Women at work - Silke Rusch - E-Book

Women at work E-Book

Silke Rusch

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Beschreibung

Einerseits sind Frauen zunehmend in Fach- und Führungspositionen vertreten. Gleichzeitig stehen sie jedoch unter enormem inneren Druck. Tief verwurzelte Glaubenssätze und gesellschaftliche Normen führen oft zu Erschöpfung, Selbstzweifeln oder sogar psychischen Krisen, die ihre berufliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Dr. Silke Rusch deckt die verborgenen Muster auf, die Frauen in ihrer Karriere bremsen, und bietet praxiserprobte Methoden zur Überwindung dieser Barrieren. Sie beleuchtet die Ursprünge weiblicher Glaubenssätze und stellt wirkungsvolle Übungen vor, um die Work-Life-Balance zu verbessern und eine selbstbestimmte berufliche Vision zu entwickeln. Dieses Buch ist ein unverzichtbarer Begleiter für Frauen, die mental gestärkt ihre berufliche Entwicklung vorantreiben wollen. Inhalte: - "Ich genüge nicht", "Ich bin eine Rabenmutter", "Macht ist böse": Hinterfragung und Reflexion typischer Glaubenssätze, Impulse und Übungen zur Überwindung - Ein tiefgreifendes Verständnis für Symptome wie Erschöpfung, Ängste und Depressivität entwickeln - Praktische Übungen und gezielte Reflexionsfragen, um belastende Energiefresser zu identifizieren und loszulassen - Weibliche Überzeugungen und Führung: Reflexion über spezifische Barrieren und Möglichkeiten zur Entwicklung einer authentischen Führungsrolle

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

InhaltsverzeichnisHinweis zum UrheberrechtImpressumDas Buch und ichEinleitung1 »Erfolg ist, wenn alle zufrieden sind«2 »Geld ist nicht mein Thema«3 »Ich bin eine Rabenmutter«4 »Fleiß und Geduld bringen mich ganz nach oben«5 »Macht ist böse«6 »Ich wollte das so, jetzt muss ich da durch«7 »I can have it all«8 »Die anderen schaffen das doch auch«9 »Ich bin nicht genug«10 »Konflikte sind eine Katastrophe«11 »Ich bin eine Zumutung für andere«12 »Hochmut kommt vor dem Fall«13  »Ich habe nur positiven Stress«14 »Führung ist nichts für mich«15 »Die ahnen gar nicht, wie inkompetent ich bin«16 »Ich muss immer verfügbar sein«17 »Ich muss es allein schaffen«18 »Ich muss perfekt sein«Und nun?DankeDie AutorinEndnotenStichwortverzeichnis

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Print:

ISBN 978-3-648-18376-2

Bestell-Nr. 12176-0001

ePub:

ISBN 978-3-648-18377-9

Bestell-Nr. 12176-0100

ePDF:

ISBN 978-3-648-18378-6

Bestell-Nr. 12176-0150

Silke Rusch

Women at work

1. Auflage, März 2025

© 2025 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG

Munzinger Str. 9, 79111 Freiburg

www.haufe.de | [email protected]

Bildnachweis (Cover): © PeopleImages, iStock

Produktmanagement: Mirjam Gabler

Lektorat: Juliane Sowah

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Der Verlag behält sich auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

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Für Amadea

Wie die Welt von morgen aussehen wird, hängt in großem Maß von der Einbildungskraft jener ab, die gerade erst lesen lernen.

Sei frech und wild und wunderbar.

Astrid Lindgren

Für Laurens, Emil und Valentin

Your voice can change the world.

Barack Obama

Das Buch und ich

Während meiner nun 17-jährigen Laufbahn als Psychologin und Mutter haben sich einige Erkenntnisse aufgetan, die in keinem Lehrbuch stehen. So weit, so normal, könnte frau meinen. Denn wozu eignet sich die Lebensspanne besser als zum Erkenntnisgewinn!? Ich merkte schnell, dass ich – als weiblich gelesene Person – anderen Herausforderungen gegenüberstand als meine männlichen Kommilitonen und Kollegen. Diese Männer hatten vermeintlich dieselben Abschlüsse gemacht, betreuten dasselbe Kind, lauschten denselben Professorinnen und lebten einen ähnlichen (Berufs-)Alltag. Der Unterschied war: In mir existierten limitierende Gedanken, Ängste, Gewissensbisse, Zweifel, Scham und Schuldgefühle wie das Grundrauschen meines Lebens. Nicht immer bewusst und doch immer da.

Mit den Jahren lernte ich unzählige Patientinnen und später auch Klientinnen kennen, die im Schutz der Schweigepflicht Gedanken äußerten, die meinen eigenen sehr ähnlich waren. Viele von ihnen waren erschöpft, verzweifelt, an ihren gedanklichen Hürden fast zerbrochen. Während ich diesen Frauen intensiv zuhörte, ergab sich der Vorteil, das Phänomen von außen zu betrachten. Während ich mich selbst nur in Endlosschleife reflektieren und mit einem Fragezeichen versehen konnte, gelang es mir in der Arbeit mit meinen Patientinnen und Coachees, zum Kern vorzudringen. Aus der Vogelperspektive konnte ich wahrnehmen, dass fast alle Frauen über dieselben Drähte stolpern. Das erschreckte und empörte mich zugleich.

Wir leben in einer Welt, die vor Optionen nur so strotzt. Ein Marktplatz der Möglichkeiten. Mit jeder feministischen Errungenschaft ist dieser Marktplatz größer geworden – so scheint es. Frauen können, dürfen und sollen heute alles tun, worauf sie Lust haben. Gesetze und Strukturen scheinen diese Wahlfreiheit herzugeben, zumindest in vielen Fällen. Und doch sehen wir, dass viele Frauen überall in unserem Land erschöpft, frustriert oder ausgebrannt sind. Hoch qualifizierte, intelligente, wundervolle Frauen, die sich in diesem System aus Möglichkeiten einfach nicht gesund halten können. Denn sie hängen fest in gefährlichen, aufreibenden Glaubenssätzen, die nicht einfach ausgeknipst werden können, nur weil sich Gesetze verändert haben.

Ich wollte diese toxischen Glaubenssätze verstehen. Ich wollte durchdringen, warum berufstätige Frauen und Mütter so sehr mit ihren inneren Dämonen kämpfen, wo doch schon genug äußere im Raum stehen.

Die erste Erkenntnis war: Diese inneren Blockaden, Ängste und Limitationen werden nur sehr selten kommuniziert. Sie werden gedacht und gefühlt. Wenn Frauen mental erkranken, passiert dies für das Umfeld häufig aus heiterem Himmel. Eine Person, die nach außen hin »perfekt funktioniert« hat, kann plötzlich nicht mehr. Dass das innere Schlachtfeld schon lange tobt, bekommt im Außen meist kaum jemand mit.

Die zweite Erkenntnis: Die meisten sogenannten Female-Empowerment-Initiativen widmen sich in erster Linie politischen und systemischen Strukturen. Und diese Strukturveränderungen sind wichtig. Wir brauchen sie, denn sie sind nicht weniger als das Fundament für gesunde Erwerbs- und Sorgearbeit. Dazu gehört eine funktionierende und bezahlbare Kinderbetreuung ebenso wie der Abbau gläserner Decken und die faire Datenspeisung von KI (um nur drei Aspekte zu nennen). Doch es wird leider nach meiner Erfahrung oft vergessen, dass Frauen nicht als »unbeschriebene Blätter« in diese Realitäten eintauchen. Sie beherbergen Gedanken und Gefühle, die eine jahrzehntelange Sozialisation durchlaufen haben. Eine Sozialisation, die in vielen Fällen weder gerecht noch inklusiv, weder selbstwertdienlich noch ermächtigend war.

Sollte es deshalb nicht der logische erste Schritt sein, die Ursache der Erschöpfung und Unzufriedenheit zu beleuchten? Sollten sich Frauen nicht mental so aufstellen, dass sie all die (neuen) Möglichkeiten und Strukturen, die erkämpft wurden, für sich sondieren und bewerten können? Aus psychologischer Sicht braucht es diese innere Arbeit, um Sorge- und Erwerbsarbeit gesund durchlaufen zu können.

Im beruflichen wie im privaten Kontext treffe ich immer wieder auf Frauen, die sich mit dem, was »Feminismus« genannt wird, nicht (mehr) verbinden können. Denn dieser moderne Feminismus hat sich selbst kommerzialisiert. Er versucht, das alte Diktat tradierter Rollen in ein neues umzuformen. So entstehen neue, schädliche Glaubenssätze, die Frauen nicht empowern, sondern vielfach überfordern. Gegenbewegungen wie die sogenannte Tradwife-Community (oder Stay-at-Home Girlfriends) sind die Folge. Anstatt diese Phänomene zu preisen oder zu verurteilen, möchte ich als Psychologin vielmehr beleuchten, warum sie sich entwickeln.

Die Studienlage zur mentalen Gesundheit von Frauen ist bedrückend. Wir haben es mit einer nie da gewesenen Anzahl von Ausfalltagen aufgrund psychischer Erkrankungen zu tun, mit beruflichem oder elterlichem Burn-out, mit Frauen, die ihre Jobs der Belastung wegen reduzieren, Beförderungen ausschlagen oder Führungsrollen wieder abgeben. Die Frage »Schenkt oder raubt dir deine Arbeit Energie?« wird immer öfter mit einer Kündigung beantwortet.

Wenn wir diese Entwicklungen nicht einfach nur beobachten und immer weiter dokumentieren wollen, dann lohnt es sich, die Lupe auszupacken. Es ist mir ein Herzensanliegen, den Spot auf die Glaubenssätze von Frauen zu lenken, die in den gegebenen Systemen leben und arbeiten (müssen). Denn gesunde Überzeugungen sind ebenso wichtig wie Gesetze und gendergerechte Unternehmensstrukturen.

Aus Angst, die Verantwortung auf das Individuum abzuwälzen, wird die weibliche Informationsverarbeitung nur selten adressiert. Zu einer Transformation gehört jedoch immer auch (!) die Übernahme von Eigenverantwortung. Frauen dürfen sich aktiv damit auseinandersetzen, was in ihren Köpfen und Seelen vor sich geht. Diese Verantwortung für die eigenen Gefühle und Gedanken zu übernehmen, bedeutet nicht, schuldig zu sein. Frauen haben sich diese Glaubenssätze weder ausgesucht noch sind sie selbst daran schuld. Dass sie sich im Hier und Jetzt darum kümmern müssen, ist eine denkbar undankbare Angelegenheit. Und doch sollten wir alle diese Aufgabe umarmen – denn Verantwortung bedeutet auch Macht. Wer sich mit seiner Seele auseinandersetzt und die eigenen Gedanken autark steuert, gewinnt die Macht über das eigene (Berufs-)Leben zurück. Das ist der Inbegriff von Selbstwirksamkeit. Deshalb möchte ich alle Frauen ermutigen: Auch wenn das, was Sie denken oder fühlen, noch so absurd erscheint – sehen Sie es sich genau an. Sie können nur gewinnen.

In den folgenden Kapiteln geht es um Überzeugungen, die ich während meiner Arbeit mit Hunderten von Frauen, in Gesprächen mit guten Freundinnen oder in mir selbst aufgespürt habe. Da die Kollektion den Rahmen dieses Buches deutlich gesprengt hätte, musste ich eine Selektion vornehmen. Die Auswahl umfasst jene Glaubenssätze, die mir am häufigsten begegnet sind und die sich im psychologischen Sinne als besonders schädlich erwiesen haben.

Wenn in diesem Buch von »weiblichen Glaubenssätzen« die Rede ist, handelt es sich um Überzeugungen, die gehäuft bei weiblich identifizierten Personen auftreten. Das schließt zum einen nicht aus, dass auch männliche oder non-binäre Personen von diesen Überzeugungen betroffen sein können. Die Ursachen und die Folgen sind für sie jedoch häufig andere. Zum anderen ist mir bewusst, dass Glaubenssätze kein Geschlecht haben. Die explizite Verwendung von binären Pronomen in diesem Buch zielt einzig darauf ab, eine Kontrastierung vorzunehmen. Ansonsten wird bewusst die weibliche Form verwendet.

Sich den eigenen, inneren Überzeugungen zu stellen, ist nicht leicht. Denn diese muten oft unerschütterlich an. Sie okkupieren unser Denken und Handeln – und weil sie so glaubhaft und selbstverständlich daherkommen, hinterfragen wir sie selten. Besonders wenn wir uns in einer Krise befinden, neigen wir dazu, immer mehr des Gewohnten zu tun. In der Neuropsychologie sagt man: »What fires together wires together«1 – eine Anspielung auf den Umstand, dass unser Gehirn Nervenzellen, die oft gemeinsam aktiviert werden, miteinander verdrahtet. So entstehen superschnelle Datenautobahnen, die innerhalb kürzester Zeit ein eingespieltes Programm aus Reizverarbeitung und Handlung abspulen. Darum fällt es uns nach einiger Zeit schwer, die Autobahn, die unser Gehirn angelegt hat, zu verlassen und Gedanken separat zu betrachten, um gegebenenfalls anders zu reagieren. Ein solcher Vorgang kostet viel Mühe und Energie. In letzter Instanz entscheiden Sie, ob Sie die Zeit und Energie investieren möchten, um die weiblich etablierten Datenautobahnen in Ihrem Kopf zu unterbrechen und zu hinterfragen. Die Alternative ist, mit 180 auf der Überholspur zu bleiben und über Ihre mentalen Abkürzungen durchs Leben transportiert zu werden. Ich persönlich finde es sehr viel reizvoller, ab und an langsamer zu fahren und zu prüfen, ob mich diese Autobahn noch dorthin führt, wo ich sein möchte. Augenscheinlich sind viele Frauen aktuell nicht dort, wo sie – beruflich wie persönlich – gern wären.

Als Autorin geht mein Herz auf, wenn auch nur eine Frau dieses Buch liest und dadurch die mentale Belastung ihrer beruflichen und privaten Rollen reduzieren kann. Wenn auch nur ein Ally dieses Buch liest, der dadurch seine Kollegin, Angestellte, Schwester oder Partnerin besser versteht. Mir ist bewusst: Ein Buch ist nicht das Ende – aber es kann der Anfang von etwas sein.

Dr. Silke Rusch

Marburg, November 2024

Einleitung

INSIDE WORK

Wie sieht es aus in unserem Land? In welchen Verhältnissen arbeiten Frauen? Auf welche Probleme stoßen sie? Haben sie echte Wahlfreiheit hinsichtlich ihrer Karrieren? Und wie ist es um die mentale Gesundheit von Frauen und Müttern in all ihren Tätigkeiten bestellt?

In den letzten drei Jahren habe ich mich all diesen Fragen ausführlich gewidmet. Vielen davon bin ich auch in meinem Podcast Psychologie @work nachgegangen, der seit 2021 on air ist. Lassen Sie uns also die sinnbildliche Lupe auspacken und zunächst den Status quo erfassen. Er ist ein wichtiger Rahmen, den wir im Hinterkopf haben sollten, wenn wir uns später den weiblichen Glaubenssätzen zuwenden.

Gleichberechtigung! Gleichberechtigung?

Deutschland prangt auf Rang 7 (von 146), wenn es darum geht, den Gender-GapGender-Gap, die Kluft in der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, zu beschreiben. Laut Weltwirtschaftsforum ist diese Lücke in unserem Land zu 81 % geschlossen.2 Man könnte also meinen, wir seien auf einem guten Weg und Frauen würden (fast) schon genauso leben, partizipieren und arbeiten wie Männer.

Blicken wir auf das Einkommen und den sogenannten Gender-Pay-GapGender-Pay-Gap, revidiert sich dieser Eindruck schnell, denn die Lohndifferenz zwischen Mann und Frau liegt pro Stunde noch immer bei 18 %.3 Für Teilzeitstellen fällt die Lücke Part-time Wage Gap(Part-time Wage Gap) noch drastischer aus und beträgt etwa 30 %. Während nur 9 % der Väter in Teilzeit arbeiten, leiden gerade Mütter unter dieser Ungerechtigkeit – von ihnen arbeiten gut zwei Drittel (67 %) nach diesem Arbeitsmodell.4

Die niedrigere Bezahlung von Frauen hat jedoch nicht nur mit dem Stellenanteil zu tun, sondern auch mit den Sektoren, in denen sie vorwiegend tätig sind. So liegen erzieherische, pflegerische, hauswirtschaftliche und Bürotätigkeiten nach wie vor auf den Rängen mit dem höchsten Frauenanteil. Die sogenannten personenbezogenen Dienstleistungen sind gleichzeitig die Berufe, die in unserer Wirtschaft pro Stunde am schlechtesten vergütet werden, obwohl sie allesamt als systemrelevant gelten können. Auch Körperpflege und Verkauf sind Sektoren, die zu etwa 70 bis 80 % weiblich besetzt sind.5

Bis heute erledigen Frauen im Schnitt 44,3 % mehr Sorgearbeit (Care-Arbeit) pro Tag als ihre männlichen Partner. Sie verbringen laut Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BFSFJ) 30 Stunden pro Woche mit unbezahlter Arbeit, was umgerechnet einer 80-%-Stelle entspricht.6 Während Frauen meist zwölf Monate oder länger Elternzeit nehmen, sind es bei den Vätern noch immer hauptsächlich die zwei Partnermonate – jedoch stellen über 55 % von ihnen erst gar keinen Antrag. Erst wenn Väter drei Monate oder länger in Elternzeit gehen, übernehmen sie laut Studienlage auch signifikant mehr Care-Aufgaben. Das tun in der Realität jedoch nicht einmal 10 %.7

Dieser Umstand erklärt, dass Frauen in 27 % der Fälle angeben, ihren Job aufgrund familiärer Pflichten zu reduzieren (bei Männern sind es 6 %).8 Insgesamt führen die genannten Gaps und Unterschiede dazu, dass Frauen nur etwa 50 % des Lebenserwerbseinkommens von Männern erreichen.9 Etwa jede fünfte Rentnerin ist heute von Altersarmut betroffen. Im Jahr 2023 erhielten Frauen im Schnitt eine Rente von 900 Euro, Männer hingegen von 1350 Euro.10

Auf der Businessplattform LinkedIn hat Franziska Büschelberger im April 2024 das fiktive Unternehmen Unpaid Care Work ins Leben gerufen, um auf die unbezahlten Leistungen Erziehender und Pflegender aufmerksam zu machen. Denn gerade im Businesskontext wird Care-Arbeit häufig mit wirtschaftlicher Schwäche assoziiert und von den Sorgearbeitenden aus Angst vor Diskriminierung sogar verschwiegen. Dabei wird übersehen, dass während unbezahlter Sorge- und Pflegearbeit über Jahre hinweg informelles Lernen stattfindet und eine Vielzahl an Kompetenzen aufgebaut werden. Deshalb hat Franziska Büschelberger Unpaid Care Work nicht nur als Unternehmen, sondern auch als Bildungseinrichtung auf LinkedIn eingetragen. Personen in Eltern- oder Pflegezeit können das nun, wie jeden anderen legitimen Arbeitgeber, in ihrem Lebenslauf unter Berufserfahrungen oder Ausbildungsstätte angeben. Das fiktive Unternehmen hat große Resonanz erzeugt und dem Thema unbezahlte Sorgearbeit immense Sichtbarkeit verschafft. Aktuell haben bereits über 3150 LinkedIn-Nutzerinnen und -Nutzer Unpaid Care Work als eine ihrer Arbeitgeberinnen beziehungsweise Ausbilderinnen aufgeführt und über 14.000 Personen folgen dem Unternehmensprofil.11

Frauen und Führung

Auch im Bereich Female LeadershipFemale Leadership tun sich viele Widersprüche auf. Frauen machen 51 % der Bevölkerung aus, bekleiden jedoch nur 24 % der Führungsposten in unserem Land. In der Vorstandsetage der DAX-Konzerne sind es bloß noch 19 %, in den Aufsichtsräten halten Frauen 37 % der Mandate (hier greift seit 2016 die gesetzliche Quotenregelung für große Unternehmen). Allerdings tendieren Unternehmen seither dazu, exakt eine Frau in den Aufsichtsrat zu berufen (so gesehen bei 80 von 105 DAX-Aufsichtsräten). Blickt man auf den CEO-Posten, stellt man fest: Obwohl 19,7 % des Vorstandes Frauen sind, sind lediglich 2,5 % der Vorstandsvorsitzenden weiblich, sprich 97,5 % der CEOs sind männlich. Fun Fact: Es gibt unter den Vorstandsvorsitzenden mehr Personen mit dem Vornamen Christian, als es Frauen gibt. Der Trend setzt sich also in der Wirtschaft und der Politik unverändert fort: Je mächtiger die Führungsposition, desto unwahrscheinlicher eine weibliche Besetzung.12

Der Bericht der AllBright Stiftung (2022) wies aus, dass 15 % der Vorständinnen ihr Mandat binnen des letzten Jahres abgegeben hatten.13 Auch wenn die Gründe hierfür vielschichtig sein mögen, zeigt sich diese Entwicklung ebenso bei anderen Führungspositionen. Frauen verlassen, wenn sie im Management tätig sind, erheblich häufiger den Job als ihre männlichen Kollegen.14

Führungsfrauen sind effektiv

Studien belegen, dass Frauen in Führungsrollen ebenso erfolgreich sind wie Männer. Bisweilen wenden sie sogar ein effektiveres Führungsverhalten an. Sind Frauen Inhaberin eines Unternehmens, weisen diese Unternehmen der Befundlage nach einige spezifische Vorteile auf:15

Sie bieten mehr Trainings, Rentenabdeckung und Versicherungen an.

Sie offerieren Frauen und Jugendlichen mehr Anstellungsoptionen.

Sie sind innovativer als Unternehmen mit männlichen Inhabern.

Das Credit Suisse Research Institute führte 2016 eine weltweite Untersuchung in 3000 Unternehmen durch und konnte zeigen, dass ein höherer Anteil von Frauen in der Geschäftsleitung mit einem höheren Aktienkurs einherging.16 McKinsey bestätigte dieses Ergebnis zwei Jahre später. »Gender-Diversität in der Geschäftsführung« war auch in ihrer groß angelegten Studie einer der bedeutsamsten Aufklärer für Unternehmenserfolg. Firmen, die sich bezüglich Gendervielfalt im obersten Quartil befanden, hatten eine 15 % höhere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein (gegenüber jenen aus dem untersten Quartil).17

Mentale Frauengesundheit

Vor dem Hintergrund der genannten Arbeitsrealität drehen wir nun den Spot in eine andere Richtung. Es ist eine Richtung, in die wir nicht gern schauen in unserem reichen Land mit all den beruflichen Optionen, die sich vermeintlich für alle bieten.

Aus psychologischer Sicht ist es jedoch höchste Zeit, den Finger in die Wunde zu legen: Die psychische Belastung von Frauen war noch nie so ausgeprägt wie aktuell. Das Robert Koch-Institut (RKI) berichtet eine Stagnation auf hohem Niveau seit 2020 für die deutsche Gesamtbevölkerung, wobei für Frauen stets höhere Werte verzeichnet werden.18

Psychische Erkrankungen belegen bei Frauen den traurigen zweiten Platz des Fehlzeiten-Rankings (bei Männern Rang 3). Sie machen mittlerweile fast 18 % der Arbeitsunfähigkeitstage aus und führen im Vergleich zu anderen Krankheiten zu besonders langen Ausfallzeiten.19 Eine niederländische Studie zeigt, dass Frauen im Falle von Langzeiterkrankungen eine signifikant längere Genesungsdauer aufweisen als männliche Arbeitnehmer. Besonders in den ersten Monaten war ihre Recovery Rate deutlich geringer, erst später glichen sich die Genesungsraten zwischen den Geschlechtern wieder an.20 Doch schauen wir in den Joballtag hinein, für den es aussagekräftige ­Studienbefunde gibt.

Mentale Belastungsfaktoren im Job

Belastungsfaktoren, mentaleDas Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte befragte 2024 in der groß angelegten Studie Women @Work 5000 Frauen aus zehn Ländern hinsichtlich ihrer arbeitsplatzbezogenen Stressoren.21 Aufgrund des großen aktuellen Datenpools und der Vielzahl an untersuchten Facetten möchte ich die wichtigsten Ergebnisse nennen. Sie vermitteln sehr differenziert, wie es Frauen im Arbeitskontext aktuell geht und was ihre Herausforderungen sind. So viel vorweg: Die Belastungsquellen sind vielfältig.

Belastungsfaktoren, StressStress. Etwa die Hälfte der Frauen gab an, gestresster zu sein als noch vor einem Jahr. Nur 45 % bezeichneten ihre mentale Verfassung als gut oder sehr gut – diese Zahl sank auf 23 % in der Gruppe der Frauen, die regelmäßig Überstunden leisten mussten. Fast ein Viertel der Befragten fühlte sich zum Erhebungszeitpunkt ausgebrannt und 33 % sagten, dass sie im letzten Jahr aufgrund von psychischen Problemen schon einmal ausgefallen sei. Gehörten die Frauen einer ethnischen Minderheit an, vergrößerte sich diese Anzahl sogar auf 46 %.

Belastungsfaktoren, SorgearbeitSorgearbeit. Nur 26 % der befragten Frauen sagten, dass die Care-Arbeit paritätisch zwischen ihnen und ihren Partnern aufgeteilt sei. Wenn es um pflegebedürftige Erwachsene ging, trugen ihre Männer nur in 5 % der Fälle die Hauptverantwortung. 30 % der Frauen bevorzugten laut eigener Angabe, die Hauptsorgeverantwortung zu tragen, doch nur 8 % sagten, »Ich habe es bewusst so entschieden«. Frauen, die die Sorgearbeit hauptsächlich allein erledigten, gaben bedeutend seltener eine gute mentale Gesundheit an.

Belastungsfaktoren, fehlende InklusionFehlende Gender-Vielfalt und Inklusion. Etwa ein Viertel der Befragten berichtete, unter einem diversen Leadership-Team zu arbeiten. Allerdings hatten nur 12 % den Eindruck, dass sie ein nicht inklusives Vorgehen oder Mikroaggressionen ansprechen könnten, und lediglich 9 % waren zuversichtlich, dass in diesem Falle konkrete Maßnahmen erfolgen würden.

Belastungsfaktoren, Menstruation/MenopauseMenstruation, Menopause und Infertilität. Diese Faktoren können eine große Belastung für Frauen im Arbeitskontext darstellen. 42 % beziehungsweise 39 % aller befragten Frauen gaben an, während der Arbeit hohe Schmerzlevel aufgrund ihrer Periode beziehungsweise der Menopause zu erleiden und trotzdem weiterzuarbeiten. Etwa ein Fünftel sei wegen derartiger Beschwerden schon einmal der Arbeit ferngeblieben, ohne zu offenbaren, warum.

Etwa ein Drittel der Frauen fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, mentale oder gynäkologische Probleme bei ihren Vorgesetzten anzusprechen. Jede Fünfte befürchtete, dass sich dadurch ihre Karrierechancen verschlechtern könnten. Eine von zehn habe bereits die Erfahrung gemacht, dass sich eine solche Selbstöffnung negativ auf die eigene Laufbahn ausgewirkt hätte.

Belastungsfaktoren, ArbeitsbedingungenArbeitsbedingungen und -strukturen. Etwa 30 % der Frauen gaben an, dass sie keine vorhersehbaren, selbstbestimmten oder flexiblen Arbeitszeiten hätten. Rund die Hälfte war entweder gerade auf der Suche nach einem neuen Job oder plante, nur noch ein bis zwei Jahre in ihrem Unternehmen zu bleiben. Diese Frauen nannten eine schlechte Bezahlung, eine geringe Work-Life-Balance und mangelnde Flexibilität als Gründe, die sie zum Gehen veranlassen würden. Besonders besorgniserregend: 16 % (und damit mehr als im Jahr zuvor) berichteten, dass sie ihr Unternehmen kürzlich aufgrund von Übergriffen und/oder Mikroagressionen verlassen hatten.

Fast jede fünfte Frau beklagte, oft mehr Stunden zu arbeiten als vereinbart. In dieser Gruppe waren das Wohlbefinden, die Arbeitszufriedenheit, Produktivität, Motivation, das Zugehörigkeitsgefühl und die Loyalität gegenüber den Vorgesetzten in der Gruppe der sogenannten Overworker signifikant niedriger.

Psychische Erkrankungen

Erkrankung, psychischeIn meiner Arbeit in der Akutpsychiatrie sehe ich jeden Tag belastete Frauen »im Endstadium«. Sie kommen bei uns an, nachdem subjektiv nichts mehr geht. Bisweilen so überarbeitet, ausgezehrt und krank, dass ihnen selbst das Sprechen oder die Nahrungsaufnahme schwerfällt. Sie bewegen sich über die Station wie leere Hüllen, freudlos und taub. Oder es sind Frauen, die kaum still sitzen können, weil sie so viel Stresshormone im Körper haben, dass sie hinter jeder Ecke eine Bedrohung wittern. Sie schlafen kaum, dafür trinken und rauchen sie umso mehr, um diesen Zustand subjektiv irgendwie aushalten zu können.

In eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung zu kommen, kostet die meisten Frauen extrem viel Überwindung. Sie versuchen, es zu vermeiden, solange es nur geht. Manchmal halten sie sich für schwach oder schämen sich dafür, dass sie diese Hilfe benötigen. Sie sind es gewohnt zu funktionieren. Oft arbeiten sie bereits mehrere Monate (manchmal sogar Jahre) mit diversen Symptomen weiter, um nicht anzuhalten. Denn anzuhalten – so erscheint es manchmal – würde bedeuten, die Misere fühlen zu müssen. Wenn diese Frauen vor mir sitzen, sind sie bisweilen schon lebensbedrohlich krank. Sie sind festgefahren in einer Erschöpfungsdepression. Ängste, Zwänge, Süchte oder Suizidgedanken haben ihr Leben fest im Griff.

Depressionen

DepressionFrauen erkranken etwa doppelt so häufig an Depressionen wie Männer. Ihr Risiko, an mehreren psychischen Krankheiten gleichzeitig zu leiden (die sogenannte KomorbiditätKomorbidität), ist ebenfalls erhöht. Die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen mindestens einmal in ihrem Leben an einer Depression erkranken, liegt bei etwa 20 %. Hier gibt es zum Teil bedeutsame geografische Unterschiede.22

Generell gehen Depressionen mit Antriebsarmut, gedrückter Stimmung und dem Verlust von Freude und Interessen einher. Hinzu kommen kognitive Störungen zum Beispiel der Merkfähigkeit, Konzentration und Auffassungsgabe. Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl sinken meist drastisch. All diese Symptome führen dazu, dass betroffene Personen ab einem gewissen Schweregrad nicht mehr arbeitsfähig sind. Sie sind nicht in der Lage, morgens aufzustehen, empfinden keine Motivation oder Freude mehr, sind anfällig für Fehler und trauen sich die Verrichtung ihrer Tätigkeit nicht mehr zu.

Beim Einstieg in die Perimenopause, also um das 40. Lebensjahr herum, steigt das Risiko, eine depressive Erkrankung zu bekommen, um das Zweifache an. Insgesamt stellen hormonelle Transformationen (zum Beispiel während oder nach der Schwangerschaft, aber auch im Falle von Hormonbehandlungen) vulnerable Phasen dar.

In einer großen Studie fand man zudem heraus, dass Frauen häufiger von sogenannten Depression, atypischeatypischen Depressionen betroffen sind, die tendenziell früher auftreten und mit einem schwereren Symptombild einhergehen.23 Fast 40 % aller Depressionen sind atypisch. Dieser Subtyp ist mit vermehrtem Schlaf, gesteigertem Appetit und Gewichtszunahme assoziiert – gegenüber der typischen Variante, die entgegengesetzte Symptome produziert.

Ängste

AngststörungAngstEtwa 6 % aller Frauen im erwerbsfähigen Alter leiden an einer Angststörung.24 Wenn Frauen erkranken, haben sie im Gegensatz zu Männern mehr und schwerere Symptome und erleben subjektiv einen größeren Einschnitt durch die Ängste.

In Bezug auf Schule, Studium und Berufstätigkeit ist die Phobie, sozialesoziale Phobie besonders hervorzuheben, da die Symptome die Patientinnen auch in ihrer professionellen Tätigkeit häufig stark beeinträchtigen. Die Interaktions- und Kommunikationsfähigkeit ist stark eingeschränkt, was ihnen oft große Probleme in der akademischen Laufbahn bereitet. Es ist keine Seltenheit, dass Erkrankte die Schule oder das Studium abbrechen, Urlaubssemester einreichen oder über massive Störungen im Berufsalltag berichten, zum Beispiel keine Präsentationen halten zu können oder Vorstellungsgespräche absagen zu müssen.

Frauen sind mit einer PrävalenzratePrävalenzrate (einer Kennzahl für die Häufigkeit einer Krankheit) von 6,5 % auch hier wesentlich häufiger betroffen als Männer. Aufgrund der genannten höheren Komorbiditätsrate erkranken sie parallel auch häufiger an einer Depression oder anderen Leiden und sind öfter von Todeswünschen belastet. Ein Review aus dem Jahr 2017 zeigt, dass Frauen mit sozialer Phobie in vielen berufsbezogenen Bereichen größere Ängste aufweisen als Männer – beispielsweise vor Autoritäten, dem öffentlichen Sprechen, bei der Arbeit beobachtet zu werden, Beschwerden oder Reklamationen zu tätigen, interviewt oder als Expertin gehört zu werden. Die Forschenden Cantilino & Fonseca Zambaldi formulieren deshalb: »[…] their fear has a greater ­negative impact on their professional lives«.25

Dass ich in diesem Kapitel vertiefend auf Angststörungen und Depressionen eingegangen bin, bedeutet nicht, dass nur diese Erkrankungen im (Arbeits-)Leben von Frauen relevant sind – es sind bloß die häufigsten. Es würde den Rahmen sprengen, auf alle Krankheitsbilder detailliert einzugehen. In den Kapiteln zu den einzelnen Glaubenssätzen erfahren Sie weitere Zusammenhänge, sofern sie für die jeweilige Überzeugung relevant sind.

Warum diese Geschlechterunterschiede?

Sie haben in den vorherigen Abschnitten gelesen, dass Frauen viele Belastungen im Arbeitsumfeld erleben und in mehrfacher Hinsicht ein höheres Risiko haben, mental zu erkranken. Vielleicht stellen Sie sich die legitime Frage, warum das so ist. GeschlechterunterschiedeGeschlechterunterschied entstehen immer multikausal – das heißt, es gibt nicht den einen Grund, der zu diesen Unterschieden führt. Wir Psychologinnen sprechen stets von einem Krankheitsmodell, bio-psycho-sozialesbio-psycho-sozialen Krankheitsmodell. Die Vorstellung ist, dass biologische, psychologische und soziale Faktoren gleichsam eine Rolle bei der Entstehung von Krankheiten spielen.

GenetikGenetik. Für einige Erkrankungen sind unsere Gene mitverantwortlich. Hier ist zum Beispiel die SchizophrenieSchizophrenie zu nennen, die bei Männern deutlich häufiger auftritt. Auch Depressionen und Angststörungen besitzen genetische Marker. Allerdings sind diese genetischen Effekte schwer zu greifen, da sie meist an vielen verschiedenen Genorten lokalisiert sind. Es gibt nicht »das eine Gen«, das Frauen depressiv oder Männer schizophren macht. Man weiß heute außerdem, dass unsere genetische Ausstattung nicht bloß einseitiger Impulsgeber für bestimmte Reaktionsweisen ist. Das Fachgebiet der sogenannten Epigenetik ist damit beschäftigt, diese Umwelt-Gen-Wechselwirkungen zu erforschen. So kann es beispielsweise vorkommen, dass das gleiche Gen durch bestimmte Bedingungen (wie Stress, Umwelt, Ernährung) bei Person X aktiv wird, während es bei Person Y inaktiv bleibt.

HormoneHormone. Dass Frauen besonders in hormonellen Umbruchsphasen erkranken, ist kein Zufall. Östrogen wird generell eine schützende Wirkung zugeschrieben, die mit Eintritt der Perimenopause relativ schnell wegbricht. Auch nach einer Geburt fallen Östrogen und Progesteron rasant ab, was das subjektive Gefühl von Überforderung auslösen oder verstärken kann. Ebenso fällt die Freisetzung von Cortisol, einem Stresshormon, bei Männern und Frauen unterschiedlich aus, was eine geschlechtsspezifische Stresswahrnehmung und -verarbeitung widerspiegelt. Allerdings sind auch Hormonwirkungen nie alleinige Auslöser für eine psychische Erkrankung. Sie können jedoch Stimmungsveränderungen herbeiführen, die ihrerseits bestimmte Verhaltensweisen begünstigen.

SozialisationSozialisation. Mädchen und Jungen durchlaufen noch immer eine maßgeblich andere Sozialisation. Bei Mädchen werden beispielsweise einige Verhaltensweisen sanktioniert, die einen positiven Einfluss auf das Selbstvertrauen hätten. Zur Sozialisation gehört jedoch auch die gesellschaftliche und kulturelle Einbettung. Mädchen wachsen (weiterhin) in Strukturen auf, die aufgrund vorherrschender Führungsverhältnisse von Männern für Männer gestaltet wurden. Auch wenn diese Marginalisierung – nicht nur in unserem Land – nicht immer offenkundig ist, findet sie trotzdem statt. Mädchen nehmen wahr, dass männliche Personen mehr Privilegien haben, da diese zum Beispiel besser verdienen, eher ernst genommen werden oder mächtige Positionen besetzen. Sie entwickeln durch die genannten Aspekte wahrscheinlicher bestimmte Vulnerabilitäten wie ein Gefühl von Ohnmacht, ein geringeres Selbstwertgefühl, höheren KonformitätsdruckKonformitätsdruck oder ein negatives Selbstkonzept. Auch weibliche RollenmodelleRollenmodell haben großen Einfluss. Mädchen nehmen wahr, wie unterwürfig, zurückgenommen, angepasst sich erwachsene Frauen in ihrem Umfeld verhalten oder welche Konsequenzen es hat, wenn sie es nicht tun.

Keiner dieser Faktoren wirkt für sich allein. Sie stehen in kontinuierlicher Wechselwirkung, gemeinsam mit anderen systemischen und strukturellen Variablen wie beispielsweise der partnerschaftlichen oder finanziellen Situation, der Unternehmenskultur und dem Machtgefüge.

Ein Fazit aus psychologischer Sicht

Um Belastungen und Limitationen von Frauen im Beruf zu reduzieren, müssen wir die Situation ganzheitlicher betrachten.

Wenn Politik und Wirtschaft die hohe mentale Belastung und den angeblich mangelnden Führungsantrieb von Frauen zu erklären versuchen, werden meist juristische und strukturelle Faktoren in den Fokus genommen. Mit der ersten Säule – neuen Gesetzen, zum Beispiel im Steuerrecht oder in Bezug auf Elternzeitvorgaben – wird versucht, quantitativen Ungerechtigkeiten beizukommen. Als zweite Säule bezeichne ich Änderungen in gesellschaftlichen oder Unternehmensstrukturen. Hier sind beispielsweise Betriebs-Kitas, Frauennetzwerke oder Förderprogramme zu nennen, die Frauen befähigen sollen, ihre Karrieren fortzuführen oder auszubauen. Beides sind notwendige Schritte. Man ignoriert damit jedoch, wenn es dabei bleibt, die dritte Säule: die psychischen Variablen. Es wird so getan, als spielte die Gedanken- und Gefühlswelt keinerlei Rolle bei der Frage, ob sich eine Frau in ihrem Job entfalten, wohlfühlen und ihren Fähigkeiten gemäß einbringen kann.

Dass das ein sehr einseitiger Blickwinkel mit vielen blinden Flecken ist, dürfte klar geworden sein. Die dritte Säule, die psychische Konstitution von Frauen, ist nicht nur eine Konsequenz, sie ist gleichermaßen auch eine Ursache ihres Leidensdrucks. Daher müssen wir sie neben gendergerechten Gesetzen und komfortablen Strukturen zwingend mit in die Gleichung aufnehmen.

UNSERE GLAUBENSSÄTZE

GlaubenssätzeIm folgenden Abschnitt möchte ich für Sie und mit Ihnen die Säule unserer psychischen Verarbeitung (Säule 3) näher betrachten. Glaubenssätze – verstanden als innere Überzeugungen (engl. beliefs) – bilden einen wichtigen Teil dieser Verarbeitung.

Doch was sind Glaubenssätze eigentlich genau? Wie entstehen sie? Warum sind sie so hartnäckig? Wozu sind sie gut? In diesem Abschnitt gehe ich auf all diese Fragen ein, damit Sie ein Gespür dafür bekommen, wo und wie Glaubenssätze einzusortieren sind. Denn ich bin überzeugt: Es empfiehlt sich, seine mentalen Gegner gut zu kennen.

Wie unsere Psyche gestrickt ist

In der Verhaltenstherapie gehen wir davon aus, dass fast alles, was wir tun, irgendwann im Verlauf unseres Lebens erlernt wurde. Andere Ansätze, zum Beispiel die systemische oder die Tiefenpsychologie, nehmen diesbezüglich eine andere Perspektive ein. Auf Schulenunterschiede soll an dieser Stelle jedoch nicht eingegangen werden, da sie für unser Thema keine Relevanz haben. Für einige Verhaltensweisen würden Sie die lerntheoretische Annahme vermutlich ohne Umschweife unterschreiben – für das Fahrradfahren zum Beispiel oder das Essen mit Besteck. Für ein anderes Verhalten leuchtet Ihnen diese Logik vielleicht nicht unmittelbar ein: wie wir über uns selbst denken, welchen Preis wir für unsere Dienstleistung festsetzen, ob wir unsere Erfolge feiern. Doch auch das kann man im psychologischen Sinne als erlernte Verhaltensweisen bezeichnen. Wie genau dieses Lernen stattfindet, wird im Abschnitt »Glaubenssätze – das Making-of« erläutert.

Prozess, psychischerUnsere psychischen Prozesse können wir in drei Bereiche unterteilen:

unsere Gefühle (Emotionen),

unser Verhalten und

unsere Kognitionen.

Prozess, psychischer, GefühlGefühle sind unsere »Tankleuchten«. Sie lassen uns spüren, wie wir eine Situation finden und veranlassen uns zu einer Handlung. Prozess, psychischer, VerhaltenVerhalten ist das, was wir entschieden haben zu tun oder nicht zu tun. Auch eine Vermeidung, die von außen nicht beobachtbar ist, ist somit ein Verhalten. Prozess, psychischer, KognitionUnter Kognitionen versteht man das gesamte Spektrum der geistigen Informationsverarbeitung, zum Beispiel unser Wissen, Bewertungen, Gedanken, Einstellungen, Urteile oder Gedächtnisprozesse. Unsere Glaubenssätze sind demnach dem kognitiven Bereich zuzuordnen. Die drei Bereiche bestehen aber nicht als unabhängige Entitäten, sondern als ein funktionales System, in dem sie immerzu miteinander interagieren.

Wir sind ganzheitliche Wesen und wir reagieren oft innerhalb weniger Sekunden. Sogenannte subliminale ProzesseProzess, subliminaler, also Wahrnehmungen, derer wir uns gar nicht bewusst sind, passieren sogar im Millisekundenbereich. Deshalb kann es mitunter sehr schwierig sein, KognitionenKognition, EmotionenEmotion und VerhaltenVerhalten getrennt zu betrachten oder die zeitliche wie psychische Abfolge einer Handlung zu rekonstruieren.

Dieser Umstand ist für unser Thema relevant, denn Sie registrieren in der Regel nicht bewusst, wenn Sie ein Verhalten aufgrund einer vorherigen Kognition ausführen. Für uns ist meist das Gefühl präsent, sodass Patientinnen zum Beispiel beschreiben: »Ich hatte so viel Angst vor dem Mann, dass ich weggelaufen bin.« Dass es zuvor einen Gedanken gab (»Der sieht so aus wie der Täter!«), ist häufig erst auf gezielte Nachfrage rekonstruierbar.

Die folgende Abbildung deutet eine typische Verhaltenssequenz an. Sie schauen in den Spiegel und denken: »Ich sehe furchtbar aus!« Das ist eine Kognition (Wahrnehmung + bewertender Gedanke). Diese Feststellung macht Sie traurig oder beschämt Sie (Gefühl), woraufhin Sie Anti-Aging-Creme auftragen und den Spiegel eine Weile meiden (Verhalten).

An diesem Beispiel können wir bereits einige wichtige Grundlagen herausarbeiten:

Es existiert kein Verhalten, ohne dass auch Emotionen und Kognitionen im Spiel sind. Wir handeln, weil wir eine Situation in bestimmter Weise bewertet oder beurteilt haben.

Führt ein Reiz zu unangenehmen Gefühlen, wenden wir uns von ihm ab oder gehen aggressiv gegen den Reiz selbst (meist jedoch gegen die Gefühle) vor. Entstehen positive Emotionen, wenden wir uns dem Reiz eher zu.

Die drei Bereiche beeinflussen sich gegenseitig. Verhalten wir uns auf eine bestimmte Art und Weise, hat dieses Verhalten erneut Einfluss auf das, was wir im Nachgang denken und fühlen.

Es wird deutlich, dass wir in einer Situation verschiedene Ansatzpunkte haben, um Einfluss auf diesen Kreislauf zu nehmen. Solche Sequenzen laufen zwar meist sehr schnell ab, doch sie sind niemals automatisiert (denn dann wären es Instinkte oder Reflexe).

Die Macht unserer Gedanken

Was heißt das nun genau, dass wir »Einfluss nehmen« können? Dazu möchte ich Ihnen eine kurze Geschichte erzählen.

Brunhilde kommt nachmittags von der Arbeit nach Hause, schließt ihre Wohnungstür auf und wird freudig von ihrem Mann Dieter begrüßt. Er steht im Eingangsbereich mit einem wunderschönen Strauß langstieliger, roter Rosen. Brunhilde erstarrt: »Der Mistkerl – der hat ein schlechtes Gewissen. Sicher hat er wieder mit der Nachbarin geflirtet!« Wutentbrannt gibt sie ihrem Mann eine Ohrfeige, wirft die Blumen auf den Boden und lässt Dieter im Hausflur stehen.

Doch es gibt noch eine zweite Variante dieser Geschichte.

Brunhilde kommt nachmittags von der Arbeit nach Hause, schließt ihre Wohnungstür auf und wird freudig von ihrem Mann Dieter begrüßt. Er steht im Eingangsbereich mit einem wunderschönen Strauß langstieliger, roter Rosen. Brunhilde ist gerührt: »Nach 20 Jahren Ehe kann er mich immer noch überraschen!« Überglücklich nimmt sie ihren Mann in die Arme und riecht verträumt an ihrem Rosenstrauß.

Ein Gedanke! Der Faktor, der darüber entscheidet, ob der Abend für Brunhilde im Liebesrausch oder im Fiasko endet, ist ein einziger Gedanke. Wir können es an dieser Stelle auch Interpretation nennen, die sich jedoch ebenso in Form eines Gedankens ausdrückt.

Brunhilde erlebt im ersten Beispiel Ärger und Enttäuschung, im zweiten Liebe und Dankbarkeit. Diese beiden Gefühle sind in der Folge handlungsleitend. Nun könnten Sie auf die Idee kommen, dass wir am besten unsere Gefühle beeinflussen sollten – wenn diese doch handlungsleitend sind. Diesen Weg probieren wir meist auch als Erstes, denn Gefühle können wirklich unangenehm sein und Menschen wollen schnelle Ergebnisse. Sie konsumieren zum Beispiel Suchtmittel, um Trauer oder Angst abzuschwächen. Sie essen Chips, um Leere zu füllen, oder verletzen sich selbst, um Wut abzubauen. Dieses Unterfangen ist jedoch wenig zielführend. Denn lässt die Wirkung nach, ist die Emotion meist in dreifacher Dosis zurück oder es bilden sich sogenannte SekundäremotionenEmotion, Sekundäremotion wie Schuld und Scham.

Vielversprechender, wenn wir unser Leben nachhaltig beeinflussen möchten, ist die Arbeit an unseren Kognitionen. Sie sind die Rockstars unseres Gehirns. Sie sind kraftvoll, sie sind mächtig und sie besitzen die Fähigkeit, uns so richtig die Tour zu vermasseln.

Glaubenssätze – das Making-of

GlaubenssätzeUnsere inneren Überzeugungen sind also Teile unseres kognitiven Urteilsprozesses, die meist bereits sehr früh, in unserer Kindheit, angelegt werden. Doch entgegen der Bezeichnung glauben wir diese Sätze nicht nur – wir sind von ihnen überzeugt. Der Grund für diese Vehemenz und Stärke liegt darin, dass uns Erfahrungen oder Personen bei der Bildung dieser Sätze emotional berührt haben, positiv wie negativ. In unserem Gedächtnis bleiben Spuren zurück, die sich mit den Jahren zu regelrechten Denkautobahnen entwickeln. Der Weg über diese Denkautobahnen ist für uns in der Folge der schnellste, den wir nehmen können.

Eine wichtige Grundlage für die Entstehung von Glaubenssätzen sind die Lernmechanismen, nach denen wir alle funktionieren. Sie sind auch die Basis aller verhaltenstherapeutischen Interventionen – denn wenn wir ein Gegenlernen absolvieren wollen, ist es hilfreich zu wissen, wie etwas erlernt wurde.

Die drei wichtigsten Lernarten sind: