Your Smile - Wie ein Strahlen in der Dunkelheit - Cheryl Kingston - E-Book

Your Smile - Wie ein Strahlen in der Dunkelheit E-Book

Cheryl Kingston

4,5

Beschreibung

Inmitten meiner Dunkelheit erstrahlte plötzlich ein Licht. Und das warst du. Für ein Leben zusammen mit ihrem Freund hat Riley Evans nicht nur ihre Familie in Los Angeles zurückgelassen, sondern auch ihren Traumjob als Fotografin bei einem großen Lifestylemagazin aufgegeben. Als sie voller Zukunftsträume in Seoul ankommt, muss sie auf schmerzvolle Weise feststellen, dass sie für eine andere Frau sitzengelassen wurde und mittellos in der südkoreanischen Metropole gestrandet ist. Verzweifelt und durchgefroren trifft sie auf den attraktiven Park Jae-Joon. Seine verständnisvolle Art und das verschmitzte Lächeln lassen sie schwach werden, sodass sie die Nacht in seinen Armen verbringt. Was Riley allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht weiß, ihr Retter ist in Asien ein aufstrebender Superstar - ein Mann, der niemals ihr allein gehören wird und dessen Liebe nur seinen Fans gelten darf. Auch wenn beiden bewusst wird, dass ihre Beziehung verboten ist und ein Spiel mit dem Feuer bedeutet, geben sie den wachsenden Gefühlen füreinander eine Chance. Aber was passiert, wenn genau diese Liebe es ist, die am Ende den Menschen zu zerstören droht, der zum Mittelpunkt deines Lebens geworden ist?

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Seitenzahl: 532

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YOUR SMILE: WIE EIN STRAHLEN IN DER DUNKELHEIT

Cheryl Kingston

© 2020 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg (www.art-for-your-book.de)

ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-467-2

ISBN eBook: 978-3-86495-468-9

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses Buch darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weitergegeben werden.

Glossar

Playlist

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Epilog

Danksagung

Autorin

Glossar

Aegyo: Verhaltensweise bei der eine Frau sich besonders niedlich/süß gibt

Agassi: Fräulein

Aigo: Ach du meine Güte!

Aish: Verflucht!/ Fuck!

Ajumma: ältere/ verheiratete Frau

Aniyo: Nein (höflich/siezende Form)

Annyeong: Hi

Annyeonghaseyo: Hallo (höfliche Form)

Annyeonghaseyo, F.Sound sajin jagga Riley Evans ibnida: Hallo, ich bin Riley Evans, die Fotografin von F.Sound

Bogo sip-eo: Ich vermisse dich./ Ich will dich sehen.

Daebak: krass/ mega cool

Dong ppang: koreanischer Pfannekuchen in Form eines Kothäufchens mit Schokoladenfüllung

Eoseo oseyo: Willkommen.

Gaeguli: Frosch

Gaesaekki: Hurensohn

Gamsahamnida: Dankeschön.

Gwaenchana: Ist alles okay?

Gwaenchaneuseyo: Ist alles okay bei Ihnen?

Habsida sijaghaja: Fangen wir an.

Hajima: Lass das!

Hallyu Star: besonders in Asien bekannter Star (Hallyu steht für die koreanische Welle und beschreibt die weltweit ansteigende Popularität der koreanischen Popkultur)

Hoesik: Treffen von Kollegen nach der Arbeit zum Essen oder Trinken

Hyung: älterer Bruder oder nahestehender älter Freund eines Mannes

Hyungnim: höfliche/ehrfürchtige Art den älteren Bruder oder nahestehenden älteren Freund anzusprechen (Mann)

Ippeusi: schön/hübsch

Jal ja: Schlaf gut.

Jalhaess-eoyo: Gut gemacht.

Jaljinaess-eo: Wie geht es dir?

Jal meoggessseubnida: Guten Appetit (wörtlich: Ich werde es mir schmecken lassen.)

Jinjja: Dein Ernst?/ Wirklich?

Joesonghamnida: Entschuldigung.

Jug-eul lae: Willst du sterben?

Koachinim: besonders ehrfürchtige Form den Trainer anzusprechen

Kol: Deal (sinninhaltlich: So machen wir es.)

Matseumnida: Das stimmt./Du hast recht.

Mas-issge desuseyo: Guten Appetit (wörtlich: Lass es dir schmecken.)

Ya!: Hey oder auch Ey

Mianhae: Es tut mir leid.

Micheosseo-yo: Sind Sie verrückt?

Mi-so: Lächeln, weiblicher Vorname

Nado: Ich auch. (Umgangssprachlich)

Nado Saranghae: Ich liebe dich auch.

Netizen: K-Pop-Fans, die den Großteil ihrer Freizeit online verbringen und nahezu alles über ihre Lieblingsstars herausfinden

Noraebang: Karaoke

Nuguyeyo: Wer ist das? (höflich/siezende Form)

Omo: Ausruf, der so viel wie „Ach du meine Güte“ bedeutet

Oppa: älterer Bruder oder nahestehender älter Freund einer Frau, wird aber auch gerne als Kosewort für den fest Freund genutzt

Oraenmaniya: Lange nicht gesehen

Oraenmanieyo: Lange nicht gesehen (höflich/siezende Form)

Ppoppo: Küsschen oder Kuss

Saengil chukahae: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.

Saranghae: Ich liebe dich.

Sasaeng-Fan: ein verrückter Fan, der zu krankhaften Handlungen neigt

Schwarzer Ritter (Heukgisa): Mann, der für eine Frau das alkoholische Getränk bei einer Trinkrunde/-spiel übernimmt

Seollal: koreanisches Neujahr nach dem chinesischen Mondkalender

Sugohasyeossseubnida: Gute Arbeit (wörtlich: Ihr habt hart gearbeitet./Danke für die harte Arbeit.)

Unnie: ältere Schwester oder nahestehende ältere Freundin einer Frau

Varity Show: abwechslungsreiche Realityshow, die von Gastgebern moderiert werden

Wasseo-yo: Du bist hier?

Ye: Ja

Yeppeo: Hübsch

Yeoboseyo: Begrüßung, wenn man einen Anruf entgegennimmt

Playlist

BTS ft. Charli XCX – Dream Glow

Dua Lipa ft. Blackpink – Kiss & Make up

GD x Taeyang – Good Boy

Vandal Rock – Rewind

VIZE ft. Laniia – Stars

Monsta X – Someone’s Someone

Monsta X – Shine Forever

Taeyang – Wake Me Up

Steve Aoki ft. Monsta X – Play It Cool

Steve Aoki ft. BTS – MIC Drop

Viction – Nostalgic Night

Lauv ft. BTS – Who

Kim Yeon Ji ft. Sarah – Cry

Gaho – Stay Here

BTS – Heartbeat

iKon – Killing Me

Argon - Stranger

Taeyang – Eyes, Nose, Lips

Stray Kids – Levanter

BTS - Dionysus

EXO – Obsession

Far East Movement x Marshmello ft. Chanyeol & Tinashe – Freal Luv

SuperM – Jopping

Stray Kids – MIROH

BTS ft. Lauv – Make It Right

Stray Kids – Story That Won’t End

Kapitel 2

Riley

Verschlafen drehe ich mich auf die Seite und kuschle mich an den Körper neben mir. Suchend schiebe ich meine Finger unter Nates T-Shirt und spüre warme Haut und feste, durchtrainierte Muskeln. Für einen Moment genieße ich das Gefühl, doch dann wird mir klar: Das ist nicht Nathaniel! Nate ist alles andere als durchtrainiert! Erschrocken erstarre ich zur Salzsäule und reiße die Augen auf.

»Entspann dich, es ist alles gut. Es ist nichts passiert«, brummt Jae-Joon an meinem Scheitel.

Erst jetzt bemerke ich seinen Arm, der um mich geschlungen ist. Stück für Stück kehren meine Erinnerungen zurück. Meine Ankunft in Seoul, das stundenlange Warten auf Nate … die Erkenntnis, dass ich vergeblich auf ihn warte und er mich für eine andere verlassen hat. Beim Gedanken an diesen Verrat zieht sich mir die Brust zusammen. Ich bin jedoch vielmehr wütend als verletzt oder verzweifelt. Eigentlich sollte ich wegen Nate am Boden zerstört sein und Rotz und Wasser heulen, aber das tue ich … nicht?

Verwirrt hebe ich ein wenig den Kopf und betrachte den Mann, der mich schützend in seinen Armen hält. Jae-Joon, der mir bis gestern fremd gewesen ist, der mich trotzdem mit seiner rücksichtsvollen Art gerettet hat und mit dem ich stundenlang Drinks getrunken und Gespräche geführt habe, die in Küssen geendet haben. Verlegen, aber mit einem Kribbeln im Bauch, berühre ich mit den Fingerspitzen meine Lippen. Wir waren beide betrunken, aber nicht zu betrunken, um nicht Herr unserer Sinne zu sein. Zumindest ich nicht, daher erstaunt es mich, dass ich fast mit ihm geschlafen hätte und es bloß nicht getan habe, weil er die Reißleine gezogen hat. Sollte ich nicht verletzt sein, weil er mich abgewiesen hat? Tatsache ist jedoch, ich fühle mich nicht zurückgestoßen, sondern wertgeschätzt. Gleichzeitig ist mir die Situation peinlich. Hält er mich nach gestern für flatterhaft und leicht zu haben?

»Hör auf, so viel zu grübeln. Wir hatten gestern beide einen anstrengenden Tag, gönn uns noch etwas Schlaf. Danach können wir uns immer noch Gedanken darüber machen, ob das, was zwischen uns passiert ist, ein Fehler gewesen ist … oder nicht«, meint er und ich begegne seinem Blick. Sofort bin ich vom schokoladigen Braun seiner Augen in den Bann gezogen. Wir sehen einander an, und ich warte darauf, dass die Situation doch noch unangenehm wird, aber das tut sie nicht. Daher schließe ich die Augen und entspanne mich. Zu meinem Erstaunen haucht er einen kaum spürbaren Kuss auf meine Stirn und zieht mich ein wenig enger an sich. Diese Geste irritiert mich, löst aber auch die Enge in meiner Brust und bringt stattdessen mein Herz erneut heftig zum Klopfen.

Stunden später wache ich wieder auf und finde mich allein auf der weichen Schlafmatte wieder. Beklemmung überkommt mich und ich spüre sogar einen leichten Stich in der Brust. Wo ist Jae-Joon? Suchend schaue ich mich nach meinem Handy um, erinnere mich aber, dass es immer noch im Wohnzimmer ans Ladekabel angeschlossen ist. Verunsichert richte ich mich auf. Was erwartet mich, wenn ich aufstehe? Wird er kalt zu mir sein und mich rausschmeißen?

»Grübelst du wieder?«

Erschrocken fahre ich herum. Schmunzelnd steht er im Türrahmen und hält eine Tasse in der Hand. Er scheint nicht zu bereuen, dass ich hier bin, im Gegenteil, er wirkt lockerer als noch am Abend zuvor. Oder bilde ich mir das nur ein?

»Ist der für mich?«, frage ich verlegen und nicke in Richtung der Tasse.

»Ich wusste nicht, wie du deinen Kaffee magst, und habe ihn daher so gemacht, wie ich ihn trinke, mit Süßstoff, aber ohne Milch.« Immer noch lächelnd, kommt er zu mir und hockt sich vor mich. Erst dann reicht er mir die Tasse und ich nehme sich dankbar an. »Hast du gut geschlafen?«

»Ja, danke. Ich hoffe, du auch?« Ich spüre deutlich, wie mir Hitze in die Wangen steigt und ich rot werde. Froh darüber, dass ich mich hinter dem Becher verstecken kann, trinke ich einen Schluck. Der Kaffee ist leider viel zu süß, dennoch wärmt er mein Inneres. Vielleicht ist es aber auch Jae-Joons fürsorgliche Geste.

»Ich muss sagen, ich habe schon ewig nicht mehr so gut und lang geschlafen«, antwortet er. »Normalerweise bin ich um diese Zeit schon lange unterwegs.«

»Hoffentlich habe ich deine Pläne nicht durchkreuzt.«

»Zumindest keine, die wirklich wichtig waren und nicht auf später verschoben werden konnten.« Jae-Joon wippt auf seinen Füßen vor und zurück. »Hast du Hunger? Ich war vorhin einkaufen und habe Sandwiches mitgebracht.«

Statt auf seine Frage zu antworten, entgegne ich: »Warum tust du das? Warum kümmerst du dich so sehr um mich? Versteh mich nicht falsch, ich bin dir unendlich dankbar und weiß nicht, wie ich dir das jemals zurückzahlen kann, aber du musst das nicht tun, weißt du?«

»Ich weiß, aber ich habe das Gefühl, zumindest für den Moment die Verantwortung für dich übernehmen zu müssen.«

Dieses Statement macht mich sprachlos, denn es ist definitiv eins. Eins, das mein Herz wieder zum Flattern bringt.

Jae-Joon klatscht in die Hände und holt mich damit in die Realität zurück. »Da wir das nun geklärt haben, lass uns frühstücken, und danach schauen wir, wie es weitergeht. Deine Kleidung liegt übrigens frisch gewaschen im Badezimmer. Eine neue Zahnbürste habe ich dir auch mitgebracht.«

»Danke.« Ich kann wirklich nicht beschreiben, wie gerührt und dankbar ich ihm bin.

»Keine Ursache.« Offenbar gut gelaunt, richtet er sich auf und verlässt das Zimmer - gibt mir dadurch Zeit, mich kurz ein wenig zu sammeln. Ich bin verwirrt, ein wenig überfordert und meine Emotionen spielen verrückt. Am Boden zerstört bin ich jedoch immer noch nicht. Nates Aktion hat mich kalt erwischt, aber ich bin immer noch vielmehr stinkwütend als verletzt. Natürlich tut mein Herz weh, aber es fühlt sich nicht so an, als würde ich sterben müssen. Haben wir uns wegen der Distanz in den letzten zwei Jahren bereits emotional voneinander entfernt? Er sich offenbar schon, aber ich mich anscheinend, ohne es zu realisieren, ebenfalls. Trotzdem, hätte ich nach fünf Jahren Beziehung nicht mehr als diese feige Aktion verdient? Niemals hätte ich erwartet, dass ich meine Entscheidung, alles für Nate aufzugeben, bereuen würde. Ich seufze. Selbstverständlich könnte ich mir jetzt noch stundenlang den Kopf über das Wie und Warum zerbrechen, aber was würde das bringen? Nate hat mich verlassen und betrogen, den Grund dafür kennt allein er. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als das Beste aus der Situation zu machen.

Daher stehe ich auf und gehe ins Badezimmer, um mir die Zähne zu putzen und mich anzuziehen. Als ich mich kurz darauf im Spiegel erblicke, bin ich erschrocken darüber, wie zerzaust ich aussehe. Das ist nicht unbedingt der Anblick, den ich Jae-Joon oder überhaupt jemandem bieten wollte. Erneut seufzend entwirre ich mit Mühe mein Haar und kämme es mit den Fingern notdürftig durch, danach fasse ich es zu einem Knoten zusammen.

Umgezogen und wieder deutlich ansehnlicher, betrete ich anschließend das Wohnzimmer. Bei Tageslicht sieht es noch spartanischer eingerichtet aus als am Abend zuvor, dennoch fühle ich mich wohl, vor allem als ich dann auch noch Jae-Joon an dem winzigen Klapptisch sitzen und Obst für uns klein schneiden sehe. Es ist unfassbar, wie viel Mühe er sich gibt. Mit einem ansteckenden Grinsen auf den Lippen schaut er zu mir auf. Gestern Abend ist es mir nicht aufgefallen, aber heute erkenne ich umso deutlicher, dass er zwar durchaus grüblerisch wirken kann, aber generell eine unglaublich positive Ausstrahlung hat. Eine, die sich augenblicklich auf mich auswirkt und mich ebenfalls zum Lächeln bringt.

»Apfel?«, fragt er und hält mir eine Spalte hin.

»Danke.« Plötzlich wesentlich besser gelaunt, nehme ich das Stück entgegen und setze mich neben ihn. Neugierig, ob sich der Geschmack von dem unterscheidet, den ich bisher kenne, beiße ich ab. Sofort explodiert eine intensive saure Süße in meinem Mund. »Oh, der ist unglaublich lecker!«

»Hier sind noch mehr.« Offensichtlich erfreut, schiebt er den Teller näher zu mir und reicht mir danach eine Packung mit zwei Sandwichhälften. »Magst du Schinken und Ei? Ansonsten hätte ich hier noch Thunfisch oder Käse.«

»Schinken und Ei ist perfekt.« Testend nehme ich einen Bissen von dem Sandwich. Die Mayonnaise schmeckt etwas anders als die, die ich kenne, dennoch ist es lecker. Gestern hatte ich keinen großen Appetit, umso ausgehungerter bin ich an diesem Morgen.

Einige Zeit essen wir schweigend, doch dann ergreift Jae-Joon das Wort. »Hat man dir gestern schon sagen können, wann dein Gepäck ankommt?«

»Nicht konkret, aber wahrscheinlich heute im Laufe des Tages, spätestens morgen. Ich habe meine Nummer hinterlassen, damit sie mich anrufen, sobald meine Koffer hier aufgetaucht sind.«

»Hm«, brummt er und verdrückt mit drei Bissen die nächste Sandwichecke. »Hast du eigentlich Pläne?«

»Generell oder jetzt im Moment?«

»Beides?«

Ohne es verhindern zu können, lache ich bitter auf. »Eigentlich wollte ich erst mal ankommen, mit Nate das Wochenende verbringen und mich einleben, während ich mir in aller Ruhe einen Job suche. Da habe ich aber auch noch angenommen, dass ich ein Dach über dem Kopf und Zeit habe.« Ich zucke mit den Achseln. »Das habe ich beides nicht mehr. Oberste Priorität ist es also, eine Unterkunft zu finden. Hast du vielleicht einen guten Tipp? Irgendein günstiges Gästehaus?«

»Bleib für den Moment einfach hier«, antwortet er, ohne zu zögern.

»Ich soll hierbleiben?«, frage ich überrascht. Die Wohnung ist nicht groß, es gibt weder ein Gästezimmer noch eine andere Schlafmöglichkeit als sein Bett, was bedeuten würde …

»Ja, aber nicht mit mir zusammen. Ich bin ab Montag für eine Weile beruflich unterwegs«, erklärt er, als hätte er meine Gedanken gelesen.

»Du bist weg?«, frage ich und kann nicht verhindern, dass ich enttäuscht klinge. »Für wie lange?«

»Angesetzt sind zehn Tage, vielleicht bin ich aber auch erst in vierzehn zurück.«

Zwei Wochen sind eine lange Zeit, in der ich viel erreichen kann. Es wäre also toll, wenn ich bleiben könnte, aber gleichzeitig gefällt mir der Gedanke nicht, mich schon wieder von ihm verabschieden zu müssen. »Hast du keine Bedenken, mich alleine in deiner Wohnung zu lassen?«

»Weshalb? Wegen der vielen kostbaren Kunstwerke, die hier überall an den Wänden hängen?«, fragt er lachend und steckt mich einmal mehr damit an. »Nein, mal im Ernst, du siehst selbst, dass hier nicht wirklich etwas zu holen ist. Außerdem vertraue ich auf mein Gefühl, dass du kein Mensch bist, der die Gutmütigkeit anderer ausnutzt. Davon abgesehen … weiß ich, wie es ist, vor dem Nichts zu stehen. Ich war dankbar, als mir damals ebenfalls jemand geholfen hat.«

Diese Antwort macht mich nachdenklich, ich würde zu gern wissen, was er damit meint. Da er nicht den Anschein macht, weiter ins Detail gehen zu wollen, traue ich mich nicht, nachzuhaken. Stattdessen stellt sich mir eine andere Frage. Abwägend nage ich an meiner Unterlippe. Was macht er wohl beruflich, dass er deswegen so lange weg ist? Wahrscheinlich ist er irgendein Arbeiter, der hart für sein Geld schuften muss. Das würde zumindest erklären, weshalb seine Wohnung so karg eingerichtet ist. Andererseits weiß ich von Nate, dass die Appartements in dem Haus zwar nicht die teuersten in Seoul, aber auch alles andere als günstig sind.

»Denkst du darüber nach, ob du mein Angebot annehmen sollst?«

»Ja, beziehungsweise nein, ich würde es auf jeden Fall gerne annehmen, danke. Gerade frage ich mich jedoch, wohin du so lange musst.«

»Ich bin zuerst in Thailand, danach geht es weiter nach Malaysia und Indonesien«, erklärt er, scheint aber erneut nicht gewillt, seine Ausführung zu erweitern.

Ich sterbe zwar vor Neugier, werde ihn jedoch nicht drängen, mir etwas zu erzählen. »Thailand, aber auch Japan und Singapur würde ich irgendwann gerne mal besuchen«, antworte ich und lasse damit das Thema ruhen. »Gibt es irgendetwas, womit ich dir etwas Gutes tun kann? Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich die ganze Zeit deine Hilfe annehme und nichts zurückgeben kann.«

»Ich tue das nicht, weil ich eine Gegenleistung will. Zumindest erwarte ich kein Geld … oder irgendetwas anderes. Falls du das befürchten solltest«, erklärt er und schaut mich prüfend, aber nicht unfreundlich an.

»Oh Gott, so war das nicht gemeint«, stottere ich und bin beschämt. »Ich dachte eher an so was wie putzen, Wäsche waschen, bügeln, einkaufen gehen oder so.«

»Koch für mich. Ich habe seit Ewigkeiten nichts Selbstgekochtes mehr gegessen, und schon gar nicht ein Gericht aus der westlichen Welt.«

»Gerne, hast du einen speziellen Wunsch?«

»Pasta?«, fragt er hoffnungsvoll und wirkt dabei irgendwie … süß. Ich kenne ihn zwar erst seit wenigen Stunden, habe aber bereits jetzt den Eindruck, dass er es liebt, zu essen.

»Heute Abend?«

»Ich würde mich freuen, werde aber nachher zum Training müssen und nicht vor einundzwanzig Uhr wieder zu Hause sein. Kommst du so lange alleine klar?«

»Ich schätze, die Bewährungsprobe dürfte ich nach gestern bestanden haben«, witzele ich und bin erstaunt, dass ich dazu in der Lage bin. »Wenn du mir sagst, wo ich einkaufen kann, und mir den Code für das Türschloss gibst, werde ich schon zurechtkommen.«

»Gib mir mal dein Handy«, fordert er und ich reiche es ihm. »Ich speichere dir einige Adressen von Lebensmittelgeschäften und Sehenswürdigkeiten ein, und meine Handynummer gebe ich dir für den Notfall auch. Sollte also irgendetwas sein, kannst du mich jederzeit anrufen.«

»Danke.«

Er lässt es auf seinem eigenen Handy anklingeln und reicht mir danach meins zurück. Noch während er meine Nummer einspeichert, klingelt es erneut in seiner Hand.

»Aish«, flucht er, nimmt dann jedoch den Anruf entgegen. »Yeoboseyo?«

Ich kann weder hören, wer die Person am anderen Ende der Leitung ist, noch was sie sagt, nur, dass es nicht unbedingt ein angenehmes Gespräch ist.

»Aish! Jinjja?«, ruft er aus, was so viel wie Fuck! Dein Ernst? bedeutet. Außerdem verstehe ich, wie er dem Anrufer verspricht, sich sofort auf den Weg zu machen. Sein versöhnlicher, fast schon bettelnder Tonfall macht mich skeptisch. Hat er mir womöglich eine wichtige Information vorenthalten?

Jae-Joon beendet das Gespräch und steht auf. »Tut mir leid, ich muss los, sonst bekomme ich ernsthafte Schwierigkeiten.«

»Kein Problem …« Die Alarmglocken in meinem Kopf beginnen, lauter zu werden. Wahrscheinlich sollte ich ihm nicht in den Flur nachlaufen, aber ich kann nicht anders.

Gerade zieht er seine Jacke über, als er meinen Blick einfängt. »Ist irgendetwas? Hast du Angst, alleine zu bleiben?«

»Du hast keine Freundin, Verlobte, Frau oder sonst irgendetwas in dieser Richtung?«, platzt es aus mir heraus.

Er hält beim Schuheanziehen inne und richtet sich zu seiner vollen Größe auf, sodass ich zu ihm aufblicken muss.

»Nein, ich bin Single. Versprochen«, beteuert er und sieht mich dabei so ernst an, dass ich Angst habe, ihn beleidigt zu haben. Doch dann grinst er wieder. »Ich freue mich schon auf dein Essen. Wir sehen uns später.«

Mit diesen Worten greift er nach einer Sporttasche auf dem Boden und ist im nächsten Augenblick verschwunden.

Ein wenig ratlos stehe ich im Flur und werfe einen Blick zurück ins Wohnzimmer. Sein Vertrauen in mich rührt mich, umso dringender will ich ihm eine Freude machen und etwas besonders Leckeres kochen. Was für ein Glück, dass ich eine wahre Meisterin bin, wenn es um Pastasoßen geht.

Jae-Joon

»Ya! Jugeul lae?«, brüllt mir Trainer Han entgegen und fragt mich damit, ob ich sterben will, meint es aber nicht so. Es ist einfach seine Art, seinem Ärger Luft zu machen. »Du bist fünf Stunden zu spät. Glaubst du eigentlich, dein Training ist ein Witz?«

»Ich habe dir doch Bescheid gesagt, dass mir etwas dazwischengekommen ist und ich mich verspäte.«

»Fünf verdammte Stunden! Du hast Glück, dass ich Termine hatte, sonst wäre ich vorbeigekommen und hätte dich eigenhändig hierher geschleift. Du warst sicher gestern Abend noch unterwegs, hast Soju getrunken und dir mit irgendeinem Scheiß den Bauch vollgeschlagen, sodass du nicht aus dem Bett gekommen bist!«, meckert er weiter.

Man könnte meinen, seine Reaktion wäre extrem oder respektlos. Tatsächlich tadelt er mich aber wie ein großer Bruder, der er für mich auch ist, und will nur mein Bestes. Dennoch bin ich nicht so dumm und gebe zu, wie nah er der Wahrheit ist. »Zieh dich um, mach dich warm und komm dann zum Sparring, Seo In-Woo ist heute da, ich will, dass ihr zusammen trainiert. Er ist genauso ein fauler Hund wie du.«

Auch wenn Han Nam-Dos Worte harsch klingen, muss ich ein Lachen unterdrücken. Manchmal erinnert er mich an eine nörgelnde Ajumma – eine nörgelnde alte Frau. Bevor er also noch mehr schimpfen kann, verschwinde ich in der Umkleide.

Drei Stunden später liege ich keuchend auf dem Boden und ringe nach Atem. Das Training ist heute besonders hart, allerdings bezweifle ich, dass es weniger hart ausgefallen wäre, wenn ich pünktlich hier gewesen wäre. Mit einem Japsen richte ich mich auf und nehme einen großen Schluck Wasser aus der Flasche, die mir In-Woo reicht. Zu meiner Befriedigung sieht er genauso geschafft aus wie ich.

»Was hast du gemacht, dass er so sauer ist?«, fragt er und lässt sich neben mir auf der Trainingsmatte nieder.

»Ich bin zu spät gekommen – fünf Stunden.«

Fassungslos lacht er auf. »Willst du sterben?«

»Das war auch seine Begrüßung«, gebe ich zu und lege mich zurück auf den Boden.

»Stellt euch nicht wie Memmen an, weiter geht’s!«, Trainer Han steht plötzlich wie aus dem Nichts vor uns und starrt uns mit seinem Teufelsblick nieder. Manchmal frage ich mich, ob er weiß, wie gruselig er sein kann – wahrscheinlich schon.

Sowohl mir als auch In-Woo ist im Moment nicht danach, Gewichte zu stemmen, gleichzeitig wissen wir aber, dass wir nur noch härter rangenommen werden, wenn wir uns nicht sofort in Bewegung setzen. Ächzend rapple ich mich hoch und helfe meinem Trainingspartner auf.

»Du bist zuerst dran«, befiehlt der Coach und deutet auf mich. »Starten wir mit fünfundzwanzig Kilo auf jeder Seite, drei Sätzen und zehn Wiederholungen, danach wechselt ihr.«

Ohne mit der Wimper zu zucken, lasse ich mich auf der Bank nieder und beginne mit dem ersten Satz. Als ich das Gewicht zum dreißigsten Mal hochdrücke, brennen meine Muskeln. Dementsprechend froh bin ich, dass mir in den nächsten Minuten zumindest eine kleine Pause vergönnt sein wird.

Mit geschlossenen Augen lehne ich mich an die Wand und atme tief durch. Das harte Training hat mich und meinen Geist so sehr in Anspruch genommen, dass ich erst jetzt einen Augenblick Zeit finde, um an Riley zu denken. Wie kann es überhaupt sein, dass sie sich nach dieser kurzen Zeit bereits in meinem Kopf eingenistet hat und ich mir sogar Sorgen mache, ob sie sich allein zurechtfindet? Als ich ihr sagte, dass ich das Gefühl habe, Verantwortung für sie übernehmen zu müssen, haben mich meine Worte ebenso überrascht wie sie, dennoch ist es das gewesen, was ich in dem Moment empfunden habe.

Die Stunden, die wir gemeinsam verbracht haben, waren etwas Besonderes für mich, selbst wenn wir nicht miteinander geschlafen haben – oder vielleicht gerade deshalb. Möglicherweise hätte sie mich irgendwann ausgebremst, eventuell auch nicht. Aber das spielt keine Rolle, denn mir erschien es, als würde ich ihren alkoholisierten und emotional angeschlagenen Zustand ausnutzen, wenn ich Sex mit ihr haben würde. Natürlich mag ich Sex, tatsächlich habe ich sogar schon so lange keinen mehr gehabt, dass ich mich an das letzte Mal nicht mehr erinnern kann, allerdings fehlt er mir wesentlich weniger als diese zwischenmenschliche Nähe, die man empfindet, wenn man gefühlsmäßig verbunden ist. Die vergangenen sechs Jahre musste ich so hart ums Überleben kämpfen und hatte einen so vollen Terminkalender, dass ich es nicht zulassen durfte, mich einsam zu fühlen. Denn Gefühle zuzulassen bedeutet, angreifbar und verletzlich zu sein. Vor allem, wenn man den falschen Menschen Vertrauen schenkt. Ich hoffe also, ich irre mich kein zweites Mal und Riley ist so ehrlich, wie ich sie bisher einschätze.

»Komm in die Puschen, du bist dran! Ausruhen kannst du dich später«, brüllt Trainer Han und ich schrecke aus den Gedanken darüber, welche Gefühle und Erinnerungen Riley in mir wieder hervorgeholt hat, hoch.

Ich weiß nicht, wie ich die folgende nächste halbe Stunde überleben soll, doch irgendwie schaffe ich es.

»Und jetzt mit einhundert Kilo!«

»Hajima«, stöhne ich.

»Was soll ich nicht tun?«, fragt Trainer Han und erhöht das Gewicht der Langhantel.

»Hajima!«, bitte ich ihn ein zweites Mal, doch er hat kein Erbarmen und hebt die Hantel aus dem Ständer, sodass mir nichts anderes übrig bleibt, als sie zu stemmen. Meine Muskeln zittern, und der Schmerz in meinen Armen ist so groß, dass ich es nur mit Mühe schaffe, das Gewicht hochzudrücken.

»Eins. Zwei«, zählt er und nimmt mir die Hantel erst ab, nachdem ich sie fünfmal gestemmt habe. »Gut, jetzt noch eine Stunde laufen, danach könnt ihr euch dehnen und unter die Dusche gehen.«

Unfähig, mich zu regen, bleibe ich auf der Bank liegen und keuche. Mir dröhnt der Puls in den Ohren und ich habe das Gefühl, mich übergeben zu müssen.

»Was? Hast du mir vielleicht etwas zu sagen?«

»Ani«, verneine ich japsend seine Frage und sehe zu, dass ich zu den Laufbändern komme. Ich bin versucht, einen einfachen Modus mit konstantem, langsamem Tempo zu wählen, weiß aber, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass der Coach meine Laufzeit verlängern wird, wenn ich nicht im Intervall laufe. Irgendwie schaffe ich auch diese Qual, sodass ich bereits im Cooldown bin, als Nam Min-Ho, einer der Angestellten und mein Freund, zu mir kommt, um mich zu begrüßen.

»Hyung, lange nicht gesehen! Alles gut bei dir? Ich habe gehört, Trainer Han hat dich und In-Woo heute besonders hart rangenommen?«

»Hart rangenommen ist eine Untertreibung«, stöhne ich und wische mir mit dem Saum meines T-Shirts den Schweiß von der Stirn. Es ist wohlbemerkt bereits das zweite Shirt, das ich komplett durchgeschwitzt habe. »Und wie ist es bei dir? Wie war der Urlaub?«

»Gut, viel merke ich davon allerdings nicht mehr. Lee Yoo-Na hat gestern gekündigt und heute war direkt die Hölle los. Scheint, als hätten viele für das neue Kalenderjahr gute Vorsätze gefasst und sich vorgenommen, durch Sport etwas Gutes für den Körper zu tun.«

»Lee Yoo-Na hat gekündigt?«, frage ich. Viel zu tun hatte ich mit ihr nicht, da sie hauptsächlich am Empfang gearbeitet hat, dennoch überrascht mich ihre plötzliche Kündigung.

»Sie hat sich einen reichen Mann geangelt, der nicht will, dass sie hier arbeitet.«

»Ah«, antworte ich.

»Ich weiß, ich hätte sie auch nicht so eingeschätzt«, spricht Min-Ho meinen Gedanken aus. »Ich hoffe, wir finden schnell jemanden, der ins Team passt.«

Sofort kommt mir eine Idee; sobald ich nachher geduscht habe, muss ich mit Nam-Doo sprechen. Min-Ho und ich unterhalten uns eine Weile, doch dann muss er zurück an die Arbeit und ich beende mein Lauftraining. Während ich mich dehne, wäge ich ab, ob es eine gute Idee ist, ihm Riley für den Job am Empfang vorzuschlagen. Am meisten mache ich mir Sorgen darum, dass ihr Koreanisch nicht ausreichend ist. Andererseits bin ich der Meinung, dass sich ihre Sprachkenntnisse viel schneller verbessern werden, wenn sie dazu gezwungen ist, zu sprechen. Davon abgesehen weiß ich, dass sowohl Min-Ho als auch Trainer Han Englisch beherrschen und sie nicht sich selbst überlassen würden, wenn sie Hilfe bräuchte.

»Bist du auch so fertig?«, fragt In-Woo und lässt sich neben mir auf der Trainingsmatte nieder, um sich ebenfalls zu dehnen.

»Frag nicht«, antworte ich und bemerke, dass der Gedanke daran, Riley möglicherweise bei ihrer Jobsuche helfen zu können, mich euphorisiert und ich mich nicht mehr ganz so beschissen fühle. »Ich dachte, du wärst schon weg.«

»Weg? Du weißt, dass man nicht einfach geht, wenn der Coach etwas befiehlt«, meint er lachend. »Wie du siehst, hatten wir heute nicht nur ein Höllentraining - hier ist die Hölle los! Ich hatte Glück, überhaupt noch ein Laufband zu bekommen.«

Da ich es gewohnt bin, beim Training die Umwelt auszublenden, fällt mir erst jetzt auf, dass es wirklich überdurchschnittlich voll ist. »Du hast recht.«

»Hast du nachher Pläne?«

»Du meinst, außer ins Bett zu fallen und wie ein Stein zu schlafen?«, frage ich ausweichend. Gleichzeitig beginnt mein Herz, wieder schneller zu schlagen. Unglaublich, aber zum ersten Mal freue ich mich darauf, nach Hause zu kommen. Ich freue mich auf Riley und ich freue mich auf das Essen. Nach diesem Höllentraining habe ich es mir verdient, selbst wenn der Coach anderer Meinung sein wird.

»Genau.«

»Nicht wirklich, ab übermorgen bin ich wieder unterwegs und habe daher nicht wirklich Lust, noch etwas zu machen.«

»Ah, die Asientour. Wo legst du überall auf?«

»In jeweils zwei Clubs in Thailand, Malaysia und Indonesien.«

»Schade, dass ich dieses Mal nicht mitkann, andererseits bin ich froh, endlich eine Rolle in einem Drama bekommen zu haben, die mich mehr als fünf Minuten pro Folge zeigt«, antwortet In-Woo. Er ist nicht bei jeder meiner Touren als unterstützender Liveact dabei gewesen, jedoch bei den meisten meiner Auftritte als DJ.

»Mach dir nichts draus, in Thailand und Indonesien bin ich sowieso alleine, da ich nur auflegen soll.« Wir unterhalten uns eine Weile, bevor ich mich verabschiede und unter die Dusche gehe.

Frisch geduscht und trotz Erschöpfung gut gelaunt, verlasse ich die Umkleide, mache mich auf die Suche nach Trainer Han und finde ihn letztendlich in seinem Büro.

»Hyungnim?«, spreche ihn besonders höflich, aber auch vertraut an.

»Was? Willst du dich entschuldigen und versprechen, dass du dich nie wieder verspätest?«, fragt er, denn er weiß, dass ich ihn immer nur dann Hyungnim nennen, wenn ich ein schlechtes Gewissen habe oder etwas von ihm will.

»Auch, aber eigentlich wollte ich wissen, ob du schon einen Ersatz für Lee Yoo-Na gefunden hast.«

»Warum? Bist du nicht ausgelastet genug und willst mir deine Hilfe anbieten?«, witzelt er und weiß genau, wie straff mein Zeitplan in den nächsten Wochen und Monaten getaktet ist.

»Nein, aber ich kenne vielleicht ein Mädchen, das sie ersetzen kann.« Plötzlich bin ich verlegen; ich weiß, dass Nam-Doo nicht lange brauchen wird, um die richtigen Schlüsse zu ziehen.

»Du kennst ein Mädchen?«, stellt er als Erstes fest und reißt bei der Erkenntnis, was das bedeutet, die Augen auf. »Aigo! Dass ich das noch erleben darf. Ein Mädchen ist der Grund, weshalb du so spät aufgetaucht bist?«

»Ja, aber es ist nicht so, wie du denkst«, erkläre ich sofort. »Zumindest nicht ganz.«

Plötzlich interessiert, lehnt er sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und schaut mich an, sodass meine Verlegenheit weiter zunimmt. »Du magst sie. Ist sie berühmt?«

»Nein.«

»Wie habt ihr euch kennengelernt?«

Ich wäge ab, wie viel ich erzählen soll, entschließe mich letztlich aber dazu, offen zu ihm zu sein. Denn sollte aus meinem Interesse an Riley mehr werden, werde ich seine Hilfe brauchen.

»Ich weiß, dass der Augenblick denkbar ungünstig ist, aber so ist es nun mal …«, schließe ich meine Erklärung über unser Aufeinandertreffen ab und zucke mit den Achseln.

»Junge, Junge, du machst keine halben Sachen. Schlimm genug, dass du während deines Datingverbots Interesse an einer Frau entwickelt hast, jetzt ist es auch noch eine Amerikanerin. Du weißt, dass die Konsequenzen möglicherweise schwerwiegend sein können? Ich habe nichts gegen westliche Frauen, aber viele andere sind noch nicht so weit.«

»Ich weiß, aber was soll ich machen?«, frage ich. »Vielleicht ist das Ganze auch nicht der Rede wert. Ich weiß es noch nicht, aber ich will zumindest schauen, wie es sich weiterentwickelt.«

Nam-Doo und ich kennen uns mittlerweile seit vier Jahren. Er war derjenige, der mir aus meinem Tief geholfen hat. Daher weiß er, wie hart und einsam die letzten Jahre für mich gewesen sind.

Resignierend seufzt er. »Du Bengel weißt, dass du immer auf mich zählen kannst, oder?«

»Heißt das, ich kann sie vorbeischicken und du schaust sie dir an?«

»Wenn sie wirklich in einer Notlage ist, kann sie ab Montag hier anfangen, sofern sie will. Wir sollten aber so lange wie möglich geheim halten, dass ihr euch nahesteht.« Nachdenklich legt er den Kopf auf die Seite und fragt mich: »Weiß sie, wer du bist? Ist sie vielleicht ein durchgeknallter Fan?«

»Nein, weiß sie nicht, und nein, das glaube ich nicht. Ich habe ihren Ex kennengelernt, der bis vor Kurzem mein Nachbar war.«

Verstehend nickt er mit dem Kopf. »Wann willst du es ihr sagen? Früher oder später wird sie es herausfinden.«

»Bald. Sie soll es von mir erfahren.«

»Du hast nicht nur Interesse an ihr, du magst sie bereits«, ist seine simple Feststellung, und ich muss mir eingestehen, dass er recht hat. »Fahr nach Hause, verbring ein wenig Zeit mit ihr und lass morgen das Training sausen. Sorg aber im Gegenzug dafür, dass du während der Tour doppelt so hart trainierst.«

Dieses Zugeständnis überrascht mich. Ich wusste, dass mein Freund mir den Rücken freihalten, jedoch nicht, dass er so viel Verständnis zeigen würde. »Danke.«

»Und keine Angst, ich gebe auf sie acht, während du weg bist. Ich bin gespannt, welches Mädchen dir so sehr unter die Haut gegangen ist, dass du es sogar in Kauf genommen hast, meinen Ärger auf dich zu ziehen«, witzelt er, und wir wissen beide, dass er wirklich verärgert über mich gewesen ist. »Und jetzt verschwinde, bevor ich es mir anders überlege.«

Ohne es zu wollen, grinse ich und meine im Gehen: »Du wirst sie mögen, sie ist sehr hübsch und süß.«

Kapitel 3

Riley

Mein erster richtiger Tag in Korea verläuft anders, als ich geplant habe. Eigentlich hätte ich mit Nate unterwegs sein und die Stadt, in der ich von nun an leben werde, kennenlernen sollen. Stattdessen sitze ich allein im Hangang Park, schaue auf den Han River und hänge meinen Gedanken nach. Jetzt im Winter hat die Landschaft nicht ganz so viel von dem Zauber, den ich bisher auf Fotos oder in Dramen gesehen habe. Trotzdem mag ich den Anblick.

Der kalte Januarwind weht mir um die Ohren und bringt mich zum Frösteln. Daher schlinge ich den dicken Schal, den ich mir unterwegs gekauft habe, enger um den Körper. Nun, nachdem ich ausgeschlafen und ausgenüchtert bin, sieht die Welt - vor allem meine emotionale - ein wenig anders aus. Vielleicht habe ich auch jetzt erst realisiert, dass der Mann, mit dem ich die letzten fünf Jahre zusammen gewesen bin, mich ohne ein Wort oder eine Erklärung sitzen gelassen hat. Ich fühle mich immer noch nicht so, als würde ich sterben müssen, dennoch ist der Schmerz in meiner Brust so heftig, dass ich kaum atmen kann und mir stetig Tränen über die Wangen laufen.

Natürlich habe ich verstanden, dass Nathaniel nicht mehr mit mir zusammen sein will, aber ich verstehe den Grund nicht. Noch viel weniger kann ich begreifen, dass ihm die Beziehung nicht genug bedeutet hat, um einen klaren und fairen Schlussstrich zu ziehen. Stattdessen hat er zugelassen, dass ich mein Leben für ihn aufgegeben habe. Die Erkenntnis, dass ich vollkommen umsonst meinen Traumjob als Fotografin weggeworfen habe und nun vor dem Nichts stehe, ist ein weiterer Schlag ins Gesicht. Ich will Nate so vieles sagen und fragen, ihm die hässlichsten Dinge an dem Kopf schmeißen und ihn so lange beschimpfen, bis ich mich besser fühle. Stattdessen schreibe ich ihm nur ein einziges Wort: Warum? Was wird er antworten? Wird er überhaupt etwas zurückschreiben oder wird er sich weiterhin tot stellen und vom Erdboden verschluckt bleiben? Ich weiß, wo er arbeitet. Würde ich ihn also wirklich finden wollen, wäre ich in der Lage dazu. Aber will ich mir diese Blöße geben? Generell ist die große Frage: Was will ich? Soll ich Seoul als Erfahrung sehen und schauen, wie es mir hier gefällt, oder soll ich den nächsten Flieger zurück nach Hause nehmen, mich bei meinen Eltern in meinem alten Kinderzimmer verkriechen und Schnulzen gucken, während ich becherweise Eis esse und dabei heule? Nein, das will ich nicht! Denn selbst wenn mein Herz realisiert hat, dass es gebrochen ist, beginnt es höherzuschlagen, sobald ich an meinen Retter denke.

Gewiss bin ich in den vergangenen fünf Jahren Männern begegnet, die ich attraktiv fand, habe aber nie einen weiteren Gedanken an sie verschwendet. Doch nun bin ich Single und die Situation ist damit eine andere. Daher ist es doch okay, dass ich an Jae-Joon denke, ihn geküsst und sogar fast mit ihm geschlafen habe?

Für einen kurzen Augenblick halte ich inne. War es eventuell nur eine Trotzreaktion beziehungsweise meiner emotionalen Verwirrung geschuldet? Im ersten Moment vielleicht, aber letztlich nicht, immerhin fühle ich mich wirklich von ihm angezogen – aufgrund seines liebevollen und verständnisvollen Verhaltens inzwischen sogar noch mehr. Ich würde Jae-Joon gern besser kennenlernen. Vor allem möchte ich aber dem fremden Land und seiner aufregenden Hauptstadt eine Chance geben. Ich habe einfach viel zu hart daran gearbeitet, die Sprache zu lernen und das Visum zu bekommen, um direkt wieder in die Staaten zurückzukehren. Ich kann, nachdem meine Aufenthaltserlaubnis nächstes Jahr abgelaufen ist, immer noch zurück … oder eben auch nicht.

Ich gönne mir eine weitere halbe Stunde, in der ich weine, Nate verfluche und – mich selbst bemitleidend – über mein Leben sinniere, doch dann entschließe ich mich dazu, das Beste aus der Situation zu machen. Es wird eine Weile dauern, die plötzliche Trennung zu verarbeiten. Da Nate mir aber auf seine ganz eigene miese Art unmissverständlich klargemacht hat, dass ich von ihm nichts mehr zu erwarten habe, wird das Loslassen hoffentlich leichter sein. Zumal es eine Tatsache ist, dass wir uns in den letzten zwei Jahren voneinander entfernt und entfremdet haben, das habe ich inzwischen eingesehen. Ich schätze sogar, mein Entschluss, ihm nachzuziehen, war der Wunsch und der Versuch, wieder zu unserem alten Wir zurückzufinden. Aber das erkenne ich erst jetzt. Gedankenverloren schaue ich den Wolken beim Wandern über den Himmel zu und realisiere erst nach einiger Zeit, dass sie dabei sind, sich zusammenzuziehen, was darauf schließen lässt, dass es bald beginnen wird zu regnen. Da ich mittlerweile sowieso halb erfroren bin, entschließe ich mich dazu, mit der Bahn zurück nach Nonhyeon-dong zu fahren, dort die Gegend besser kennenzulernen und dann einkaufen zu gehen.

Zu meiner Erleichterung stelle ich später fest, dass Jae-Joon mir die Adresse eines Supermarkts gegeben hat, der internationale Produkte im Sortiment hat, sodass ich wenig aus der alten Heimat vermissen werde. Dennoch ist es eine große Herausforderung, überhaupt etwas von dem zu finden, was ich brauche. Dementsprechend lange irre ich durch den Laden, gleichzeitig ist es für mich aber wie eine aufregende Erkundungstour. Da ich mich immer noch schwer damit tue, Hangul zu lesen, ist es nahezu unmöglich, herauszufinden, was sich in den einzelnen Packungen befindet. Besonders die passierten Tomaten stellen ein Problem dar, doch mit etwas Hilfe habe ich irgendwann alles für meine Bolognese zusammen. Berauscht von den vielen neuen Eindrücken und Produkten streife ich danach durch die Gänge und füge meinem Einkaufswagen weitere Dinge hinzu, sodass sich zu einer Flasche Cola, Bier und Soju am Ende auch noch Chips, Reiscracker, Kekse und Schokolade gesellen. Besonders auf die Reiscracker mit frittierten Algen freue ich mich, da sie inzwischen zu meinen Lieblingssnacks gehören, aber in den USA furchtbar überteuert gewesen sind.

Gut gelaunt schiebe ich meine Einkäufe zur Kasse und bezahle. Kurz darauf bereue ich, nicht bedacht zu haben, dass ich die Tüten bis zu Jae-Joon tragen muss und mir nicht, wie in L.A., ein Auto zur Verfügung steht. Das einzig Positive daran ist, dass mir vor lauter Anstrengung auf dem fünfzehnminütigen Fußmarsch zur Wohnung nicht kalt wird.

Vor Jae-Joons Wohnungstür halte ich inne und blicke zur Nachbarwohnung. Tue ich Nate unrecht und es war doch alles nur ein Missverständnis? Lange hadere ich mit mir, irgendwann versuche ich es dann aber doch noch mal mit dem Code an der Nachbarstür. Mein Bauchgefühl sagt mir zwar, dass ich kein Glück haben werde, doch so habe ich danach zumindest meinen inneren Seelenfrieden. Dass mich eine neue Welle der Trauer, Wut und Enttäuschung überkommen könnte, habe ich dabei nicht bedacht. Der giftige warnende Ton des Türschlosses löst jedoch genau diese aus. Über mich selbst verärgert, gehe ich zurück zu der Tür, vor der ich meine Einkäufe stehen gelassen habe, und haue als Nächstes deren Code ins Tastenfeld. Zum Glück bekomme ich zu dieser Wohnung sofort Zutritt.

Plötzlich erschöpft, bringe ich die Tüten in die Küche, verstaue alles in dem fast leeren Kühlschrank und gehe dann ins Wohnzimmer. Ich weiß wirklich nicht, weshalb mein Gastgeber so spärlich möbliert ist. Am Geld wird es nicht liegen, denn als ich mich heute Vormittag in Ruhe in seinen Räumlichkeiten umgeschaut habe, ist mir aufgefallen, dass er ein Arbeitszimmer voll technischem Schnickschnack hat, zu dem auch ein Computer und ein DJ-Pult gehören. Was ist also der Grund, weshalb er weder ein Sofa noch einen Esstisch oder einen Fernseher besitzt? Liegt es daran, dass er, wie es scheint, oft viele Tage am Stück weg ist und - wie er sagt - noch nicht lange dort wohnt? Wenn ja, kann ich es zumindest ein wenig verstehen. Trotzdem macht es mich traurig, dass es sich für ihn wahrscheinlich gar nicht richtig wie ein Zuhause oder Nach-Hause-Kommen anfühlt.

Mein Blick fällt auf ein Regal mit verschiedenen Spielzeugfiguren. Einige davon erkenne ich, da mein jüngerer Bruder die Animeserie liebt, aus der sie stammen. Ich schaue mich weiter um. Es ist erstaunlich, wie viel ich entdecken kann, obwohl der Raum eigentlich leer ist. Als Nächstes fasse ich einen Stapel CDs in Auge. Neugierig, welchen Musikgeschmack er hat, gehe ich zu dem Sideboard und nehme die Hüllen in die Hand. Viele Alben hat er nicht, sein klarer Favorit scheint jedoch Nariuszu sein. Kurz entschlossen, dem Künstler eine Chance zu geben, suche ich nach einer Musikanlage oder einem CD-Player. Tatsächlich entdecke ich hinter einem Berg Kartons eine Hi-Fi-Anlage. Bereits einige Sekunden später habe ich sie angeschaltet und eine der CDs eingelegt. Zu meiner Zufriedenheit durchdringt kurz darauf Elektromusik mit einem eindringlichen Beat das Wohnzimmer. Den Musiktest hat Jae-Joon somit schon mal bestanden. Sofort gut gelaunt, lasse ich die Musik laufen und mache mich daran, die Bolognese zuzubereiten. Sie muss zwar nicht zwingend lange kochen, ich finde sie jedoch besser, wenn sie eine Weile auf dem Herd gestanden hat und vor sich hin simmern konnte.

Mich zum Beat der Tracks bewegend, schaue ich mich um, ob ich noch irgendetwas machen kann, während die Soße köchelt. Aber es gibt nichts zu tun, noch nicht mal Abwasch steht in der Spüle herum, was darauf schließen lässt, dass Jae-Joon entweder superpingelig ist, was Ordnung und Sauberkeit betrifft, oder er so selten zu Hause ist, dass er gar nicht erst die Chance bekommt, Unordnung und Schmutz zu machen. Daher verlasse ich die Küche und gehe zurück ins Wohnzimmer, um – in der Hoffnung auf ein Jobangebot - meine Mails am Handy zu checken. Gerade habe ich die Mail meines Bruders beantwortet, als das Lied wechselt, und zum ersten Mal ertönt neben verschiedenen Männerstimmen auch die einer Frau. Ich bin begeistert, wie gut mir die Musik gefällt, und habe sogar Lust bekommen, das Seouler Nachtleben und die Clubbingszene kennenzulernen. Ob Jae-Joon sie mir zeigen würde?

Ich stocke in meinen Überlegungen. Ich sollte ihn nicht darum bitten, er tut schon genug für mich und hat sicher keine Lust, als Nächstes den Touristenführer für mich zu spielen. Vielleicht aber doch? Ich kann ihn einfach nicht einschätzen. Er hat mir zwar erklärt, dass er das Gefühl habe, Verantwortung für mich übernehmen zu müssen, jedoch nicht, weshalb. Sagen koreanische Männer so was nicht immer nur in Dramen, wenn es um Frauen geht, die sie interessieren und mit denen sie eine Beziehung eingehen wollen? Aber das kann nicht sein Beweggrund sein, nicht nach meinem bemitleidenswerten Auftritt und schon gar nicht nach dieser kurzen Zeit, oder? Andererseits, was könnte sonst seine Motivation sein? Sex ist es offenbar nicht und Geld ebenso wenig. Ist er wirklich einfach nur nett und ich mache mir völlig umsonst Gedanken beziehungsweise bilde mir auf seine Hilfsbereitschaft etwas ein? Ich seufze. Mein Leben ist ein einziges Chaos!

Plötzlich piepst die Tür und gibt die gleichen Töne von sich, wie sie es getan hat, als ich sie zuvor entsperrt habe. Sofort werde ich nervös. Wie wird es sein, wenn Jae-Joon nach Hause kommt? Aus irgendeinem Grund habe ich Angst, dass er seine Meinung in der Zwischenzeit geändert haben könnte und mich doch noch vor die Tür setzt. Meine Zweifel erweisen sich aber als unbegründet. Ich werde von einem Mann begrüßt, der mich so ehrlich und gut gelaunt anlächelt, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als sein Lächeln zu erwidern.

»Du bist zurück«, stelle ich überflüssigerweise fest.

»Ja, ich habe mich extra beeilt.« Im Türrahmen hält er inne. »Oh, du hast Musik angemacht.«

Verlegen schaue ich zu ihm auf. »Ich hoffe, das war okay.«

»Klar, es wundert mich bloß, dass es ausgerechnet diese CD ist«, meint er.

»Du scheinst ein großer Fan von Narius zu sein, daher wollte ich wissen, was du für einen Musikgeschmack hast.«

Sein Lächeln wird breiter und mir fallen Grübchen auf, die ich bisher nicht bemerkt habe. »Und, wie ist mein Geschmack?«

»Sehr gut. Ich stehe sowieso auf Electro, aber diese Tracks sind echt gut. Ich habe nur immer noch nicht herausgefunden, ob es ein Solokünstler oder eine Gruppe ist.«

»Ein DJ, der für das Album mit einer Gruppe junger Künstler und einer Newcomerin zusammengearbeitet hat.«

»Aaaah! Also ist er so was wie der asiatische David Guetta.«

»So weit würde ich zwar nicht gehen, aber die Beschreibung gefällt mir.« Lachend geht er an mir vorbei. »Lass mich eben meine Trainingssachen in die Waschmaschine packen, danach hast du meine volle Aufmerksamkeit.«

Mein Blick fällt auf die Tasche, die er in der Hand hält. »Warst du die ganze Zeit trainieren?«, frage ich und stehe auf, um ihm zu folgen.

»Die meiste Zeit zumindest«, gibt er zu, und ich erkenne, wie müde er aussieht. Sofort habe ich ein schlechtes Gewissen, immerhin ist er wegen mir die halbe Nacht wach geblieben.

»Dann hast du hoffentlich Hunger. Ich muss nur noch die Spaghetti kochen, aber danach können wir essen.«

»Ich sterbe vor Hunger«, stöhnt er und meint es offenbar ernst.

»Wenn das so ist, sollte ich mich beeilen«, kündige ich mit einem Grinsen an und bin froh, dass die anfängliche Unsicherheit von mir abgefallen ist.

Gerade als ich Wasser für die Nudeln aufgesetzt habe und die Soße noch mal umrühre, kommt Jae-Joon zu mir in die Küche und ist mir plötzlich so nah, dass ich die Hitze seines Körpers an meinem Rücken spüren kann. Dass dies jedoch von seiner Seite aus unterbewusst geschieht, erkenne ich daran, wie er über meine Schulter und in den Topf lugt.

»Riecht unglaublich gut. Was ist das für eine Soße?«

»Eine Bolognesesoße nach dem Geheimrezept meiner Familie«, antworte ich und fühle mich ein wenig kurzatmig.

»Du kannst dir nicht vorstellen, wie schwer es ist, eine gute italienische Pasta im Restaurant zu bekommen. Hattest du Probleme beim Einkaufen oder generell irgendwelche Schwierigkeiten?«

Sein ehrlich besorgter Ton bringt mich dazu, mich umzudrehen und zu ihm aufzuschauen. Sofort steigt mir sein Duft in die Nase, eine Mischung aus ihm und seinem Duschgel. Augenblicklich sind meine Sinne kurzzeitig total benebelt, und ich denke, wie verrückt es ist, dass ich seinen Geruch bereits wiedererkenne. Zu meinem Missfallen nimmt er im nächsten Moment Abstand und schaut mich abwartend an.

»Ich … ich hatte einen guten Tag«, stottere ich und drehe mich plötzlich verlegen zurück zum Herd. Zum Glück beginnt das Wasser zu kochen, sodass ich es salzen und die Nudeln hinzugeben kann.

»Das erleichtert mich, ich hatte ein wenig Sorge, dass du dich vielleicht verlaufen haben könntest«, erklärt er und holt nebenbei Teller aus dem Schrank, wobei sein Körper aus Versehen meinen streift. Wieder läuft ein kribbelnder Schauer über meinen Rücken. Was zum Teufel ist das?

»Wenn du willst, kannst du dich schon mal setzen. Du bist sicher müde«, antworte ich, statt auf seine Aussage einzugehen, und fühle mich gleichzeitig undankbar. Doch seine Nähe macht mich so nervös, dass ich nicht klar denken kann.

Nach kurzem Zögern stimmt er zu. »Okay, dann warte ich im Wohnzimmer.«

Plötzlich habe ich Angst, ihn vor den Kopf gestoßen zu haben, und ärgere mich über mich selbst. Einige Minuten später sind die Nudeln gar und ich richte uns zwei Teller an, wobei Jae-Joons Portion doppelt so groß ausfällt wie meine, da ich mir vorstellen kann, dass er nach dem stundenlangen Training ausgehungert ist. Beim Gedanken daran ploppt eine Frage in meinem Kopf auf: Warum muss er das tun? Wer außer einem Profisportler würde sich das freiwillig antun? Ist er einer? Grübelnd trage ich die Teller ins Wohnzimmer und stelle sie auf dem kleinen Tisch ab.

»Magst du geriebenen Parmesan?«, frage ich und hole die Packung hervor, die ich mir unter den Arm geklemmt habe.

»Je mehr, desto besser«, antwortet er, und ich kann regelrecht sehen, wie ihm das Wasser im Mund zusammenläuft. Tatsächlich habe ich noch nie jemanden gesehen, der so einen großen Appetit hat und solch eine Vorfreude auf Essen zeigt.

»Sag Stopp.« Das tut er auch, jedoch erst, als seine Spaghetti unter einem weißen Berg von Käse begraben sind. Was mich zugegebenermaßen amüsiert, ich mag nämlich auch viel Parmesan.

»Masissge desuseyo!«, wünsche ich ihm einen guten Appetit.

»Jal meoggessseubnida!«, bedankt er sich bei mir und sagt damit etwas, das so viel bedeutet wie: Ich werde es mir schmecken lassen.

Allgemein habe ich gelernt, dass einige Redewendungen anders als unsere sind. Wenn man jedoch einmal durchblickt, ergeben sie Sinn.

Voller Genuss mischt er den Parmesan unter die Nudeln und inhaliert danach die erste große Gabel. Vollkommen fasziniert starre ich ihn an. Ich habe immer angenommen, die Clips im Internet beziehungsweise die Szenen in Dramen wären übertrieben, aber er ist wirklich ein Food Fighter – eine jener Personen, die immer Appetit haben und Unmengen an Essen verputzen können.

»Das ist so gut!«, stöhnt er und schaufelt sich die nächste Gabel in den Mund.

Wie gut, dass ich die ganze Packung Nudeln gekocht habe, denke ich, und erinnere mich dann wieder daran, dass er stundenlang trainiert hat. »Darf ich dich etwas fragen?«

»Sicher«, antwortet er zwischen zwei Bissen und lässt sich von mir nicht beim Essen beirren.

»Bist du Profisportler? Anders kann ich mir nicht erklären, weshalb man fast den ganzen Tag beim Sport verbringen sollte.«

Meine Frage scheint ihn nun doch vom Weiteressen abzuhalten, denn er stellt den Teller auf dem Tisch ab und schaut mich scheinbar unentschlossen an. Bin ich ihm zu nahegetreten?

»Tatsächlich habe ich mir die ganze Zeit den Kopf darüber zerbrochen, wie ich dieses Thema wohl ansprechen könnte«, gibt er zu und macht mich mit dieser Aussage nervös. Weshalb sollte es ihm so schwerfallen, über seinen Beruf zu sprechen? »Ich war Profischwimmer, aber nach einem Unfall vor einigen Jahren bin ich das nicht mehr.«

»Das tut mir leid.« Das tut es wirklich. Ich wollte keinen wunden Punkt bei ihm treffen. Kein Wunder, dass er nicht gerne über seinen Job spricht.

»Danke.« Deutlich unsicher nimmt er einen Schluck Wasser, lässt seinen Blick unruhig durch den Raum schweifen und blickt mir erst dann in die Augen. »Ich hätte niemals erwartet, dass es so schwer ist, jemandem zu erklären, was ich mache.«

»Solange du kein Auftragskiller bist, ist alles gut«, witzele ich und merke, dass ich ebenfalls nervös werde. Was wird er mir offenbaren?

»Sagt dir der Begriff Hallyu Star etwas?«, platzt er dann endlich heraus. »Ich schätze, diese Beschreibung trifft am ehesten auf mich zu, auch wenn ich mich selbst nicht als solchen bezeichnen würde.«

»Hallo-Was?«

»Hallyu Star. Hallyu steht für die koreanische Welle«, erklärt er, und ich nehme schon an, dass es irgendetwas mit einer politischen Bewegung zu tun hat, aber dann führt er seine Erklärung weiter aus und zerstreut meine Bedenken – zumindest in dieser Hinsicht. »Die koreanische Welle beschreibt die weltweit ansteigende Popularität der koreanischen Popkultur.«

»Popkultur?«, frage ich immer noch verwirrt und brauche einen Moment, um den Sinn seiner Worte zu verstehen, doch dann fügen sich die Teile des Puzzles zusammen. »Das DJ-Pult und die CDs … Du bist Narius?«

»Ja«, gibt er zu, »und ab Montag bin ich für zwei Wochen auf Tour.«

»Okay, damit habe ich definitiv nicht gerechnet.« Habe ich ehrlich nicht. Tatsächlich weiß ich nicht, was ich überhaupt sagen oder wie ich reagieren soll.

»Wenn wir gerade schon bei dem Thema sind, sollten wir vielleicht noch über die eine oder andere Sache reden, die du früher oder später ebenfalls erfahren würdest.«

»Und die wäre?« Mir schwirrt der Kopf.

»Ich trainiere so viel, weil ich nach meiner Tour einen Werbespot drehen werde und dafür in Topform sein muss. Außerdem bin ich Teil der Hauptbesetzung in einer Variety-Show und mit einem Produzenten für ein RomCom-Drama im Gespräch.«

»Oh, wow! Ich weiß ehrlich nicht, was ich sagen soll«, gebe ich meine Gedanken laut zu. Ich muss sogar ungläubig auflachen. »Kennst du das Drama I Pickedup a Star on the Road? Wer hätte gedacht, dass mir etwas passieren würde, das den Titel A Star Picked me up from the Road verdient! Versteh mich nicht falsch, ich mache mich nicht lustig über dich, aber ich … ich … Na ja, wer hätte gedacht, dass ich jemandem begegne, der sich vollkommen selbstverständlich meiner annimmt und mir dann auch noch offenbart, dass er ein Superstar ist? Hast du keine Angst, dass ich eine Psychokuh sein oder die Presse von dem hier«, ich zeige erst auf ihn und dann auf mich selbst, »etwas mitbekommen könnte?«

Durch Nates Umzug habe ich mich viel mit der koreanischen Sprache beziehungsweise der Kultur auseinandergesetzt, und so zwangsläufig Musik und Dramen lieben gelernt. Und gleichzeitig erfahren, wie eigen, teilweise sogar krankhaft besitzergreifend die Menschen mit ihren Stars sind. Sie sind für sie keine Personen mit Privatleben, sondern eine Art öffentliches Eigentum. Es reicht aus, dass ein Idol mit einer Person des anderen Geschlechts bei einem Kaffee sitzend gesehen wird, und schon ist es ein Datingskandal - ein Skandal, der oft dazu führt, dass Fans ihrem Star den Rücken kehren.

»Normalerweise bin ich immer auf der Hut, achte darauf, dass ich in keine Skandale verwickelt werde, und ich zeige auch sonst in der Öffentlichkeit kein Interesse an Co-Stars oder Kolleginnen«, meint er, klingt dabei aber nicht defensiv. »Nur bei dir habe ich eine Ausnahme gemacht. Als ich dich draußen sitzen sah und erkannt habe, wie verzweifelt und hilflos du bist, konnte ich dich nicht einfach dir selbst überlassen. Falls du mich jetzt fragst, was das zu bedeuten hat, dann kann ich dir nur antworten: Ich weiß es selbst nicht, aber ich bin auch nicht gewillt, mein Interesse an dir zu ignorieren.«

Jae-Joon

Mir schlägt das Herz bis zum Hals. Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich Riley mit meiner Beichte, berühmt zu sein, überfallen haben könnte. Ebenso mit dem Geständnis, dass ich begonnen habe, Interesse an ihr zu entwickeln. Aber nun liegen alle Karten auf dem Tisch und von meiner Seite sind keine bösen Überraschungen mehr zu erwarten. Ausgenommen der Tatsache, dass ich bis nächstes Jahr einer offiziellen Datingsperre unterliege, aber ihr das zu sagen, wäre für den Moment zu viel des Guten. Ich trinke noch einen Schluck Wasser und schaue dann wieder zu Riley. Im Augenblick fühle ich mich zwar unbehaglich, aber ich denke, dass sie mit meinem Status klarkommen und letztlich auch keine große Sache daraus machen wird. Oder?

»Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich nicht überrascht, total verwirrt und auch ein wenig überfordert bin, aber am meisten bin ich dankbar für dein Vertrauen. Ich weiß deine Hilfe nun noch mehr zu schätzen«, sagt sie langsam.

»Deshalb habe ich es dir aber nicht erzählt.«

»Das nehme ich auch nicht an, ich wollte es dich nur wissen lassen«, erklärt sie und sucht meinen Blick. »Und wegen dem, was zwischen uns passiert ist … Ich weiß ebenso wenig, was das ist oder wo es hinführt, ich weiß nur, dass ich es weder bereue noch aus Trotz oder emotionaler Schwäche zugelassen habe. Alles andere wird sich mit der Zeit zeigen. Ich bin gerade in einer schwierigen Situation und muss mich und mein Leben zuerst wieder ordnen.«

»Das ist mir bewusst, aber ich hätte gerne eine Chance und würde mich freuen, wenn du morgen auf ein Date mit mir gehst. Während ich weg bin, kannst du dir dann Gedanken darüber machen, ob du nach meiner Rückkehr ein zweites Date mit mir haben möchtest oder nicht.« Ich bin selbst von meinem Mut überrascht, fühle mich jedoch plötzlich erleichtert. Rileys Blick nach zu urteilen, scheint sie nicht abgeneigt zu sein.

»Können wir denn ein … Date haben?«, fragt sie und bestätigt damit meine Vermutung.

»Es ist nicht so, dass mich jeder überall erkennt, und wenn wir uns unauffällig kleiden, wird es sicher gehen. Ich kenne ein paar schöne Stellen, die ich dir gerne zeigen würde.«

»Das würde mich freuen«, stimmt sie zu und klingt trotz ihrer Zurückhaltung ehrlich. Und das macht mich so glücklich, wie ich seit Langem nicht mehr war.

»Und jetzt iss weiter, bevor du verhungerst«, meint sie zu meiner Überraschung mit einem Augenzwinkern, das die Stimmung wieder locker werden lässt und mir zu verstehen gibt, dass wir zwar auf einem unsicheren und unbekannten, aber dennoch aufregenden Weg sind. Nun, nachdem ich meine Beichte hinter mir habe, schmeckt die Pasta gleich viel besser.

»Mir fällt gerade ein, dass ich eine gute Neuigkeit für dich habe. Du hast bisher keinen Job, oder?«, frage ich zwischen zwei Bissen.

»Nein, aber ich wäre für jeden Tipp dankbar.«

»Falls du möchtest, kannst du in dem Fitnessstudio anfangen, in dem ich trainiere. Eine der Mitarbeiterinnen hat plötzlich gekündigt, weshalb aktuell personeller Notstand herrscht.«

Interessiert stellt sie ihren Teller auf dem Tisch ab und schaut mich erwartungsvoll an. »Klingt gut. Was wären meine Aufgaben?«

»Hauptsächlich würdest du am Empfang sein, den Mitgliedern beim Ein- und Auschecken helfen. Proteinshakes mixen, Wasser und Handtücher verteilen und schauen, ob bei den Mitgliedern auch sonst alles in Ordnung ist. Im Grunde nichts Schwieriges und auch nichts, wofür du in der Lage sein müsstest, tiefergehende Gespräche zu führen. Gleichzeitig wäre dies aber eine gute Chance, um deine Sprachkenntnisse schnell weiterzuentwickeln. Solltest du dir bei irgendetwas unsicher sein oder dich nicht verständigen können, gäbe es für den Notfall den Cheftrainer Han Nam-Doo und meinen Freund Nam Min-Ho. Beide sprechen Englisch.«

»Und wo ist der Haken?«

»Du sollst bereits am Montag anfangen. Wir müssen jedoch so tun, als würden wir uns nicht kennen – zumindest vor anderen - und du musst auch so tun, als würdest du andere nicht erkennen.«

»Als würde ich andere nicht erkennen?«, fragt sie verwirrt.

»Das Studio ist ein VIP-Club.« Da ich sehe, dass diese Erklärung nicht ausreichend ist, füge ich hinzu: »Sechzig Prozent der Studiomitglieder sind berühmt, die anderen vierzig Prozent sind Beamte oder Topverdiener. Nur ein ganz kleiner Teil davon sind ganz normale Personen, die sich den Luxus und die damit verbundenen Annehmlichkeiten unseres Studios leisten wollen und können.«

»Ich nehme an, ich werde dann auch darauf achten müssen, dass keine Bilder oder Videos gemacht werden beziehungsweise irgendetwas anderes passiert, was als belästigend empfunden werden könnte?«

»Ganz genau. Generell kann jedes Mitglied die gleichen Leistungen erwarten, niemand wird besonders behandelt, außer bei den privaten Trainingsstunden natürlich.«

»Und ich kann den Job ganz sicher haben?« Rileys ungläubige Freude löst Befriedigung in mir aus. Ich bin froh, dass ich ihr einmal mehr helfen kann. Gleichzeitig gibt es mir ein beruhigendes Gefühl, zu wissen, dass sie nicht nur einen Job hat, was eine Sorge weniger für sie bedeutet, sondern bei Nam-Doo und seinem Team auch in guten Händen sein wird.

»Wenn du möchtest, ja. In der Regel macht das Studio um zehn zu, wir können morgen Abend vorbeifahren, du kannst Trainer Han kennenlernen und die Details mit ihm besprechen.«

»Wir?«, fragt sie, und ich weiß nicht, worauf sie hinauswill.

»Ja, wir. Ab Montag bin ich weg, morgen ist also die einzige Gelegenheit, um zusammen hinzufahren. Aber falls du das oder den Job nicht möchtest, wäre das auch okay.«

»Nein, nein, so war das nicht gemeint. Ich habe bloß das Gefühl, dass ich deine knappe Freizeit verschwende.« Ehrlich betroffen blickt sie auf ihre Hände nieder.

Es ist lange her, dass jemand Rücksicht auf mich genommen hat, umso mehr bedeutet es mir, dass sie es tut. Allgemein bin ich froh über ihre Reaktion. Sie scheint nicht von meinem Status beeindruckt zu sein, eher scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Ich vermute, sie könnte ihn als mögliches Problem sehen. Um ihre Besorgnis zu zerstreuen, sage ich: »Mach dir darum keine Gedanken. Ich tue nichts, was ich nicht auch wirklich will. Tatsächlich habe ich es dir sogar zu verdanken, dass ich morgen einen Tag vom Training frei habe.«

»Du lässt wegen mir das Training sausen?«

»Jein, der Coach war der Meinung, ich hätte es verdient, einen Tag mit dir zu verbringen. Es ist eine Ewigkeit her, dass ich wirklich Freizeit hatte und etwas unternommen habe.«