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Der multidimensionale Hilfebedarf wohnungsloser Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen lässt in der Beratung schnell die Frage aufkommen "Wo fängt man an?". Marion Ludwig gibt kompetente und praxisnahe Antworten. Sie zeigt auf, wie die systemische Haltung einen adäquaten Umgang nicht nur mit der oftmals einhergehenden Problematik der Exklusion leistet. Fachpersonen, die wohnungslose Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen beraten und unterstützen, benötigen in diesen Arbeitskontexten spezielle Kompetenzen und adäquate Handlungsansätze. Marion Ludwig erläutert den Aspekt der Wohnungslosigkeit und Begriffe wie Wohnungsnotfall, Exklusion, psychische Störung und Behinderung und ergänzt sie um einen systemischen Blickwinkel. Das Buch gibt Einblicke in Lebensgeschichten von Menschen, die "von vorn beginnen". Fallbeispiele veranschaulichen eine systemische Arbeitsweise, die den Fokus auf das Empowerment der Klienten legt. Rechtliche Grundlagen und organisatorische Rahmenbedingungen der Eingliederungshilfe werden praktisch erläutert, ebenso wie Methoden, um Verhaltensweisen und Kommunikationsstrukturen von Klienten zu reflektieren. Die Lesenden erfahren etwas über die Bedeutung von Frustration, Selbstvorwürfen und Depression im Kontext finanzieller Abhängigkeit, wie auch über die Notwendigkeit einer kontextbezogenen Ressourcenorientierung. Welche Bedingungen Erfolg versprechend sind und der Exklusion der Klienten entgegenwirken, führt die Autorin ebenso auf wie die Chancen, die die systemische Körperpsychotherapie im Rahmen einer längerfristigen Begleitung von wohnungslosen Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen bietet, zurück.
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Seitenzahl: 101
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Leben.Lieben.Arbeiten
SYSTEMISCH BERATEN
Herausgegeben von
Jochen Schweitzer und
Arist von Schlippe
Marion Ludwig
Wohnungslos – Umgang mit Exklusion
Vandenhoeck & Ruprecht
Mit 6 Abbildungen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-647-90085-8
Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter:
www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com
Umschlagabbildung: .marqs/photocase.de
© 2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG,
Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen /
www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.
Satz: SchwabScantechnik, GöttingenEPUB-Produktion: Lumina Datametics, Griesheim
Inhalt
Zu dieser Buchreihe
Vorwort von Jochen Schweitzer
Vorbemerkung
IDer Kontext
1Lebenssituation wohnungsloser, psychisch beeinträchtigter Menschen in der Berliner Wohnungslosen- und Eingliederungshilfe
1.1Die Lebenssituation wohnungsloser, psychisch beeinträchtigter Menschen im Berliner Wohnungslosenhilfesystem
1.2Die Lebenssituation wohnungsloser, psychisch beeinträchtigter Menschen im Berliner Eingliederungshilfesystem
2Rechtliche Grundlagen und organisatorischer Rahmen der Eingliederungshilfe
2.1Bundesteilhabegesetz und Eingliederungshilfe
2.2Definition psychischer Störungen aus systemischer Sicht, das bio-psycho-soziale Modell und die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit – International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF)
2.3Personbezogene Faktoren
2.4Zugangsvoraussetzungen in das Eingliederungshilfesystem gemäß Berliner Behandlungs- und Rehabilitationsplan (BBRP)
2.5Ziele und Angebote eines Berliner Wohnverbundes für Menschen mit psychischen Störungen
2.6Bedeutung von Kontextfaktoren
3Exklusion als Problem – Inklusion als Zielsetzung
•Erstes Fallbeispiel: Herr Lohmeyer
4Der Träger, einrichtungsspezifische Merkmale des Wohnverbundes und systemische Beratung
5Stärken und Schwächen der beiden Hilfesysteme aus systemischer Sicht
IIDie systemische Beratung im Kontext der Eingliederungshilfe
•Zweites Fallbeispiel: Herr Tischler
6Vorgehen in der systemischen Beratungsarbeit
6.1Systemische Aspekte in der sozialpädagogischen Beratung
6.2Systemische Aspekte im Gruppentraining sozialer Kompetenzen
6.3Systemische Beratung im Wohnverbund
7Herausforderungen in der systemischen Beratungsarbeit
7.1Das Spannungsfeld der psychiatrischen Beratungsarbeit
7.2Umgang mit Exklusion und ausgrenzendem Verhalten
7.3Überblick über mögliche Herausforderungen
8Schlussbetrachtung und Ausblick
8.1Möglichkeiten für einen notwendigen Paradigmenwechsel
8.2Ziele systemischen Arbeitens
8.3Anregung zum Wechsel der Präferenzen
8.4Ein Ausblick auf Sozialpolitisches
IIIAm Ende
9Buchempfehlungen, Hinweise und Kontakte
10Literatur
11Danksagung
12Die Autorin
13Abkürzungsverzeichnis
Zu dieser Buchreihe
Die Reihe »Leben. Lieben. Arbeiten: systemisch beraten« befasst sich mit Herausforderungen menschlicher Existenz und deren Bewältigung. In ihr geht es um Themen, an denen Menschen wachsen oder zerbrechen, zueinanderfinden oder sich entzweien und bei denen Menschen sich gegenseitig unterstützen oder einander das Leben schwer machen können. Manche dieser Herausforderungen (Leben.) haben mit unserer biologischen Existenz, unserem gelebten Leben zu tun, mit Geburt und Tod, Krankheit und Gesundheit, Schicksal und Lebensführung. Andere (Lieben.) haben mit unseren intimen Beziehungen zu tun, mit deren Anfang und deren Ende, mit Liebe und Hass, mit Fürsorge und Vernachlässigung, mit Bindung und Freiheit. Wiederum andere Herausforderungen (Arbeiten.) behandeln planvolle Tätigkeiten, zumeist in Organisationen, wo es um Erwerbsarbeit und ehrenamtliche Arbeit geht, um Struktur und Chaos, um Aufstieg und Abstieg, um Freud und Leid menschlicher Zusammenarbeit in ihren vielen Facetten.
Die Bände dieser Reihe beleuchten anschaulich und kompakt derartige ausgewählte Kontexte, in denen systemische Praxis hilfreich ist. Sie richten sich an Personen, die in ihrer Beratungstätigkeit mit jeweils spezifischen Herausforderungen konfrontiert sind, können aber auch für Betroffene hilfreich sein. Sie bieten Mittel zum Verständnis von Kontexten und geben Werkzeuge zu deren Bearbeitung an die Hand. Sie sind knapp, klar und gut verständlich geschrieben, allgemeine Überlegungen werden mit konkreten Fallbeispielen veranschaulicht und mögliche Wege »vom Problem zu Lösungen« werden skizziert. Auf etwa 100 Buchseiten, mit etwas Glück an einem langen Abend oder einem kurzen Wochenende zu lesen, bieten sie zu dem jeweiligen lebensweltlichen Thema einen schnellen Überblick.
Die Buchreihe schließt an unsere Lehrbücher der systemischen Therapie und Beratung an. Unsere Bücher zum systemischen »Grundlagenwissen« (1996/2012) und zum »störungsspezifischen Wissen« (2006) fanden und finden weiterhin einen großen Leserkreis. Die aktuelle Reihe erkundet nun das »kontextspezifische Wissen« der systemischen Beratung. Es passt zu der unendlichen Vielfalt möglicher Kontexte, in denen sich »Leben. Lieben. Arbeiten« vollzieht, dass hier praxisbezogene kritische Analysen gesellschaftlicher Rahmenbedingungen ebenso willkommen sind wie Anregungen für individuelle und für kollektive Lösungswege. Um klinisch relevante Störungen, um systemische Theoriekonzepte und um spezifische beraterische Techniken geht es in diesen Bänden (nur) insoweit, als sie zum Verständnis und zur Bearbeitung der jeweiligen Herausforderungen bedeutsam sind.
Wir laden Sie als Leserin und Leser ein, uns bei diesen Exkursionen zu begleiten.
Jochen Schweitzer und Arist von Schlippe
Vorwort
Ohne ein Dach über dem Kopf zu sein, aus Not auf der Straße zu leben, keinen sicheren Platz auf dieser Welt zu haben, keine Privatsphäre, um sich darin zurückzuziehen – das gehört zu meinen persönlichen Horrorvorstellungen und wahrscheinlich auch zu denen der meisten von uns.
Dieses Buch lehrt uns, dass es neben Obachlosigkeit im engeren Sinne (»Platte machen«, auf der Straße leben) ein in Mitteleuropa wahrscheinlich häufigeres, aber viel weniger sichtbares Phänomen der schon eingetretenen oder drohenden Wohnungslosigkeit gibt. Das betrifft alle Menschen, die nicht über einen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum verfügen. Es betrifft damit auch solche, die in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe bzw. in Billigpensionen oder vorübergehend bei Familienmitgliedern oder Bekannten wohnen. Bedroht von solcher Wohnungslosigkeit sind Menschen, denen nach Kündigung, Zwangsräumung, eskalierten sozialen Konflikten oder familiärer Gewalt der Verlust der eigenen Wohnung unmittelbar bevorsteht.
Marion Ludwig arbeitet seit 15 Jahren in Berlin mit Menschen in derartigen Wohnungsnöten. Nicht alle, aber viele von ihnen haben psychische Störungen oder Behinderungen entwickelt – sei es als Vorläufer oder als Folge ihrer Wohnungslosigkeit oder beides zugleich. Die allermeisten sind von Exklusion bedroht. Der Ausschluss aus den großen Gemeinschaften der Wohnungsmieter und der arbeitenden Bevölkerung sowie aus familiären und freundschaftlichen Beziehungen hat verheerende Auswirkungen. Jenseits dieser wenigen Gemeinsamkeiten sind diese Menschen und ihre Geschichten aber sehr unterschiedlich.
Die Autorin führt uns in diesem Buch zunächst anschaulich in die konkreten Lebenssituationen wohnungsloser und psychisch beeinträchtigter Menschen und zugleich sehr übersichtlich in das Geflecht sozialrechtlicher Bestimmungen und praktizierter Eingliederungshilfen für diese Personengruppe ein. Eine umfassende systemische Perspektive auf Wohnungslosigkeit muss neben familiären, beruflichen, biografischen, medizinischen und psychologisch-psychiatrischen Rahmenbedingungen auch die rechtlichen Bestimmungen und Verwaltungsprozeduren, unter denen wohnungslose Menschen leben, zur Kenntnis nehmen und sich darin bewegen können. Die Autorin verdeutlicht uns auch, was abstrakte Begriffe wie Exklusion, Inklusion, Integration und Empowerment in diesem Arbeitsfeld konkret bedeuten. Die Ausführungen über Marion Ludwigs Zusammenarbeit mit »Herrn Lohmeyer« und »Herrn Tischler« zeigen uns in ermutigender Weise, was eine kreative und ausdauernde systemische Beratung, unter Einbeziehung körperpsychotherapeutischer Interventionen, in diesem Sektor der Sozialen Arbeit erreichen kann.
Arist von Schlippe und ich freuen uns, dass mit diesem Buch nach Tanja Kuhnerts »Leben mit Hartz IV« gleich ein weiterer Band unserer Reihe ein sozialpolitisch hoch brisantes Thema so aufgreift, dass die sozialpolitischen Kontexte individuellen Leidens verdeutlicht werden und zugleich Praktikern der Sozialen Arbeit, der Psychosozialen Medizin und der Sozialverwaltung sehr handfestes Rüstzeug geboten wird, mit denen diese ihren Klienten wirksam helfen können.
Jochen Schweitzer
»Wir Menschen haben ein Grundbedürfnis nach Autonomie und Verbundenheit – dem Gefühl dazu zu gehören. Sich ausgeschlossen zu fühlen, wird neurophysiologisch wie körperlicher Schmerz empfunden.«
Gerald Hüther (2013)
Vorbemerkung
Dieses Buch hält ein Plädoyer für das Menschsein ohne Exklusion. Es gibt einen Einblick in Lebensgeschichten von Menschen, die durch verschiedene Schicksalsschläge und/oder psychische Störungen ihre Wohnungen verloren haben, einen Einblick in die Situation von Menschen, die sich nun in einem Hilfesystem befinden, für das sie einerseits dankbar sind, das sie andererseits aufgrund seiner bürokratischen Hürden und dem unangenehmen Gefühl hilfebedürftig zu sein, hin und wieder verzweifeln lässt. Ich beschreibe Lebenssituationen wohnungsloser und psychisch beeinträchtigter Menschen, die mit der Problematik der Exklusion eng verknüpft sind. Zugleich verdeutliche ich (m)eine systemische Arbeitsweise mit diesen Menschen und zeige Möglichkeiten und Grenzen innerhalb der Beratung auf.
Das Buch veranschaulicht systemische Blickwinkel und Haltungen, die innerhalb meiner sozialpädagogischen und systemischen Beratungen mit wohnungslosen und psychisch beeinträchtigten Menschen immer wieder Begegnungen auf Augenhöhe ermöglichen.
Ich nähere mich der Thematik von außen nach innen. Zunächst erläutere ich den Kontext, sprich: die rechtlichen Grundlagen und organisatorischen Rahmenbedingungen der Eingliederungshilfe. Begriffe wie »Wohnungsnotfall«, »Exklusion« und »Inklusion« werden ebenso definiert wie »psychische Störung« und »Behinderung«. Wie sich diese Definitionen und Richtlinien auf das reale Leben auswirken, illustriert das erste Fallbeispiel, einer systemischen Beratungssequenz mit einem Klienten. Der erste Abschnitt schließt mit der Beschreibung einrichtungsspezifischer Merkmale des Wohnverbundes, in dem ich tätig bin, sowie den Stärken und Schwächen der Wohnungslosen- und Eingliederungshilfe.
Im zweiten Abschnitt richte ich den Fokus auf die systemische Beratung im Bereich der Eingliederungshilfe. Ein weiteres Fallbeispiel zeigt, wie Themen wie Alkoholmissbrauch, Rollen in Geschwisterkonstellationen sowie Kommunikations- und Verhaltensmuster innerhalb der systemischen Beratung reflektiert werden können. Das Vorgehen und die Herausforderungen meiner systemischen Beratungsarbeit benenne ich genauso wie die aus meiner Sicht empfehlenswerten Bedingungen für eine erfolgreiche Arbeit, die der Exklusion der Klientinnen1 entgegenwirken. Dabei spielt unter anderem die systemische Körperpsychotherapie im Rahmen der Beratung von wohnungslosen und psychisch beeinträchtigten Menschen eine große Rolle.
Am Ende des Bandes stehen Buchempfehlungen, Hinweise und Kontakte, die Interessierten Wege durch ein komplexes und in der Beratungsliteratur bisher kaum berücksichtigtes Thema weisen. Gemeinsam mit den im Text gezielt eingesetzten Infokästen wird so eine erste Annäherung möglich.
1Um eine bessere Lesbarkeit zu ermöglichen, verwende ich im vorliegenden Text abwechselnd die weibliche und männliche Form. Im Sinne der gendersensiblen Sprache sind alle Geschlechtsidentitäten mit eingeschlossen.
I
Der Kontext
1Lebenssituation wohnungsloser, psychisch beeinträchtigter Menschen in der Berliner Wohnungslosen- und Eingliederungshilfe
Als ich vor 15 Jahren als studentische Nachtbereitschaft in einer Notübernachtung für obdachlose Männer in den ersten Kontakt mit wohnungslosen Menschen kam, wurde schnell deutlich, dass Wohnungslosigkeit und psychische Störung oft zusammenhängen.
Viele von uns haben Begriffe wie »Obdachloser« oder gar »Penner« im Sinn, wenn von wohnungslosen Menschen die Rede ist. Solche Stigmatisierungen beginnen im Kopf und entstehen meist durch Unwissenheit oder durch Festhalten an unangenehmen Erfahrungen oder Berichten von Bekannten, Freunden oder Verwandten. Wir glauben in solchen Situationen zu wissen, von wem oder über wen wir reden. Dabei übersehen wir: Den wohnungslosen Menschen gibt es nicht. Der folgende Infokasten zeigt, wie er dennoch definiert wird.
Infokasten 1
Definition: Wohnungsnotfall
Laut Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. (BAG W) liegt ein Wohnungsnotfall vor, wenn ein Mensch wohnungslos bzw. von Wohnungslosigkeit bedroht ist oder in unzumutbaren Wohnverhältnissen lebt.
Definition: Wohnungslos
Wohnungslos ist, wer nicht über einen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum verfügt. Aktuell von Wohnungslosigkeit betroffen sind demnach nicht nur Personen, die »Platte machen«, d. h. auf der Straße leben, sondern auch solche, die im ordnungsrechtlichen und sozialhilferechtlichen Sektor untergebracht sind. Hierzu zählt auch das Wohnen in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, in Billigpensionen sowie vorübergehendes Wohnen bei Familienmitgliedern oder Bekannten.
Definition: von Wohnungslosigkeit bedroht
Von Wohnungslosigkeit bedroht ist, wem der Verlust der derzeitigen Wohnung unmittelbar bevorsteht, z. B. wegen Kündigung, Räumungsklage, Zwangsräumung, eskalierten sozialen Konflikten oder Gewalt geprägter Lebensumstände (vgl. BAGW.de, 2017).
Deutschland: Anzahl der Menschen in Wohnungsnot
Da es in Deutschland keine bundeseinheitliche Wohnungsnotfall-Berichterstattung auf gesetzlicher Grundlage gibt, können lediglich Schätzungen über die Anzahl der Menschen in Wohnungsnot vorgelegt werden. Die BAG W schätzt, dass in Deutschland im Jahr 2016 ca. 420.000 Menschen ohne Wohnung waren – die Zahl berücksichtigt nicht die wohnungslosen anerkannten Flüchtlinge, wenn man diese mitzählt, ist von ca. 860.000 wohnungslosen Menschen auszugehen. Die folgenden Zahlen beziehen sich auf die Struktur der Wohnungslosigkeit abzüglich der wohnungslosen Flüchtlinge: Die Anzahl der Menschen, die ohne jede Unterkunft auf der Straße lebten, betrug 2016 ca. 52.000. Etwa 290.000 der wohnungslosen Menschen (70 %) waren alleinstehend, 130.000 (30 %) lebten mit Partnern und/oder Kindern zusammen. Die Anzahl der Kinder und minderjährigen Jugendlichen unter den Wohnungslosen wurde auf 32.000 (8 %) geschätzt (vgl. BAGW.de, 2018).
ASOG-Wohnheime
In Berlin ist die Unterbringung obdachloser Menschen in Wohnheimen oder Obdachlosenpensionen durch das Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG), ein Berliner Polizeigesetz von 1975 geregelt (gesetze.berlin.de, 2017).
In den deutschen Bundesländern gestaltet sich die Wohnungslosen- und Eingliederungshilfe unterschiedlich. Auch die Vernetzung und Schnittstellenarbeit zwischen den beiden Hilfesystemen ist deutschlandweit nicht einheitlich geregelt. So kann ich in diesem Buch keine generellen Aussagen über den bundesdeutschen Raum treffen, sondern beziehe mich – aus meiner Praxiserfahrung – auf die Beschreibung der Hilfesysteme in Berlin.
Um zu verstehen, was es bedeutet, in Berlin wohnungslos zu sein, braucht es Kenntnisse der Wohnungslosen- und Eingliederungshilfesysteme. In meinen Ausführungen fasse ich die beiden Systeme zusammen und trenne sie, wo es möglich ist und sinnvoll erscheint.
1.1