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Aus dem Inhalt: Die Heiligung der körperlichen Verfassung bildet die Grundlage für die Heiligung der Gedankenwelt. Nur wer reinen Herzens ist, kann in Verbindung mit dem heiligen Gotte treten, sich in sein Wesen versenken und dadurch die Kraft erlangen, "mit Gott Taten zu tun" (Psalm 60, 14). -- Der göttliche Wille zur Ausführung des Weltplanes nun stellt sich dar in zehn göttlichen schöpferischen Kräften, den Sephirôth. Von diesen wiederum hängen die Prinzipien der Erscheinungswelt, endlich diese von jenen Prinzipien ab. In einer der kabbalistischen Philosophie (z. B. der des Mose Cordevero) geläufigen, schon bei den Aristotelikern vorgebildeten Ausdrucksweise könnte man sagen: das Absolute sei das Denken an sich, Urwille und Uridee das Denken und Gedachte, also der praktische Gedanke, die Sephirôth die Mittel zur Ausführung dieses Gedankens, die Welt der ausgeführte Gedanke. Im Grunde freilich ist all diese Sonderung und Gruppierung nur von uns gemacht, tatsächlich aber ist alles eins; das einzige wahrhaft Wirkliche ist die Gottheit, alles andere nur Erscheinung ihres Seins und Wirkens. Die Kabbalisten bezeichnen diese ihre so wichtige Auffassung mit dem Ausdrucke "Das Geheimnis der All-Einheit" (sôd ha-jichûd). Inhalt: Erster Teil: Die theoretischen Grundlagen. Zweiter Teil: Die kabbalistische Praxis. I. Die Heiligung des äußeren Verhaltens. II. Die Meditation. III. Das Gebet. Dritter Teil: Die Wirkungen. Erstveröffentlichung: 1921, Johannes Baum Verlag E-Book-Auflage 2015, Autor: Dr. Erich Bischoff Umfang: ca. 55 Buchseiten, 3 Kapitel
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Seitenzahl: 71
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Dr. Erich Bischoff
Wunder der Kabbalah
„Wunder der Kabbalah“ von Dr. Erich Bischoff
Erstveröffentlichung: Johannes Baum Verlag 1921
Überarbeitung: F. Schwab Verlag
Neuauflage: F. Schwab Verlag – www.fsverlag.de sagt Danke!
Copyright © 2018 by F. Schwab Verlag
Die Kabbalah ist bei den Anhängern des orthodox-rabbinischen Judentums, wie bei denen des Reformjudentums gleich dem Chassidismus in ähnlicher Weise teils gehasst, teils missachtet und verrufen, wie es die christlichen Mystiker und ebenso der Pietismus bei den Vertretern des orthodoxen Christentums und andererseits der „Aufklärung“ allezeit gewesen sind. Das ist das natürliche Schicksal jeder Mystik, deren Freiheit auf der einen, und deren Gebundenheit auf der andern Seite dort der einen, hier der andern Partei von Grund aus zuwider ist. Ein mehr äußerer Grund der doppelten Gegnerschaft dürfte in der Volkstümlichkeit der mystischen Strömungen, die im Grunde auf eine Quelle zurückgehen, zu suchen sein; denn der beste, nämlich der wahrhaft religiöse Teil des Volkes, die echten Juden und Christen, die wirkliche Gefolgschaft der alttestamentlichen Propheten und der neutestamentlichen Apostel – dieses wahrhafte Volk Gottes, ist niemals in seinem tiefsten Herzensgrunde für die starren Normen der Gesetzes- oder Dogmen-Gestrengen, geschweige denn für das seichte, öde und tote Aufkläricht der Religionslibertiner zu haben gewesen, mögen auch lange Zeit hindurch bald die einen, bald die andern das große Wort und die äußere Herrschaft in den Gemeinden geführt haben. In ihnen beiden herrscht der dürre, prosaische Verstand, im Reiche der echten, mystischen Religion die schöpferische und nachschaffende Phantasie; darum ist die wahre Religiosität, welche von Natur sich stets als Mystik zeigt, poetisch, d. h. hervorbringend, nämlich Ewigkeitswerte schaffend, während jene beiden anderen nur Normen und Meinungen (Dogmen) zeitigen, die nur von zeitlicher Dauer sind, mögen sie sich auch mumifiziert ziemlich lange erhalten können. Der sich ewig verjüngende Rosenstock der religiösen Mystik – die Rose ist ein bevorzugtes mystisches Sinnbild – stellt etwas unendlich Wertvolleres dar, als jene starr- oder freisinnigen Fossilien, die dadurch nicht jünger und lebensfrischer werden, dass man sie gelegentlich immer einmal wieder ausgräbt oder ausstellt. Die Religion des Herzens, von den Vertretern des klugalten wie von den Vertretern des altklugen Verstandes bekämpft, muss schon darum das Richtige sein, weil zwei solche einander entgegengesetzte Richtungen sie bekämpfen; denn noch stets hat das Wahre zwischen zwei Extremen gelegen.
Der Kampf der alttestamentlichen Propheten galt nicht minder der verknöcherten Gesetzlichkeit wie dem sinnlichen Heidentum; dieselbe Doppelfront hatte das Wirken Jesu und noch mehr die Lebensarbeit eines Paulus, dessen Kreuzpredigt den Juden ein Ärgernis, den Griechen ein Spott war. Dass sich der Kampf der Vorgenannten mehr gegen den gesetzlichen Gegner richtete, lag daran, dass dieser der nähere, und im Volke, um dessen Seele es ging, mächtigere war. Dies gilt noch mehr für die Kabbalisten sowie für ihre Vorläufer, die Aggadisten, und ihre Nah- und Nachverwandten, die Chassidim. Den Aggadisten verweigerte man den Rabbi-Titel, und der Gesetzesdurchgrübler, der Halachist (das ist ein Meister der endlos haarspaltenden thalmudischen Disputationen), sprach gelegentlich selbst einmal etwas Aggadisches, um zu beweisen, dass dies nur etwas Nebensächliches, Brombeerbilliges sei, das gegen seine tiefschürfende Gesetzesforschung gar nicht ernst genommen zu werden brauche. Über die Kabbalisten fielen Orthodoxe (obwohl manche von ihnen selbst kabbalistische Studien trieben) und noch mehr die Freisinnigen gleichermaßen her, noch mehr über die Chassidim, die nach modernem Urteile nichts als verworrene Schwärmer sind. Den Kabbalisten wie auch ihnen wirft der Orthodoxe pantheistische Verirrungen, der moderne Freigeist unwissenschaftliche Phantasterei, ja, Mangel an jeder Wissenschaftlichkeit vor. Der religiöse Liberalismus und Modernismus ist der Hauptgegner der Kabbalisten. Nicht zu widerlegen, sondern hochnäsig herabzusetzen und lächerlich zu machen sucht er sie. Dabei hält er sich natürlich hauptsächlich an Äußerlichkeiten, nämlich an die krause Form der kabbalistischen Schriften, die deren Inhalt oft sehr schwer verständlich macht, und an das Fehlen abendländischer Schulgelehrtheit bei vielen alten und modernen Kabbalisten.
Ergeht es schon der theoretischen Kabbalah so, wievielmal mehr gar der praktischen. Sie ist den modernen Superklugen ohne jede Prüfung von vornherein ein nichtsnutziger Wust von Aberglauben und bewusstem Schwindel, viel zu minderwertig, als dass man sich ernstlich auch nur kurze Zeit damit beschäftigen sollte. Ein absprechendes Urteil ist genügend, zudem bequem und zunftgemäß.
Ein Blinder kann natürlich im Dunkel nichts sehen, höchstens seine eigenen Einbildungen. Wer sich aber an das Schauen in dunkle Gebiete gewöhnt und darin geschult hat, der findet auch in „okkulten“ Dingen vieles Wertvolle. Vielleicht lasse ich die Leser im Nachfolgenden auch manches nicht ganz Unwerte schauen.
Das, wovon diese Schrift handelt, ist „praktische Kabbalah“ im engeren und eigentlichsten Sinne. Mit demselben Namen habe ich im II. Teile meiner „Elemente der Kabbalah“ (Band III der Sammlung „Geheime Wissenschaften“, Berlin 1914) und in der 2. Auflage meiner „Kabbalah. Eine Einführung in die jüdische Mystik und Geheimwissenschaft“ (Leipzig 1917, S. 115ff.), einer Anregung Professor Bachers und anderer Beurteiler folgend, vornehmlich das bezeichnet, was ich in der 1. Auflage des letztgenannten Buches zutreffender (wenn auch vom Hergebrachten abweichend) „Magie der Kabbalah“ genannt hatte, nämlich die Verwendung der gesprochenen und geschriebenen Gottesnamen zu mystischen Zwecken, die Anwendung der Zahlenmystik, die kabbalistische Traumdeutung, Astrologie, Chiromantie, Physiognomik usw. Alles dies, das nur in weiterem Sinne als „praktische Kabbalah“ gelten kann, steht mit der theoretischen Kabbalah, d. h. den kabbalistischen Lehren, z. T. in verhältnismäßig losem Zusammenhange, da manches davon gar nicht rein kabbalistischen Ursprungs ist, sondern in Zeiten zurückreicht, die vor der kabbalistischen Lehrentwickelung liegen, wo dergleichen auch und zumeist von nichtjüdischen Völkern systematisch bearbeitet und praktisch ausgeübt wurde. (Vgl. „Elemente der Kabbalah“, Bd. II, Einleitung.)
In ungleich engerer Fühlung mit den Grundgedanken der kabbalistischen Lehren steht die im Nachstehenden zu behandelnde „praktische Kabbalah“ im eigentlichsten Sinne, d. h. die okkulte Praxis der Kabbalisten. Sie erscheint als unmittelbarer Ausfluss, als praktische Folge jener theoretischen Ideen und hat daher an diesen eine einheitlich-geschlossene, jüdisch- wissenschaftliche Grundlage – mithin einen Vorzug, den die oben erwähnten „magischen Künste“ nicht entfernt in ähnlichem Maße aufzuweisen vermögen. Dieser unmittelbare Zusammenhang zwischen kabbalistischer Theorie und Praxis im genannten Sinne erfordert zu seinem rechten Verständnis eine kurze Darstellung der Hauptgedanken der theoretischen Kabbalah.
Die Titelbezeichnung „Wunder der Kabbalah“ bezieht sich zwar in erster Linie auf die Ergebnisse der okkulten kabbalistischen Praxis, zugleich aber auch auf die wundersame Methode, die jene Ergebnisse vermittelt. Die Erörterung dieser Methode wird den zweiten und hauptsächlichsten Teil dieser Schrift bilden, woran sich dann eine Würdigung der Ergebnisse zu schließen hat.
Obwohl der zur Verfügung stehende beschränkte Raum nur ein Berühren der wichtigsten Punkte gestattet, lege ich Wert darauf, an den wesentlichsten Stellen, zumal im Hauptteile, die kabbalistischen Quellen selbst zu Worte kommen zu lassen, sowie durch kurze Hinweisungen auf sinnverwandte religionsgeschichtliche Erscheinungen das Dargebotene anschaulicher und leichter verständlich werden zu lassen.
Dass ich mich des Öfteren auf meine eigenen Schriften über die Kabbalah beziehe, liegt weder in schriftstellerischer Eitelkeit noch in literarischen Reklameabsichten begründet, sondern ist vielmehr daraus erklärlich, dass jene Bücher gegenwärtig meines Wissens die einzigen sind, welche in gemeinverständlicher Schreibweise und dabei zuverlässiger Darstellung aufgrund eigener Quellenkenntnisse laut dem Urteile berufener Fachleute über das ebenso umfangreiche wie seiner sprachlichen Form und seiner gedanklichen Eigenart wegen schwer zu durchdringende Gebiet der theoretischen und der praktischen Kabbalah Aufschluss geben. Hoffentlich darf auch diese Arbeit auf die gleiche freundliche Aufnahme bei der Kritik wie bei der ernsteren Leserwelt rechnen. Haben doch gerade die entsetzlichen Wehen unserer Zeit, deren gärendes Brodeln so vielen Abschaum nach oben gebracht hat und die Sucht nach allerhand materiellen Vorteilen wie einen Krebsschaden um sich fressen lässt, in tiefer angelegten Naturen die Sehnsucht nach einer schöneren, geistigen Welt umsomehr erstarken lassen.
Die Wunder der Kabbalah aber sind in erster Linie geistige Wunder und Wundermächte, kein seichter Hokuspokushumbug oder „fauler Zauber“, sondern ein geistig-seelischer Schatz und Hort von gediegenem ethischem Gehalte, dessen Umwerben und Erwerben neben dem inneren Gewinne zugleich äußeren Erfolg zu zeitigen vermag: Geht ein in die Gottheit, so wird die Gottheit in Euch eingehen und ihre Kraft von Euch ausgehen in die Welt!
Alles begreifende Denken geht auf die Ursachen in Natur und Geistesleben und letzten Endes – als Metaphysik – auf die Ursache aller dieser Ursachen, d. h. auf den Urgrund