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Samuel Beckett schrieb in zwei Sprachen, in seiner Muttersprache Englisch sowie auf Französisch. Zu unterschiedlichen Zeiten lag die Betonung einmal auf der einen und einmal auf der anderen Seite. Zudem übersetzte Beckett viele seiner Bücher selbst in die jeweils andere Sprache. Der österreichische Autor Klaus Ebner, der ebenfalls zweisprachig schreibt, untersucht in seinem Essay Becketts Verhältnis zur Sprache und zeigt interessante Details und Hintergründe zum bilingualen Schaffensprozess.
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Seitenzahl: 52
Du côté de chez Sam
A l’ivresse des jeunes pousses
Le Côté de Joyce
Dublin et Paris
L’Inlassable
Parole disparue
La Langue retrouvée
Bibliografische Hinweise
Über den Autor
Am Beginn der literarischen Laufbahn steht ein Essay zu Marcel Proust und dessen Jahrhundertroman À la recherche du temps perdu. Manche der Biografen meinen, Beckett hätte darin seine persönliche Poetik postuliert. Das Buch beginnt mit den enigmatischen Worten »The Proustian equation is never simple.« [Proust, 11]. Diese Worte abwandelnd könnte man sagen, auch die beckettsche Gleichung ist niemals einfach, denn es gilt:
Samuel Beckett
Zwei Aussagen, widersprüchlich in direkter Gegenüberstellung, drücken zwei Realitäten aus, die Realitäten einer einzigen Person. Samuel Beckett ist mit seinem französisch geschriebenen Werk am besten bekannt, denn in dieser romanischen Sprache entstanden die Hauptwerke (obwohl mir der Begriff des Hauptwerkes in retrospektiver Betrachtung des gesamten Œuvres ganz und gar untauglich und insbesondere ausschließlich am Publikumserfolg gemessen erscheint). Als Ire englischer Muttersprache schrieb Beckett natürlich auch englisch, besonders in den Anfängen und in den beiden letzten Lebensjahrzehnten, wodurch der Eindruck entstehen könnte, die englische Muttersprache umrahme die französischen Lebenserfolge. In mein persönliches Blickfeld geriet, wie bei vielen literarisch Interessierten, zuerst das französische Theater, deutlich später gefolgt von der Prosa. Dass der während meiner Schul- und Studienzeit noch lebende Autor Ire war, nahm ich damals im besten Fall als nebensächliches Kuriosum wahr.
Manche Lebensabschnitte zeigen Beckett als einen Sprachüberläufer, andere als einen durch und durch zweisprachigen Autor. Er war jedoch kein Flüchtling. Kein wirtschaftliches Ungemach hatte ihn gezwungen, sich in einem fremden Land niederzulassen. Und noch weniger verlangten andere äußere oder gar persönliche Umstände von ihm, als Schriftsteller auf eine andere Sprache zu wechseln.
Als erste eigenständige Publikation steht der Essay Proust am Beginn einer Reise, die im Zeichen der Sprache steht; es war die literaturwissenschaftliche und poetologische Auseinandersetzung des anglo-irischen Romanisten mit dem französischen Romancier Marcel Proust. Zu diesem Zeitpunkt waren, so meine ich, noch keine Weichen für den späteren Sprachwechsel gestellt. Der Essay erschien 1931 in London, dann 1957 in New York und 1965 abermals in London. Heute ist die englische Originalfassung vergriffen, lediglich die französische Übersetzung (aber auch die deutsche, italienische und spanische) ist noch erhältlich – das wirkt wie eine zufällige Ankündigung dessen, was sich schon in den 1940er und 50er Jahren abgespielt hat und was indes jeder, der sich mit Samuel Beckett auseinandersetzt, erst einmal für sich selbst entdecken muss. Ein englisches Exemplar der – typografisch exquisiten – Ausgabe von 1965, gerade mal ein Jahr jünger als ich selbst, entdeckte ich unter glücklichen Umständen in einem Antiquariat.
Biografen und Literaturwissenschaftler betonen vielerorts, dass Sprache bei Beckett eine ganz besondere Rolle spielt. Das hat nicht zwangsläufig etwas mit Englisch und Französisch zu tun, sondern generell mit der literarischen Arbeit an der Sprache, die sich in Becketts Werk manifestiert und, so könnte man sagen, die Tendenz aufweist, allmählich das Grundvertrauen in die Zuverlässigkeit und die Möglichkeiten der Sprache an sich zu verlieren. Die durchaus ungewöhnlichen und nicht gerade leicht zu lesenden Prosatexte machen den Anfang, die Theaterstücke thematisieren die Hülsenhaftigkeit und das Unverlässliche der Kommunikation, und die medialen Arbeiten verkürzen die sprachliche Ausstattung bis hin zu Stummfilm und wortlosen optischen Ereignissen und Eindrücken. Biografen und Essayisten wie Knowlson, Rathjen und Léger zeichnen den irischen Autor als einen stetig Suchenden, das heißt, als jemanden, der die richtige Sprache suchte, die passende Ausdrucksweise und eine angemessene literarische Umsetzung, aber auch als einen, dessen Zweifel an der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit mit den Jahren so stark anwuchsen, dass am Ende nicht viel mehr als stumme Gestik übrig blieb. Im vollen Bewusstsein dessen nannte Beckett seine TV-Arbeiten Crazy inventions, Filmwerke, die in gewisser Weise das unerwartet schroffe Ende eines Wortkünstlers markieren.
Was ist passiert? Aus welchem Grund drückte Samuel Beckett der französischen Literatur einen deutlicher sichtbaren Stempel auf als der irisch-englischen? Und was bedeuten das wachsende Misstrauen gegenüber jedweder sprachlichen Ausdrucksweise in den literarischen Publikationen und die sich abzeichnende Aphasie der Protagonisten?
Warum Schriftsteller ihre Sprache durch eine andere ersetzen – oder in zwei respektive mehreren Idiomen schreiben –, ist eine ebenso interessante wie alte Frage, auf die es eine Vielzahl von, mitunter auch unbefriedigenden, Antworten gibt. Die folgenden – wenigen herausgesuchten – Beispiele stammen allesamt aus dem 20. und dem beginnenden 21. Jahrhundert: Vladimir Nabokov floh mit seiner Familie vor der Oktoberrevolution, sein Werk ist russisch und englisch. Julien Green blieb Zeit seines Lebens Amerikaner, doch er wuchs in Frankreich auf und trotz eines Erstlings auf Englisch schrieb er sein umfangreiches Prosawerk französisch – im Übrigen liegt er in der österreichischen Landeshauptstadt Klagenfurt begraben. Maja Haderlap, im zweisprachigen Teil Kärntens aufgewachsen, schreibt auf Slowenisch und Deutsch, wechselt die Sprache, so scheint es, je nach literarischem Vorhaben. Peter Weiss floh vor dem Nationalsozialismus durch halb Europa und ließ sich in Schweden nieder; als schwedischer Staatsbürger schrieb er zwar die ersten Bücher auf Schwedisch, alle weiteren jedoch in seiner Muttersprache Deutsch. Josep Pla trieb die Franco-Diktatur dazu, sein journalistisches Werk und einen kleinen Teil der Reise-Essays auf Spanisch zu verfassen, während das Gros seines Gesamtwerkes ihn zu einem der bedeutendsten katalanischen Schriftsteller machte. Zdenka Becker lebt seit ihrer Heirat mit der Familie in Österreich und wechselte literarisch von der Muttersprache Slowakisch ins Deutsche, während sie Texte in beide Sprachen übersetzt. Valery Larbaud, ein Franzose, der auch in Becketts Leben eine kleine, obgleich nicht unbedeutende Rolle spielte, schrieb ein Gutteil seines Tagebuchs auf Englisch, und eigentlich weiß keiner so recht warum. Diese Beispiele ließen sich noch eine Weile fortführen.
Natürlich sind es weitläufig die Lebensumstände, die Autorinnen und Autoren zwei- oder mehrsprachig machen. Diese können indes nicht nur von äußerem, zumeist politi