Im Reiche der Gnosis - Dr. Erich Bischoff - E-Book

Im Reiche der Gnosis E-Book

Dr. Erich Bischoff

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Beschreibung

Unsere Zeit hat manche Ähnlichkeit mit der, in welcher die Gnosis ihren Lauf durch die alte Welt nahm und in der Form des Manichäismus sie schließlich ganz erobern zu wollen schien. Eine übersättigte Kulturwelt, welcher der alte Glaube nicht mehr genügen will, weil sie zu intellektuell geworden ist, die sich dabei aber doch nach einem Ersatz dafür sehnt, der wenigstens der Fantasie Nahrung bietet. Dieses Sehnen und Ringen einer kranken Welt nach Wahrheit und Erlösung kann auch für unsere Zeit ein Spiegelbild sein. Aus diesem Grunde habe ich gerade die Vollendung der orientalischen, in das Abendland hinüberflutenden Gnosis, den Manichäismus, besonders ausführlich behandelt. Andererseits schien es mir nötig, die ersten Anfänge und die Entwicklung der Gnosis bei dem vorchristlichen Hauptvertreter des Monotheismus, beim Judentum, genauer zu betrachten. Inhaltsverzeichnis Vorwort I. – Jüdischer Gnostizismus 1. Vorchristliche Zeit 2. Talmudische Zeit 3. Nachthalmudische Zeit II. – Christlicher Gnostizismus 1. Allgemeiner Charakter 2. Ursprung 3. Lehren III. – Mandäismus 1. Allgemeine Charakteristik 2. Lehren IV. – Manichäismus 1. Geschichtlicher Überblick 2. Die Lehre des Manichäismus A. Kosmisches B. Ethisches C. Kultisches 3. Religionsgeschichtliche Stellung des Manichäismus V. – Astralmythus und Mystik Anmerkungen

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Im Reiche der Gnosis

 

Die mystischen Lehren des jüdischen und christlichen Gnostizismus,

des

Mandäismus und Manichäismus

und

ihr babylonisch-astraler Ursprung

 

 

 

Dr. Erich Bischoff

 

 

 

 

 

 

 

 

Verlag Heliakon

 

2024 © Verlag Heliakon, München

Umschlaggestaltung: Verlag Heliakon

 

Titelbild: Eine Enzyklopädie der Freimaurerei und ihrer verwandten Wissenschaften (1887 - Gemeinfrei)

 

www.verlag-heliakon.de

[email protected]

 

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Über-setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Inhaltsverzeichnis

Titelseite

Widmung

Vorwort

I. – Jüdischer Gnostizismus

1. Vorchristliche Zeit

2. Talmudische Zeit

3. Nachthalmudische Zeit

II. – Christlicher Gnostizismus

1. Allgemeiner Charakter

2. Ursprung

3. Lehren

III. – Mandäismus

1. Allgemeine Charakteristik

2. Lehren

IV. – Manichäismus

1. Geschichtlicher Überblick

2. Die Lehre des Manichäismus

A. Kosmisches

B. Ethisches

C. Kultisches

3. Religionsgeschichtliche Stellung des Manichäismus

V. – Astralmythus und Mystik

 

 

 

 

Herrn Professor

 

Dr. Samuel Krauss

 

in Budapest hochachtungsvoll

 

der Verfasser

 

 

Vorwort

 

 

Unsere Zeit hat manche Ähnlichkeit mit der, in welcher die Gnosis ihren Lauf durch die alte Welt nahm und in der Form des Manichäismus sie schließlich ganz erobern zu wollen schien. Eine übersättigte Kulturwelt, welcher der alte Glaube nicht mehr genügen will, weil sie zu intellektuell geworden ist, die sich dabei aber doch nach einem Ersatz dafür sehnt, der wenigstens der Fantasie Nahrung bietet. Dieses Sehnen und Ringen einer kranken Welt nach Wahrheit und Erlösung kann auch für unsere Zeit ein Spiegelbild sein. Aus diesem Grunde habe ich gerade die Vollendung der orientalischen, in das Abendland hinüberflutenden Gnosis, den Manichäismus, besonders ausführlich behandelt. Andererseits schien es mir nötig, die ersten Anfänge und die Entwicklung der Gnosis bei dem vorchristlichen Hauptvertreter des Monotheismus, beim Judentum, genauer zu betrachten. Die prinzipielle Überwindung der ketzerischen jüdischen Gnosis durch den Rabbinismus spielt sich im Altertum auf orientalischem Boden ab, die Besiegung der entsprechenden Gedankengänge durch die christliche Kirche dagegen hauptsächlich im Abendlande. Nur der erstgenannte Kampf liegt ganz innerhalb des Gesichtsfeldes einer Morgenländischen Bücherei.

Lediglich die Hauptsachen der gewaltigen geistigen Bewegung des Gnostizismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen konnte ich vorführen. Da es ein für weitere Kreise berechnetes Buch über die Gnosis sonst nicht gibt, denke ich den Lesern auch in dieser knappen Form manche Belehrung zu bringen.

Der Schlüssel zum Verständnis aller Gnosis liegt in den alt-orientalischen (babylonischen) astralen Vorstellungen, in „der Tradition der Gelehrten Babylons“, wie Mânî sagt, d. h., in ihrem kosmischen System, dessen Wiederentdeckung bekanntlich das Verdienst Prof. Dr. Hugo Wincklers ist. Nächst dessen Schriften verdanke ich vornehmlich Herrn Pfarrer Lic. theol. Dr. phil. A. Jeremias viele Aufschlüsse durch seine Schriften wie durch private Mitteilungen, für die ich hiermit meinen Dank ausspreche. Von den übrigen im Literatur-Verzeichnis genannten Autoren haben mir vornehmlich Keßler, Anz und Brandt Belehrung geboten, an einigen Punkten auch Friedländer; doch durfte ich mich vielfach, zumal im Rabbinischen, lediglich auf mich selbst verlassen.

Die Literatur will zu genauerem Studium geeignete Hilfsmittel darbieten. Auch dieser Band ist vom Herrn Verleger in dankenswerter Weise ausgestattet worden; trotz des seine Vorgänger erheblich übertreffenden Umfanges ist sein Preis nur unwesentlich erhöht.

Der Verfasser.

 

 

 

I. – Jüdischer Gnostizismus

 

 

 

 

1. Vorchristliche Zeit

 

„Die gnostische Weisheit“, sagt schon im frühen 18. Jahrhundert der berühmte Kirchenhistoriker J. L. v. Mosheim in seiner „Geschichte der Schlangenbrüder“ — „die gnostische Weisheit hat schon lange Jahre, bevor Jesus in die Welt kam, in den Morgenländern geherrscht, und die Juden hatten dieselbe, wie viele andere Gedichte, aus der [babylonischen] Gefangenschaft in ihr Vaterland zurückgebracht. Daher ist es überhaupt viel glaublicher, dass alle gnostischen Gemeinen, die aus dem Judentum ausgegangen sind, sich vor der Ankunft unseres Heilandes schon gesammelt haben, als dass sie erst nach der Himmelfahrt desselben entsprungen sind“ — wie nämlich die Kirchenväter, z. B. Clemens Alexandrinus und Tertullian1, annahmen.

In der Tat, die exilischen2 und nachexilischen Schriften des Alten Testaments zeigen uns die Keime, aus denen später der jüdische Gnostizismus sich entwickelte. Aller Gnostizismus weist der Hauptsache nach folgende Grundgedanken auf: Hoch über allem eine absolut überweltliche (transzendente), rein geistige und heilige Gottheit, ihr gegenüber eine ungöttliche, finstere, böse Macht, dazwischen die Erdenwelt aus Geistigem und Ungeistigem gemengt und in ihr der Mensch als geistig-materielles Wesen, mit dem Lichtreich verbunden durch eine Stufenleiter geistiger Elemente, mit dem Reiche der Finsternis durch eine solche von finsteren Elementen, nach dem Aufstieg empor sich sehnend, doch daran gehemmt durch die dunklen Gewalten; die Erlösung hiervon nur möglich durch einen himmlischen Erlöser. Diese Keime zeigen uns die Exilschriften. Der Gott, wie er in der vorexilischen Vorstellung lebte, der da in der Abendkühle in dem den ersten Menschen anvertrauten Lustgarten einherwandelt und wider das unbotmäßige Paar sein Hausrecht gebraucht, der die Türe von Noahs Arche zuschließt und bei Abraham einkehrt; der mit Moses von Angesicht zu Angesicht redet und in der Wüste unter seinem Volke wohnt, ist im wesentlichen der Gott seines Volkes und kennt neben sich noch Götter anderer Völker, zu denen abzufallen er verbietet. Der so vorgestellte Gott hätte sich gegenüber dem babylonischen Pantheon schwerlich behaupten können; im Exil ergab sich die Notwendigkeit einer höheren Gottesvorstellung. Hoch über die astralen Götter des babylonischen Himmels musste er hinausgerückt sein, noch weit über Anu, den Göttervater, der am Himmelsnordpol thront, und gegenüber jener Göttermenge musste er als der einzige, als der wahre Gott verehrt werden. Aus Babylonien — Talmud3 und Midrasch sagen es ausdrücklich — brachten die Juden die Kunde mit von den Engeln, die den Zusammenhang zwischen diesem über die Welt erhabenen Gott und der Welt vermitteln, ebenso von den Dämonen, den Abgesandten des Höllenfürsten — denn jetzt war die dumpfe Grube des „Scheôl“, des nach der früheren Anschauung Böse wie Gute verschlingenden Totenreichs, zum Strafort der Hölle4 geworden, die alsbald auch einen Fürsten bekam, während die Guten sich einer Aufnahme ins himmlische Paradies getrosten durften. Auch der ganze Unsterblichkeitsglaube5 ist, wenigstens deutlich ausgeprägt, erst exilisch, ebenso der Glaube an den sehnlichst erhofften Maschîach (Messias), den Erlöser aus dem Elend Leibes und der Seele.

Dieser Gott tritt bei der Schöpfung nicht mehr in unmittelbare Beziehung zur Welt, sondern durch ein Mittelprinzip: die Weisheit, die schon deutliche Züge eines Weltbildners aufweist. In den Proverbien (8, 22 ff.) spricht sie: „Der Herr besaß mich, … ehe er seine Werke begann, von jeher. Von Ewigkeit bin ich gesalbt, ... als er den Himmel bereitete, war ich dabei … Ich war bei ihm als Werkmeister“ (amôn). Hiob 28, 25 ff. heißt es von ihr: „Als er die Wasser verteilte nach dem Maß, als er dem Regen ein Gesetz gab und einen Weg dem Donnerkeil, da sah er auf sie.“ Daniel 24, 1 ff. „preist die Weisheit sich selbst“ folgendermaßen: „Ich ging aus dem Munde des Höchsten hervor und hüllte die Erde ein wie Nebel. Ich schlug mein Zelt in den Höhen auf, mein Thron war in der Wolkensäule; den Himmelskreis umzog ich allein, schritt umher an der Tiefe des Abgrunds, in den Meereswellen und auf der ganzen Erde hatte ich zu tun.“ Die (freilich in ihrer heutigen Form erst spätere) aramäische Übersetzung des Alten Testaments — das aus dem Exil zurückgekehrte Volk sprach nicht mehr hebräisch — beginnt mit den Worten: „Mit Weisheit schuf Gott“ usw., statt „Im Anfang“ — gewiss aufgrund alter Tradition; ein nachchristlicher Übersetzer hätte von sich aus diese Kühnheit nicht gewagt. Die Engel bilden eine stufenweise wohlgeordnete Hierarchie, obenan der Engel, der Gottes Namen in sich hat (2. Mos. 23, 20 f.), dann die sieben Erzengel (Tob. 12, 15), ferner die Wachenden, die Dan. 4, 14 mit Gott über die Völkergeschicke beschließen, „der große Rat der Heiligen“ (Ps. 89). In der — in der Nachbarschaft des siebenstufigen Bel-Tempels, des „Turms zu Babel“, geschauten — Theophanie Ezechiels (Kap. 1) sehen wir den in Pyramiden-Form geordneten Hofstaat Gottes vom Himmelsnorden her sich hernieder lassen.

Diese Zebaôth (himmlischen Heerscharen) — ursprünglich vielleicht veranschaulicht durch das unter dem Nordpol, diesem „ruhenden Punkt in der Erscheinungen Flucht“, kreisende Heer der Sterne6 — erhalten alsbald eine um so größere Bedeutung, je über weltlich er Gott aufgefasst ist. Die in Ägypten entstandene Übersetzung der 70 Dolmetscher (Septuaginta, die griechische Übersetzung des A. T.) aus dem dritten vorchristlichen Jahrhundert, die das deutliche Bestreben zeigt, alle Anthropomorphismen (Vermenschlichungen) der Gottheit in der Übertragung tunlichst auszumerzen, übersetzt jesaja 42, 13 das hebräische „Jahveh Zebaôth“ (Herr der Heerscharen) schon mit „Kyrios tôn dynámeôn“ (Herr der Gewalten, der göttlichen Potenzen) und leitet damit über zu der Vorstellung von vermittelnden Wesenheiten zwischen dem weit über allem Materiellen erhabenen Gott, dem absoluten Sein und der materiellen Welt.

 

Fig. 1. Ruinen des „Turmes zu Babel“ (S. 4, 132).

Die jüdisch-alexandrinische Philosophie, die ihren Höhepunkt in Philo7 hat (20 v. Chr. — ca. 50 n. Chr.), entwickelte diese Keime kräftig weiter. Die freie allegorische8 Schriftdeutung, dieses Erzeugnis und Eigentum der jüdischen Diaspora im Gegensatz zu dem konservativeren palästinischen Midrasch, leitet zum eigentlichen jüdischen Gnostizismus über, in Alexandria unter griechischem Einflüsse. Die allegorische Erklärung, die das Mittel war, biblische Vermenschlichungen Gottes bildlich zu deuten und den Gottesbegriff philosophisch zu der Idee des Absoluten zu erhöhen, machte aus dem Engelheere ein System geistiger Mittelgewalten zwischen dem Absoluten und der Welt des Materiellen, ganz ähnlich dem Pyramidenbau der platonischen Ideen mit der Idee des absoluten Guten an der Spitze. Und wie bei Plato die Schöpfung der sinnlichen Welt durch einen Weltbildner geschieht, der unter dem absoluten Wesen steht und mittels des Ideen-Organismus sein Werk vollendet, so wird hier die alttestamentliche Weltbildnerin, die „Weisheit“, zum Logos, zum personifizierten Schöpferworte Gottes.

So ist es bei Philo. Der Logos ist die erste Potenz, die erste geistige Wirkungskraft, die von der absoluten Gottheit aus sich herausgesetzt, ausgeströmt (emaniert) wird, und aus deren Verbindung und Wechselwirkung mit dem Absoluten die weiteren geistigen Mächte, die sog. Engelwesen, in absteigenden Graden emanieren; deren unterste bilden den Übergang von den klar ausgeprägten geistigen Formen der höheren Wesen zur formlosen Materie, der platonischen ámorphos hyle, aus der schon das apokryphe „Buch der Weisheit“ (11, 17) die Welt gebildet werden lässt. So wird der Logos zum Weltbildner, Weltschöpfer. Doch zieht Philo nicht die letzten Konsequenzen. Ob die Materie von Gott aus dem Nichts geschaffen, oder ob sie als Gegensatz zu dem Absoluten von je vorhanden gewesen sei, wenn auch nur als platonisches Nichtseiendes, darüber herrscht keine volle Klarheit. Er vermag in sehr kühnen Bildern die Erzeugung alles Seienden aus der Verbindung des Absoluten mit dem Logos, oder Gottes mit der Weisheit, zu schildern, wenn er z. B. sagt (de Cherubim I, 146): “Gott ist nicht nur die unkörperliche Behausung un körperlicher Ideen, sondern auch der Vater von allem Seienden, da er alles erzeugt, auch der Gatte der Weisheit, der den Keim der Glückseligkeit für das Menschengeschlecht in die gute und jungfräuliche irdische Welt legt. Denn Gott muss mit dem unbefleckten, unberührten und reinen Wesen, der wahrhaften Jungfrau, sich paaren, ganz anders als wir Menschen“ —oder (de ebrietate I, 361 f.): „Wir dürfen somit unbedenklich mit vollem Recht sagen; dass der Schöpfer, der das All ins Leben rief, zugleich auch Vater des Gewordenen sei, dass aber die Mutter, die göttliche Weisheit des Schöpfers, mit der Gott, nachdem er ihr — freilich nicht auf menschliche Weise — beigewohnt, sie aber Gottes Samen empfangen hatte und in die Wochen gekommen war, den einzigen und geliebten Sohn, diese Welt, gezeugt hat“ Indessen versichert er immer wieder, dass dergleichen eben nur Allegorie und lediglich für Eingeweihte und Leute reifen Verstandes und heiligen Gemüts geschrieben sei, „gleichsam nur im Allerheiligsten, lediglich den Ohren von Älteren überliefert werden darf“ (de sacrificiis 189) — „denn die heilige geheimnisvolle Offenbarung über Gott und seine Kräfte muss verborgen bleiben, da es nicht jedermanns Sache ist, das Pfand göttlicher Weisheit zu bewahren … Daher scheinen nur diejenigen wohlberaten, die sich zunächst in die kleinen und dann erst in die großen Mysterien einweihen lassen“ (de sacr. 174). Er dünkt sich bei alledem als Vertreter der rechtgläubigen, echtjüdisch-monotheistischen Gnosis und wettert gegen die „Nachbeter des sich weise dünkenden Kain, die sich voll törichten Dünkels aufblähen und den gottgleichen Geist zu haben prahlen“ (de Cherubim 1, 151).

Diese Worte sind zu oder kurz nach Christi Zeit geschrieben. Wer die philonische Entstehungsgeschichte (Genealogie) der einzelnen weltbildenden und welterhaltenden Prinzipien und „Gewalten“ kennt, muss über die modernen Kritiker lächeln, die dem Paulus die Pastoralbriefe und andere auf solche endlosen Genealogien und Prinzipien und Gewalten bezügliche Stellen absprechen wollen, weil die Herren diese gnostischen Ideen in ihren Kompendien erst für das 2. nachchristliche Jahrhundert angegeben finden. Zugleich aber wird man hier die vorchristlichen Wurzeln der rabbinischen Geheimlehre von dem Schöpfungswerk (Màasèh bereschîth) und dem göttlichen Thronwagen (Ezechiel 1; Màasèh merkabâh) entdecken.

 

1Clemens Alexandrinus, Strom. VII, 17: „Die Häretiker sind später als die katholische (allgemeine) Kirche hervorgetreten... . Erst um Hadrians Zeit (2. jahrh. n. Chr.) sind jene aufgekommen, die Ketzereien ersannen.“ — Tertullian, de praeser. haeret. 29 ff.: „Sollte etwa, was doch sicherlich gegen die Natur der Sache wäre, die echte Lehre erst später, dagegen die Irrlehre älter sein und der Wahrheit vorhergehen? Die reine Lehre hat doch das Aufkommen der Ketzerei vorhergesagt!“ — Ähnlich Hegesippus (bei Eusebius, hist.) eccles. III 32, 8): „Erst als der heilige Chor der Apostel aus dem Leben geschieden war, ... vermaßen (die falschen Lehrer) sich, mit frecher Stirn die fälschlich so genannte Gnosis der Predigt der Wahrheit entgegenzustellen“. — Das sind natürlich alles dogmatische Konstruktionen, auf die unsere dogmenlosen Dogmenhistoriker nicht hineinfallen sollten. Schon Paulus redet in dem doch gewiß echten I.Korintherbriefe (11,18f) von Spaltungen und Ketzereien, die er sogar für notwendig erklärt, „damit die Rechtgläubigen unter euch offenbar werden“, und Origenes (contra Cels. III 11) sagt richtig, „dass schon im Anfang, als die Anzahl der Gläubigen nach der Ansicht des Celsus [Harnack lässt diese Worte aus, vergl. s. Mission2, a. v. O.] noch gering war, es einige gab, die die Glaubenslehre unrichtig auffassten“.

 

2 Als im babylonischen Exil verfasst gelten vornehmlich folgende Schriften des A. T.: Ezechiel, Obadja, Jesaja 40 – 66 und vorher schon einzelne Stücke der ersten Hälfte des Jesaja-Buches. Nach exilisch sind u. a: Haggai, Sacharja, Maleachi, Sirach, Daniel usw. Auch verschiedene Psalmen werden als exilisch und nachexilisch angesehen.

 

 

4 Vgl. m. „Bab.-Astrales“ unter „Hölle“.

 

5 Noch immer das Beste, bei aller Knappheit Klarste über die Entwicklung des Unsterblichkeits-(Auferstehungs-) und Messias-Gedankens bei den Juden steht in L. Herzfelds Geschichte des Volkes Israel (1857), Bd. II (III), S. 301—333. Die meisten der griechisch beeinflussten Juden der Diaspora (ja sogar einige in Palästina) leugneten die Auferstehung des Leibes und nahmen nur eine Unsterblichkeit der Seele an. Die Gnostiker verwarfen die Auferstehung des Leibes, dieser dunklen Materie, zumeist gänzlich und grundsätzlich.

 

 

7 Philo besaß im Gegensatze zu den palästinischen Juden seiner und auch noch späterer Zeit, die profanes, zumal griechisches Wissen gering achteten, neben seinen rabbinischen Kenntnissen umfassende griechisch-humanistische Bildung; er zitiert (laut Herzfeld) die Dichter Homer, Hesiod, Solon, Theognis, Äschylus, Ion, Sophokles und Euripides; den Arzt Hippokrates, die Historiker Thucydides und Xenophon, den Geographen Eratosthenes, den Fabelerzähler Asop; die Philosophen Thaies, Anaximander, Anaximenes, Anaxagoras, Bias, Pythagoras nebst dessen Anhängern Ocellus Lucanus, Hippasus und Philolaus, ferner Empedokles, die Eleaten Xenophanes, Parmenides und Zeno, ebenso Heraklit, Demokrit, Protagoras, Anaxarchus, Sokrates, Antisthenes, Plato, Aristoteles, Theophrast, Heraklides, Kritolaus, Epikur, Diogenes, die Stoiker Zeno, Kleanthes, Chrysippus, Boethus, Panätius und Posidonius. Er besitzt gutes geschichtliches Wissen, leidliche geographische und auch einige Kenntnisse auf dem Gebiete der Geometrie, Arithmetik, Astronomie, Naturgeschichte, Physiologie und Musik. — Auch Philos Vorgänger Aristobul zitiert griechische Autoren: Homer, Hesiod, Aratus und ein angeblich von Orpheus stammendes Gedicht.

 

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