Yoga in der Psychotherapie - Angela Cuno - E-Book

Yoga in der Psychotherapie E-Book

Angela Cuno

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Beschreibung

Yoga ist, wenn der Geist zur Ruhe kommt. Und damit haben Yoga und Psychotherapie schon ein gemeinsames Ziel. Beides wird in diesem Praxisbuch für PsychotherapeutInnen verbunden, indem die Wurzeln des Yoga sowie Studien zur Wirkweise beschrieben werden. Yoga und Verhaltenstherapie werden miteinander verknüpft: So erarbeitet z. B. ein Angstpatient den Glaubenssatz "Ich schaffe das nicht" therapeutisch, ersetzt ihn durch eine positiven Satz und verstärkt diesen durch eine kräftigende Yoga-Haltung ("Held"). Solche Körper- und Atemübungen, Imaginations- und Meditationsanleitungen werden wörtlich beschrieben und durch Fotos veranschaulicht. Dabei sind die Übungen immer auch für PatientInnen ohne Yoga-Vorerfahrung geeignet. Ein wertvolles Buch für interessierte PsychotherapeutInnen, die (erste) eigene Erfahrungen mit Yoga haben.

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Angela Cuno • Thomas Richter

Yoga in der Psychotherapie

Mit zahlreichen Abbildungen

Ernst Reinhardt Verlag München

Angela Cuno und Thomas Richter sind Diplom-Psychologen und als Psychologische Psychotherapeuten seit 1989 in gemeinsamer Praxis in Gütersloh tätig. Darüber hinaus unterrichten sie Yoga und lehren seit 2014 zum Thema „Integration von Yoga in die Psychotherapie“ in verschiedenen Berufsverbänden.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind

im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-497-03220-4 (Print)

ISBN 978-3-497-61814-9 (PDF-E-Book)

ISBN 978-3-497-61815-6 (EPUB)

© 2023 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag Ernst Reinhardt GmbH & Co KG behält sich eine Nutzung seiner Inhalte für Text- und Data-Mining i.S.v. § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Hinweis: Soweit in diesem Werk eine Dosierung, Applikation oder Behandlungsweise erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass die Autoren große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen oder sonstige Behandlungsempfehlungen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnungen nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Printed in EU

Cover unter Verwendung einer Kombination der Fotos von iStock.com / yoshinx und iStock.com / luhuanfen

Satz: Sabine Ufer, Leipzig

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhalt

Vorwort

Teil I – Grundlagen und theoretische Ansätze

1

Einführung in die Yogaphilosophie und die Geschichte des Yoga

1.1

Die Entwicklung des Yoga im alten Indien

1.2

Der Weg des Yoga in den Westen

2

Wirkungen von Yoga auf physiologische und psychische Faktoren

2.1

Studienlage

2.2

Yoga und Verhaltenstherapie

2.3

Möglichkeiten und Grenzen für den Einsatz von Yoga in der Psychotherapie

Teil II – Praktische Anwendungen

3

Integration von Yoga in Therapieprozesse

3.1

Voraussetzungen und Kontraindikationen

3.2

Vorbereitung

3.3

Durchführung

3.4

Spätere Prozessphasen bei geübten KlientInnen

4

Basisübungen für die Anwendung in der Psychotherapie

4.1

Asanas (Körperübungen) und Pranayamas (Atemübungen)

4.2

Imaginative und meditative Techniken

4.3.

Weitere Beispiele der Integration von Yoga in einzelne Therapiesitzungen

4.4.

Integration von Yoga am Beispiel von Therapieverläufen

5

Yoga als Psychohygiene für Psychotherapeuten

5.1

Hinweise zum eigenen Üben

5.2

Yoga außerhalb der Matte

Anhang

Übungsfolge, um Geist und Körper zu beruhigen

Übungsfolge, um Geist und Körper zu aktivieren

Übungsfolge, um die Konzentration zu fördern

Ausbildungsmöglichkeiten

Glossar der wichtigsten Sanskritbegriffe

Literatur

Hintergrundliteratur

Sachregister

Unser ganz besonderer Dank für ihre tatkräftige Unterstützung bei der Quellenrecherche und bei technischen Fragen gilt meiner Tochter Rieke Marie Cuno.

Vorwort

Warum schreiben wir dieses Buch?

Während unserer jahrelangen Arbeit als PsychotherapeutInnen in unserer Praxis haben wir viele verschiedene Ausbildungen durchlaufen und viele verschiedene Methoden kennen gelernt: Gesprächstherapie nach Rogers, Rational-Emotive Therapie (RET), Neuro-Linguistisches Programmieren (NLP), Verhaltenstherapie (VT), Traumatherapie, Eye-Movement-Desensitization-and-Reprocessing (EMDR), Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie (PEP ®). So konnten wir uns mit unseren Interventionen auf die unterschiedlichsten KlientInnen einstellen und ihnen individuell angepasst helfen. Dennoch gab es immer wieder Situationen, in denen uns eine entscheidende Inspiration fehlte, um Zugang zu dem Problem der KlientIn zu bekommen. Der somatische und spirituelle / achtsame Aspekt fehlte häufig, um die Menschen umfassend unterstützen zu können.

Nachdem wir beide – zunächst aus privatem Interesse – eine Ausbildung zur YogalehrerIn gemacht hatten und damit begannen, Kurse zu geben, fiel uns immer mehr auf, wie viele Parallelen es in den Konzepten der Yogaphilosophie und -praxis und der Psychotherapie – vor allem der Verhaltenstherapie – gab. Durch unsere berufliche Ausrichtung und durch den Umstand, dass ein Teil der Yogakurs-TeilnehmerInnen auch in psychotherapeutischer Behandlung bei uns war, war es für uns selbstverständlich, dass wir psychologische Inhalte in unsere Yogakurse einfließen ließen. Nach und nach nutzten wir jedoch auch Techniken und Gedanken des Yoga in unseren psychotherapeutischen Einzelsitzungen, die bei bestimmten KlientInnen guten Anklang fanden und ihnen halfen, sich weiterzuentwickeln. Insbesondere bei Aufmerksamkeits- und Gedächtnisproblemen, Grübelzwang, depressiven Störungen, Angststörungen, Problemen mit der Entspannung (z. B. bei chronisch erhöhtem Arousal, Hyperaktivität) und Störungen der Körperwahrnehmung erwiesen sich die Konzepte und Methoden des Yoga als sinnvolle und wertvolle Ergänzung zu den oben genannten psychotherapeutischen Verfahren.

Seit einigen Jahren geben wir deshalb Fortbildungen in diesem Bereich für interessierte KollegInnen, in denen wir aufzeigen, wie Yoga in die Psychotherapie integriert werden kann, wie es bei welchen Störungsbildern wirkt, welche Voraussetzungen (bei TherapeutIn und KlientIn) dafür vorhanden sein müssen. Dabei benennen wir auch die Grenzen des Yoga. Auch weisen wir gesondert daraufhin, dass sich Yoga hervorragend als Instrument zur eigenen Psychohygiene nutzen lässt, wie wir es seit vielen Jahren selbst praktizieren, um den mitunter sehr kräftezehrenden Beruf der PsychotherapeutIn lange und mit Freude ausüben zu können.

Um nun den interessierten KollegInnen einen praktikablen Leitfaden an die Hand geben zu können, haben wir uns entschieden, unsere Erfahrungen zu verschriftlichen. In diesem Buch geben wir außerdem einen Überblick über die Geschichte des Yoga, seine Philosophie, seine wissenschaftliche Evidenz und seine Parallelen zur Psychotherapie (speziell zur Verhaltenstherapie). Wir stellen Fallbeispiele vor und zeigen anhand von Therapiesitzungen auf, wie die Integration der Yogaübungen und -gedanken ganz praktisch gelingen kann.

Teil I

Grundlagen und theoretische Ansätze

1Einführung in die Yogaphilosophie und die Geschichte des Yoga

Um Yoga verstehen und anwenden zu können, ist es hilfreich, einige geschichtliche und philosophische Hintergründe zu kennen. Diese Einführung wollen wir hier bieten, ohne den Anspruch auf (erschöpfende) Vollständigkeit. Yoga ist eine komplexe Philosophie mit einer Jahrtausende alten Historie. Beides kann hier nur kurz angerissen werden mit der Betonung auf Aspekte, die für PsychotherapeutInnen relevant sind.

1.1Die Entwicklung des Yoga im alten Indien

Ursprünge

Der Begriff Yoga ist eine Ableitung aus dem Sanskritbegriff yuj, das so viel wie „Anschirren von Zugtieren vor einen Wagen“ bedeutet (Sriram 2006, 14). Yoga heißt dann „Verbindung“, „Vereinigung“ oder auch „Einheit“.

Die ersten Anfänge des Yoga verlieren sich im Dunkel der indischen Geschichte vor etwa 3.500 Jahren. Die philosophischen Schriften der Upanishaden, die ab etwa 700 v.Chr. entstanden, erwähnten schon Atemübungen und das „Zurückziehen der Sinne“ als Mittel der Meditation. In späteren Fassungen ab etwa 400 v.Chr. tauchte bereits der Begriff Yoga auf.

Zunächst ausschließlich von der obersten Kaste der Brahmanen, einer Priesterkaste, praktiziert, verstand sich dieses Yoga als rein geistige Disziplin. Unsere fünf Sinne, die („wie wilde Affen“) hin- und herspringen und für eine ständige Reizung und Zerstreuung unseres Geistes sorgen – welch ein modernes Problem! – sollten „angeschirrt“ werden, so wie die Zugtiere eines Wagens vor ein Joch (eine weitere Ableitung des genannten Begriffs yuj) und damit zentriert, vereinigt, wie es der Bedeutung von Yoga entspricht.

In der Bhagavad Gita (um 500 v.Chr.), einer bis heute in Indien populären philosophischen Schrift, wurde die damalige Ethik in Form eines Lehrgedichtes zusammengefasst. Krishna, einer der hinduistischen Hauptgötter, unterweist in diesem Text den jungen Krieger Arjuna in die moralisch-ethischen Grundwerte des Lebens.

Spätestens ab dieser Zeit wandelte sich das Verständnis von Yoga grundlegend: Geistige Entwicklung sollte nicht mehr ausschließlich den Brahmanen vorbehalten, sondern prinzipiell allen Menschen möglich sein (wenn auch faktisch nur die wenigen, die lesen und schreiben konnten, daran teilhatten).

Patanjalis achtgliedriger Pfad

Der mystische Weise Patanjali, der irgendwann im Zeitraum zwischen 200 v. Chr. und 400 n. Chr. in Indien gelebt haben soll, fasste das Wissen und das Verständnis vom Yoga der damaligen Zeit in seinem berühmten vierteiligen Yoga-Sutra zusammen. Sutra bedeutet „Faden“, und Patanjalis Yoga-Sutren bestehen aus etwa 195 knapp gefassten Lehrsätzen. Dieser Text wurde nicht für eine breite Öffentlichkeit geschrieben, sondern für die, die damals Yoga praktizierten. Er ist ohne Erläuterungen kaum verständlich. So wurden seit dem 5. Jahrhundert immer wieder erklärende Kommentare dazu verfasst.

„Yoga ist, wenn der Geist zur Ruhe kommt“, so lautet Patanjalis wahrscheinlich berühmtester Lehrsatz in der prägnantesten Übersetzung (modifiziert nach Schöps 2010, S. 21; eine Diskussion der unterschiedlichen Übersetzungen aus dem Sanskrit siehe Ott 2013). Von vielen ernsthaft Praktizierenden werden diese Yoga-Sutren noch immer als philosophisch-geistige Grundlage des Yoga gesehen.

Das ist also letztlich Sinn und Ziel von Yoga: den Geist zur Ruhe zu bringen. Alle Methoden, Verhaltensregeln und Übungen, die Yoga anzubieten hat, sind letztlich Hilfsmittel, um das zu erreichen. Wie gleich noch deutlicher werden wird, ist dieses Ziel allerdings deutlich tiefgreifender als unser westliches Verständnis von „abschalten“ oder „gut entspannen“ können (auch wenn sich in unserer Alltagspraxis Yoga dazu durchaus nutzen lässt).

Im ersten Teil der Sutren entfaltet Patanjali die Grundzüge einer Yogapsychologie. Er beschreibt, wie unser Geist arbeitet und welche Faktoren dazu führen, dass wir nicht das wahrnehmen, was ist, sondern nur „gefärbt“ durch unsere Vorerfahrungen und (modern ausgedrückt) unsere „subjektive Brille“. Dieser Teil wird im Kapitel 2.2 genauer behandelt. Patanjali arbeitet im zweiten und dritten Teil der Sutren heraus, welchen Weg Yoga dafür anbietet, diese Verzerrungen der Wirklichkeit aufzuheben. Dies ist der berühmte „achtgliedrige Pfad“. Im abschließenden vierten Teil des Yoga-Sutra wird diese Freiheit des Geistes genauer beschrieben und die Hindernisse auf dem Weg dahin werden erläutert. Vor allem die triebhaften Elemente (Kleshas), und unsere angewöhnten Handlungsneigungen und erworbenen Überzeugungen (Samskaras) stehen der Erleuchtung entgegen. Auch hier gibt es interessante Parallelen zur Psychotherapie (Kapitel 2.2).

Patanjalis Lehrsätze sind sehr knapp formuliert, die verwendeten Sanskritbegriffe vielschichtig – und damit sind unterschiedliche Interpretationen möglich. Klar ist jedoch, dass es für ihn ganz ausdrücklich nicht darum geht, etwas zu „glauben“. Bereits im allerersten Lehrsatz beschreibt er Yoga als erfahrungsbasiert (modern ausgedrückt könnte man auch sagen: evidenzbasiert). Patanjali fordert also dazu auf, eigene Erfahrungen mit dem Weg des Yoga zu machen und nichts zu glauben, was man nicht selbst erlebt hat.

Das ist auch der Grund, weshalb Yoga keine Religion ist (auch wenn es in der indischen Philosophie und dem Hinduismus wurzelt sowie einige buddhistische Einflüsse hat). Wir können und sollten Yoga zwar von LehrerInnen lernen, aber letztlich zählt nur unsere eigene Erfahrung. Hier gibt es eine weitere Parallele zur Psychotherapie (mehr dazu im Kapitel 2.2).

Patanjalis achtgliedriger Pfad hat folgende Bestandteile: Yamas, Niyamas, Asanas, Pranayama, Pratyahara, Dharana, Dhyana und Samadhi (Sriram 2006).

Die Sanskritausdrücke klingen sehr fremdartig, aber zumindest die ersten vier Glieder sind sehr handfeste Anleitungen, die jeder Mensch im persönlichen Alltag umsetzen kann. Alle acht Glieder sind dabei im Prinzip gleichwertig, bauen aufeinander auf und erreichen alle „Schichten“ von der Außenwelt bis zur tiefsten inneren Ebene.

Die ersten beiden Glieder werden hier als Basis des achtgliedrigen Pfades ausführlicher behandelt, um seine ethischen Grundlagen deutlich zu machen. Praktischer Schwerpunkt dieses Buches sind dann jedoch die Glieder drei bis fünf (Körperhaltungen, Atemkontrolle und einfache Meditationen). Ab dem sechsten Glied geht es um weit fortgeschrittene geistige Fähigkeiten, die die Grenzen einer Psychotherapie deutlich überschreiten.

Das erste Glied auf dem Pfad sind die Yamas, die Regeln für den Umgang mit der Umwelt. Es ist interessant und vielleicht verblüffend, dass dieser Umgang mit der Umwelt für Patanjali an erster Stelle steht, also die Basis des Weges ist. Mit „Umwelt“ ist hier vor allem der Umgang mit anderen Menschen gemeint, aber auch mit anderen Wesen und der Natur. Yamas sind also eine Art ethischer Verhaltenskodex, allerdings ohne eine (religiöse) Strafandrohung bei Nicht-Befolgen. Es sind Regeln, die man beachten sollte, wenn man auf dem achtgliedrigen Pfad voranschreiten und sich weiterentwickeln möchte. Dieses erste Glied Yama hat fünf Bestandteile.

Ahimsa, die Gewaltlosigkeit. Dieser Begriff ist im Westen vielleicht durch Mahatma Gandhi am meisten bekannt geworden, der selbst praktizierender Yogi war. Gewaltlosigkeit ist nicht nur körperlich gemeint (also im Sinne von: jemanden schlagen oder verletzen), sondern auch psychisch, durch Worte oder sogar in Gedanken. In einem weiteren Sinne gilt Ahimsa allen Lebewesen gegenüber. Viele Yogapraktizierende begründen mit dieser Regel auch vegetarische oder vegane Ernährung, um Tieren nicht zu schaden.

Satya, die Wahrhaftigkeit. Die Wahrheit zu sagen, ehrlich zu sein, nicht zu lügen, ist der zweite Bestandteil von Yama. Das heißt nicht, dem anderen alles an den Kopf zu werfen, was ich denke. Aber das, was ich sage und wie ich handle, sollte übereinstimmen mit dem, was ich denke.

Asteya, das Nicht-Stehlen. Dieses Prinzip finden wir auch in den christlichen „Zehn Geboten“ wieder. „Stehlen“ ist bei Patanjali nicht nur auf materielle Güter bezogen, sondern auch auf Geistiges wie Gedanken oder Ideen. In einem tieferen Sinn geht es darum, uns nicht von unseren Begierden, unserem Verlangen bestimmen zu lassen.

Brahamacharya, das Maßhalten. Die eigentliche Wortbedeutung ist „Handeln im Bewusstsein des Brahma“ (des „kosmisch Unendlichen“). Übertragen geht es hier um Mäßigung und Maßhalten in Bezug auf die vielen Sinnesreize und Leidenschaften wie Essen, Genussmittel oder Sex, von denen wir uns nicht abhängig machen sollten.

Aparigraha, das Nicht-Horten. Was brauchen wir wirklich für unser Leben? Hier geht es um die Neigung des Menschen, „immer mehr“ von materiellen Gütern, aber auch immer mehr Anerkennung, Ruhm, Macht haben zu wollen. Dies führt nicht zu mehr innerer Zufriedenheit, sondern ist eher ein Hindernis dafür.

Das zweite Glied auf dem Pfad sind die Niyamas,die Regeln im Umgang mit uns selbst.

Shaucha, die Reinheit. Sehr weltlich ist damit tatsächlich die Reinheit des Körpers, also etwa Hygiene gemeint – wobei es im Yoga auch ausgefeilte, für uns z. T. seltsam anmutende Reinigungstechniken gibt, die Kriyas. So z. B. Hrid Dhauti, die Tuchreinigung: Dabei wird eine bis zu fünf Meter lange Mullbinde bis auf das Ende geschluckt und anschließend langsam wieder herausgezogen. Dies soll die Speiseröhre und den Magen reinigen (Yoga-Vidya 2023). Andere Reinigungstechniken aus dem Yoga wie das Zungenschaben oder die Nasendusche haben dagegen den Weg in unser westliches Gesundheitssystem gefunden.)

Im erweiterten Sinne geht es darum, auf geistiger Ebene die Gedanken „rein“ zu halten und es soll eine einfache, reine Ernährung angestrebt werden. Letzteres ist durchaus modern, denn heutzutage wird häufig der Konsum wenig verarbeiteter Nahrungsmittel angestrebt.

Santosha, die Zufriedenheit. Zufrieden zu sein mit dem, was man hat und was man ist, soll hier angestrebt werden. Im psychotherapeutischen Sinn kennen wir das als die Idee, sich selbst so annehmen zu können, wie man ist, anstatt dem inneren Kritiker zu gehorchen, der nie zufrieden ist.

Tapas, die Selbstdisziplin. Das ist aus dem Sanskritausdruck Tapah abgeleitet, was Hitze, brennendes Verlangen bedeutet – und dies ist idealerweise der Antrieb dafür, unsere Ziele weiterzuverfolgen trotz schwieriger Hürden und Hindernisse auf unserem Weg. Für große Vorhaben ist diese Eigenschaft entscheidend.

Svadyaya, das Selbststudium. Ursprünglich ist vor allem das Studium der alten philosophischen Schriften gemeint, aber im weiteren Sinne geht es hier auch um die Selbstreflexion: Die offene, ehrliche Auseinandersetzung mit den eigenen Verhaltensweisen, Denkmustern und Beschränkungen – deren Wichtigkeit können wir als PsychotherapeutInnen doch nur bestätigen.

Ishvara Pranidhana, das Vertrauen in eine höhere Kraft. Dies wird auch als „bedingungslose Hingabe an das Göttliche“ übersetzt. Auch ohne an Gott zu glauben, haben viele Menschen das Gefühl, es gebe eine höhere Macht, der sie sich anvertrauen können. In der Psychotherapie ist oft die Formulierung „Vertrauen in das Leben“ hilfreich.

Das dritte Glied sind die Asanas, die Körperhaltungen.

Im praktischen Teil des Buches werden die wichtigsten Basisübungen näher beleuchtet und nach therapeutischen Anwendungsmöglichkeiten eingeordnet. Bei Patanjali sind die Asanas noch nicht weiter ausdifferenziert. Er versteht darunter nur das aufrechte Sitzen (im Lotossitz), wahrscheinlich auch die Haltung des Körpers allgemein, und er definiert schon dessen Qualitäten: Stabilität und Leichtigkeit – eine bis heute gültige Beschreibung.

Das vierte Glied ist Pranayama, die bewusste Steuerung der Energie bzw. des Atems. Prana ist das, was die Chinesen oder Japaner als Chi (z. B. T‘ai Chi) oder Qi / Ki (Qi Gong) bezeichnen, die uns und letztlich dem Universum innewohnende Lebensenergie. Diese kann gut über den Atem gelenkt werden und es gibt im Yoga eine Fülle ausgefeilter Atemübungen (für eine Auswahl siehe Buchteil „Praktische Anwendungen“).

Das fünfte Glied ist Pratyahara,das Zurückziehen der Sinne.