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Über 1,6 Millionen Menschen in Deutschland sind von Demenz betroffen, Tendenz steigend, und sehr viele Pflegebedürftige werden zu Hause von ihren Angehörigen versorgt. Dieses Kochbuch soll den Pflegenden und den Erkrankten zumindest einen wichtigen Aspekt des Alltags erleichtern, und zwar die Ernährung: Demenzkranke vergessen häufig das Essen, sie verweigern es oder wollen nur noch ganz bestimmte Gerichte essen, zum Beispiel Süßes oder Rezepte aus ihrer Kindheit. Hinzu kommen Schluckbeschwerden und andere medizinische Probleme. Die Rezepte in diesem Buch gehen auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Betroffenen ein. Es gibt hochkalorische Gerichte für das Frühstück, süße, aber gesunde Speisen, Fingerfood und Mediterranes, um die optimale Versorgung der Hirnnervenzellen zu gewährleisten. Gleichzeitig sind die Rezeptideen so konzipiert, dass sie sich auch im stressigen Pflegealltag schnell und einfach zubereiten lassen.
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Seitenzahl: 156
Dr. Sarah Straub Wolfgang Link
Ausgewogene und sinnesanregende Gerichte für Betroffene und Angehörige
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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Für Fragen und Anregungen
Wichtiger Hinweis
Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.
Originalausgabe
1. Auflage 2023
© 2023 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Türkenstraße 89
80799 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
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Redaktion: Caroline Kazianka
Umschlaggestaltung: Karina Braun
Umschlagabbildungen und Abbildungen im Innenteil: Sylwia Erdmanska-Kolanczyk, S. 174: Peter Neher, S. 175: Sabine Schmieder
Satz: Daniel Förster
eBook: ePUBoo.com
ISBN Print 978-3-7423-2190-9
ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-1951-4
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-1953-8
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Grundlagen und Theorie
Nicht das Ende des Lebens, sondern ein Teil davon: Plädoyer für ein würdevolles Leben mit Demenz
Die ersten Zutaten: Demenzwissen kompakt
Eine Wissenschaft für sich: Ernährung und Demenz
Die richtige Atmosphäre für den vollen Genuss
Omas Küche
Mediterrane Gerichte für die optimale Versorgung der Hirnnervenzellen
Fingerfood
Lust auf Süßes
Mit dem richtigen Frühstück optimal in den Tag starten
Genussvoll essen trotz Schluckstörungen
von Beate Lindner-Pfleghar
Literatur
Danksagung
Über die Autoren
Weiterführende Literatur für Angehörige und Interessierte
Weiterführende Literatur für Kolleginnen und Kollegen
Das Jahr 2022 begann für die Weltöffentlichkeit mit einem Paukenschlag: Die Fachzeitschrift The Lancet veröffentlichte Forschungsergebnisse, welche bis zum Jahr 2050 eine wahre Explosion der weltweiten Demenz-Fälle voraussagen.1 Während 2019 etwa 57 Millionen Menschen weltweit an Demenz erkrankt waren, werden es 2050 hochgerechnet bis zu 153 Millionen sein, also fast dreimal so viel wie im Moment. Eine kaum fassbare hohe Zahl, die vor allem auf das Bevölkerungswachstum und eine immer weiter steigende Lebenserwartung zurückzuführen ist. Je älter wir werden, desto höher ist das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, und bis dato gibt es keine ursächliche Therapie, nichts, was die so fatalen pathologischen Prozesse im Gehirn aufhalten könnte.
Verschiedenste Forschungsgruppen und Demenzinitiativen warnen bereits seit vielen Jahren vor steigenden Demenzzahlen, welche unser Pflegesystem an seine Grenzen bringen werden. Fakt ist nämlich, dass die personalbedingten Versorgungslücken in der Pflege stets größer werden. Im Jahr 2030 werden bereits ca. 500 000 Pflegekräfte fehlen,2 um die Versorgung der zunehmenden Zahl an Pflegebedürftigen zu gewährleisten. Pflege wird also immer mehr von den Angehörigen übernommen werden müssen, was große Herausforderungen mit sich bringt, wenn diese Menschen nicht oder nicht ausreichend geschult, überlastet und allein gelassen sind.
Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist, ob es auch Chancen in dieser Entwicklung geben kann. Die Antwort darauf sollte ein überzeugtes Ja sein. Wenn es immer mehr Menschen mit Demenz gibt – und es sieht schon jetzt so aus, dass jeder Zweite im Laufe seines Lebens als Patient oder als nahestehende Person von dem Thema betroffen sein könnte –, kommen wir nicht mehr umhin, es endlich zu unser aller Thema zu machen. Kein Tabu mehr, kein Verdrängen, kein Kleinreden. Eine Demenzdiagnose bedeutet nicht das Ende des Lebens. Wir müssen begreifen, dass das Leben auch mit dieser Diagnose lebenswert sein kann. Öffnen wir also unsere Augen und Herzen für die Betroffenen und sprechen endlich offen darüber, wie man mit dieser Krankheit ein würdevolles Leben führen kann.
In einer immer älter werdenden Gesellschaft, in der die Medizin in der Lage ist, eine Vielzahl früher potenziell tödlicher Erkrankungen zu heilen, müssen wir einen Weg finden, Demenzerkrankungen noch stärker als einen Teil unserer Lebensrealität zu begreifen. Während bei 65-Jährigen das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, bei weniger als zwei Prozent liegt, beträgt es bei den über 90-Jährigen schon etwa 40 Prozent.3 Nach Berechnungen des Rostocker Max-Planck-Instituts für demografische Forschung könnte inzwischen jedes dritte neugeborene Mädchen das 100. Lebensjahr erreichen, bei den Jungen jeder Zehnte.4 Knapp die Hälfte der 100-Jährigen dürfte kognitive Beeinträchtigungen haben, es gehört also Stand heute zum Älterwerden dazu. Dabei gibt es verschiedene Demenzformen, die sich ganz unterschiedlich äußern, und je älter wir werden, desto wahrscheinlicher wird es, dass sogar mehrere Pathologien gleichzeitig vorliegen. So oder so darf eine Demenzdiagnose nicht einfach »den Anfang vom Ende« bedeuten. Viele Demenzformen, und dazu zählt auch die im Alter häufigste, die Alzheimer-Demenz, sind schleichend fortschreitend, das heißt, sie beginnen erst einmal kaum merklich und unscheinbar, mit Wortfindungsstörungen oder Vergesslichkeit. Ja, die Symptome werden natürlich stärker. Irgendwann tut man sich schwer im Alltag, kompliziertere Aufgaben gibt man lieber ab, man sucht Halt in Routinen und ist schneller gestresst als früher, findet sich immer schlechter zurecht in dieser Hochgeschwindigkeitswelt. Alltägliche Probleme, die man früher ohne nachzudenken gelöst hat, werden plötzlich bedrohlich, Herausforderndes wird anstrengend, Unbekanntes macht vielleicht sogar Angst. Aber bedeutet dieser Eintritt in einen letzten Lebensabschnitt, dass man weniger Anrecht auf ein gutes Leben hat? Natürlich nicht! Der Erhalt von Lebensqualität und das Thema Teilhabe sind vielleicht DIE drängendsten Themen für ein gesamtgesellschaftliches Umdenken im Umgang mit Demenzerkrankungen. Auch die Bundesregierung hat die Tragweite dieser Überlegungen erkannt und in ihrer »nationalen Demenzstrategie« die Stärkung gesellschaftlicher Teilhabe von Menschen mit Demenz zur Chefsache erklärt.5 Trotz der Erkrankung sollen Betroffene und ihre Angehörigen ihr Leben im gewohnten Umfeld gestalten und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.
Teilhabe und Lebensqualität – dies kann im Einzelnen für jeden Menschen ganz Unterschiedliches bedeuten. Der eine singt gern im Chor, die andere geht eher radeln, der Dritte arbeitet am liebsten im eigenen Garten. Aber es gibt auch die Annehmlichkeiten im Alltag, bei denen wir uns alle einig sind, die für uns grundsätzlich einen hohen Stellenwert haben und die für uns alle Lebensqualität bedeuten. Sie werden mir sicher zustimmen: Genussvolles Essen gehört da eindeutig dazu.
So verbinden wir, Wolfgang Link und Dr. Sarah Straub, für Sie unser beider Expertenwissen über Ernährung und Kochen bzw. Altern und Demenz und zeigen Ihnen mit diesem Buch, wie Sie sich als betroffene Familie ein großes Stück Lebensqualität ganz einfach nach Hause holen können. Rezepte für Jung und Alt, die auf krankheitsbedingte Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten ebenso eingehen wie auf demenzspezifische physiologische Beeinträchtigungen und die gleichzeitig lecker sind und allen schmecken. Als Familie gemeinsam zu essen, in entspannter Atmosphäre und mit köstlichen Gerichten auf dem Teller – das ist der denkbar einfachste Weg, Lebensfreude zu erleben.
Lassen Sie uns aber zuerst näher auf das Thema Demenz eingehen. Wissen über die Erkrankung ist die Grundvoraussetzung für Enttabuisierung und gesamtgesellschaftliche Veränderung. Daher sind im nächsten Kapitel erst einmal wichtige Fakten für Sie zusammengestellt. Nach dem Lesen werden Sie sich gut informiert fühlen, was der Begriff »Demenz« eigentlich bedeutet, welche unterschiedlichen Formen es gibt und was Sie regeln müssen, um sich für ein Leben damit optimal zu wappnen.
Älter zu werden hat Auswirkungen auf unseren gesamten Körper: Beispielsweise schlägt unser Herz langsamer, die Elastizität der Blutgefäße nimmt ab, Geruchs- und Geschmackssinn, Sehen und Hören werden ebenso schlechter wie die Muskelkraft – die Liste der altersbedingten Veränderungen ist endlos und macht auch vor unserem Gehirn nicht Halt. Je mehr Kerzen auf unserem Geburtstagskuchen brennen, desto schwerer tun wir uns, multitaskingfähig zu bleiben, wir fühlen uns weniger belastbar oder können uns neu Gelerntes schlechter merken. Es ist, wie es ist, auch unser Gehirn wird eben älter.
Die Veränderungen, die bei einer Demenzerkrankung zu beobachten sind, haben mit denen eines normalen Alterungsprozesses jedoch wenig gemein. Hier liegen eindeutige Krankheitsprozesse im Gehirn vor, welche das Hirn schädigen und so die geistigen Fähigkeiten der betroffenen Person reduzieren. »Demenz« ist dabei ein Oberbegriff für verschiedene Hirnerkrankungen unterschiedlichster Genese, die mit einer Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen, einhergehen.
In der Allgemeinbevölkerung kennt man immer noch vor allem die Alzheimer-Demenz, denn sie ist die häufigste Demenzerkrankung in höherem Lebensalter. Bei Weitem ist sie aber nicht die einzige Form des erworbenen kognitiven Abbaus, die Ihnen in Ihrem Leben begegnen kann; lassen Sie uns daher die wichtigsten Demenzformen grob skizzieren. Demenz hat nämlich viele Gesichter.
Als »primäre Demenzen« werden all diejenigen Demenzformen bezeichnet, bei denen das Gehirn selbst erkrankt ist und somit unumkehrbare Schäden entstehen. Dabei unterscheidet man die sogenannten neurodegenerativen Demenzen, welche als Konsequenz eines fortschreitenden Nervenzellsterbens im Gehirn auftreten (und zu denen die Alzheimer-Demenz zählt), und die vaskulären Demenzen, welche die Folge von Durchblutungsstörungen im Gehirn sind.
Neurodegenerative Demenzen beginnen schleichend, unmerklich, schwelen oft viele Jahre bis hin zu Jahrzehnten »unter der Oberfläche«, bis sie dann in höherem Lebensalter mehr und mehr bemerkbar werden. Das Zellsterben im Gehirn demenzkranker Personen hat dabei je nach spezifischer Ausprägung ganz unterschiedliche Ursachen, immer gleich jedoch ist die Tatsache, dass sich dieser Prozess wie ein Lauffeuer ausbreitet. Das Zellsterben wird immer großflächiger, die Defizite wie Vergesslichkeit, Orientierungsschwierigkeiten oder Sprachstörungen immer schwerwiegender. Irgendwann führen schon einfache, routinierte Alltagstätigkeiten zu Überforderung – die Erkrankten werden zunehmend pflegebedürftig. Am Ende einer neurodegenerativen Demenz wird diese die Lebenserwartung des Betroffenen verkürzt haben. Wie lange die Erkrankung im Einzelfall andauert, lässt sich nicht zuverlässig vorhersagen. Bei der Alzheimer-Demenz beträgt die Erkrankungsdauer im Durchschnitt zwei bis sechs Jahre in einem leichten Demenz-Stadium sowie ein bis sieben Jahre im späteren Verlauf. Dabei ist die individuelle Erkrankungsdauer auch abhängig von Alter und Geschlecht des oder der Betroffenen.6
Die Alzheimer-Demenz macht ca. 60 Prozent aller neurodegenerativen Demenzen aus und tritt am häufigsten in höherem Alter auf.7 Vor dem 65. Lebensjahr ist sie viel seltener und kann durch eine Genmutation verursacht sein.8 Benannt ist die Alzheimer-Demenz nach ihrem Entdecker, dem Psychiater und Neuropathologen Alois Alzheimer (1864–1915), der die Krankheit Anfang des 20. Jahrhunderts erstmals beschrieb. Bei jedem Patienten zeigen sich die Symptome etwas anders, grundsätzlich charakteristisch jedoch sind zu Beginn leichte Gedächtnislücken, Lern- und Reaktionsschwächen, Wortfindungsstörungen und Orientierungsschwierigkeiten. Die Betroffenen sind häufig antriebslos, verschließen sich gegenüber Neuem und leiden mitunter sehr unter ihren Defiziten – wenngleich ein Teil der Patienten schon früh in der Erkrankung die Veränderungen nicht bewusst wahrnehmen kann; dieses als Anosognosie bezeichnete fehlende Störungsbewusstsein wird mit Fortschreiten der kognitiven Beeinträchtigungen häufiger.9
Im weiteren Verlauf werden die Symptome immer eindrücklicher, und die Patienten benötigen im Alltag mehr und mehr Unterstützung. Autofahren, das Bedienen technischer Geräte, die eigene Steuererklärung – das alles klappt nicht mehr, weil die Gedächtnis- und Denkstörungen einfach zu stark sind. Am Ende sind die Patienten nicht einmal mehr in der Lage, allein zu essen oder auf die Toilette zu gehen. Sie sind bettlägerig und somit vollständig pflegebedürftig.
Die Ursachen der Alzheimer-Demenz sind komplex und immer noch nicht vollständig erforscht. Was wir wissen, ist, dass es bei dieser Erkrankung im Gehirn zu charakteristischen Proteinveränderungen bzw. -ablagerungen kommt: Eigentlich natürlich vorkommende Eiweiße reichern sich fehlgefaltet als Klumpen (sogenannte Beta-Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen) in und zwischen den Hirnnervenzellen an und stören deren Kommunikation. Es kommt zu einem fortschreitenden Zellsterben. Auch Entzündungsprozesse scheinen eine wichtige Rolle in der Krankheitsentstehung zu spielen, daneben werden weitere Faktoren diskutiert. Wissenschaftler auf der ganzen Welt forschen fieberhaft an den Grundlagen der Alzheimer-Demenz und entdecken immer wieder wichtige Zusammenhänge. Bis diese alle vollständig geklärt sind, wird es jedoch noch dauern – und somit auch die Entwicklung wirklich wirksamer Medikamente. Klar ist für den Moment, dass das Erkrankungsrisiko durch eine gesunde Lebensweise durchaus gesenkt werden kann.
Eine weitere Demenzform, die sich mit ganz anderen Symptomen präsentiert als die Alzheimer-Erkrankung und meist in jüngerem Alter auftritt, ist die frontotemporale Demenz. Hier sind es nicht Gedächtnisstörungen, die zu Beginn deutlich werden, sondern Verhaltensauffälligkeiten oder – weniger häufig – Sprachstörungen. Stellen Sie sich vor, Ihr Partner steht mitten im Leben, ist Mitte 50 und voll berufstätig. Plötzlich bemerken Sie zunehmende Veränderungen in seiner Persönlichkeit und seinem Wesen, beispielsweise verhält er sich in der Öffentlichkeit taktlos, handelt völlig achtlos und impulsiv, kann zwischen Richtig und Falsch nicht mehr unterscheiden, distanziert sich emotional immer mehr von Ihnen, ist reizbar und beginnt, ohne Maß Süßigkeiten in sich hineinzustopfen. Das vielleicht Belastendste für Sie als Angehörige ist: Ihr Partner hat überhaupt keine Krankheitseinsicht und fühlt sich kerngesund.
Würden Sie bei solchen Symptomen und diesem Alter an eine Demenz denken? Wohl eher nicht. Zu den häufigsten Fehldiagnosen, die in diesem Stadium gestellt werden, zählen das Burn-out-Syndrom, die Depression oder Schizophrenie. Nur: Diese Symptome sind wirklich Ausdruck einer neurodegenerativen Gehirnerkrankung. Sie beginnt nicht wie die Alzheimer-Demenz in den Hirnarealen, die für die Gedächtnisbildung wichtig sind, sondern im Stirn- und Schläfenbereich des Gehirns. Dort, wo unter anderem unser Sozialverhalten gesteuert wird und unsere Emotionen kontrolliert werden. Der Verlauf ist freilich wie bei allen anderen neurodegenerativen Erkrankungen: Sie schreitet fort, führt zu immer größeren Einschränkungen und mündet wie die Alzheimer-Demenz in Pflegebedürftigkeit und Tod.
Es gibt noch eine Reihe weiterer neurodegenerativer Demenzen. Da wäre zum Beispiel die Lewy-Body-Demenz, welche ebenfalls nach ihrem Entdecker bzw. dem Erstbeschreiber der hier spezifischen Nervenzellveränderungen im Gehirn benannt wurde (Friedrich H. Lewy, übrigens ein Kollege von Alois Alzheimer in dessen Labor). Hier zeigen sich neben Gedächtnisstörungen unter anderem auffällige schnelle Schwankungen der Wachheit und der geistigen Fähigkeiten innerhalb eines Tages sowie optische Halluzinationen. Zudem treten im Verlauf Parkinson-Symptome wie erhöhte Muskelsteifigkeit, Zittern der Hände in Ruhe oder eine Verlangsamung der Bewegungen auf. Charakteristisch sind außerdem Verhaltensstörungen im Traumschlaf (REM-Schlaf), bei denen die Betroffenen infolge fehlender motorischer Hemmung im Schlaf beispielsweise schreien, treten oder um sich schlagen. Eine neurodegenerative Erkrankung kann auch eindeutig und generell erblich bedingt sein, wie etwa die seltene Huntington-Krankheit (früher: »Chorea Huntington«). Träger dieser Genveränderung entwickeln Bewegungsstörungen, eine Demenz sowie psychiatrische Symptome.
Die zuletzt genannten Demenzen sind natürlich viel seltener als die Alzheimer-Demenz. Die zweithäufigste Demenz neben Alzheimer kommt gleich aus einer ganz anderen Erkrankungsgruppe. Hier ist kein fortschreitendes Absterben von Nervenzellen die Ursache, sondern die Blutgefäße des Gehirns sind das Problem. Die sogenannten vaskulären, also gefäßbedingten Demenzen entstehen aufgrund von Durchblutungsstörungen im Gehirn, welche anschließend zum Absterben von Nervengewebe führen. Eine solche Demenz kann zum Beispiel eine Folge von einem oder mehreren (auch kleinen) Schlaganfällen sein. Sie kann aber ebenso ohne vorangegangenen Schlaganfall auftreten. In jedem Fall gilt: Je älter wir werden, desto häufiger werden solche vaskulären Veränderungen. Die Studienlage deutet darauf hin, dass etwa jeder fünfte von Demenz Betroffene auch vaskuläre Schädigungen im Gehirn aufweist.10
Die Symptome sind variabler als bei der Alzheimer-Demenz und hängen immer davon ab, wo genau im Gehirn die Durchblutungsstörung stattgefunden hat. Häufig jedoch sind schon in frühen Krankheitsphasen körperliche Beschwerden wie Gangstörungen zu beobachten, die Patienten laufen unsicher und stürzen oft. Auch die Blasenkontrolle kann gestört sein, ferner sind Lähmungen, Sprechstörungen oder Schluckstörungen häufig. Kognitiv fallen besonders eine allgemeine Verlangsamung (die Betroffenen brauchen länger, um Sachverhalte nachvollziehen zu können, und reagieren schwerfälliger) sowie Aufmerksamkeitsstörungen und Persönlichkeitsveränderungen auf. Der Verlauf ist auch anders als bei der Alzheimer-Demenz und eher in Schüben als kontinuierlich fortschreitend.
Für die vaskuläre Demenz können recht klare Risikofaktoren benannt werden, und diese betreffen hauptsächlich das Herz-Kreislauf-System. Bluthochdruck, starkes Übergewicht, Diabetes mellitus, erhöhter Cholesterinspiegel, Rauchen und Bewegungsmangel begünstigen Gefäßerkrankungen und somit auch das Entstehen von vaskulären Demenzen.
Etwa zehn Prozent aller Patienten haben kognitive Störungen infolge einer völlig anderen Grunderkrankung – die Demenz ist also nur eine sekundäre Folge eines irgendwo sonst im Körper bestehenden Krankheitsprozesses. Dies kann im Rahmen von Stoffwechselerkrankungen, Vitaminmangelzuständen oder durch chronischen Vergiftungserscheinungen durch Alkohol oder Medikamente auftreten. Das bedeutet dann natürlich, dass es die Chance auf Besserung oder sogar Heilung der Symptomatik gibt, wenn die eigentliche Grunderkrankung erfolgreich behandelt ist. Dies ist nur einer von vielen Gründen, warum eine ausführliche Demenzabklärung immer sinnvoll ist. Wann ist es bei Gedächtnisstörungen oder anderen kognitiven Auffälligkeiten überhaupt ratsam, einen Arzt aufzusuchen? Was ist zu tun und zu regeln, wenn wirklich eine Demenz vorliegt? Darum soll es im nächsten Abschnitt gehen.
Zugegeben, Sie lesen gerade keinen Demenz-Ratgeber, sondern ein Kochbuch. Dennoch möchten wir hier einige der unserer Meinung nach wichtigsten Verhaltensregeln im Umgang mit Demenz darstellen. Nur wenn Sie diese beherrschen und im besten Fall umsetzen, können Sie sich für die Herausforderungen eines Alltags mit jemandem, dessen Gesundheitszustand sich zunehmend verschlechtert, gewappnet fühlen.
Unser Angebot an leckeren Rezepten soll Lebensqualität schenken, Freude in den Alltag bringen und Sie als Familienverbund stärken. Um sie voll genießen zu können, bedarf es bestimmter Voraussetzungen: Sie als Angehörige müssen sich gesund, belastbar und qualifiziert fühlen, für den Erkrankten da zu sein. Die folgenden Punkte sollen Ihnen dabei helfen.
Die ersten Anzeichen einer möglichen Demenzerkrankung sind sehr unspezifisch. Gedächtnisprobleme, Wortfindungsstörungen oder Orientierungsschwierigkeiten in wenig vertrauter Umgebung können viele Ursachen haben, da ist eine Gehirnerkrankung nur eine von vielen möglichen Diagnosen. Auch eine Wesensänderung mit beispielsweise depressiven Symptomen muss noch lange keine Demenz bedeuten. Dennoch: Sollten kognitive Veränderungen seit mindestens sechs Monaten bestehen, in ihrer Intensität im Verlauf eher zunehmen, eigentlich alltägliche Tätigkeiten beschwerlich werden und vermehrt Fehler auftreten, ist es definitiv ratsam, sich ärztlich untersuchen zu lassen.
Die erste Anlaufstelle ist in den allermeisten Fällen die Hausärztin bzw. der Hausarzt. Diese sollten für eine ausführliche Demenzdiagnostik jedoch an fachärztliche Kollegen verweisen – genauer: an Neurologen oder Psychiater. Besonders wertvoll kann außerdem der Besuch einer »Gedächtnissprechstunde« sein. Hier bündelt sich ein großer Schatz an Expertenwissen von auf Demenz geschulten Spezialistinnen und Spezialisten. Allgemeinmediziner bieten zwar häufig Demenzscreening-Tests an, welche einen ersten Eindruck der allgemeinen kognitiven Leistungsfähigkeit erlauben, jedoch lassen diese keine Aussage über die spezifische Demenzform zu.
Viele Menschen glauben, eine ausführliche Demenzdiagnostik sei nur belastend und gleichzeitig unnötig und sinnlos, da es keine Therapiemöglichkeiten gebe. Das stimmt so aber nicht. Heilen können wir die primären Demenzerkrankungen zwar nicht, aber lindern allemal. Mit auf die individuellen Einschränkungen der Betroffenen abgestimmten Therapiemaßnahmen kann der Krankheitsverlauf verlangsamt, können Lebensqualität und -zeit gewonnen werden. Dafür muss aber erst einmal so genau wie möglich bestimmt werden, welche spezifische Demenzerkrankung überhaupt vorliegt. Dies ermöglicht es dann, die zu erwartenden Symptome und den weiteren Verlauf einzugrenzen.
Zur diagnostischen Abklärung eines möglichen demenziellen Prozesses ist eine Reihe von Untersuchungen notwendig. Dazu zählen eine körperliche und neurologische Untersuchung, die Erfassung des kognitiven Status mithilfe einer ausführlichen neuropsychologischen Untersuchung, die Bestimmung verschiedenster Laborwerte in Blut und Nervenwasser sowie die Nutzung bildgebender Verfahren zur Darstellung des Gehirns (beispielsweise die Magnetresonanztomografie, MRT). Eine genaue Befragung des Betroffenen sowie einer nahestehenden Person über medizinisch relevante Informationen (Anamnese) ergänzen die Angaben.