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In stiller Abgeschiedenheit von der Welt lebt die Gräfin von Neuhof in ihrem großen Haus und ergeht sich in geistlichen Betrachtungen. Umgang pflegt sie nur mit einem frömmelnden Baron, der sie in ihrer lebensabgewandten Haltung bestärkt. Doch warum in aller Welt führt die alte Dame ein so trostloses Dasein, anstatt sich ihren Lebensabend durch die Gegenwart ihrer Tochter und das fröhliche Lachen ihrer Enkel versüßen zu lassen? Der Beantwortung dieser Frage liegt ein dunkles Verbrechen zugrunde, das wie ein Fluch über der gräflichen Familie liegt … Unglaubliches musste die arme Comtesse Louise, die Tochter des gräflichen Paares, schon erdulden. Von ihren eigenen Eltern verstoßen, wurde sie zum Spielball skrupelloser Menschen, die vor keinen noch so finsteren Machenschaften zurückschrecken, um an ihr lang gehegtes Ziel zu gelangen. Wie gut, dass sich vor Kurzem der Kommissionsrat Bechstein, der Bruder der alten Gräfin, seiner Nichte angenommen hat und gemeinsam mit seinem Freund Eilers, einem gerissenen Advokaten, für die leidgeprüfte Comtesse in die Schranken tritt. Der Endkampf – Gut gegen Böse – möge beginnen! Der Roman ADELINE von August Schrader, dem Meister des gepflegten Intrigen-Romans, wurde erstmals im Jahr 1866 veröffentlicht. Für die vorliegende Neuveröffentlichung hat Quality Books das Buch umfassend überarbeitet und sprachlich modernisiert. "In Dumas'scher Manier schrieb sensationell, hochromantisch, auf Effekt und Nervenkitzel rechnend, der talentvolle und fruchtbare Romanschriftsteller August Schrader, eigentlich Simmel – geboren 01. Oktober 1815 zu Wegeleben bei Halberstadt und gestorben 16. Juni 1878 in Leipzig." (Dr. Adolph Kohut in: "Berühmte israelitische Männer und Frauen in der Kulturgeschichte der Menschheit, Bd. 2")
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Seitenzahl: 114
Veröffentlichungsjahr: 2025
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ADELINE
Modernisierte Neufassung
des zweiteiligen Romans
von
August Schrader
Gesamtausgabe
XXL-Leseprobe
Quality Books
2023
Quality Books
Klassiker in neuem Glanz
Textquellen:
Adeline (Erster und Zweiter Band)
August Schrader
Erstdruck: 1866, Leipzig, Verlag von Heinrich Matthes
Sprachlich modernisierte Neufassung: Marcus Galle
Umschlaggestaltung: Maisa Galle
© 2023 by Quality Books, Hameln
1. Auflage: August 2023
ISBN 978-3-946469-30-8 (Gesamtausgabe)
ISBN 978-3-946469-31-5 (XXL-Leseprobe)
E-Mail: [email protected]
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Anschrift
Dieses E-Book, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne Zustimmung des Herausgebers nicht vervielfältigt, wiederverkauft oder weitergegeben werden.
Inhaltsverzeichnis
Titel
Impressum
Adeline
Ein Intrigenroman
I. Der Geburtstag
II. Der Bienenvater
III. Louise
IV. Eine Mesalliance
V. Louises Bekenntnisse
VI. Die ersten Schritte
VII. Die graue Dame
VIII. Ein frommer Mann
IX. Concordia
X. Eine alte Sünde
XI. Erste Liebe
XII. Zwei Verbrecher
Impressum (Anschrift)
ADELINE
_____________________
Ein Roman
von
I.
Der Geburtstag
Morgens gegen neun Uhr rollte ein schwerfälliger Fiaker aus dem Städtchen der Hauptstadt der Provinz. Das steife, hagere Pferd hatte Mühe, den alten Wagen über das Pflaster zu schleppen, der klapperte und rasselte, als ob er im nächsten Augenblick aus allen Fugen gehen würde. Das bestaubte Verdeck war zurückgeschlagen. Auf dem harten und schmutzigen Sitz lag behaglich ein alter Herr, der in vollen Zügen die warme Mailuft atmete und sichtlich erfreut die schwellenden Knospen an den Kastanienbäumen der Allee betrachtete. Schon nach fünf Minuten hielt der Wagen vor einem stattlichen alten Haus. Der Kutscher, ein kräftiger Mann von vierzig Jahren, riss den klappernden Schlag auf und half dem Passagier beim Aussteigen.
»Danke, Andreas!«, sagte dieser freundlich, seine Börse ziehend.
»Soll ich nicht warten, Herr Kommissionsrat?«, fragte der Kutscher, der ein Geldstück empfing.
»Du könntest zu lange warten müssen, lieber Freund, denn heute habe ich viel und mancherlei zu erledigen bei meiner Schwester. Außerdem ist das Wetter so schön, dass ich den Rückweg zu einem Spaziergang benutzen werde.«
Andreas warf einen Blick in seinen Wagen. Dann nahm er einen kleinen Blumenstrauß, der auf dem Sitz lag.
»Herr, wollen Sie den Strauß nicht mitnehmen?«, rief er.
»Wie zerstreut ich bin!«, antwortete der Alte. »Da hätte ich fast die Hauptsache vergessen.«
Der Wagen fuhr ab. Der Kommissionsrat, den Strauß in der Hand haltend, betrachtete das Haus. Die Läden des Erdgeschosses waren verschlossen wie die Tür, die von einem plumpen Steinbalkon bedeckt wurde. An den Fenstern des ersten Stocks zeigten sich feine weiße Gardinen und Markisen, die noch aufgerollt waren. Dunkelgrüne Gitterläden, bestaubt und verwittert, schlossen sämtliche Fenster des zweiten und letzten Stockwerks. Über das Schieferdach empor ragten zwei hohe Blitzableiter, deren vergoldete Spitzen in der Morgensonne blitzten. Das Eisengitter, das sich zu beiden Seiten des Hauses ausdehnte, trennte einen großen Garten von der Promenade. Um den Blicken der Neugierigen zu wehren, hatte man die Räume zwischen den Stäben mit Brettern ausgefüllt.
Der Kommissionsrat roch an dem Blumenstrauß, schüttelte ironisch lächelnd sein graues Haupt, stieg die drei Stufen der Steintreppe empor und zog die Glocke. Ein heller Klang ließ sich im Innern des Hauses vernehmen. Mehrere Minuten verflossen, ehe geöffnet wurde. Ein alter Bedienter in schwarzer Livree stand auf der Schwelle.
»Guten Morgen, Ernst!«
»Herr Kommissionsrat!«, rief Ernst. »Ich habe es mir doch gedacht!«
»Darf heute nicht fehlen, bester Mann! Wo ist meine Schwester?«
»Wo soll die Frau Gräfin anders sein als in ihrem Zimmer … sie hat sich, wie jedes Jahr zuvor, alle Festlichkeiten verbeten und liest in der Bibel.«
»Natürlich, natürlich! Das soll mich nicht abhalten, ihr einen Morgenbesuch zu machen. Gehe, mein Freund, und melde mich, da ich einmal gemeldet werden muss.«
Der Hausflur, auf dem sich die beiden Männer befanden, war ein weiter leerer Raum. Alle Türen, die sich in dem braunen Getäfel aus Eichenholz zeigten, waren geschlossen. Nur durch ein einziges Fenster, das zum Hof hinausging, war dem Tageslicht Zugang gestattet. Wohin der Blick sich auch wandte, er suchte vergebens ein Möbel oder eine Ausschmückung. Man hätte glauben mögen, das Haus sei völlig unbewohnt. Hell erklangen die Schritte auf dem mit großen Quadersteinen gepflasterten Boden. Ernst verschloss und verriegelte sorgfältig die schwere Haustür und öffnete dann eine Tür in dem Getäfel, die leicht angelehnt war. Die mit weichen Decken belegte Treppe zeigte sich. Die Männer stiegen geräuschlos hinan. Wie anders sah es auf dem Korridor des ersten Stocks aus. Hohe Fenster ließen Licht und Wärme ein. Die Wände waren mit Bildern und Blumen geschmückt. Das Mobiliar, obwohl alt, war gut erhalten und machte einen freundlichen Eindruck. Der Bediente verschwand durch eine Tür und kam gleich darauf mit der Nachricht zurück, dass die Frau Gräfin von Neuhof den Besuch annehmen wolle.
»Gut!«, sagte der Kommissionsrat. »Hilf mir den Oberrock abziehen.«
Ernst nahm den hellgrauen Twin und legte ihn beiseite. Der alte Herr erschien nun im schwarzen Frack, in weißer Weste und weißer Krawatte. Er sah recht ehrwürdig aus, dieser Kommissionsrat, der im Knopfloch ein Ordensbändchen und in der Hand einen Strauß Moosrosen trug. Sein schönes graues Haar kräuselte sich zu natürlichen Locken. Die Wangen, rund und voll, bedeckte eine feine Röte. Das nicht unbedeutende Embonpoint legte Zeugnis ab von dem bequemen Leben des Herrn Erich Bechstein. So trat er in ein kleines mit Komfort und Geschmack ausgestattetes Gemach. In einem großen Fauteuil, der vor dem offenen Fenster stand, saß die Frau vom Hause.
Gräfin Elsbeth von Neuhof war eine siebzigjährige Dame. Das hohe Alter hatte ihren Rücken gekrümmt, die Farbe der Haut gebräunt. Schneeweiße Löckchen quollen unter der feinen weißen Matronenmütze hervor, die ein Streif echter Spitzen garnierte. Zahlreiche Furchen bedeckten das kleine zusammengeschrumpfte Gesicht mit dem spitzen Kinn, an dem sich weiße Härchen zeigten. Der eingekniffene Mund mochte nur noch wenig Zähne besitzen. Aber das dunkle Auge blitzte noch hell unter den dunklen Brauen, es verriet noch einen scharfen Verstand, einen festen Willen.
»Guten Morgen, Schwester!«, begann der Kommissionsrat freundlich.
Die Alte, die ohne Brille gelesen hatte, legte die Bibel auf das Fensterbrett, das eine prachtvolle Stickerei bedeckte. Dann sah sie auf.
»Guten Morgen, Bruder Erich!«, dankte sie mit leiser Stimme.
Sie blieb völlig gleichgültig; es ließ sich nicht erkennen, ob der Besuch sie angenehm ober unangenehm berührte.
»Nimm meinen Glückwunsch, Schwester!«
»Wozu?«
»Heute ist der zehnte Mai, folglich dein Geburtstag.«
Sie nahm das Sträußchen, das er ihr, sich verbeugend, überreichte.
»Ist es nicht töricht«, sagte sie, »den Geburtstag als ein Fest zu betrachten? Eben dieser Geburtstag erinnert daran, dass man um ein Jahr älter geworden und dem Grabe näher gerückt ist.«
»Wohl wahr«, fügte Erich hinzu; »aber er fordert auch zum Dank gegen die Vorsehung auf, die dem Menschenleben ein Jahr zugelegt und Glück und Gesundheit verliehen hat. Wer wie du auf siebzig Jahre zurückblicken kann, hat wohl Grund, den Geburtstag als ein Fest zu betrachten. Mögest du noch manchen zehnten Mai erleben.«
Treuherzig reichte Erich der alten Schwester die Hand.
»Ich habe in der Bibel gelesen, wie jeden Morgen«, begann Elsbeth nach einer Pause. »Die Heilige Schrift erbaut mich und stärkt mein Gemüt … sie leitet ab von profanen Dingen.«
Erich rollte einen Sessel heran und ließ sich nieder.
»Willst du damit andeuten, dass ich dir lästig bin und den Besuch abkürzen soll? Ich erfülle gern jeden deiner Wünsche; aber wenn du mich heute loszuwerden gedenkst, so irrst du. Musst mich schon ein Stündchen dulden, Elsbeth, und deine Aufmerksamkeit den profanen Dingen zuwenden, die ich dir zu sagen habe.«
»Warum gerade heute?«
»Du weißt, Schwester, dass ich nur auf besondere Veranlassung dein Haus betrete … es geschah in der Regel an deinem Geburtstag, um dir meine Aufmerksamkeit zu bezeigen … heute führt mich noch ein anderer Grund zu dir. Schließe die Bibel, liebe Schwester, und höre mich an.«
»Mein Gott!«, seufzte die Gräfin, indem sie die Hände faltete. »Hast du dich noch nicht gebessert, Erich? Du bist doch kein leichtsinniger Jüngling mehr, bist … wie alt doch?«
»Heute sechzig Jahre; wir haben einen Geburtstag. Als du den Grafen von Neuhof heiratetest, zähltest du zwanzig, ich zehn Jahre. Lebte der edle Herr noch, so könntest du die goldene Hochzeit feiern … ich glaube, im nächsten Winter. – Nun, er ist tot, du bist lange Witwe … Warum zitterst du denn, Elsbeth?«
Sie streckte die hagere Hand aus.
»Lass das, lass das! Willst du, dass ich dich länger anhöre, so wähle ein anderes Thema …«
»Bedauere, Schwester, dass ich dabei beharren muss. Gerade deine Familienverhältnisse sind es, über die zu sprechen ich gekommen bin. Du hast vorhin sehr richtig bemerkt, dass der Geburtstag an das Grab erinnere … ich pflichte dir bei. Siebzig Jahre … welch ein schönes Alter! Elsbeth, gestatte deinem Bruder, deinem einzigen nahen Verwandten, ein freies Wort. Runzele die Stirn nicht, ich meine es gut, herzlich gut mit dir. Entgegne mir nicht, ich solle später wiederkommen, wie du’s mir seit Jahren sagst … in deinem Alter weiß man nicht, wann der Tod anklopft und sein gebieterisches: ›Komm mit!‹ ruft!«
»Mag er anklopfen«, sagte die Alte dumpf, »ich bin gerüstet, ihm zu folgen.«
»Nein, du bist nicht gerüstet!«
»Täglich bereite ich mich vor, das Antlitz des Herrn zu schauen.«
»Das genügt nicht, Elsbeth!«
»Was noch hat die gute Christin zu tun?«
»Sie hat auch zu bedenken, wie sie die Ihrigen auf dieser Erde zurücklässt, hier, wo man nicht Nektar und Ambrosia genießt, ohne zu zahlen …«
»Willst du vielleicht, dass ich dich zu meinem Universalerben einsetze?«, fragte die Alte, und ein lauernder, fast tückischer Blick stahl sich aus ihrem Auge.
»Nein!«, rief Erich. »Ich besitze so viel, dass ich nicht zu darben brauche, und wenn ich hundert Jahre alt werden sollte. Meine Ansprüche an das Leben sind bescheiden, und da ich Junggeselle bin, habe ich für Kinder nicht zu sorgen. Aber du, Elsbeth, hast eine Tochter …«
Erich schwieg, um die Wirkung dieser Worte abzuwarten. Die Gräfin ließ das Kinn auf die Brust herabsinken und starrte auf die gefalteten Hände, deren Zittern stärker zu werden begann.
»Louise! Louise!«, flüsterte sie.
Plötzlich fuhr sie mit einer Lebhaftigkeit auf, die man ihr bei dem hohen Alter nicht hätte zutrauen mögen. Indem sie den Stock mit Elfenbeingriff nahm, rief sie streng:
»Ich habe keine Tochter!«
»Bleibe bei der Wahrheit, Schwester!«
»Wer hat dir gesagt, dass ich eine Tochter habe?«
»Du selbst hast sie Louise genannt.«
»Ich habe keine Tochter!«, wiederholte sie kreischend.
»Dann bedauere ich dich, Elsbeth! Keine liebende Hand drückt dir die Augen zu, wenn Gott dir das Leben genommen hat … keine Träne fällt auf dein Grab. Ich, dein Bruder, kann dich nicht beweinen, denn ich muss mir sagen: Dort übergibt man eine herzlose Mutter dem Grabe, eine Schwester, die den bürgerlichen Bruder verachtet hat. Elsbeth, du sprichst stets von dem Antlitz des Herrn, von dem ewigen Gericht, von der letzten Posaune, von Glanz und Licht, von Heulen und Zähneklappern und wie sonst die Dinge alle heißen, die unsere Frommen im Jenseits vorzufinden hoffen … was willst du antworten, wenn der ewige Richter dich fragt: Elsbeth von Neuhof, warum hast du deine einzige Tochter hilflos zurückgelassen? Warum hast du Gleisnern und falschen Freunden das reiche Erbe gegeben, das deiner Louise gehört? Warum? Warum?«
»Dann werde ich antworten: Weil der Fluch des Vaters auf dem Haupt Louises ruht! Weil ich meinem Gemahl, als er im Sterben lag, den Eid geschworen habe: ›Louise ist meine Tochter nicht mehr.‹ Diese Gründe, so hoffe ich, wirst du ehren, wirst nicht weiter in mich dringen, einen Eid zu brechen, den ich in die Hand eines Sterbenden gelegt habe. Die Trennung von meiner Tochter hat mir großen Kummer bereitet, ich habe Tag und Nacht keine Ruhe gehabt … nur die Religion vermochte mich zu trösten … Ich habe nach langer Zeit erst die Ruhe wiedergefunden, die mein Kind mir geraubt hat.«
Der Kommissionsrat unterdrückte mit Mühe die Entrüstung, welche die Äußerung der Schwester in ihm hervorrief; er wiegte das greise Haupt und lächelte bitter vor sich hin.
»Jetzt bin ich alt«, fuhr die Gräfin fort, »in meiner Brust toben keine Leidenschaften mehr, ich denke und handle kalt und ruhig und betrachte die Welt als das, was sie ist … die Vorbereitung zum ewigen Jenseits. Dass die Dinge sich so gestaltet haben, ist eine Fügung des Himmels, und wehe dem Sterblichen, der den Mut hat, dieser Fügung vorzugreifen.«
»Schwester, du denkst kalt und ruhig, das ist ein Glück. Auch ich bin an diesem Punkt angelangt und freue mich dessen. Nicht um mit dir zu rechten oder deine Handlungen zu tadeln, bin ich gekommen, sondern um mit dir zu überlegen, wie du ein gutes Werk vollbringen kannst. Ich denke, auch dies hat der Himmel gefügt, und der Mensch ist ein Frevler, der die ihm von Gott verliehenen Gaben nicht nutzbringend anwendet. Ich meine damit deinen Verstand … an diesen wende ich mich heute, nicht an dein Herz. Lass sehen, ob du kalt und ruhig zu denken vermagst. Was hat Louise verbrochen, dass die Eltern sie mit so harter Strafe belegen?«
»Weißt du es nicht?«, fragte die Gräfin.
»Nein!«
»Ich werde es dir sagen. Louise ist den Eltern ungehorsam gewesen, Louise hat ihre Ehre, ihren Stand vergessen, sie hat gegen göttliches und menschliches Gebot gehandelt und ist die Frau eines Mannes geworden, dessen Vater stets ein Feind meines Gatten gewesen ist. Als ich ihr Vorstellungen machte, war sie bereits mit diesem Mann ehelich verbunden, sie, die einzige Tochter eines Grafen! Louise hat sich durch diesen Schritt von den Eltern losgesagt … mag sie nun die Folgen tragen!«
Die Gräfin wollte ihren Platz verlassen.
Erich hielt sie zurück.
»Bleibe, Elsbeth! Du wirst wahrlich die Unterredung segnen, zu der ich dich zwinge.«
»Mich zwingen?«
»Ich nenne es so, weil ich nicht gleich einen andern Ausdruck finde. Vergiss nicht, dass ich dein Bruder bin, der es nur gut mit dir meinen kann.«
Die Alte fügte sich mit sichtlichem Widerstreben.
»Fasse dich kurz, Erich!«, sagte sie befehlend.