WissensManagementWissen - Michael Zart - E-Book

WissensManagementWissen E-Book

Michael Zart

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Beschreibung

Information und Wissen sind als Diskussionsthema en vogue! Allgegenwärtig, manchmal im nicht zu bewältigenden Überfluß vorhanden, andererseits ein knappes Gut, bedrohlich und hoffnungsvoll zugleich, Auslöser und Träger der Lösung von Problemen. Vor diesem Hintergrund, der Wissen als wichtige organisationale Ressource konstituiert, bestehen die Ziele dieser Arbeit darin, •eine epistemologische und sozialtheoretische Perspektive auf Wissenschaft und Praxis anzuwenden, die von grundlegenden Einschränkungen bzgl. des Umgangs mit Wissen ausgeht, diese Einschränkungen auch konsequent ernst nimmt und ihre Bedeutung für praktisches und wissenschaftliches Handeln zu analysieren, •vor dem Hintergrund dieser Überlegungen die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit eines Managements der Ressource Wissen in Organisationen aufzugreifen, die zu grundlegenden Paradoxien und Dilemmata führt, die nur mit bescheidenen theoretischen Geltungsansprüchen zu pragmatischen Überlegungen weiterleiten können, •um damit auch die Grenzen anwendungsorientierter Sozialwissenschaft auszuloten, ihre Bedeutung für soziale Realität kritisch zu reflektieren und ein durch Skepsis begründetes bescheideneres Wissenschaftsverständnis zu formulieren.

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WissensManagementWissen

Michael Zart

© 2023 Michael Zart, [email protected]

Covergrafik: © 2023 iStockphoto LP

ISBN Softcover: 978-3-347-97175-2

ISBN Hardcover: 978-3-347-97176-9

ISBN E-Book: 978-3-347-97217-9

Druck, Publikation und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig.

Vorwort

Der vorliegende Text entstand in den Jahren 1996-1998 und war als Dissertation gedacht. Ich hatte ihn am 29. April 1998 per Post an meinen Doktorvater geschickt – und nie wieder etwas von ihm gehört. Die Vermutung liegt nahe, dass er das Schlusswort wörtlich und damit sein Recht, zu schweigen, in Anspruch genommen hatte. Vielleicht ist aber auch die Postsendung verloren gegangen und der Text niemals bei ihm angekommen. Fairerweise muss ich sagen, dass ich auch nie nachgefragt habe, da die Arbeit an dem Text für mich abgeschlossen war. Ich hatte ihn in erster Linie für mich geschrieben und die dabei gewonnen Einsichten haben mein Denken, Fühlen und Handeln geprägt.

Als ich nach 25 Jahren den Text wieder gelesen habe, hatte ich das Gefühl, dass er es verdient hat, das Licht der Welt zu erblicken. Nach jahrelanger Erfahrung in unterschiedlichen Managementpositionen hat sich meine Skepsis gegenüber der Möglichkeit einer „wissenschaftlichen Unternehmensführung“ bestätigt. Die Praxis macht auch viel mehr Spaß, wenn man sich mit großer Gelassenheit die Freiheit vor der Wissenschaft nimmt und sich davon befreit, ständig bei der Suche nach dem einen richtigen Weg zu scheitern.

An Aktualität hat der Text durch einige disruptive Entwicklungen möglicherweise sogar gewonnen: Wer hätte vor 25 Jahren gedacht, dass wir heute ernsthaft über „alternative Fakten“ diskutieren und die schier unbegrenzten Möglichkeiten der sozialen Medien es fast jedem erlauben, eigenes Wissen und eigene Wahrheiten zu verbreiten.

Der Text ist seit 1998 unverändert, so dass man mir die Nichtbeachtung der Rechtschreibreformen der letzten 25 Jahre verzeihen möge.

Berlin, im Mai 2023

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Vorwort

1. Zur Problematik des Wissens

2. Wissen als Thema der Organisations- und Managementforschung: Auf dem Weg zur epistemologischen Selbstreflexion?

3. Epistemologie und wissenschaftliches Selbstverständnis: Wissen, Wahrheit und Objektivität

3.1. Die große Erzählung: Das traditionelle wissenschaftliche Selbstverständnis der Moderne

3.2. Anlaß zur Skepsis: Kritik der epistemologischen Grundannahmen des traditionellen wissenschaftlichen Selbstverständnis'

3.2.1. Radikaler Konstruktivismus

3.2.2. Postmoderne Kritik

Exkurs: Die Sokal-Affäre

3.3. Fazit

4. Wissen und Handeln im sozialen Zusammenhang

4.1. Handlung und Struktur

4.2. Wissen und Bewußtheit

4.3. Kontingenz und Rekursivität

4.4. Transformation und Replikation

4.5. Zur Bedeutung sozialwissenschaftlichen Wissens

4.6. Fazit

5. Wissensmanagement?

5.1. Zielkategorien eines Wissensmanagement

5.2. Umwelt, Wettbewerb und Wissen

5.3. Prozesse eines Wissensmanagements

5.3.1. Identifikation von Wissen: Zur Problematik der Beurteilung der Relevanz

5.3.2. Generierung von Wissen: Zur Problematik der Entstehung des Neuen

5.3.3. Kollektivierung von Wissen: Zur Problematik von Konsens und kommunikativer Rationalität

5.4. Wissensmanagement: "Wissenschaftliche Unternehmensführung" oder "Freiheit vor der Wissenschaft"?

6. Zur Legitimation von Wissenschaft: Fröhliche Wissenschaft – Kritische Wissenschaft?

Schluß: Noch Fragen?

Nachtrag im Mai 2023:

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Vorwort

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1. Zur Problematik des Wissens

Grau is alle Theorie - entscheidend is auf´m Platz.

Alfred „Adi“ Preißler1

Information und Wissen sind als Diskussionsthema en vogue! Allgegenwärtig, manchmal im nicht zu bewältigenden Überfluß vorhanden, andererseits ein knappes Gut, bedrohlich und hoffnungsvoll zugleich, Auslöser und Träger der Lösung von Problemen.

Einige Schlaglichter:

Der Anbruch der Informations- bzw. Wissensgesellschaft wird von prominenten Vertretern der Wissenssoziologie propagiert und analysiert (vgl. Stehr 1994). Die damit verbundenen neuen gesellschaftlichen Problemlagen führen zur Forderung, neben der Rechts- und Wirtschaftsordnung eine Wissensordnung mit dem Rang einer dritten Grundordnung zu institutionalisieren (vgl. Spinner 1994). Dies ist plausibel, wenn es bspw. in einer ökonomischen Perspektive nicht mehr nur noch darum geht, Informationen und Wissen über Produkte, Verfahren und Märkte ertragreich zu nutzen, sondern die Märkte für Informationen und Wissen selbst einen beträchtlichen Teil der wirtschaftlichen Aktivitäten einer Volkswirtschaft bestimmen, und damit zu Chancen und Risiken einer Kommerzialisierung von Wissen führen (vgl. Kuhlen 1995). Wenn ein bisher eher untergeordneter Aspekt des sozialen Lebens zu einem zentralen wird, dann entstehen neue Problemlagen, denen die alte Ordnung möglicherweise nicht mehr gerecht werden kann.

Von politischer Seite ist in Deutschland seit der G7 - Ministerkonferenz zur Informationsgesellschaft im Februar 1995 in Brüssel eine ansteigende Beschäftigung mit diesen Fragen zu konstatieren. Unter der Überschrift "Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" findet sich eine Vielzahl von Aktivitäten. Anfang 1996 legte die Bundesregierung einen Bericht vor, in dem die Ausgangslage in Deutschland dargelegt und der derzeit notwendige staatliche Handlungsbedarf auf dem Weg in die Informationsgesellschaft aufgezeigt wurde (BMWi 1996). Zum gleichen Zeitpunkt wurde durch den Bundestag die Enquete-Kommission "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" eingesetzt. Ihre Aufgabe besteht darin, die Auswirkungen der schnellen Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien sowie der elektronischen Medien auf Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Gesellschaft, Kultur, Politik und Demokratie darzustellen und Vorschläge für parlamentarische Initiativen zu machen, die notwendig sind, um einerseits die Chancen der Informationsgesellschaft umfassend zu nutzen und andererseits ihre Risiken angemessen zu bewältigen (vgl. Deutscher Bundestag 1996)2.

Die inhaltliche Konkretisierung dessen, was unter einer Informationsgesellschaft zu verstehen sei, bleibt jedoch relativ blaß: "Der Begriff “Informationsgesellschaft” steht für eine Wirtschafts- und Gesellschaftsform, in der der produktive Umgang mit der Ressource “Information” und die wissensintensive Produktion eine herausragende Rolle spielen." (BMWi 1996: 15)3

Vor dem Hintergrund anhaltender Massenarbeitslosigkeit stehen Chancen und Risiken des Wandels zur Informationsgesellschaft und ihrer aktiven Gestaltung im Raum: "Sofern es nicht gelingt, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Informationswirtschaft zu stärken und die Möglichkeiten der Informationstechnik für die Flexibilisierung der Produktion, der globalen Ausrichtung von Absatz- und Beschaffungsstrategien und der Verkürzung von Innovationszyklen auszuschöpfen, sind Wachstumseinbußen und Arbeitsplatzverluste nicht auszuschließen. … Vorliegende Studien deuten - bei aller damit verbundenen Unsicherheit - darauf hin, daß bei der Erfüllung von bestimmten Bedingungen im rechtlichen, wirtschaftlichen und technologischen Umfeld in den nächsten 15 Jahren in der Europäischen Union zusätzlich bis zu 6 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Bezogen auf den Anteil der Bundesrepublik Deutschland an den Beschäftigten in der EU insgesamt würde dies im günstigsten Fall bis zum Jahre 2010 einem Potential von etwa 1,5 Millionen zusätzlichen Arbeitsplätzen entsprechen." (BMWi 1996: 8)

Die Bandbreite der Prophezeiungen ist jedoch groß: "Die Propheten verheißen ein goldenes Zeitalter. Die Wohlfahrt breitet sich ungehemmt über die Erde aus, Arbeit gibt es genug, Armut verschwindet. Das digitale Zeitalter werde Hierarchien sprengen und mehr Harmonie unter die Menschen bringen, verkündet Nicholas Negroponte, Vordenker der Informationsgesellschaft, in seinem neuen Buch „Total digital". … Amerikas führender Medienkritiker Neil Postman widerspricht heftig: "Kein Problem von heute hängt damit zusammen, daß wir zuwenig wissen. Wenn weiterhin Kinder an Hunger sterben, wenn sich Kriminalität nicht mehr kontrollieren läßt, und wenn wir nicht genügend Arbeitsplätze schaffen, dann liegt das nicht an zuwenig Informationen, sondern eher an zuviel." (Behrens 1995: 44 ff.)

Heuser (1996) beschreibt radikale Veränderungen durch die internationalen Datennetze. Insbesondere weist er auf die Verschiebung und Dynamik nationaler Handlungsspielräume in Richtung Globalisierung hin, die die Möglichkeiten einer aktiven nationalen Gestaltung des Wandels fraglich erscheinen läßt: "Einer der wichtigsten klassischen Erfolgsfaktoren einer Volkswirtschaft, die Infrastruktur, verliert kontinuierlich an Einfluß. Verkehrswege spielen für den Online-Buchhalter in Südasien keine Rolle: Im Extremfall reichen ihm Personalcomputer und Satellitenantenne, um mit Arbeitgeber oder Kunden in den entwickelten Volkswirtschaften zu kommunizieren. … In der Informationsgesellschaft lassen sich die wirtschaftlichen Geschicke eines Landes schneller verändern. Ein Entwicklungsland muß nicht mehr alle Stufen infrastruktureller Entwicklung durchlaufen, um im internationalen Wettbewerb erfolgreich zu sein. Wissensarbeiter, deren Fähigkeiten gefragt sind und sich elektronisch übertragen lassen, können nahezu unabhängig von infrastrukturellen Voraussetzungen ihr Geld auf dem internationalen Arbeitsmarkt verdienen. … Indes verschwindet wiederum leicht, was leicht kommt: Die internationalen Arbeitgeber können ihre Gunst in der volatilen Ideenökonomie schnell und relativ billig einem anderen Standort zukommen lassen."

Die bislang beschriebenen Schlaglichter haben eines gemeinsam: Informations- und Kommunikationstechnologie sind die unabhängige Variable einer gesellschaftlichen Entwicklung, deren Weg mit größter Unsicherheit verbunden ist.

Ein etwas anderer Zugang zu dieser Thematik geht von der allgemeinen Standortdebatte aus. Pawlowsky (1996: 27 ff.) skizziert die Strukturkrise der deutschen Wirtschaft, die sich einerseits in Kosten- und Produktivitätsproblemen, andererseits aber auch in Innovationsproblemen äußert. Er unterscheidet zwei idealtypische Strategien zur Standortsicherung: die erste, als numerische Flexibilität bezeichnet, setzt auf Kostenabbau und Deregulierung arbeits- und sozialrechtlicher Normen, um die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen an quantitative Beschäftigungsschwankungen über Arbeitszeit und Lohnkosten zu erleichtern. Die zweite, als interne Flexibilität bezeichnete Strategie, baut auf vorhandenen Standortvorteilen der Human-Potentiale auf. Qualifikation, Motivation und Kooperationsbereitschaft sollen die potentielle organisationale Flexibilität erhöhen. Zielt die erste Variante auf das Kosten- und Produktivitätsproblem, legt die zweite Variante "den Schwerpunkt auf eine Erhöhung der Innovationsdynamik, auf eine Verbesserung der Lernfähigkeit von Organisationen und auf eine Optimierung qualitativer Erfolgsfaktoren, z. B. einer Optimierung intelligenter Problemlösungsangebote." (ebd.: 29) Information und Wissen werden auch hier als zentrale Ressourcen von wachsender Bedeutung im Wirtschaftsprozeß angesehen.

Folglich sind Fragen des Managements der Ressource Wissen in jüngster Zeit vermehrt in den Blickpunkt getreten: einerseits im Sinne eines Wissens über die Welt, um sich den Veränderungen dieser Welt anpassen zu können, andererseits weil die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung anscheinend einen permanenten Innovationsdruck an allen Fronten (Produkte, Verfahren, Strukturen) ausübt, wie uns Schumpeter (1952) schon 1911 lehrte. Damit verbunden ist die Produktion neuen Wissens als dauerhafter Prozeß, um anhaltende Wettbewerbsvorteile zu erzielen (vgl. Krogh / Venzin 1995). Knowledge-Based-Business (Davis / Botkin 1994) fordert eine Knowledge-Creating Company (Nonaka / Takeuchi 1995), in der der Knowledge-Worker als letzte Bastion für

Wettbewerbsvorteile (vgl. Harrigan / Dalmia 1991) oder die Infopreneure als Triebkräfte strategischer Informationssysteme (vgl. Dance 1994) die Hoffnungen zur Bewältigung dieser Herausforderungen tragen. Soweit zur vordergründigen Rhetorik von Wissenschaft und Beratung!

Steigende Komplexität und Dynamik, Globalisierung, technologischer Wandel, Verschärfung des Wettbewerbs: dies sind die Schlagworte, mit denen die Problematik der Situation wirtschaftlicher Organisationen umschrieben wird, die durch Information und Wissen bewältigt werden soll. Es scheint so, als ob "Wissen zum neuen Axialprinzip der postindustriellen Gesellschaft bzw. zum zentralen Produktionsfaktor von Unternehmen geworden ist." (Schüppel 1996: 183)

Paradoxerweise scheint aber das Heilmittel zugleich der Auslöser der Probleme zu sein. (vgl. Pawlowsky 1994: 16) Das Problem besteht ja gerade darin, daß es auf dieser Welt so furchtbar viel und immer mehr Wissen gibt, welches relevant sein könnte, daß dieses Wissen verteilt, heterogen, widersprüchlich ist und - das ist m. E. der entscheidende Aspekt der Informations- und Kommunikationstechnologie - daß die prinzipielle, globale Zugänglichkeit dieses Wissens enorm gestiegen ist und weiter steigen wird.4 (vgl. Wersig 1993: 232 f.; Deiser 1996: 50 ff.) Vor dem Hintergrund beschränkter menschlicher und damit auch organisationaler Informationsverarbeitungskapazitäten bleibt nur die Beschränkung durch Selektion. "Da Informationen nicht "mehr" begrenzt, sondern im Überfluß verfügbar sind, werden die Informationsverarbeitungskapazitäten zum entscheidenden Faktor im Kampf um Konkurrenzfähigkeit, d.h. die Fähigkeit, aus der Vielzahl von Informationen auf der Basis des verfügbaren Wissens "sinnvolle" Interpretationen abzuleiten, bestimmt den Wettbewerbsvorteil." (Pawlowsky 1994: 8) Unter Wettbewerbsbedingungen entscheidet diese Selektion und Interpretation über Erfolg oder Mißerfolg, denn die Wettbewerber stehen vor einer ähnlichen potentiellen Wissensbasis und selektieren ebenfalls, möglicherweise aber das erfolgreichere Wissen. "Daß sich die Konkurrenz gleichzeitig anstrengt - und immer nur einer gewinnen kann, ist die fundamentale Triebkraft und Paradoxie dieses Prozesses. … Die Gretchenfrage in diesem Verständnis ist die Ermittlung von brauchbarem Wissen, also Wissen, welches sich in künftig nachgefragten Produkten und Leistungen manifestieren kann, und seine Abgrenzung vom "unbrauchbaren" Wissen, junk knowledge oder Liebhaberwissen." (Schneider 1996: 14) Das Wirtschaften ist riskanter geworden. Die dadurch erzeugte Verunsicherung im Handeln muß irgendwie gehandhabt werden. Die Lösung besteht in der Suche nach besserem, validerem Wissen bzw. MetaWissen. (vgl. Russo / Shoemaker 1992) Die Verunsicherung durch das Bewußtsein, daß überall relevantes Wissen zu finden sein könnte, läßt das Wissen über Wissen relevant erscheinen. Schließt sich hier ein Kreis oder befinden wir uns am Anfang einer Spirale in's Unendliche?

Ich denke, daß die Beantwortung dieser Frage in hohem Maße davon abhängt, welche Vorstellungen man von Wissen, Wahrheit und Objektivität hat. Pawlowsky (1994: 27 ff.) beklagt die unzureichende Thematisierung von "Wissen" in der Ökonomie und insbesondere in der Betriebswirtschaftslehre und zitiert bei der Ursachenforschung Wittmann (1972), der vermutet, daß sich die Vertreter der einzelnen Wissenschaftszweige "mit dem Inhalt ihres engeren Faches beschäftigten und Wissen als philosophischen Begriff ansahen, dessen Behandlung der Obhut grundlegender Disziplinen wie der Erkenntnistheorie oder der Wissenschaftstheorie anvertraut war." (ebd.: 2262) Dem ist sicherlich zuzustimmen, wenn auch die daraus abzuleitende Konsequenz, "Wissen" in die "engeren Fächer" zu integrieren, nicht in einer Herauslösung aus den "grundlegenden Disziplinen" bestehen sollte. Ich würde den Spieß umdrehen: Die Vertreter der Organisations- und Managementforschung5 sollten sich nicht den Wissensbegriff einverleiben, sondern sich mit den Gedanken "grundlegender Disziplinen" vertraut machen, in denen es auch für eine selbsternannte anwendungsorientierte Realwissenschaft viel zu wissen gibt - insbesondere über Wissen. Eine epistemologische Betrachtung halte ich für angebracht, wenn nicht auf unreflektierte bzw. unausgesprochene Hintergrundüberzeugungen rekurriert werden soll.

Die Bedeutung einer epistemologischen Reflexion sehe ich nicht nur als eine theoretische Notwendigkeit zur Fundierung "wissenschaftlicher" Konzepte, deren praktische Implikationen und Gestaltungsempfehlungen für den Umgang mit der Ressource Wissen davon losgelöst vermittelt werden könnten. Es geht ja gerade darum, Wissen zu generieren, das etwas über den Umgang mit (und auch der Generierung von) Wissen aussagen soll. Die vordergründig pragmatische Ansicht, Erkenntnistheorie sei unpraktisch und eine intellektuelle Spielerei, verkennt u.a. die Bedeutung impliziter "Laien"-Theorien über Wahrheit, Wissen und Wissenschaft, die das Handeln der Nicht-Wissenschaftler (z. B. Managementpraktiker) beeinflussen. Diese Theorien (insbesondere bei akademisch gebildeten Akteuren) sind in einem beträchtlichen Maß auch Resultat des wissenschaftlichen Selbstverständnisses, welches implizit oder explizit vermittelt wird. Die Problematik des Umgangs mit Wissen vor dem Hintergrund alltäglich erfahrbarer Komplexität, Mehrdeutigkeit und Widersprüchlichkeit und die mit einem enormen Ressourcenverbrauch verbundene Suche nach Objektivität und "richtigem" Wissen verdeutlichen in einem ersten Zugriff die Relevanz einer Reflexion über Erkenntnis auch für die Praxis.6

Die in den oben zitierten Schlaglichtern implizit enthaltenen Sichtweisen gehen von einer weitgehend objektiven Realität aus, die zwar komplex und dynamisch ist, aber prinzipiell objektiv erkennbar und erfahrbar ist. Wenn Wissen über diese Realität heterogen ist, dann deshalb, weil Informationen fehlen oder unzutreffende Informationen dem Wissen zugrunde liegen.7 Allein die Fülle der Informationen und des Wissens schafft Probleme. Dies impliziert einen enormen Management- und Steuerungsbedarf in Organisationen. Die Organisations- und Managementforschung ist aufgerufen, Wissen zu generieren, um die Problematik des Wissens zu handhaben, zu managen.8 Dies tut sie traditionell mit dem Anspruch, Wissen bereitzustellen, mit dem die Probleme einer Praxis besser gelöst werden können. Wenn man Kriterien für die Beurteilung der objektiven Gültigkeit von Wissen voraussetzt, sind dies zwar ungeheuerlich komplexe, aber mit viel Fleiß bewältigbare Aufgaben. Der Wissenschaftler, der einer positivistischen Glaubenslehre anhängt, sei es implizit oder explizit, glaubt daran (oder betet dafür), "die Welt in seinen Erkenntnissen verdoppeln zu können, um ihr danach, sich selbst über die Praxis erhebend, so richtig gestaltend beizukommen." (Kappler 1996: 197) Trotz einer gewissen Skepsis wird an der prinzipiellen Prämisse der Gestaltbarkeit festgehalten. "Suboptimale Ergebnisse solcher Gestaltungsbemühungen stellen nicht die Prämisse selbst in Frage, sondern sind Resultat (derzeit noch) unzureichender Situationsanalysen, (derzeit noch) unzureichender gestalterischer Methoden und (derzeit noch) unzureichender strategischer und taktischer Überlegungen." (Sandner / Meyer 1994: 187)

Wenn man aber keinen universalen Fixpunkt für die Beurteilung von Wissen akzeptiert, wissenschaftlichen Fortschritt im Sinne einer Annäherung an Wahrheit in Frage stellt, Wissen als individuelle und soziale Konstruktionen und nicht als Annäherung an ein objektives Abbild der Realität betrachtet, kommt man konsequenterweise zu anderen, möglicherweise ungewöhnlichen Einsichten bzgl. der Problematik des Wissens für Organisationen in der sogenannten (globalen) Informations-bzw. Wissensgesellschaft. Objektivität und Wahrheit sind dann als Konstruktionen zu betrachten, die auf dem Glauben an die großen Erzählungen der Moderne (Aufklärung, Emanzipation, Fortschritt) beruhen. (vgl. Lyotard 1994) Schwindet dieser Glaube, so schwindet auch die Legitimation wissenschaftlichen Wissens. Die Aufgabe der Organisationsund Managementforschung gleicht dann einer Sisyphos-Arbeit existentialistischen Ausmaßes.

Von der Informations- bzw. Wissensgesellschaft, der G7-Ministerkonferenz über Wissensmanagement zur Epistemologie: ein weiter Weg auf wenigen Seiten. Er sollte jedoch verdeutlichen, daß das eine nicht ohne das andere auskommt. Ziel meiner Überlegungen ist die Mitte dieser Kette, die Organisation, in der mit Wissen umgegangen wird (ob es tatsächlich gemanagt werden kann, ist noch zu klären). (vgl. Kap. 5) Da viele Organisationen einerseits allein aufgrund ihrer Größe und räumlichen Ausdehnung kaum noch überschaubare soziale Gebilde, andererseits Teile weitaus größerer gesellschaftlicher Strukturen sind, braucht es als Basis allgemeine sozialtheoretische Grundlagen, die sich mit der Frage beschäftigen, wie denn soziale Gebilde unter den Bedingungen raum-zeitlicher Ausdehnung und fehlender Kopräsenz der Akteure 'funktionieren'.9 (vgl. Kap 4) Auf der anderen Seite steht das Individuum, das letztendlich etwas weiß oder auch nicht. Notwendig ist also eine Reflexion über Möglichkeiten und Grenzen individueller Erkenntnis. (vgl. Kap. 3) Die Klammer um diese Aspekte bildet der Begriff des Handelns. Nicht im Wissen, sondern im Handeln manifestiert sich (gesellschaftliche, organisationale, individuelle) Realität und wird durch Handeln reproduziert, auch wenn dies auf der Basis des subjektiven Wissens über diese Realität geschieht.

Vor dem Hintergrund des, wenn man es unbedingt forschungslogisch benennen will, oben skizzierten Entdeckungszusammenhangs10, der Wissen als wichtige organisationale Ressource konstituiert, bestehen die Ziele dieser Arbeit darin,

• eine epistemologische und sozialtheoretische Perspektive auf Wissenschaft und Praxis anzuwenden, die von grundlegenden Einschränkungenbzgl. des Umgangs mit Wissen ausgeht, diese Einschränkungen auch konsequent ernst nimmt und ihre Bedeutung für praktisches und wissenschaftliches Handeln zu analysieren,

• vor dem Hintergrund dieser Überlegungen die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit eines Managements der Ressource Wissen in Organisationen aufzugreifen, die zu grundlegenden Paradoxien und Dilemmata führt, die nur mit bescheidenen theoretischen Geltungsansprüchen zu pragmatischen Überlegungen weiterleiten können,

• um damit auch die Grenzen anwendungsorientierter Sozialwissenschaft auszuloten, ihre Bedeutung für soziale Realität kritisch zu reflektieren und ein durch Skepsis begründetes bescheideneres Wissenschaftsverständnis zu formulieren.

Als Motivation für den vorliegenden Text mag folgendes Zitat dienen: "Wo der Zweifel aber bis zu den Wurzeln eigenen Wissenschaftsverständnisses sich durchnagen kann, wenn der one-best-way nicht aus Gründen mangelhaften Instrumentariums unentdeckt bleibt, sondern die Ahnung der Unmöglichkeit dieses Weges aus dem Fehlschlagen der immer aufwendigeren empirischen Suche langsam zur Gewißheit sich verdichtet, wo das eigene Erleben hartnäckig im Widerspruch zu theoretischen Bemühungen verharrt, wo die Wirklichkeit stets bunter ist als die Lehrbücher es erlauben, da wird der Kopf freier für bis dahin gar nicht ernsthaft erwogene Zusammenhänge, und die Chance entsteht, der effizient verfaßten paradigmatischen Geschlossenheit zu entgehen." (Pelzer 1995: 115)

Die Hauptproblematik einer Arbeit, die an skeptizistischen und relativistischen Grundpositionen anknüpft, besteht in der enormen Reduktion der zulässigen Sätze.11 Der Wittgensteinsche Satz 7 - "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen." (1984: 85) - trifft einen mit voller Härte. So bemerkt auch Gabriel (1993: 137): "Relativistischer Geltungsskeptiker kann man konsistent nur schweigend sein, indem die Skepsis sich als Lebensgefühl niederschlägt. Dabei kann man (mit Nietzsche) auch ganz fröhlich sein, unmöglich aber ist eine in diesem Sinne "fröhliche Wissenschaft"."12

Wenn man nun nicht schweigt und dennoch skeptisch sein will, muß man seine "Methodik" legitimieren. Meine Vorgehensweise könnte modisch postmodern als Dekonstruktion bezeichnet werden. (vgl. Derrida 1976, 1990; Cooper 1989; Ulrich 1993: 242 ff.) Dekonstruktion läßt sich nach Müller (1991: 10, zitiert nach Ulrich 1993: 244) durch Fragen der folgenden Art leiten: "Welche Anstrengungen, Täuschungsmanöver und Vereinfachungen nehmen [Konstrukteure; Anm. K. Ulrich] in Kauf, um zu einem Weltbild zu gelangen, in welchem ihre Sicht der Wirklichkeit bruchlos aufgeht? Dekonstruktion ist Schicht-Arbeit, die aufspüren will, was einem Text an Unbewußtheit zugrunde liegt, und was der blinde Fleck im Auge des [Konstrukteurs; Anm. K. Ulrich] nicht sehen kann. Der Mensch scheint die fatale Fähigkeit zu haben, einen Weltbildapparat aufzubauen, dem er die Wirklichkeit mittels einer Art prästabilisierenden Harmonie unterordnet und anpaßt." Durch die Dekonstruktion von Texten und das Infragestellen sollen Antworten auf ihren widersprüchlichen, paradoxen Kern analysiert und reduziert werden, der Basis eines Möglichkeitsraums alternativer Konstruktionen sein kann, die sich dieses Kerns jedoch bewußt sind. Insofern kann ein Wissenschaftler als eine Art Hofnarr fungieren, der provoziert, verfremdet, gewohntes Denken (zuallererst das eigene) verunsichert und damit vielleicht die Bedingungen der Möglichkeit zur Entstehung von Neuem schafft.

Ein Leitmotiv besteht dann auch in Feyerabends (1980: 46) Idee einer antizipierenden Kritik: "Die Kritik beruht hier nicht mehr auf vorgegebenen Maßstäben, sondern auf Maßstäben, die im Akt des Kritisierens erst entstehen Man kritisiert ohne sichtbare Mittel der Kritik, rein intuitiv

eine Lebensform vorausahnend, die diese Mittel bereitstellen wird. Man kann diese Lebensform nicht beschreiben, denn sie ist noch nicht da, man hat keine Gründe für die Unzufriedenheit, man drückt sie aber doch aus." Eine solche Kritik hört sich immer etwas seltsam an. Rationalistische Argumente sind daher auch sehr erfolgreich im Nachweis der Absurdität solcher Gedanken, denn der Nachweis des performativen Selbstwiderspruchs (vgl. Apel 1973: 405 ff.) ist oftmals schnell erbracht. Dieser besteht darin, daß man die Gültigkeit von etwas bestreitet, während man es als gültig in Anspruch nimmt. "Wenn wir mit den Mitteln der Logik deren Universalität in Frage stellen; wenn wir über die Unmöglichkeit wirklicher Verständigung kommunizieren; … wenn wir auf den Wegen immanenter Kritik deren Grenzen transzendieren; allgemein: wenn wir die Tragfähigkeit des Bodens untersuchen, auf dem wir stehen" (Ortmann 1995: 233), müssen wir aber das Verbot der Logik, uns selbst performativ zu widersprechen, verletzen.13

Feyerabend (1980: 47) macht auf das Problem der Unterscheidung von Inkompetenz und genialer Antizipation aufmerksam, das ein solcher Relativismus impliziert. Denn der antizipativ Kritisierende erhebt Geltungsansprüche, die er kaum argumentativ einlösen kann. Ich hoffe daher auf Situationen einer diffusen Gleichgestimmtheit "kompetenter" Leser, die dazu führen, "daß Adressaten der Kritik motiviert werden, an der - erst noch vorzunehmenden und mühsamen - Ausarbeitung von Kontexten mitzuwirken. Die Kontexte eröffnen möglicherweise sehr viel später erst die Chance, die ursprünglich lediglich in den Raum gestellten Geltungsansprüche wenigstens teilweise argumentativ einzulösen." (Kirsch 1992: 104) Insbesondere hoffe ich darauf, eine Gleichgestimmtheit zu erzeugen, die in einem Unbehagen an einer anwendungsorientierten Organisations- und Managementforschung besteht, die der Welt immer neue Lösungsvorschläge präsentiert, sich aber der Auseinandersetzung mit grundsätzlichen Problemen verweigert.14

Daß die so gewonnene Sichtweise nur eine mögliche unter vielen möglichen sein kann - mit dem Anspruch meiner vorläufig richtigen Sichtweise der Welt -, soll von vornherein betont werden. Sie bringt ein Grundverständnis zum Ausdruck, welches Ideen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Grundlagendiskussion aufnimmt und in meiner Wahrnehmung dem Gegenstandsbereich - dem Umgang mit Wissen in Wissenschaft und Praxis - angemessener ist.

Wenn der vorliegende Text die Welt ein wenig verändert, dann nicht deswegen, weil er wahr ist, sondern weil er da ist.

1 Fußballspieler und –trainer (1921-2003), 1956 und 1957 als Kapitän Deutscher Meister mit Borussia Dortmund. Das Zitat wird fälschlicherweise oft Otto Rehhagel zugeschrieben.

2 In dieser Kommission finden sich mit Eberhard Witte und Arnold Picot auch zwei prominente Vertreter der Betriebswirtschaftslehre.

3 Ich habe den Eindruck gewonnen, daß innerhalb aktueller ökonomischer Fragestellungen mit Begriffen wie Dienstleistungs,- Informations- oder Wissensgesellschaft sehr sorglos umgegangen wird. Dienen, informieren und wissen wir nur noch? Der bekannte Spruch, daß wir nicht alle davon leben können, uns gegenseitig die Haare zu schneiden, hat an Gehalt nichts verloren (Friseure sind ja bekanntlich auch gute Informanten). Nach wie vor beginnt das Wirtschaften mit knappen Gütern mit den natürlichen Ressourcen, mit der Urproduktion. Alles, was an Gütern um uns herum ist, basiert auf dieser Urproduktion, auch im Hinblick auf die physische Reproduktion der Dienstleister und Informanten durch Nahrung. Wissen kann dazu dienen, sparsamer und effizienter mit diesen knappen Gütern umzugehen. Es kann aber auch dazu führen, daß diese Ressourcen von einigen wenigen unwiederbringlich verbraucht werden, weil diese Minderheit von immer neuen Verwendungsmöglichkeiten weiß. In einer globalen Sicht sind wir weit davon entfernt, existentielle materielle Bedürfnisse befriedigt zu haben. Im Rahmen einer globalen Arbeitsteilung wird es immer jemanden geben müssen, der Eisenerz fördert, daraus Eisen gewinnt, dieses zu Stahl kocht und diesen Stahl zu einer Schere verarbeitet, damit wir uns gegenseitig die Haare schneiden und währenddessen die neuesten Informationen austauschen können. Wozu auch immer!

4 Max Weber (1922: 717) erkannte bereits die Bedeutung der "Eigenart moderner Verkehrsmittel, zu welcher auch der Nachrichtendienst der Presse gehört", für den "kapitalistischen Wirtschaftsverkehr": "Die außerordentliche Beschleunigung in der Übermittlung von öffentlichen Bekanntmachungen, von wirtschaftlichen oder auch rein politischen Tatsachen übt nun schon rein als solche einen stetigen scharfen Druck in der Richtung auf möglichste Beschleunigung des Reaktionstempos der Verwaltung gegenüber den jeweils gegebenen Situationen [aus], und das Optimum darin ist normalerweise nur durch straffe bürokratische Organisation gegeben. (Daß der bürokratische Apparat auch wieder bestimmte Hemmungen für eine dem individuellen Fall angepaßte Erledigung erzeugen kann und tatsächlich erzeugt, gehört im Einzelnen nicht hierher)." (zitiert in Walter-Busch 1996: 100)

5 In dieser Arbeit verwende ich den Begriff Organisations- und Managementforschung als Oberbegriff für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Organisationen und Managementhandeln. Hierzu zähle ich theoretische, empirische und technologische Inhalte.

6 "Economic theorists must recognize many different views of knowledge and methodology since the decisions based on them will usually lead to different patterns of behavior." (Boland 1986: 34) In dieser Arbeit versucht Boland aufzuzeigen, daß es entgegen der üblichen Vorgehensweise für die ökonomische Theorie bedeutsam ist, welche erkenntnistheoretische Position den Akteuren in der Theorie unterstellt wird.

7 Die hier getroffene implizite Unterscheidung der Begriffe Information und Wissen besteht darin, daß Wissen als Bestandsgröße und Information als Stromgröße gesehen wird.

8 Hierzu bemerkt Pawlowsky (1994: 352) treffend: "Es geht also primär um die Frage, welche Wissensstrukturen vorhanden sein müssen, um neues Wissen integrieren und durch intraorganisationale Wissenstransferprozesse neues Wissen generieren zu können. Um weitere wissenschaftliche Aussagen hierzu ableiten zu können, ist die Erhöhung der kognitiven Komplexität des "kollektiven Wissenssystems" der an diesem Prozeß beteiligten Wissenschaftler vorrangige Aufgabe und vielversprechende Perspektive." Die Wissenschaftler sollen also u.a. auch Wissen über die Generierung von Wissen generieren.

9 Diesbezüglich werde ich mich insbesondere an der allgemeinen Sozialtheorie von Giddens (1984, 1995) versuchen.

10 Dieser Entdeckungszusammenhang ist der formelle. Der informelle Entdeckungszusammenhang besteht in einem Unbehagen an einer Praxis der Organisations- und Managementforschung, die voller Eitelkeit Ihrem Erkenntnisobjekt die Fehler vorhält, im Gewande wissenschaftlicher Objektivität unpraktikable Pseudolösungen in Form von Sollens-Sätzen vorschlägt, implizite Hintergrundüberzeugungen nicht offen legt und ihren ideologischen Kern nicht selbstbezüglich reflektiert. Zur Verarbeitung dieses Unbehagens ist das Thema "Wissensmanagement" deswegen prädestiniert, weil das "Forschungsobjekt" gleichzeitig auch Basis und Ergebnis der wissenschaftlichen Erörterung ist.

11 vgl. hierzu Parker (1995): Parker geht der (sehr persönlich gestellten) Frage nach, warum er angesichts des postmodernen Relativismus überhaupt noch schreiben soll. Er unternimmt den Versuch eines Spagats zwischen erkenntnistheoretischem und moralischem Relativismus und stellt seine Position einer "kritischen Moderne" vor, die seiner Ansicht nach Relativität von Wahrheit relativiert. Vgl. auch die anschließende Diskussion dieses Aufsatzes durch Clegg (1995), Jackson (1995), Carter (1995) und die Replik von Parker (1995a) selbst.

12 Es stellt sich dann allerdings die Frage, wieviel Schweigen ein Promotionsvorhaben für einen erfolgreichen Abschluß verkraften kann.

13 "Kritische Rationalisten geben zwar zu, daß man Maßstäbe kritisieren und verändern kann, verhindern aber eine wirksame Kritik durch die Forderungen, die sie stellen: eine Kritik muß rational sein in dem Sinne, daß sie Argumente verwendet; die Argumente müssen verständlich sein und zwar schon in dem Augenblick, in dem man sie vorbringt; eine Haltung des "take it or leave it" ist zu vermeiden." (Feyerabend 1980: 47)

14 Kirsch (1992: 103 f.) verbindet diffuse Gleichgestimmtheit mit einer vereinigungsorientierten Einstellung und mit dramaturgischem Handeln. "Der dramaturgisch Handelnde stellt unter Umständen weniger in verständigungsorientierter Absicht Geltungsansprüche über seine subjektive Welt auf, die er notfalls durch konsistentes Handeln einzulösen vermag. Sein Handeln führt (im Falle des Gelingens) vielmehr dazu, daß die Adressaten von seiner "Stimmung angesteckt" werden." (ebd.: 103) Dramaturgisches Handeln unterliegt dabei nicht einer kognitiv-instrumentellen sondern einer ästhetisch-expressiven Rationalität. (ebd.: 387 ff.)

2. Wissen als Thema der Organisations- und Managementforschung: Auf dem Weg zur epistemologischen Selbstreflexion?

Die Wissensthematik wird in der Organisations- und Managementforschung seit einiger Zeit unter Schlagworten wie Organisationales Lernen, Lernende bzw. Lernfähige Organisation und Wissensmanagement abgehandelt. Die Thematik kann mittlerweile als Modethema der anwendungsorientierten Organisations- und Managementforschung bezeichnet werden.15 (vgl. Vollmer 1996: 320) Die unter den verschiedenen Begriffen behandelten Fragestellungen sind nicht trennscharf abzugrenzen. Dahinter stecken theoretische Konzepte, Modelle und Gestaltungsempfehlungen, denen es zunächst ganz allgemein um Wissen und Lernprozesse in Organisationen geht. "Organisationales Lernen erweist sich als außerordentlich schillerndes Konzept, zwischen populären und wissenschaftlichen Ansätzen, zwischen kognitivem, kulturbezogenem und verhaltensorientiertem Lernen, zwischen Individuum und Organisation, zwischen behavioristischen Stimulus-Response-Konzepten und erkenntnis- und entwicklungstheoretischen Ansätzen der Schaffung von Sinnmodellen." (Pawlowsky 1994: 335) Ich wähle den Begriff "Wissensmanagement" als Oberbegriff, um die Prozesse des Umgangs mit der Ressource Wissen, wozu in besonderem Maße die Lernprozesse in Organisationen zählen, zu thematisieren.16

Trotz einer enormen Literaturfülle zum Thema, kann man nicht von einer Vielfalt grundlegend divergierender Basiskonzepte sprechen.17 (vgl. Pawlowsky, Forslin, Reinhardt 1997) In meiner Wahrnehmung existiert ein relativ homogener Mainstream, deren Vertreter sich hauptsächlich in der Tiefe der theoretischen Betrachtung und Fundierung ihrer anwendungsorientierten Konzepte unterscheiden. Es wird weitgehend einheitlich postuliert, daß die Perspektive eines organisationalen Lernansatzes eine vielversprechende Basis zur Thematisierung und praktischen Umsetzung permanenten organisationalen Wandels in einer komplexen und dynamischen Welt sei (vgl. Schreyögg / Noss 1995; Vollmer 1996). Eine Hintergrundüberzeugung besteht dabei in der Annahme eines "Law of requisite variety" (vgl. Ashby 1961): Eine komplexe und dynamische Umwelt erfordert von einer Organisation eine Strategie der Erzeugung entsprechender interner Komplexität und Dynamik, wenn sie dauerhaft überleben will.

Die Popularität der oft sehr normativen Konzepte geht vor allem auf die positiven Assoziationen, die mit dem Begriff Lernen verbunden sind, auf die implizite Anthropomorphisierung der Organisation, der man quasimenschliche Eigenschaften zuschreibt, und auf die direkte Erfolgserwartung organisationalen Lernens als Ergebnis eines Wissensmanagements zurück, wobei weitgehend von den Wissens- und Lerninhalten abstrahiert und Wissen und Lernen automatisch mit erfolgreichem Handeln in Verbindung gebracht wird. (vgl. Wiegand 1996: 8 f.) "Die Vorstellung lernender Organisationen bedient sich dabei weniger des Lernbegriffs als definiertem theoretischen Konzept, sondern nutzt ihn vor allem als Metapher (Klimecki / Laßleben / Riexinger-Li 1994: 2 ff.), die von einer diffusen Ähnlichkeit individueller und organisationaler Eigenschaften ausgehend als Assoziationsgrundlage genutzt wird." (Vollmer 1996: 320) Das Label "Lernen in Organisationen" hätte vermutlich weniger Aufmerksamkeit erhalten, da die spektakuläre Konnotation einer lernenden sozialen Entität damit nicht zum Ausdruck kommt.

Diese Grundtendenzen bei der Bearbeitung des Themas können ein gewisses Unbehagen auslösen, wenn man den Entdeckungs- und Begründungszusammenhang der propagierten Konzepte betrachtet. Ohne eine ausführliche Zusammenfassung und eine detaillierte Kritik einzelner Ansätze vorzulegen,18 möchte ich auf grundlegende Probleme des konzeptionellen Kerns hinweisen, die in meiner Wahrnehmung als Merkmale des "Systems"19 Organisationales Lernen bzw. Wissensmanagement rekonstruiert werden können:

1 Auch ohne modische Schlagwörter wurde in Organisationen immer schon Wissen beschafft, verarbeitet und genutzt. Es wurde auch immer schon in Organisationen gelernt. Die Protagonisten Organisationalen Lernens sehen aber in den veränderten Umweltbedingungen, die weitgehend in der Diagnose steigender Komplexität und Dynamik zusammengefaßt werden, einen Grund, Wissen und Lernen als dominante Wettbewerbsfaktoren in den Mittelpunkt zu stellen. Der Problembezug ist als Verhältnis der Organisation zu ihrer Umwelt bestimmt. "Organisationslernen dient als Metapher, um die Prozesse zu analysieren, mit denen Organisationen unter wechselnden Umweltbedingungen ihr Überleben sicherstellen." (Vollmer 1996: 321) Die postulierte gesellschaftliche Entwicklung zur Informations- bzw. Wissensgesellschaft ist dann vielfach schon Anlaß genug, analog von der Notwendigkeit einer Umorientierung unternehmerischer Strategien hin zu wissensintensiven, intelligenten Produkten und zu lernenden Organisationen zu sprechen, was immer auch im einzelnen damit gemeint sein soll. Als Beispiele werden Diversifikation und Erweiterung des Leistungsangebots um Service- und Dienstleistungen im Sinne einer Wissensanreicherung genannt.20 Betrachtet man die empirischen Begründungsversuche, so stellt man schnell fest, daß sich diese Zeitdiagnosen, sofern man ihnen überhaupt zustimmt, nur auf eine kleine Anzahl hochindustrialisierter Gesellschaften bzw. Volkswirtschaften beziehen, die durch den von neuen Wettbewerbern aus aufstrebenden Volkswirtschaften erzeugten Kostendruck ihre Position auf den Weltmärkten in Gefahr sehen. Im Klartext bedeutet dies, daß durch die Globalisierung des Wettbewerbs ganzen Volkswirtschaften die strategische Option der Kostenführerschaft abgesprochen wird. Die Argumentation weist "den Hochkostenländern einen Königsweg internationaler Wettbewerbsfähigkeit: zu innovieren, ihre Bevölkerung gut auszubilden, bzw. Anreize für gut ausgebildete Kräfte zu schaffen und den Wissensanteil ihrer Produkte zu erhöhen." (Schneider 1996: 13 f.) Im deutschsprachigen Raum wird oft mit der akuten (oder chronischen?) standortbedingten abnehmenden Wettbewerbsfähigkeit des industriellen Sektors argumentiert, die nicht kostenseitig, sondern nur durch die adäquate Nutzung und den Aufbau der Wissenspotentiale der relativ höher qualifizierten Humanressourcen zurückgewonnen werden kann (vgl. Pawlowsky 1996)21. Problematisch erscheint mir hierbei die Vermischung der Perspektiven volkswirtschaftlicher und einzelwirtschaftlicher Ziele. Die Verlagerung von Produktionsstätten in das lohnkostengünstigere Ausland ist ohne weiteres als Nutzung von Wissen und als ein Lernprozeß zu interpretieren, der aus Sicht des Unternehmens zur Zielerreichung beiträgt, volkswirtschaftlich (aus Sicht des Heimatlandes) aber möglicherweise beklagenswert ist. Kurzum: Einigen Ansätzen im Kontext der organisationalen Wissens- und Lernproblematik haftet bzgl. des Entdeckungszusammenhangs, der allerdings Problemdefinition und - handhabung bereits mit vorstrukturiert, der Beigeschmack spezifischer nationaler Problem- und Interessenlagen an. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Mit dieser Definition der Problemlage werden jedoch implizit gedankliche Schranken errichtet, die mit zu einigen konzeptionellen Ungereimtheiten beitragen, wenn es um den wie auch immer definierten Erfolg von Unternehmen in einer immer weniger national geprägten ökonomischen Umwelt geht. (vgl. Willke 1996: 267) Die geringer werdenden Schranken für Kapital, Wissen und Arbeit führen möglicherweise auch zu einer zunehmenden Nivellierung der Macht und des ökonomischen Potentials nationaler Volkswirtschaften.