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Wandern ist nicht nur Freizeitvergnügen, sondern blanke Notwendigkeit – in seiner Unverzichtbarkeit höchstens mit Essen, Schlafen und Atmen vergleichbar. In Wigald Bonings persönlicher Weltsicht ist der Mensch in erster Linie ein gehendes Wesen, Ohrensessel genießt er am liebsten nach ausführlichem Langgang. In Der Fußgänger geht er alle Varianten durch: Vom ziellosen Flanieren und Arbeitswegen mit Aktentasche über burschikose Torkeleien, Stechschritt und Gehumpel bis zum von Ehrgeiz durchwalkten Grenzgang durch Fels und Firn. In seinem Buch stellt er den Menschen, der mitunter den Boden unter den Füßen verloren zu haben scheint, wieder auf dieselben und begeht gemeinsam mit seinen Lesern einen reizvollen Trampelpfad ins Glück.
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Seitenzahl: 44
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© eBook: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
© Printausgabe: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München
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Projektleitung: Silke Tauscher
Lektorat und Korrektorat: Christiane Schwabbaur
Umschlaggestaltung: ki36, Sabine Skrobek, Petra Schmidt
eBook-Herstellung: Maria Prochaska
ISBN 978-3-8464-0958-9
1. Auflage 2022
Bildnachweis
Coverabbildung & Foto Umschlagklappe: Jörg Koch
Fotos: privat, Bernhard Hoëcker, Matthias Boch
Syndication: www.seasons.agency
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Für Mama
Über allen Gipfeln sind Schuh’.Unter allen Zipfelmützen ambitionierte Alpinisten, die eine Outdoor-App benützen.Ihr Leben ist ein schweißgefüllter Schlauch.Warte nur! Bald wanderst Du auch.
sehr frei nachJohann Wolfgang von Goethe
Am Anfang war das Fort-, das Weg-, das Woandershinwollen.
Irgendein Einzeller in der Ursuppe hatte genug davon, mal hierhin, mal dorthin getragen zu werden, und irgendeine genetische Mutation mag ihm ein Flimmerhärchen geschenkt haben, welches sich nach Art einer Geißel als Ruder verwenden ließ.
Der unbekannte Einzeller erfreute sich erheblicher Vorteile. Er manövrierte mal hierhin, mal dorthin, schaffte es regelmäßig an die besten Einzeller-Imbisse, und so ist es kein Wunder, dass er beim Einzeller-Tindern weitaus erfolgreicher abschnitt als seine Kollegen ohne Ruder.
Einige tausend Generationen später waren aus den Einzellern Zellverbände geworden, die sich mit allerlei Flossen, Beinchen und Püsterichen über den Meeresgrund schoben. Manche machten bald darauf sogar das Seepferdchenabzeichen und schwammen, ganz ohne Schwimmflügel, quer durch den weiten Ozean. Und wieder ein paar tausend Generationen später wurde es einem Teil der ehemaligen Ursuppeneinlage zu langweilig, und diese Neugierigen robbten an Land.
Hossa, was gab es da nicht alles zu sehen: Flechten und Farne, Bims und Bernstein, Schuppen- und Siegelbäume, und spontan beschlossen sie, an Land zu bleiben. Aus Robben wurde Krabbeln, aus Tentakeln wurden Haxen, die Amphibien – ich mach’s mal kurz – zum Urmenschen.
Der Urmensch war im Grunde ein zufriedener Gesell. Den Großteil des Tages verbrachte er auf allen vieren, nur manchmal stellte er sich auf die Hinterbeine, etwa, wenn er ganz besonders weit gucken wollte. Einer von ihnen war schwer verliebt, wartete tagtäglich stundenlang auf seine Angebetete, eine begeisterte Heidelbeersammlerin.
Immer, wenn sie abends am Horizont der Savanne auftauchte, stürzte er ihr entgegen, verlor sie aber auf allen vieren im Unterholz aus den Augen, stellte sich wieder auf die Hinterbeine, entdeckte sie erneut, sprintete wieder los, verlor sie, und so fort. So ging es Tag für Tag, bis dem Verliebten ein Licht aufging. Wenn er aufrecht lief, blieb die Holde länger im Blick.
Jetzt sind wir wieder ein Weilchen weiter, und der sogenannte »aufrechte Gang« ist Mainstream geworden. Die meisten Menschen erheben sich wenigstens ab und an vom Sofa und gehen irgendwohin. Im Normalfall wird das Gehen nicht sonderlich reflektiert, und nur wenige verweigern sich komplett und verbringen ihr gesamtes Leben krabbelnd. Ihnen sei später noch ein spezielles Kapitelchen gewidmet.
Auf diesem Pfad im deutsch-tschechischen Grenzgebiet könnteer sich erstmals abgespielt haben: der aufrechte Gang
Ich bin dafür, das Gehen wieder als das zu begreifen, was es ist: Zum einen eine pfiffige Idee, um ohne fremde Hilfe vom Bett zum Kühlschrank, in fremde Länder oder auf hohe Berge zu gelangen und zum anderen ein Akt der Liebe. Es muss keine Geliebte, kein Geliebter sein, dem wir zustreben, es reicht auch ein alter, üppiger Kastanienbaum, eine gemütliche Wirtschaft oder der Sonnenuntergang. Und manchmal reicht sogar das Gehen selbst als Objekt unserer Liebe, wir gehen »um des Gehens willen«, einfach nur so, »um den Pudding«, wie man in meiner Heimatstadt zu sagen pflegte, wenn man ein Karree im Viertel umrundete.