal den Zimt, du findest ihn bei den Gewürzen im Schrank», ruft mir Matilda über die Schulter zu. «Und die Rührschüssel ist …» Sie blickt sich suchend um. Irgendwann schnappt sie sich einen alten Milchtopf, der vor ihrer Nase steht. «Ach, ich nehme einfach den hier.»

Doch bevor sie mit der Zubereitung loslegt, macht meine Tante ein paar Schritte auf mich zu und drückt mir einen Kuss auf die Wange. «Ach Kindchen, ich bin ja so glücklich, dich hier bei mir zu haben.»

Verwundert sehe ich sie an. Ihr Tonfall ist mir plötzlich fremd, und als sich unsere Blicke begegnen, stelle ich fest, dass Matilda Tränen in den Augen stehen. Ich atme tief ein. Etwas Schweres hat sich auf meine Brust gelegt. Ich kann mir nicht erklären, woher das Gefühl kommt, aber gerade war mir, als stecke hinter Matildas Worten mehr als nur ein Anflug von Rührung.

3Freundschaft mit gewissen Vorzügen

«Soll ich die Eiermilch anmischen?» Ich lauere an der Küchenarbeitsplatte, in der Hoffnung, endlich mitwirken zu dürfen.

Matilda, die mit dem Kopf in einem schmalen Schrank neben dem Kühlschrank klemmt, den sie ihre Speisekammer nennt, antwortet dumpf: «Nein, Schätzchen. Du lässt dich verwöhnen. Ich schau nur schnell, was ich an altem Brot habe oder ob wir Toast nehmen.»

Offenbar herrscht auch in den Tiefen großes Durcheinander, denn ich höre meine Tante geräuschvoll Vorräte hin und her schieben. Es dauert eine Weile, dann krabbelt sie mit einem Paket Röstbrot und dem Toaster unter dem Arm wieder heraus. «Ein Glück, wir haben alles da.»

Sie marschiert zum Herd, reckt sich, um an das darüber montierte Wandregal zu gelangen, und zerrt aus der zweiten Reihe ein tragbares CD-Radio hervor. «Musik?», fragt sie und drückt auf mein Kopfnicken hin einen der Knöpfe. Leise Klänge ertönen, irgendetwas Weihnachtliches, das gut zum Tagesausklang passt.

«Dann mal los!» Matilda stellt eine Waage auf die Arbeitsfläche, außerdem Eier, Milch, Zucker und Salz. Sie wiegt alles ab und beginnt nach und nach, die Komponenten zu verquirlen. Zimt und Zucker mischt sie separat in einem ihrer Schälchen.

Für mich sieht das alles so entzückend aus, dass ich jeden Arbeitsschritt fotografieren muss. Mir gelingt es sogar, Matilda zu einem Schnappschuss ihrer schlanken, faltigen Hände zu überreden, wie sie die Brotscheiben halten. Ein wunderschönes Motiv.

Danach füllt sie die Eiermilch in einen flachen Suppenteller, schnappt sich das Brot und lässt es im Anschluss in dem Gemisch einweichen.

Matilda summt vor sich hin und schaut mich plötzlich grinsend an. Sie hat bemerkt, dass ich mich nicht mehr zurückhalten kann. Also überreicht sie mir eine Pfanne, und ich mache mich mit Wonne daran, die Scheiben nach und nach goldbraun zu braten.

Ich bin in meinem Element. Erst recht, als der appetitliche Duft von gebratenem Ei den Raum erfüllt. Ein glückseliges Lächeln macht sich auf meinem Gesicht breit. Während andere Menschen bei der Meditation oder in der Sauna entspannen, schöpfe ich beim Zusammenstellen einer Mahlzeit neue Kraft.

Auch Matilda wirkt beschwingt. Sie ist dazu übergegangen, den Hochtisch für uns einzudecken, und zwar im Tanzschritt. Mit fließenden Bewegungen schwebt sie durch den Raum, schnappt sich Besteck und Gläser, außerdem eine Flasche Weißwein und einen Krug Wasser. Immer wieder bleibt sie stehen und reckt schnuppernd die Nase in die Höhe. Als wolle sie auf diese Weise sichergehen, dass alles seine Richtigkeit hat. Dann suchen wir noch ein paar Kerzen zusammen, dimmen das Licht, und während Frank Sinatra im Radio I’ll Be Home for Christmas anstimmt, sitzen wir mit Heißhunger vor einem riesigen Berg köstlich kross gebratener Brote. So einfach das Gericht hinsichtlich seiner Zutaten sein mag – für uns ist es ein Festmahl.

«Jetzt aber, Schätzchen, wie geht es dir in Berlin? Ich lese zwar deine Rezepte im Internet, aber leider schreibst du nur so selten etwas und dann natürlich auch kaum Persönliches, was ich verstehe», plappert Matilda von der Leber weg. «Außerdem sehe ich ab und zu ein Foto von dir auf WhatsApp.» Sie schenkt uns Wein ein, und wir stoßen kurz an. «Dummerweise kann ich ja dieses Instagram nicht, darum entgeht mir sicherlich einiges.» Fragend sieht sie mich an.

Ich habe den ersten Toast wie eine Verhungernde in mich hineingeschaufelt und bemühe mich beim zweiten, ein wenig gesitteter vorzugehen. Daher bleibt mir mehr Zeit zum Reden. «Einen Instagram-Account wollte ich dir sowieso einrichten, bestimmt lernst du schnell, ihn zu bedienen», tröste ich sie. «Ansonsten weiß ich gar nicht, was ich erzählen soll.» Ich überlege, wo ich anfangen könnte. Es sind so viele Jahre vergangen, und gerade in letzter Zeit ist eine Menge passiert. Hilfe suchend blicke ich zu meiner Tante.

Matilda schiebt sich noch einen Toast auf den Teller und nickt wissend. «Ich weiß, was du meinst. Sieht man sich oft, hat man stundenlang Gesprächsstoff und tauscht die winzigsten Details aus, um sie von allen Seiten zu beleuchten. Doch wenn mehr Zeit zwischen den Treffen vergeht, fehlen einem die Anknüpfungspunkte. Man hat das Gefühl, es gibt nichts Neues, weil im Grunde alles neu ist.»

Ich nicke. «Genauso empfinde ich es.» Versonnen streiche ich über die Tischplatte.

Matilda greift nach meiner Hand und drückt sie. «Hoffentlich bleibst du ein Weilchen mein Gast, sodass wir ausreichend Zeit haben, uns auf den aktuellen Stand zu bringen.»

Und plötzlich, vermutlich durch diese Geste oder die Wärme ihrer Haut, legt sich in meinem Inneren ein Schalter um. «Ich hatte gehofft, dass du das sagst», gestehe ich kleinlaut. «Es ist nämlich so …», ich hole tief Luft, «dass ich gerade kein richtiges Zuhause habe. Außerdem muss ich mir über ein paar existenzielle Dinge klar werden.» Mit einem Seufzen atme ich aus.

Matilda, die mich aufmerksam beobachtet hat, bekommt große Augen. Sie sagt kein Wort, sondern lässt mich reden. Und mir liegt einiges auf der Seele. Plötzlich ist es doch so, als hätten wir uns gestern zuletzt gesehen. Ich fühle mich Matilda so nah, dass ich ihr die Geschichte von Meike und Martin bis ins letzte Detail anvertraue. Ich erzähle ihr von der Party, dem Kuss und dass ich fast mit Martin im Bett gelandet wäre. Und von dem großen Schock, der mir immer noch in den Knochen sitzt: «Dabei waren die beiden zu der Zeit längst ein Paar. Zwei Monate haben sie es mir verschwiegen.» Meine Stimme zittert, während ich Matilda mein Herz ausschütte.

«Du liebe Zeit! Aber warum haben sie denn nicht mit dir geredet?» Tilda hält weiterhin meine Hand und streichelt mit ihrem Daumen meinen Handrücken.

«Ich schätze, damit die Stimmung nicht kippt und wir noch ein paar Jobs in Ruhe zu Ende bringen», schnaube ich enttäuscht. «Ich hatte nicht den Hauch einer Ahnung. Was wohl reichlich naiv von mir war, im Nachhinein betrachtet. Aber ehrlich», ich schaue Matilda fest in die Augen, «auch nach tagelangem Kopfzerbrechen finde ich nicht den geringsten Anhaltspunkt, der auf eine Beziehung hindeutete. Denn sonst …» Ich schüttele den Kopf. «Sonst hätte ich Martin doch nie geküsst.»

Und dann erzähle ich Matilda noch das dicke Ende der ganzen Geschichte, nämlich dass Meike zu diesem Zeitpunkt bereits schwanger war und mir deswegen nahelegte auszuziehen. Schließlich wären sie ja bald zu dritt. Mir wird unvermittelt warm ums Herz. «Kurz darauf kam deine Nachricht. Es fühlte sich wie Schicksal an, dass du mich zu dir eingeladen hast.»

«Vielleicht ist es das, wer weiß?» Matilda zieht ihre Hand zurück und lächelt stattdessen. «Bleib so lange, wie du magst. Wenn es nach mir ginge …», unvermittelt treten ihr erneut Tränen in die Augen, die sie jedoch mit einer forschen Handbewegung wegwischt. «Wenn es nach mir ginge, dürftest du für immer bei mir auf Sylt wohnen.»

Einen Moment hängen wir schweigend unseren Gedanken nach.

Wenn es nach ihr ginge … Was meint sie denn damit?, frage ich mich, während ich mit meinem Fingernagel einen Wachsfleck von der Tischplatte pule. Vermutlich ist es Vorschrift, dass sie Besuch, der sich für längere Zeit bei ihr einquartiert, bei den Vermietern anmeldet. Gleich darauf erinnere ich mich an die Szene beim Kochen, als meine Tante schon mal mit den Tränen kämpfen musste. Ist es wirklich nur die Wiedersehensfreude, die sie so emotional werden lässt, oder steckt am Ende mehr dahinter?

«Diesen Tisch mit den Barhockern hat übrigens Bruno gebaut», erklärt Matilda irgendwann in lockerem Plauderton. Sie hat sich offensichtlich wieder gefangen. Und ihr ist nicht entgangen, dass ich seit geraumer Zeit über das Holz streiche. «Überhaupt gehört hier vieles ihm, darum sieht es dermaßen chaotisch aus. Ich …», sie gerät ins Stocken, «ich habe es einfach noch nicht geschafft, seine Sachen durchzusehen und auszusortieren.»

Oh weh, denke ich. Das nächste schwierige Thema. Bruno war Matildas Ehemann, den ich jedoch niemals kennengelernt habe. Er starb vor etwa zwei Jahren. Ich weiß das von Mama, Matilda selbst hat nie viel von ihm gesprochen. Zwei Jahre. Und noch immer herrscht seinetwegen Chaos? Ich hatte angenommen, die Kisten mit den Papieren und die herumfliegende Post gehen auf Matildas Kappe.

Leicht bedröppelt sage ich: «Wenn du magst, kann ich dir in den kommenden Tagen beim Aufräumen behilflich sein.» Ich will ihr nicht zu nahe treten, aber eventuell benötigt meine Tante einen Anstoß, um die Sache anzugehen. Ist doch so: Wenn man vor einem Berg Arbeit steht, findet man manchmal keinen Anfang, das weiß ich aus Erfahrung. Und wenn, wie in Matildas Fall, außerdem zu befürchten ist, dass dabei Erinnerungen wachgerufen werden, schiebt man die Konfrontation erst recht auf die lange Bank.

Matilda sieht mich nachdenklich an. Nach einer Weile sagt sie: «Gern.»

Ich habe Sorge, dass ihr erneut die Tränen kommen könnten, darum versuche ich, ihre Gedanken auf etwas Schönes zu lenken. Mit etwa demselben fröhlichen Tonfall, den sie eben an den Tag gelegt hat, sage ich: «Jetzt bist du an der Reihe.» Ich zwinkere ihr aufmunternd zu. «Zum Beispiel wüsste ich gern, was dich eigentlich damals nach Sylt verschlagen hat? Gab es dafür einen speziellen Grund?»

Matilda lässt sich auf den Themenwechsel ein. «Ja, den gab es tatsächlich», sagt sie und nickt. Sie knispelt mit ihren Fingern an einer der Kerzen, weil der Docht im Begriff ist, im heißen Wachs unterzugehen. «Ich kam nach Sylt zur Kur, weil es in meinem Alltag seinerzeit einiges gab, das ich aufarbeiten musste.» Der kurze, schräge Blick, den sie mir zuwirft, irritiert mich. Dann widmet sie sich wieder der Kerze und fährt fort: «Mein Arzt hatte mir einen Tapetenwechsel verordnet, um den Kopf freizubekommen. Also ging ich viel spazieren, manchmal über Stunden.»

Sie hält inne, weil ihr wohl auffällt, dass sie knapp am Thema vorbeiredet. Denn den Grund für ihre Reise hat sie, bewusst oder unbewusst, nicht genannt. Ich tue so, als habe ich es nicht bemerkt.

«Bei einer dieser Wanderungen lief ich Bruno über den Weg. Wir kamen ins Gespräch – ich glaube, es drehte sich um die außergewöhnliche Wolkenformation, die an jenem Tag über dem Meer hing –, und ich hörte sofort heraus, wie sehr er Sylt liebte. Seit Jahren verbrachte er seinen Urlaub auf der Insel, und sein größter Wunsch war es, hier nach dem Renteneintritt sesshaft zu werden.»

Matilda atmet tief ein. «Tja, was soll ich sagen? Wir mochten uns. Es war keine Liebe auf den ersten Blick und auch nicht die klassische Romanze. Stattdessen würde ich es eine …» Sie denkt kurz nach, ehe sie mit einem Schmunzeln auf den Lippen fortfährt: «Wie sagt man so schön? Eine Freundschaft mit gewissen Vorzügen nennen.»

Ich hebe fragend eine Augenbraue.

«Wir trafen uns in den darauffolgenden Ferien erneut, bis wir schließlich regelmäßig Zeit miteinander auf der Insel verbrachten. Denn auch mir gefiel es hier außerordentlich gut. Als Bruno dann zwei Jahre später pensioniert wurde, stand für uns fest, dass wir zusammenbleiben und dass wir uns gemeinsam nach einer dauerhaften Behausung auf Sylt umsehen.»

Matilda knibbelt sich Wachs von den Fingern. Der Docht ist gerettet, und die Kerze erstrahlt in hellem Licht. «Das Leben hier war allerdings schon damals nicht ganz billig, sodass wir uns schwertaten, eine Wohnung oder ein Häuschen zu finden.»

«Aber irgendwann hat es offenbar doch geklappt», nehme ich die Pointe vorweg.

«Ganz genau.» Matilda nickt mehrmals. «Bei einem Kurkonzert lernten wir ein ausgesprochen liebenswertes Ehepaar aus Bochum kennen, wobei nur sie aus Bochum kam, er stammte ursprünglich aus Esbjerg. Wir tanzten und feierten den gesamten Abend, tranken am Ende Brüderschaft und wurden dicke Freunde.» Die Erinnerung an jene Zeit bringt ihr Gesicht für einen Moment zum Leuchten.

«Du warst ja schon immer eine Frohnatur», bemerke ich, «kein Wunder, dass du gleich Anschluss gefunden hast.»

Matilda kichert. «Ja, so ist es wohl. Marta und Hannes, so hießen die beiden, waren uns jedenfalls sofort gewogen. Er hatte gerade geerbt, genau genommen eine Immobilie, ein Haus auf Sylt.» Sie schaut zu mir. «Dieses Haus.»

Ich bin baff. «Echt? Und es stand zufällig leer?»

«So in etwa. Sie vermieteten beide Haushälften an Feriengäste. Zum Winter gab es für die rechte Seite keine Buchungen, sodass wir am ersten Dezember einziehen konnten.» Etwas ergriffen angesichts der Erinnerungen, braucht sie einen Moment, ehe sie weiter ausführt: «Es war eine Win-win-Situation, denn Marta und Hannes suchten eh gerade nach einer Agentur, die sich um die Vermietung kümmert. Zwar hatten sie einen Sohn, den ich aber nie kennengelernt habe. Er steckte mitten im Studium, irgendein neumodischer Kram, und war darum mit Lernen beschäftigt. Also boten Bruno und ich an, die Verwaltung zu übernehmen. Schlüsselübergabe, Endreinigung, Wartung. Je nachdem, was so anfällt.»

Sie zuckt mit den Schultern. «Unsere Freunde waren sofort angetan von der Idee, und so kam es, dass wir als Gegenleistung zu einer überaus erschwinglichen Miete hier wohnen durften.»

Ich staune nicht schlecht. «Heißt das, du kümmerst dich nun allein um die Vermietung und alles andere?»

Matilda wirkt plötzlich angespannt. «Ja, das tue ich.» Sie schaut an mir vorbei zum dunklen Fenster.

«Oha.» Langsam wird mir einiges klar. «Dabei fällt sicher haufenweise Arbeit an.» Nicht wirklich überraschend, dass im Haushalt manches liegen geblieben ist. Mitfühlend streiche ich über ihren Arm.

Matilda rührt sich nicht. Wie erstarrt blickt sie weiter nach draußen in die Dunkelheit, bis sie sich schließlich zu mir dreht und das Thema wechselt. «Was hältst du davon, wenn ich dir dein Zimmer zeige? Ich sehe schon seit einer Weile, wie dir die Augen zufallen.»

«Da hast du recht», sage ich nach kurzem Zögern. Aber im Grunde sehe ich, dass sie es ist, die sich müde und erschöpft fühlt. «Doch erst räume ich den Tisch ab.»

 

«Wie geht es eigentlich deinem Vater?», erkundigt sich Matilda, als wir eine Viertelstunde später Seite an Seite die Treppe emporsteigen. «Und was macht sein kranker Fuß?»