Wohin mit Oma? - Hans Scheibner - E-Book

Wohin mit Oma? E-Book

Hans Scheibner

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Beschreibung

Weihnachten ist das Fest der Liebe, sicherlich. Doch jedes Jahr tauchen sie wieder auf, die großen existentiellen Fragen: Darf ich zu Weihnachten einen Hund verschenken? Und wenn ja: mit oder ohne Verpackung? Wie wird aus dem gespannten Verhältnis zu meinen Nachbarn endlich wieder Wohlgefallen? Und wohin mit Oma? Letztes Jahr war sie ja auf Mallorca mit ihrer Freundin. Hans Scheibner erzählt herrlich komisch und herzerfrischend.

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Das Buch

Alle Jahre wieder kommt die Weihnachtsgans auf den Tisch. Aber warum steht diesmal eigentlich Manfred in der Küche? Sonst kümmert sich doch Oma immer um alles. Sie ist doch die Einzige, die weiß, dass an den Braten Majoran kommt und kein Oregano. Was passiert, wenn man die Geschenke von Ehefrau und Geliebter vertauscht? Und sind vier Weihnachtsfeiern an einem Tag eigentlich zu viel? Weihnachten mit Hans Scheibner: jedes Jahr wieder ein Fest.

Der Autor

Hans Scheibner ist Kabarettist, Liedermacher, satirischer Sänger und Poet. Mit seinen Kabarett- und Liederprogrammen begeistert der Altmeister des satirischen Humors ganz Deutschland.

Hans Scheibner

Wohin mit Oma?

Weihnachtsgeschichten

Mit Illustrationen vonHeidrun Boddin

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:

www.ullstein-buchverlage.de

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ISBN 978-3-8437-0653-7

Ungekürzte Ausgabe im Ullstein Taschenbuch 1. Auflage Oktober 2013 © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2010/List Verlag © 2010 by Hans Scheibner Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München, unter Verwendung einer Vorlage von Wildes Blut, Atelier für Gestaltung, Stephanie Weischer Titelabbildung und Illustrationen: © Heidrun Boddin

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzung wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

eBook: CPI – Clausen & Bosse, Leck

Inhaltsverzeichnis

VORWORT

JULKLAPP, ENGEL UND KINDER KRIEGEN

Wohin mit Oma?

An der Eisbahn

Immer wieder Werner

Die Goldene Badewanne

Der Nähkasten-Engel

Eigentlich ist sie ja noch eine Jungfrau

Die Weihnachtsfeier-Tour

Engel und Politesse

Schwangerschaftsgymnastik

Mädchen und Technik

Weihnachtsfrieden unter Nachbarn

Der Tante-Emma-Laden

FRIEDHOFSGEMÜSE UND PFLEGEROBOTER

Der Rentner

O Tannenbaum

Rotkäppchen und der böse Herr Wolff

Den Menschen ein Wohlgefallen

Die Weihnachtsgans

Das gegenseitige Versprechen

Einen Hund als Geschenk

Die Selbstmörderin

Der Lottogewinn

EIFERSUCHT UND FRISIERTES LAMETTA

Kornweg durch bis Altona

Die kleine Spieluhr

Vergiftete Schokolade

Der Weihnachtsmann als Bankräuber

Schwein und Meerschwein

Ein ganz normaler Besuch

Oma tüdelt wohl schon ein bisschen

Die vertauschten Geschenke

Ich glaub auch an den Weihnachtsmann

Immer noch nicht geschieden

Weihnachtserpressungen

Weihnachtslogistik

Lametta

Rührselige Ansprache vor einem Wochenbett

ENGELSGESANG UND ELEKTRISCHE KERZEN

Ja, wenn die Welt verkehrt rum wär …

Sechs Richtige

Die falsche Fälschung

Anni und Else in Ohlsdorf

Ein Engelsgesang

Das kleine Büro

Die armen Reichen!

Der Banküberfall

Der Schutzbrief

Sicherheitsmaßnahmen

Weltrekord

Mein Kanonenschlag

HINWEIS UND DANKESCHÖN

Vorwort

Weihnachten kommt jedes Mal wie eine Naturkatastrophe.

Niemand hat damit gerechnet.

Allerdings: Nach höchstens zwei Tagen ist der Spuk dann auch schon wieder vorbei.

Hier sind wieder einige typische Weihnachtsdramen, Komödien und Tragödien. Denn Weihnachten drängen sich ja die großen Menschheitsprobleme jedes Mal zu einem einzigen Schauspiel zusammen. Die großen Probleme, wie zum Beispiel: Rotkohl zur Weihnachtsgans oder Grünkohl? War der Heilige Josef überhaupt bei der Schwangerschaftsgymnastik? Muss man das Nichts-schenken-Versprechen tatsächlich einhalten? Ist Lametta out für immer? Darf man seiner Frau noch einen Nähkasten schenken? Ist Oma wirklich tüdelig? Darf man einen Hund zu Weihnachten verschenken und wenn ja – mit oder ohne Verpackung? Sind vier Weihnachtsfeiern pro Tag schon gesundheitsschädlich?

Über allem aber und vor allem jedes Jahr von Neuem die große Frage:

Wohin mit Oma?

Julklapp, Engel undKinder kriegen

Wohin mit Oma?

Seit ihrem gemeinsamen Weihnachten auf Mallorca vor einem Jahr waren Mathilde Maltzahn und ihre Nachbarin Katharina Beerbaum enger befreundet. Nachdem Mathilde im Oktober bei ihrer Freundin an der Tür geläutet hatte, schwelgten die beiden wieder in Erinnerungen an ihr Mallorca-Weihnachten.

Katharina holte den Eierlikör raus, den sie seitdem des Öfteren mal zusammen »schnasselten«, wie sie das nannten.

»Ja, Mathilde, ich denke immer noch daran, wie mein Sohn und meine Tochter entsetzt waren, als sie plötzlich feststellten, ihre Mutter ist nach Mallorca abgehauen. Ich könnt mich heute noch kaputtlachen.«

»Ja, weißt du noch? Wie wir uns Heiligabend amüsiert haben?! Die Feuerwehr musste kommen, deine Tür haben sie aufgebrochen, weil sie dachten, du hast dich umgebracht.«

»Ja, das war schon eine schöne Geschichte. Aber diesmal, Thilde, sei mir bitte nicht böse, diesmal kann ich nicht mit nach Mallorca kommen. Ich kann dir auch leider noch nicht sagen, warum. Es ist alles noch so neu. Aber ich gebe dir Bescheid, wenn die Zeit reif ist.«

Die Flasche Eierlikör schnasselten die beiden Nachbarinnen trotzdem zusammen aus.

Von dem üblichen Einkaufsstress und Familien-Irrsinn in der frühen Vorweihnachtszeit bekam Katharina diesmal fast gar nichts mit. Sie schwebte auf Wolke sieben, Weihnachten war noch ganz weit weg für sie.

Bereits im Oktober sprach Katharinas Sohn Klaus das Thema »Weihnachten – wohin mit Oma?« seiner Frau Inge gegenüber wieder an. Diesmal aber nicht, um die Oma loszuwerden. Im Gegenteil: »Du weißt, Inge, diesen Heiligen Abend kommt meine Mutter zu uns!«

»Ach so?«, sagte Inge, »aber eigentlich ist doch deine geliebte Schwester Jessica dran. Wir hätten eigentlich omafrei.«

»Hör auf, sprich nicht so über meine Mutter. Es war einfach ein Missverständnis vorige Weihnachten. Ich musste annehmen, sie geht zu Jessica. Jetzt soll sich Jessica bloß nicht aufspielen. Nein, Oma kommt zu uns. Und basta!«

»Ja, ja, ist ja gut«, sagte Inge, »richtig rührend, wie du deine Mutter plötzlich wieder lieb hast.«

Genau um diese Zeit sprach auch Katharinas Tochter Jessica mit ihrem Mann Manfred über das Thema: »Ist dir doch klar, dass meine Mutter diesen Heiligen Abend bei uns ist. Das kommt mir nicht noch einmal vor, dass sie nach Mallorca fliehen muss, weil mein famoser Bruder sie nicht haben will. Ich hatte solche Angst, dass sie sich umgebracht hat. Diesmal kommt sie zu uns, Manfred. Keine Diskussion.«

»Ja, ist ja gut«, sagte Manfred, »aber Klaus hätte die Chance, die Scharte wieder auszuwetzen. Dann hätten wir noch mal omafrei.«

»Kommt nicht in Frage. Und mein Bruder soll sich ja nicht einfallen lassen, sie uns wegzunehmen. Da kann er was erleben!«

Was aber war nun eigentlich Katharinas ominöses Geheimnis, über das sie noch nicht sprechen wollte? Wer Katharina kannte, hatte längst bemerkt, dass sie inzwischen eine ganz andere geworden war. Sie war, wie man so sagt, richtig aufgeblüht.

Dabei hatte das Jahr gar nicht so gut angefangen. Drei Wochen lang musste Katharina im März ins Krankenhaus. Das war eine dramatische Geschichte gewesen. Mathilde hatte sie drei-, viermal im Krankenhaus besucht. Da lag die Freundin noch mit einem verbundenen Arm und einem hochgelegten Fuß im Bett. Drei junge Leute hatten versucht, ihr die Handtasche zu entreißen, als sie aus dem U-Bahnhof kam. Katharina hatte sich aber gewehrt und war von den Kerlen auf die Straße gegen den Bordstein geschleudert worden. »Gott sei Dank, dass der Taxifahrer die Banditen in die Flucht geschlagen hat. Und meine Tasche haben die auch fallen lassen.«

Aber das war nun ausgestanden. Und Katharina war fit und lebhaft wie lange nicht. Am Wochenende ging sie kaum noch wie sonst immer zum Friedhof, um ihren Heinz zu begießen beziehungsweise sein Grab. Stattdessen ging sie fast jedes Wochenende »up’n Swutsch«, wie sie das Mathilde gegenüber nannte. »Ich halt’s nicht aus in meiner Wohnung«, sagte sie. »Ich will was erleben. Heute geh ich wieder zum Jazz, Mathilde. Willst du nicht mitkommen?«

»Ach, lass nur«, sagte Mathilde resigniert, »ich glaub, dass ist wohl nicht so ganz meine Welt.«

Was aber besonders auffiel: Katharina war eine Woche lang wieder zur Fahrschule gegangen. Dabei hatte sie doch den kleinen Ford, den Heinz immer gefahren hatte, wieder aus der Garage geholt.

»Dass du wieder Auto fährst, Kathi«, staunte Mathilde. Inzwischen nahm die »Familien-Weihnachts-Organisation« wieder ihren Verlauf. Der Anruf von Klaus war gekommen.

Und der hatte Katharina doch wieder sehr aufgeregt und enttäuscht.

»Wegen Weihnachten, Mutter. Diesmal bist du also herzlich bei uns eingeladen. Du darfst auf keinen Fall zu Jessica gehen. Vorige Weihnachten – das war ein Missverständnis, Mutter, dass du dachtest, wir wollten dich nicht bei uns haben. Du glaubst nicht, wie traurig ich war, dass du nach Mallorca geflohen bist. Also kommst du zu uns. Ist das klar?«

Katharina schluckte einen Augenblick, dann wagte sie es aber doch zu antworten. »Ja, aber wenn nun Jessica darauf besteht? Eigentlich wäre sie doch dieses Jahr dran.«

»Hör auf, Mutter. Das kannst du nicht mit mir machen. Du kommst diesmal zu uns oder …«

»Oder?«, fragte Katharina – noch ganz schüchtern.

»Oder ich bin dir furchtbar böse. Meine Schwester, dieses Scheusal, ist eine Intrigantin, die wird dich beschwatzen. Aber wehe, du lässt dich rumkriegen.«

»Ist klar«, sagte Katharina, sie zitterte ein bisschen vor Erregung. »Ist mir völlig klar, Klaus.« Und dann mit Bestimmtheit: »Ich gehe dann zu Jessica.«

Und damit legte sie auf.

Erst mal musste sie sich setzen. Was hatte sie denn nun wieder gemacht? Ihren geliebten Sohn Klaus vor den Kopf gestoßen. Aber verdammt noch mal, was sollte denn auch diese Art? Du kommst zu uns und basta! Und wie er über seine Schwester spricht!

»Noch kann ich allein bestimmen, wohin ich Heiligabend gehe. Und überhaupt.« Sie wischte sich die Träne aus dem Augenwinkel und musste auch gleich ein bisschen lächeln. »Ich weiß auch allein, wo ich Heiligabend sein werde.«

Schon tags darauf kam der Anruf von Jessica.

»Eigentlich ist es ja längst geklärt, dass du diesmal Heiligabend bei uns bist. Ich ruf auch nur sicherheitshalber an, falls mein lieber Bruder dich wieder beschwatzen wollte. Er hat ja voriges Mal die ganze Sache verbockt. Also, alles klar, du kommst zu uns, Mutter! Und aus und keine Diskussion. Bei uns bist du auch immer gern gesehen.«

Katharina konnte gar nicht anders. Sie musste einfach sagen: »Aber Klaus hat schon angerufen, Jessica. Es tut ihm alles so leid. Er möchte seinen kleinen Fehler wiedergutmachen und …«

»Das kommt überhaupt nicht in Frage, Mutter. Was heißt hier, kleiner Fehler! Weil ihm sein Geschäftsbesuch wichtiger war, hat er dich voriges Weihnachten vergrault. Ich wäre fast gestorben vor Angst um dich, als du nicht zu Hause warst. Entweder du kommst zu uns, oder …«

»Oder?«, fragte Katharina.

»Oder … oder ich bin dir ewig böse. Ich hasse Klaus. Wir sind doch dran, da kannst du jetzt nicht zu ihm gehen!«

»Also gut«, sagte Katharina, holte noch einmal Luft und dann mit Bestimmtheit: »Ich gehe dann zu Klaus Heiligabend.« Und legte wieder auf.

Sie musste sich zwar auch diesmal wieder setzen. Aber eine Träne vergoss sie nicht mehr. Katharina wunderte sich selbst, dass sie so entschlossen und konsequent sein konnte.

Aber jetzt musste Katharina auch ihr Geheimnis lüften. Abends läutete sie bei ihrer Freundin und Nachbarin Mathilde.

»Bevor du diesmal nach Mallorca fliegst, Thilde, muss ich dir noch etwas erzählen. Und nun holst du mal den Eierlikör raus.«

»Eierlikör hab ich nicht. Kirschlikör oder möchtest du ’ne Williamsbirne?«

»Am liebsten hätte ich einen Persico.«

»Was ist das denn? So was hab ich nicht.«

»Persico, den trinken die Jazzer immer. Schmeckt bisschen wie Jägermeister mit Wermut. Kann man sich aber dran gewöhnen.«

Mathilde schenkte den Kirschlikör ein.

»Also, ich höre.«

»Halte dich bitte fest, meine Liebe …« Katharina holte noch einmal tief Luft. »Es ist nämlich so: Ich habe mich unsterblich verliebt. Am 20. Dezember werden wir heiraten.«

»Wie? Was?« Mathilde war total verblüfft.

»Ja, Mathilde. Vielleicht bin ich ja verrückt. Aber ich habe so einen lieben Mann gefunden. Ich fühle mich wie zwanzig. Dass mir das noch passieren würde in meinem Alter, das glaubt doch kein Mensch!«

Mathilde atmete noch einmal tief durch.

»Katharina! Ich gratuliere dir«, sagte sie und umarmte ihre Freundin. »Was heißt denn in deinem Alter? Du bist doch noch jung – vor allem im Kopf. Aber wer ist denn nun der Glückliche?«

»Er heißt Harold, Thilde. Es ist der Taxifahrer, der mich im Frühjahr vor den Banausen gerettet hat, die mir die Handtasche klauen wollten. Er ist Musiker, Mathilde. Wenn er nicht Taxi fährt, spielt er in einem Jazzer-Trio, und zwar Trompete und Saxophon. Er ist sogar zwei Jahre jünger als ich. Aber wir lieben uns. Dass mich noch einmal so ein lieber Mann im Arm hält! Davon habe ich doch nicht einmal mehr zu träumen gewagt. Willst du ihn mal sehen? Hier, das ist er!« Sie holte ein Foto aus ihrer Handtasche: Harold, der Trompeter, neben Tom am Bass und Wölfi am Schlagzeug.

Mathilde sah auf das Foto. »O«, sagte sie nur. Dann kamen ihr die Tränen.

»Herzlichen Glückwunsch, meine Liebe. Das sieht dir mal wieder ähnlich! Ich beneide dich.«

Und Katharina plauderte drauflos: »Wir vier sind schon ein richtiges Team. Ich bin nämlich inzwischen die Grandma von den Blue-Boys-Singers. In der Jazzer-Szene kennen sie mich schon.«

»Wieso? Spielst du etwa auch ein Instrument?«

»Nein, Mathilde. Die drei spielen fast jedes Wochenende in kleinen Jazzkellern oder auch mal sonntags morgens zum Frühschoppen.

Harold ist schon vor 30 Jahren mit einer Jazzband aus Kuba rübergekommen und dann hiergeblieben. Vom Jazz allein kann er nicht leben. Darum fährt Harold in der Woche Taxi. Ja, das ist eigentlich schon die ganze Geschichte. Ich bin ein neuer Mensch, Mathilde.«

»Ach, und darum fährst du jetzt wieder Auto? Ich habe wohl bemerkt, dass du dir den alten Ford rausgeholt hast.«

»Ja, muss ich doch. Wie soll Harold denn sonst nach Hause kommen? Nach dem Auftritt dürfen die doch nicht mehr Auto fahren, die Jazzer. Die sind doch meistens nicht mehr so ganz nüchtern.«

»Um Gottes willen, ist er Alkoholiker, dein Harold?«

»Ach, Thilde. Das sind die Jazzer doch alle. Aber ich pass jetzt ein bisschen auf sie auf. ›Kathi sagt, wir haben jetzt genug‹, sagt Wölfi immer. Manchmal bring ich alle drei nach Hause. Und außerdem bin ich für das Catering zuständig.«

»Catering? Was ist das denn?«

»Belegte Brötchen mit Mettwurst und Käse. Aber bloß keine Salatblätter, die werfen sie weg.«

»Prost«, sagte Mathilde. »Kathi, das Jazzband-Groupie! Du glaubst nicht, wie ich dich beneide.«

Als Katharina schließlich wieder in ihre Wohnung zurückgegangen war, musste Mathilde sich an der Flurkommode festhalten. Sie kicherte vor sich hin und summte eine Melodie – klang so ähnlich wie »Reich mir die Hand, mein Leben«. Sie war nicht mehr so ganz sicher auf den Beinen, als sie die Gläser und Teller abräumte.

Dann war der Heilige Abend da. Katharina hatte ihre Wohnung weihnachtlich geschmückt. Ein schöner, aber nicht zu großer Tannenbaum stand in der Ecke. Davor hatte sie Geschenke für ihre Enkelkinder aufgebaut. Es war 17 Uhr. Harold war noch nicht gekommen. Aber Mathilde saß schon bei ihr. Sie hatte diesmal auf Mallorca verzichtet. Dafür war sie Trauzeugin auf dem Standesamt gewesen.

Die beiden Freundinnen saßen auf dem Sofa und tranken diesmal vorsichtshalber nur einen Prosecco.

»Und du bist fest überzeugt, dass deine Kinder und deine Enkelkinder dich heute besuchen?«, fragte Mathilde.

»Da sei man ganz ruhig. Thilde. Ich kenne doch meine Kinder. Die werden schon kommen. Spätestens jetzt haben sie ja gemerkt, dass ich weder bei Klaus noch bei Jessica bin. Und dann schlägt ihnen wieder das Gewissen. Weiß ich doch genau. Gleich telefonieren sie miteinander und kriegen es mit der Angst, dass ich wieder auf Mallorca bin, und dann rufen sie hier an. Du wirst es erleben.«

Im selben Augenblick ging das Telefon.

»Na Gott sei Dank, da bist du ja!«, rief Klaus. »Ich denke, du wolltest unbedingt zu Jessica? Ich hab sie angerufen, weil ich dir wenigstens Frohe Weihnachten wünschen wollte.«

»Klaus, mein Junge. Ich habe eine Überraschung für euch alle. Kommt ihr bitte zu mir, ja? Und bring bitte euren Kleinen mit!«

»Ja, ist gut, wir kommen gern«, sagte Klaus. Es klang erleichtert.

»Und bitte, bring auch euer Weihnachtsessen mit. Ich habe nämlich nur Spekulatius und Schokoladenweihnachtsmänner.«

Katharina hatte richtig gerechnet: Genauso lief es mit Jessica. Natürlich rief die auch an, weil sie ein schlechtes Gewissen hatte.

Dann war die Familie in Katharinas Wohnung beisammen. Und nun kam Omas Überraschung.

Kaum saßen sie alle um den Tisch herum, klopfte es an die Tür.

»Jetzt kommt der Weihnachtsmann«, sagte Oma. Max und Lana, die Enkelkinder, wollten sich erst aufgeregt verstecken. Aber da trat der Weihnachtsmann ein. Was war denn das für ein Weihnachtsmann? Als Erstes spielte er auf dem Saxophon.

»I’m dreaming of a white Christmas.«

Dann sang er die Strophe mit seiner wundervollen Jazzer-Bariton-Stimme:

»Just like the ones I used to know.«

Die Kinder waren entzückt und klatschten in die Hände vor Vergnügen. Jessica, Manfred, Klaus und Inge staunten und dachten: Was soll das denn? Aber dann waren auch sie begeistert von Omas Idee.

»Ein schwarzer Weihnachtsmann, so etwas haben wir ja noch nie gesehen.« Besonders Jessica, die sonst immer gegen allen Weihnachtskitsch wetterte, strahlte: »Ein schwarzer Jazz-Musiker als Weihnachtsmann. Wunderbar! Wo hast du den denn aufgegabelt, Oma?«

Doch zuerst bescherte der Weihnachtsmann die Kinder.

»Hohoho!«, machte er. »I am Santa Claus and I ask you children if you know what a wonderful grandma you have?«

Die Kinder hatten keine Angst, sie lachten über seine komische Aussprache und fröhlich sangen sie zusammen noch:

»O Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter!«

Dann ging der schwarze Santa Claus hinaus und legte den Weihnachtsmann-Mantel ab.

Als er wieder hereinkam, ging Katharina zu ihm und legte den Arm um ihn. Was bedeutete das jetzt? Kinder und Enkelkinder sahen die beiden verblüfft an.

»Ja, liebe Kinder«, sagte Oma, »jetzt erst kommt meine große Überraschung. Ich darf euch vorstellen: Das ist Harold! Mein lieber Mann. Wir haben vor vier Tagen geheiratet.«

Harold hob Katharina in seinen starken Armen in die Höhe. Dann setzte er sie wieder ab, nahm sein Saxophon, blies einen Tusch und lachte.

Jessica war vor Schreck aufgesprungen. »Wie bitte, einen Ne…?«, entfuhr es ihr.

»Ganz recht, Jessi, einen Neger«, sagte Oma. »Aber, pfui! das sagt man doch heute nicht mehr.« Und zu ihren Enkelkindern: »Kinder, das ist euer neuer Opa!«

»Wow!«, sagte Klaus. »Das ist ja ’n Ding!«

»Da kannste was lernen!«, sagte Manfred.

Inge war so begeistert, dass sie Harold ganz aus der Nähe betrachten musste – als wäre er aus Schokolade. Dann gab sie ihm einen Kuss auf die Wange: »Welcome father in law!«

An der Eisbahn

»Halt bitte fest.« Vielleicht war sie vier.

Oder höchstens fünf. Und reichte mir

ihre roten Handschuhe, um sich zu bemüh’n,

die Bänder der Schlittschuhe fester zu zieh’n.

Und ich war hier doch nur hergeraten,

weil mein Kopf wie ein Stein war.

Vom Saufen die Nacht durch. Und vom Verraten

besserer Einsichten. Was bitter und klein war.

»Gib wieder her.« Nicht mal Dankeschön.

Ist schon verschwunden in bunten Gestalten.

Wenigstens ist man noch auserseh’n,

einem richtigen Menschen die Handschuh zu halten.

Immer wieder Werner

Immer Heiligabend – schon am Vormittag kommt mein alter Kollege Werner »mal eben vorbei«. Mitten in unseren Weihnachtsvorbereitungen. Meine Frau sagt: »Um Gottes willen, hoffentlich kommt diesmal nicht schon wieder dein Freund Werner. Der macht mich noch wahnsinnig.«

Da klingelt es auch schon.

»Zu Hause halte ich es nicht aus«, sagt Werner. »Diese Hektik. Elisabeth verlangt, ich soll den Tannenbaum schmücken. Aber so wie sie es sich vorstellt. ›Da noch ’ne Kugel und da noch ’nen Kerzenhalter!‹, ruft sie. Und alle sind sie so aufgeregt bei mir zu Hause.«

Ich sage: »Nimm ruhig Platz, Werner. Soll ich dir ein Bier bringen? Ich bin grade damit beschäftigt, den Tannenbaum zu schmücken.«

»Ja mach doch«, sagt Werner, »ein Bier wär nicht schlecht.«

Dann sitzt er gemütlich in meinem Sessel und sieht mir zu, wie ich die Kugeln in den Baum hänge. »Da oben ist noch ’ne Lücke!«, sagt er und zeigt mit der Bierflasche nach oben. »Danke«, sage ich und hänge zwei Kugeln in die Lücke.

»Ich finde, du solltest nicht zu viel solche doofen Engel da reinhängen«, sagt Werner. »Das wirkt so überladen. Aber da links fehlt auch noch irgendwas. Ja, Kerzenhalter fehlen da. Am besten sieht so ein Baum aus, wenn nur Kerzen drin sind, finde ich.«

Meine Frau ruft aus der Küche: »Die Geschenke müssen noch eingepackt werden. Geschenkpapier ist unten im Schrank.«

»Bei mir zu Hause auch«, sagt Werner. »Die packen den halben Vormittag noch die Geschenke ein. Nach der Bescherung werden die dann sowieso gleich wieder ausgepackt – und das schöne Papier kommt in den Müll.«

Ich hole das Geschenkpapier aus dem Schrank. Meine Frau ruft aus der Küche: »Die Geschenke sind im Schlafzimmerschrank.«