Wirth! Nochmal zwo Viertel Stübchen! - Andreas Döring - E-Book

Wirth! Nochmal zwo Viertel Stübchen! E-Book

Andreas Döring

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Beschreibung

Geschichte der Braunschweiger Brauereien und Gaststätten. Als Anhang Kochrezepte mit Braunschweiger Bier

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DANKE UND PROST!

Das Archiv des Vereins Braunschweiger Gastwirte ist 1944 völlig ausgebrannt. Die Quellenlage ist sehr, sehr dünn. Diese Einschätzung von Hotelier Gerd Rösel, der mir als engagierter Sammler als erster Anlaufpunkt empfohlen worden war, hat sich nur allzu oft bestätigt. Sehr viel dicker habe ich sie auch nicht hinbekommen, aber immerhin. Es sollte ja auch in erster Linie ein unterhaltsames Buch entstehen. Drei Kapitel daraus durfte ich bei der Feier zum 100-jährigen Bestehen des Dehoga-Stadtverbands im April 1996 vorstellen, und dort hat man sich gottseidank köstlich amüsiert. Selbstverständlich habe ich nach bestem Wissen recherchiert, aber die Quellenlage ist nicht nur dünn, sondern auch widersprüchlich. Am liebsten waren mir die „Primärquellen", Gastwirte eben und Kneipengänger, die ich mit dem Diktiergerät gelöchert habe - siehe die Kapitel über Otto Teiwes oder den Gastro-Seniorenstammtisch. Überall wurde ich herzlich empfangen und sogar bewirtet. Daher ganz herzlichen Dank an:

Dieter Diestelmann, Robert Ding (mit dessen Wachhund ich leider nicht warm wurde), Rinelde Fantoni, Pia Franke, Adolf Goldapp, Immo Grisebach, Manfred Gruner, Karl-Heinz Herbst, Wolf Horenburg, Wolfgang Hörn, Karl Kalms, Günther Lindhorst („wenn noch was is, ruf an"), Franz-Peter Müller, Horst Reupke, Wolfram Richter, Gerd Rösel, Guido Schmidt, Helene Schönfeld, Dr. Klaus Schuberth („Na, Herr Doktor, was macht unser Bierbuch?" - Hier isses, Herr Direktor), Gerd Schütte (†), Leonore Stolte, Otto Teiwes (in dessen Doppelkopfrunde ich kläglich versagt habe), Horst Wehlitz, Bruno Weise, Norbert „Toto" Wiegand (vier Cassetten Material und unvergessene Bockwürste).

Es schickt sich zwar nicht, daß der Autor dem Verleger dankt, aber daß aus dem halben Jahr am Ende zweieinhalb wurden, hat Michael Kuhle mit Gottvertrauen und freundschaftlicher Contenance getragen. Ganz besonders danke ich Hans Stallmach für die zähe Mitarbeit an dem Kapitel über das Brauwesen. Dabei trinkt er am liebsten, was hier noch nie gebraut wurde: Kölsch.

Die vielen Rezepte in diesem Buch hat Anne-Katrin Borek mit viel Liebe ausgesucht, ausprobiert und zur Nachahmung festgehalten.

In rebus mercantilibus danke ich Feldschlößchen und Wolters.

Andreas Döring

Den Nutzen des Biers betreffend, daß es nemlich den Durst lösche, die matten und entkräffteten Glieder erquicke, die verlohrne Geister und spiritus ersetze, die solution und Auffschließung der Speisen im Magen befördere, zu der vollkommenen Vermischung derselben höchstnöthig, auch zur Nutrition der menschlichen Machine vieles beytrage, ist mehr als zu bekannt, und wissen es diejenigen, so nur mit einem Ohr die Doctrin von der Nutrition angehöret, und weiset es überdies noch die tägliche Erfahrung, wie schlechte Nahrung diejenigen haben, die allzuwenig trincken, so daß oft zwischen solchen Leuten und denen Sceletis, welche man in den Scholis der Anatomicorum ausgestellt sihet, wenig differance zu finden.

(Aus einem Braunschweigischen Bierbuch 1723)

Inhaltsverzeichnis

Die Geschichte des Bierbrauens in Braunschweig

Heute back' ich, morgen brau' ich – das Recht der Vollbürger

Bedeutung des Biers für die Ernährung und Volkswirtschaft im mittelalterlichen Braunschweig

Brauen - das Vorrecht der Vornehmen in der Stadt Braunschweig

Auch in Braunschweig: Das Reinheitsgebot

Vorschriften rund um das Bier im spätmittelalterlichen Braunschweig

Matthier, Convent, Mariengroschen – Biersorten des Spätmittelalters

Die Mumme

Andere Biere im Braunschweigischen

Der „herrlichste Nectar unseres Herzogthums" – das Duckstein-Bier aus Königslutter

Vom Kleinbetrieb zur Industrialisierung

Fast vier Jahrhunderte Brautradition - das Hofbrauhaus Wolters

Feldschlößchen - der „newcomer" im Braunschweiger Biergewerbe

Nec aspera terrent: Gastwirte contra Obrigkeit

Von Karl dem Ersten, dem Zweiten und Dritten: Das Park Hotel Kalms

Brünings Saalbau: Die Erfolgsgeschichte einer Selfmade-Frau

Vierhundert Kneipen hatte ich

Schön wars - viel Arbeit: Der Gastro-Seniorenstammtisch

Der alte Brauch wird nicht gebrochen - hier können Familien Kaffee kochen

Sagen Sie - kenn ich Sie nicht aus Film, Funk & Fernsehen?

Kochrezepte mit Braunschweiger Bier

Biersuppe mit Laugenbrezeln

Braunschweiger Maibocksuppe mit Knoblauchcroutons

Knoblauchcroutons

Sauerkrautsuppe

Biersuppe mit Schneeiern

Braunschweiger Gulaschsuppe

Rotbarschfilet in Bierteighülle

Pochiertes Fischfilet mit Mumme-Sauce

Hecht in Biersauce

Chinesische Fischpfanne mit Biersauce

Beschwipste Hähnchenkeulen

Putenfleisch in Bierteighülle

Ente nach Braunschweiger Art

Kalbssteak mit Morchel-Bier-Sauce

Rindfleisch-Topf

Rindergeschnetzeltes

Geschnetzeltes Rinderfilet mit Zwiebel-Bier-Sauce

Chili con Carne

Rinderrouladen

Ochsenschwanzragout

Mumme-Bierschinken

Deftiger Sauerkrautauflauf

Bierschinken mit Kartoffelsauce nach alter Braunschweiger Art

Hackbraten mit Biersauce

Schweinekoteletts in Kümmel-Bier-Sauce

Lammkeule mit Mumme-Sauce

Braunschweiger Rostbratwürstchen in Biersauce

Rehfilet auf Biercremesauce

Hasentopf

Wildragout

Mumme-Wildschweinbraten

Bierkraut

Bierzwiebeln

Braunschweiger Bierhähnchen

Camembert in Bierteighülle

Feiner Bierteig zum Ausbacken

Bier-Vollkornbrötchen

Gemüse in Bierteig

Gefüllte Zwiebeln

Obatzda

Weißlacker – Bierkäse

Welsh-Rarebits (überbackener Käsetoast)

Bierkrapfen mit Quarkfüllung

Geeiste Biercreme mit Heidelbeermus

Apfelscheiben in Bierteig

Bier-Punsch

Gute-Nacht-Bier

Mumme-Grog

Ratskellertrunk

Die Geschichte des Bierbrauens in Braunschweig

Wenn ein Land zu finden, welches sich rühmen kann, daß es viele schöne, delicate, wohlschmeckende und gesunde Biere zutrincken giebt, so ist es traun, wir können dieses ohne alle eitle Einbildung und Praeoccupation des Gemühtes sagen, das Herzogthum Braunschweig:

die MUMME, welche ein angenehmer, wohlriech- und schmeckender Gersten-Safft ist, so in der Stadt Braunschweig gekochet, und wegen ihrer Vortrefflichkeit die Tag und Nacht gleichmachende Linie passieret und bis in beyde Indien verfahren wird, worin sie es allen ändern Bieren zuvor thut,

die SCHUDDE-KAPPE, ein delicates Bier, so in dem Closter Riddagshausen, ohnweit Braunschweig gebrauet wird, und so keinem Gerstentrancke nachzusetzen,

das TIBI-SOLI, so in dem Kreutz-Closter vor Braunschweig bereitet wird, so sich seiner Lieblichkeit wegen bey allen, so es kosten, recommandiret, der PAPEN-KOVENT, welcher vielleicht von den alten Pfaffen oder Mönchen in ihren Conventibus zur Ergötzung mag seyn getruncken und daher so benennet worden, welchen die Hochwürdigen Herrn Canonici des Hohen-Stiffts in Braunschweig brauen und kochen lassen, ist ein sehr gesundes Bier und mit der Poeten Nectar gantz wohl zuvergleichen,

der WOLFENBÜTTELSCHE BRÜHAHN, welcher dem beruffenen Halberstädtischen öfters vorzuziehen, weil er weniger, denn jener, schleimet, auch weniger den Aeolum microcosmicum, Ungewitter und Sturm mit schrecklich-blasenden Winden, in der menschlichen Machine zuerregen und zuerwecken anmahnet, die Medicinalische GOSE, wie sie in der Kayserl. Freyen Reichs-Stadt Goßlar unten am Harz gebrauet werde, wegen ihres weinhafften und lieblichen Geschmacks, auch indem sie ein gut Ehestandes-Bier seyn sol.

der DUCKSTEIN, welcher zu Königs-Lutter gebrauet und wegen seines guten Geschmacks und herrlichen Qualitäten bey Gesunden und Krancken durch ganz Teutschland verfahren wird; Es ist ein weißes Bier, gleichsam naturae mediae zwischen den Wasser und Wein; dienet den Durst zu löschen, die Verdauuung der Speisen zu befördern, treibet starck den Urin und widerstehet dem Stein. Es ist das beste Geträncke für gelehrte Leute und Studierende, denn weil es zart und dünne, macht es keine obstructiones, zu welchen sonst gelehrte Leute ohndem wegen ihres vielen Sitzens disponiret werden.

(Aus einem Braunschweigischen Bierbuch 1723)

Bierschafft Freude und Geselligkeit, macht Appetit zu jeder Zeit, beseitigt Ärger und Verdruß, für Ihn und Sie ein Hochgenuß, gibt Kraft und Nervenruhe wieder, entspannt am Abend Deine Glieder, löscht jeden Durst vorzüglich, stimmt jung und alt vergnüglich, stört die Gesundheit nimmer, -

Braunschweiger Bier schmeckt immer!

Brauerei Feldschlößchen A. G.

Burg-Brauerei G.m.b.H.

Hofbrauhaus Wolters A.G.

Anzeige des Brauereiverbandes Braunschweig, 1957

Heute back' ich, morgen brau' ich – das Recht der Vollbürger

Wann man in Braunschweig mit dem Brauen von Bier begonnen hat, darüber gibt es keine eindeutigen Hinweise - kein Wunder, denn im Mittelalter durfte zunächst einmal jeder Vollbürger im eigenen Haus brauen. In der Frühzeit Braunschweigs dürfte das Bierbrauen, ähnlich wie das Brotbacken, die Domäne der Hausfrau gewesen sein. Sie wird vorwiegend dunkle, obergärige Biere aus Hefe, Gerste oder Weizen hergestellt haben, unter Zusatz von verschiedenen Kräutern und Gewürzen; diese wurden erst später durch Hopfen ersetzt. Schwer zu sagen, wie das Produkt geschmeckt hat; Untersuchungen an Bodensätzen in Gefäßresten deuten darauf hin, daß es recht bitter war. Die Geschmacks-Spanne dürfte allerdings insgesamt äußerst breit gewesen sein: Für das Brauen zum Hausgebrauch gab es keine Regeln und Vorschriften. „Holschen-Water" oder „Holschen-Bier" wurde das Hausbier auch spöttisch genannt - wohl deshalb, weil man bei der häuslichen Produktion Holzbottiche verwendete; die Bezeichnung hat sich übrigens in Braunschweig bis in unsere Tage erhalten, und zwar für besonders leichtes Bier.

Die Brauzeit war zunächst einmal durch keine Vorschriften reglementiert - ein Umstand, der sich bald ändern sollte. Man kann davon ausgehen, daß einmal in der Woche gebraut wurde, und zwar das ganze Jahr über - mit einer Ausnahme: in den heißen Sommermonaten mußte auch die Bierproduktion ruhen, zu groß war die Gefahr von Hausbränden.

So idyllisch, daß sich nun jeder sein eigenes Tröpfchen hätte brauen dürfen, ging es aber auch im Mittelalter nicht zu: Der Kreis der Brauberechtigten beschränkte sich, wie gesagt, auf die Vollbürger. Es war ein Realrecht, das an die Häuser der Privilegierten gebunden war, das heißt, die Wohnhäuser mußten über besonders hergerichtete Räume verfügen. Man muß sich recht stattliche Gebäude vorstellen, die ausreichend Platz boten für große Braupfannen, sowie zum Lagern und zum Trocknen des Braugutes. Weil aber die weniger Privilegierten auch gern Bier tranken, war das Braurecht sehr einträglich, und der Kreis der Nutznießer trachtete danach, sich nach außen abzuschließen; so wurden zum Beispiel Zugezogene grundsätzlich von der Berechtigung des Bierbrauens ausgeschlossen. Bier wurde immer mehr zu einem privilegierten Verkaufs- und Handels-Objekt: Ausdruck davon ist das Braunschweiger „ius braxandi" aus dem Jahre 1322; darin wurde festgelegt, daß nur derjenige Bier verkaufen durfte, der auch seit alters her im Besitz des Braurechtes war. Gleichzeitig durften die Brauer ihr jeweiliges Bier auch nur in bestimmten, ihnen zugewiesenen Zonen ausschenken. Insgesamt war in der Stadt Braunschweig der Kreis der Brauberechtigten im Mittelalter auf rund 300 Personen beschränkt, eine Zahl, die bis ins 17. Jahrhundert hinein relativ konstant blieb.

Natürlich wurde nicht nur in den Städten gebraut; nachgewiesen sind Braustuben in den Häusern der Adeligen, zum Beispiel in den Burgen Lutter am Barenberge, Wohldenberg, Liebenburg und Warberg. Nicht zu vergessen die Klöster, die den Biergenuß und den Bierverkauf ebenfalls nicht den Bürgerlichen in den Städten überlassen wollten. Die Einnahmen des Zisterzienserklosters Riddagshausen aus dem Verkauf von Bier waren zum Beispiel so bedeutend, daß die Stadt Braunschweig immer wieder versuchte, entweder die Bierproduktion der Mönche zu beschneiden, oder aber an den Einnahmen beteiligt zu werden.

Bedeutung des Biers für die Ernährung und Volkswirtschaft im mittelalterlichen Braunschweig

Natürlich gibt es keine genauen Statistiken über die Ernährungsgewohnheiten im Mittelalter; die Historiker aber sind sich einig, daß damals in Mitteleuropa ungeheuer viel Bier getrunken wurde, Schätzungen liegen bei rund 300 Litern pro Kopf und Jahr (heute weniger als die Hälfte). Wenn die Gildeordnung der Braunschweiger Bäcker aus dem Jahre 1325 zum Beispiel bei Streitfällen ein Strafgeld „von fünf Schillingen Wert Bieres auf der Meister Haus zu liefern" vorschreibt, Bier also ohne Umschweife als eine Art Ersatzwährung behandelt wurde (was heute nur noch im rheinischen Karneval der Fall ist), dann kann man sich vorstellen, welche Bedeutung dem Bierbrauen zukam, und wie lukrativ der Bierhandel gewesen sein muß.

Für die Hansestadt Braunschweig mit ihren vielfältigen Handelsbeziehungen bis nach Nowgorod, Ungarn und Flandern wurde Bier im Spätmittelalter zu einem ausgesprochen wichtigen Exportartikel. Das unmittelbare Umland der Stadt war geprägt vom Hopfenanbau, was aber nicht immer nur zum Segen der Stadt war. Nachdem Braunschweig in Folge einer blutigen städtischen Revolte im Jahre 1375 für fünf Jahre aus der Hanse ausgeschlossen worden war, Handel und Gewerbe schwere Einbußen erlebt hatten, beschloß der Rat, durch Notmaßnahmen zunächst einmal die Verpflegung der Bevölkerung mit Getreide sicherzustellen: fortan durfte kein Bürger mehr als ein Drittel seines Landes mit Hopfen bepflanzen - zu viel Ackerland war schon umgewandelt worden für die ausschließliche Produktion von Hopfen. Dessen Anbau wurde danach in die weitere Umgebung verlagert, wovon heute noch zahlreiche mit dem Wort Hopfen verbundene Flurnamen in den Dörfern rund um Braunschweig zeugen.

Immer wieder griff der Rat danach in diesen wichtigen Gewerbezweig ein: 1350 bestimmte er, niemand dürfe fremdes Malz in die Stadt bringen, und jedem Brauer wurde es strikt untersagt, von Auswärtigen Malz zu kaufen - alles Vorschriften, heißt es, um dem Braunschweiger Bier seinen Ruf zu erhalten. Der Rat legte den Bierpreis fest, und bestimmte auch, für welchen Preis in welchen Tavernen fremdes Bier ausgeschenkt werden durfte.

Brauen - das Vorrecht der Vornehmen in der Stadt Braunschweig

Keine Frage: Bier war vielleicht nicht gerade der Stoff, um den sich alles drehte im mittelalterlichen Braunschweig, aber es war doch ein ungeheuer wichtiger Artikel - wichtig für die Ernährung der Bevölkerung, und wichtig als städtischer Wirtschaftsfaktor. Da mag es erstaunen, daß die Bierbrauer als Gilde bis ins 17. Jahrhundert in den Quellen gar nicht auftauchen; bei der jährlichen Braunschweiger Fronleichnamsprozession etwa präsentierten sich stolz alle Gilden der Stadt, die Bierbrauer aber werden nicht erwähnt. Das scheinbare Paradox hat einen einfachen Grund: Die Bierbrauer gingen nicht mit den Handwerkern, sie gingen vorneweg. Vor den Handwerkern nämlich schritten Vertreter der vornehmen Alt-Familien, die meist vom Handel und Fernhandel lebten. Genau diese Vornehmen waren es, die den Kreis der Brauberechtigten bildeten; sie besaßen die großen Bürgerhäuser, auf denen seit langem das Braurecht ruhte. Dieses Recht zu besitzen, war also geradezu ein Anzeichen besonderer Vornehmheit und: Besonderen Reichtums. Einer legendären Überlieferung nach sollen die Braunschweiger Brauer, die sich den ständigen Bedrohungen ihres Handelsverkehrs durch den Herzog ausgesetzt sahen, diesem gegenüber einmal darauf hingewiesen haben, welch langen Atem sie hatten, um Streitigkeiten durchzustehen: Sie seien so reich, ließen sie den Welfen wissen, daß sie vor jedes Braunschweiger Stadttor eine Braupfanne voll Silbertaler stellen könnten; und selbst dann hätten sie noch genug im Säckel, um ihr ganzes Leben lang sorgenfrei zu verbringen. - Die Brauer bildeten in Braunschweig übrigens erst nach der Eroberung der Stadt und dem Verlust der Unabhängigkeit im Jahre 1671 eine Gilde, und auch das nur auf herzoglichen Druck hin.

Daß es in Braunschweig rund 300 Brauberechtigte gab, soll aber nun nicht zu der Ansicht verleiten, es habe damals 300 Brauereien in der Stadt gegeben; das Braurecht war nämlich eine feine Sache - nicht zuletzt deshalb, weil es seine Inhaber zu nichts verpflichtete. Es war ein Recht, aber keine Pflicht; so konnte man es also ohne weiteres jahrelang ruhen lassen, oder auch nur für den Hausgebrauch brauen. Wie viele Braunschweiger nun Bierhandel betrieben, wie viele Bier faßweise verkauften, an den Stadtkeller, die Landwehrschänken und die umliegenden Adelsschlösser, wie viele schließlich Fernhandel mit Bier betrieben, ist nicht festzustellen. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts verzeichnete man jedenfalls die relativ kleine Zahl von 13 „Brauern mit Handlung", also Brauern, die in größerem Stil mit Bier über die Stadtgrenzen hinweg handelten. Eine davon saß im heutigen Haus zur Hanse und hat sich bis in unsere Tage gehalten: Das Hofbrauhaus Wolters.

Die größeren Brauhäuser brauchten natürlich ausgebildetes Personal. Im frühneuzeitlichen Braunschweig war es dabei üblich, für jeden Brauvorgang Brauknechte, und - bei größeren Vorhaben - auch Braumeister einzustellen. Deren Arbeitsweise wird man sich in etwa wie die der Hausschlachter vorzustellen haben; das heißt, sie produzierten nie im eigenen Haus oder für den eigenen Vertrieb. In diesem Punkt unterschieden sie sich von den meisten Handwerkern ganz deutlich und entwickelten auch nie eine eigene Handwerksordnung. Daß ein Braumeister fest bei einem Brauherrn angestellt war, wird wohl nur in Ausnahmefällen vorgekommen sein.

Auch in Braunschweig: Das Reinheitsgebot

Nicht erst seit der berühmten Anordnung Herzog Wilhelms IV. von Bayern aus dem Jahre 1516, auf die das deutsche Reinheitsgebot zurückgeht, achtete man auf die Qualität der Bierrohstoffe und der Bierproduktion. Im spätmittelalterlichen Braunschweig etwa gab es durchaus schon strenge Vorschriften für das Brauen: Zunächst war Reinlichkeit vorgeschrieben: zweimal pro Jahr mußten die Brauhäuser ausgeweißt werden, hatten die Brauherren dafür zu sorgen, daß abgestoßene Mauern ausgebessert wurden und die Platten des Fußbodens keine offenen Fugen hatten, in denen sich Dreck sammeln konnte. Im Gär- oder Lagerkeller durfte der Brauer nichts anderes als Bier lagern; verboten war auch dessen Benutzung als Waschküche.

Dann wurde Wert gelegt auf die Verwendung sauberen Wassers; dazu mußten sich die Brauer gemeinschaftlich durch einen Eid verpflichten. Das Wasser sollte aber nicht nur reinlich, sondern möglichst auch weich sein. Aus diesem Grund benutzte man sehr gerne aufgefangenes (und besonders weiches) Regenwasser. Darüber hinaus hatten die Brauer jedes Weichbildes besondere Schöpfrechte an bestimmten Brunnen erworben. Mit dem Baumeister Barward Tafelmaker schließlich wurde die Wasserversorgung der ganzen Stadt auf eine neue Grundlage gestellt, von der auch die Brauer profitierten: Von 1525 bis 1565 gestaltete Tafelmaker fünf städtische „Wasserkünste", Systeme von Pumpwerken und hölzernen Rohrleitungen, die die Stadt mit Quellwasser versorgten. Diese Wasserkünste, die von den Pipenbruderschaften unterhalten und gepflegt wurden, funktionierten bis ins 19. Jahrhundert hinein und lieferten natürlich auch den Brauern ihren wichtigen Rohstoff.