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Winterromantik in den Bergen Eigentlich wollte Annika den Winterurlaub mit ihrer Freundin im Dream Alpin genießen. Diese ist aber krank geworden, weshalb Annika alleine reist. Joell bekommt von einem Freund den Aufenthalt im Wellnessresort geschenkt, da dieser den Urlaub nicht antreten möchte. Zufällig landen Annika und Joell in der gleichen Hütte und müssen miteinander klarkommen, obwohl sie sich überhaupt nicht ausstehen können. Zu allem Überfluss zieht auch noch ein Schneesturm über den Ort und wirbelt nicht nur die Schneeflocken, sondern auch Annikas und Joells Gefühle durcheinander. Ein bezaubernder Roman für verträumte Stunden.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Liebe Leserin, lieber Leser!
Lovely Christmas Reihe
Einblick in »Lovely Christmas Band 1 – Dolce Vita im Schnee« von Lisa Diletta
Einblick in »Lovely Christmas Band 2 – Zwei Sterne im Schnee« von Lotte R. Wöss
Einblick in »Lovely Christmas Band 4 – Herzflattern im Schnee« von Danielle A. Patricks
Impressum
Disclaimer und Haftungsausschluss
Sandra Pulletz
~
Lovely Christmas
Zarte Klänge im Schnee
eBook Ausgabe Oktober 2020
Copyright © 2020 by Sandra Pulletz
Covergestaltung: © Michael Troy
Bildnachweis:
© Vladyslav Spivak, www.shutterstock.com
© Ekaterina Kondratova, www.shutterstock.com
Lektorat und Korrektorat: Lotte R. Wöss, Danielle A. Patricks, Lisa Diletta
Informationen über die Autorin finden Sie hier:
www.sandrapulletz.com
Kontakt:
Mein Newsletter: www.sandrapulletz.com/newsletter
Vollständiges Impressum am Ende des Buches.
Alle Rechte vorbehalten.
Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der offiziellen Erlaubnis durch die Autorin.
Jede Schneeflocke ist ein Unikat, genau wie jeder Mensch.
***
Ich wünsche eucheinen zauberhaften Advent!
Eigentlich wollte Annika den Winterurlaub mit ihrer Freundin im Dream Alpin genießen. Diese ist aber krank geworden, weshalb Annika alleine reist.
Joell bekommt von einem Freund den Aufenthalt im Wellnessresort geschenkt, da dieser den Urlaub nicht antreten möchte.
Zufällig landen Annika und Joell in der gleichen Hütte und müssen miteinander klarkommen, obwohl sie sich überhaupt nicht ausstehen können. Zu allem Überfluss zieht auch noch ein Schneesturm über den Ort und wirbelt nicht nur die Schneeflocken, sondern auch Annikas und Joells Gefühle durcheinander.
Lovely Christmas
Zarte Klänge im Schnee
DREAM ALPIN
DAS RESORT INMITTEN VERSCHNEITER ALPENGIPFEL FÜR DEINEN TRAUMURLAUB
Du bist müde und ausgelaugt? Du brauchst Abstand zu Deinem Leben und möchtest zu Dir selbst finden? Du wünschst Dir Ruhe oder träumst von einem romantischen Urlaub zu zweit?
Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit haben wir spezielle Angebote genau für Dich!
Zahlreiche Pistenkilometer für Dein Skivergnügen, Schlittenfahrten, Spaziergänge im Wintertraum sowie spannende Aktivitäten für Deine Kinder warten auf Dich, damit Du einmal durchatmen kannst.
Außerdem lockt die Erholung im SPA-Bereich des luxuriösen Hotelkomplexes. Du wirst Dich wohlfühlen in der heimeligen Atmosphäre des alpenländischen Ambientes. Zudem verwöhnt Dich unser Küchenteam rund um die Uhr mit kulinarischen Köstlichkeiten.
Du möchtest lieber Abgeschiedenheit und Intimität? Kuschelig urige Holzblockhütten stehen Dir für Deinen Aufenthalt ebenso zur Verfügung wie ein absolut persönlicher und diskreter Service von unserem Personal.
Also, was hält Dich noch in der Tristesse Deines Alltags?
Dein exklusiver und einzigartiger Urlaubstraum wartet auf Dich, um Dir sämtliche Wünsche zu erfüllen.
Komm ins DREAM ALPIN und lass Dich verzaubern!
Du wirst Deinen Aufenthalt nicht bereuen!
Unser Team freut sich auf Dich unter dem Motto:
DREAM ALPIN!
Annika
Dicke, weiße Flocken fielen vom Himmel und kitzelten an Annikas Nase. Sie musste trotz ihres Problems lächeln, denn sie liebte es, im Schneegestöber spazieren zu gehen. Ihr größter Wunsch, einmal mit ihrem Traummann an der Seite einen Winterspaziergang zu unternehmen, war bisher nämlich nie in Erfüllung gegangen. Seit einer Ewigkeit musste sie wieder als Single leben. Ihr Exfreund hatte zu ihrem Bedauern für solch romantische Abenteuer niemals Interesse gehabt.
Jetzt war sie soeben auf dem Weg zu ihrer Freundin Ida. Sie wollten sich auf dem Weihnachtsmarkt treffen.
Die Stadt Graz zeigte sich festlich geschmückt, was Annikas traurige Gedanken erwärmte. Sie mochte die kalte, dunkle Jahreszeit nicht unbedingt, aber die Adventszeit liebte sie. Nur nicht den Heiligen Abend, den fand sie mittlerweile langweilig. Ganz allein, ohne Partner, würde sie bei ihren Eltern zu Hause sitzen. Wie schön wäre es, auch den Weihnachtstag mit einem festen Freund verbringen zu können, gemeinsam zu reden, zu lachen und den Weihnachtsbaum zu schmücken?
Sehnsuchtsvoll stöhnte sie leise auf. Diese Vorstellung würde nur ein Wunschtraum bleiben.
Gemütlich schlenderte sie durch die Fußgängerzone und betrachtete die Häuserwände, auf denen abwechselnd Sterne, Schneeflocken und Schneemänner projiziert wurden. Die weihnachtliche Straßenbeleuchtung brachte ihr Herz zum Sprühen.
Am Hauptplatz angekommen, hielt sie nach ihrer Freundin Ausschau, was nicht ganz einfach war, denn es tummelten sich hier viele Leute. Schließlich befand sich an dieser Stelle einer der zahlreichen Weihnachtsmärkte der Stadt, der wegen seiner Glühwein- und Handwerksstände sehr beliebt war.
Annika schlenderte zum vereinbarten Treffpunkt weiter, direkt zwischen Kinder-Karussell und dem riesigen Christbaum, der mit über fünfundzwanzigtausend Lichtern drapiert worden war, zumindest hatte sie das in der Tageszeitung gelesen.
Sie musste nicht lange warten, da erkannte sie Ida schon von Weitem an ihrer markanten Größe. Ihre Freundin steuerte direkt auf sie zu. Idas Miene verhieß nichts Gutes.
Dennoch ließ Annika sich nicht beirren. Ihre Freundin schaffte es öfter miesepetrig durch die Stadt zu laufen, allein aus dem Grund, weil jemand sie schief angeschaut hatte. Sie reagierte auf derlei zu empfindlich.
Annika drückte ihre Freundin. »Hallo, meine Liebe. Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«
»Erzähle ich dir gleich.« Ida zupfte nervös ihren Schal zurecht. »Zuerst brauche ich einen großen Becher Glühwein.«
»Da bin ich ganz deiner Meinung.« Annika liebte das duftende, süße Getränk, bloß vertrug sie nicht allzu viel davon.
»Zweimal Erzherzog-Johann-Punsch!«, rief Ida zum Stand gegenüber.
Der dick eingemummelte Angestellte nickte. »Hier ist aber Selbstbedienung!«
»Ich hole uns die Getränke«, beeilte sich Annika zu sagen. Sie spürte, dass ihre Freundin sich ernsthaft über etwas grämte und wollte ihr einen Moment geben, um Luft zu schnappen. »Stell du dich doch da an den freien Tisch!«
Annika spazierte die paar Schritte rüber zum Glühweinstand und machte dem Angestellten ein Kompliment. »Ihr Stand sieht wirklich bezaubernd aus.« Sie deutete auf die frischen Tannenzweige, die von der Decke hingen und die mit goldenen Sternen geschmückt waren.
»Danke.« Der ältere Herr zwirbelte an seinem Vollbart und formte so etwas Ähnliches wie ein Lächeln. »Wenn ihr später die Güte hättet, die Becher zurückzubringen! Gibt nämlich Einsatz drauf. Fünf Euro.«
Annika zog zehn Euro aus dem Portemonnaie und reichte sie dem Mann.
»Bezahlst du nur einen Punsch?« Er sah verwirrt aus.
»Nein, beide. Sie sagten doch fünf Euro pro Becher, oder?«
Nun lachte ihr Gegenüber auf. »Das ist der Einsatz! Schau dir mal die hübschen Tassen an. Sie sind aus gutem Porzellan und handbemalt. Also, ich bekomme insgesamt sechzehn Euro.«
Annika zuckte zusammen. War das ein Scherz? Sie bezahlte mit einem Zwanzig-Euro-Schein und zählte das Retourgeld. Anscheinend hatte sie doch richtig gehört. Mit einem Seufzen nahm sie die beiden Becher, aus denen es dampfte, und ging damit zurück zu ihrer Freundin, die nun eine Zigarette in der Hand hielt.
»Seit wann rauchst du denn?« Annika reichte einen Punsch an Ida weiter.
»Seit eben jetzt!« Ida paffte und musste husten.
Annika klopfte ihr auf den Rücken. »Na, übertreib mal nicht. Ist es denn so schlimm?«
»Was?«
»Dein Problem.«
»Und ob!« Ida warf die Zigarette auf den Boden und trat darauf, bis der letzte Funken erlosch. »Stoßen wir erst einmal an!« Sie hielt den Becher in die Luft und Annika tat es ihr gleich.
»Prost!«
Als Annika an dem Punsch nippte, bemerkte sie erst, wie zittrig ihre Freundin den Becher in der Hand hielt.
»Leon und ich sind übrigens geschiedene Leute!«, ließ sie die Bombe platzen.
Das war also das Problem! »Wie? Habt ihr euch getrennt?« Annika konnte nicht glauben, was ihre Freundin eben erzählte und musste aufpassen, dass sie vor Schreck nicht das Getränk verschüttete.
»Pass auf!«, japste Ida und musste plötzlich kichern.
Es dauerte einen Moment, bis Annika sich wieder gefasst hatte. Sie brauchte nun einen großen Schluck Punsch, um die Information sacken zu lassen. »Ich pack das nicht!«
»Tja, so ist das eben.« Ida zuckte mit der Schulter. »Leon und ich … das war halt nur ein Wunschtraum. Er hat mich total überfordert und ich finde, wir passen nicht zusammen, so blöd das klingt. Das Leben muss weitergehen.«
Zwar pflichtete Annika ihrer Freundin bei, jedoch verstand sie den Grund der Trennung nicht ganz. »Ihr wart doch das Traumpaar schlechthin, oder?« Sie dachte daran, dass Leon und Ida in den letzten paar Monaten unzertrennlich waren, sogar vom Zusammenziehen war die Rede gewesen.
»Wir haben aufeinander geklebt wie zwei Kaugummis, ja. Aber wenn du Apfelkaugummi mit Orange mischst, schmeckt es bald langweilig.«
Annika verstand nur die Hälfte von dem, was Ida damit ausdrücken wollte. »Und welche Sorte bist du gewesen? Orange?«
»Lass den Blödsinn!« Ida verdrehte die Augen. »Ich will ja bloß sagen, dass wir zu unterschiedliche Lebensansichten haben.«
»Krass!« Annika konnte nichts anderes hinzufügen.
»Du sagst es.« Ida presste die Lippen aufeinander und starrte auf das Karussell neben ihnen.
Plötzlich fiel Annika etwas ein. »Wolltet ihr nicht jetzt vor Weihnachten in den Urlaub fahren?«
Ida nickte. »So ist es. Das fällt flach. Schade, denn ich habe mich schon auf ein paar ruhige Tage gefreut. Ein bisschen Skifahren, Entspannen im Spa, kulinarische Gaumenfreuden …« Sie seufzte auf.
Annika tätschelte die Schulter ihrer Freundin. »Das wäre sicherlich perfekt gewesen. Ein wenig Ruhe an den letzten Tagen des Jahres könnte wohl jeder gebrauchen.«
Ida blickte sie an. »Sorry, vor lauter Selbstmitleid habe ich mich gar nicht erkundigt, wie es dir überhaupt geht.«
»Ach …« Annika hatte keine Lust, von ihren Sorgen zu berichten und wollte nicht schon wieder daran denken. »Es tut sich nicht viel.« Sie hoffte, dass ihre Freundin nicht nachbohrte. Eine Veränderung ihrer Lebenssituation würde sie dringend brauchen, aber sie hätte nicht gewusst, welche dies sein könnte.
Annika erntete einen bemitleidenden Blick von Ida. »Wir zwei sind arme Hasen!«
»Vermutlich.« Annika nahm einen großen Schluck. »Noch eine Runde?«
»Gern. Ertränken wir unseren Kummer!«
Ida griff nach ihrer leeren Tasse und holte Nachschub.
In der Zwischenzeit betrachtete Annika das bunte Treiben auf dem Weihnachtsmarkt. Die Stände und Buden wurden dicht bedrängt und es schienen immer mehr Leute zu kommen. Das war aber nicht verwunderlich, denn mittlerweile hatten wohl die meisten Menschen Feierabend. Zudem waren die funkelnden Lichter und der typische weihnachtliche Duft nach Waffeln und Zimt zu verführerisch. Es hatte zu schneien aufgehört und die Temperaturen waren annehmbar. Zumindest für die Winterzeit und wenn man eine dicke Jacke trug.
Annika fror, denn sie hatte ihre Handschuhe in ihrem Wintermantel vergessen. Sie erinnerte sich an das gemeinsame Sonntagessen mit ihrer Lieblingscousine und den anschließenden wunderschönen Spaziergang – leider hatte sie eben nicht daran gedacht, ihre Handschuhe wieder herauszunehmen.
»Das ist ja wohl der teuerste Punschstand ever!« Trotz ihrer Worte grinste Ida und gab ihr einen Becher.
»Ja, schau dir mal die wunderschönen Tassen an.« Annika imitierte den Punschverkäufer. »Handbemalt.«
»Tja, ich überlege, ob ich sie mitnehme und meinen Eltern an Weihnachten schenke.«
Die beiden brachen in schallendes Gelächter aus, was ihnen einige verblüffte Blicke von Passanten einbrachte.
Annika hielt ihre Hände um den heißen Becher, damit sie sich wenigstens etwas erwärmten.
»Was wirst du über die Feiertage machen?« Ida nahm einen Schluck und ließ dabei den Blick nicht von Annika.
»Tja, ich glaube, ich werde mit meiner Familie feiern.« Eigentlich glaubte sie das nicht nur, sondern es war schon so geplant.
»Uh, das klingt anstrengend.« Ida konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, dann wurde sie ernst. »Jetzt wo du es sagst … ich fürchte, mir wird auch nichts anderes übrigbleiben.«
»Wieso? Du hast doch Pläne!« Annika wurde ganz wirr im Kopf.
»Naja, der Winterurlaub ist ja abgesagt und somit bleibe ich in der Stadt.« Sie machte ein betrübtes Gesicht. »Bei meinen Eltern wird es stinklangweilig werden.«
»Wem sagst du das.« Annika erinnerte sich an das letzte Weihnachtsfest, wo sie mit ihrer Familie stundenlang am Esszimmertisch gesessen hatte und diskutieren musste, welche Fehler sie in ihrem bisherigen Leben gemacht hatte. Das war erstens anstrengend und zweitens öde gewesen, denn später hatten ihre Eltern die uralten Fotobücher ausgepackt, die sie zusammen durchgeblättert hatten. Annika wurde unsicher, ob sie die Feiertage wirklich mit ihren Eltern verbringen wollte. Eher nicht, aber ihr blieb nichts anderes übrig, da sie wieder bei ihnen wohnte, obwohl sie Mitte zwanzig war. Zum Schämen war das. Sie seufzte tief.
»Ich habe die beste Idee ever!« Ida strahlte sie an. »Der Urlaub ist längst gebucht …«
»Das weiß ich, schließlich schwärmst du mir seit Wochen davon vor«, unterbrach Annika ihre Freundin.
»Eben!« Sie stupste Annika am Arm. »Nur weil Leon nicht mitfährt, muss ja nicht gleich der ganze Urlaub ins Wasser fallen.«
»Was meinst du?«
»Ich werde fahren!« Sie blickte Annika vielsagend an. »Und du kommst mit mir.«
»Das geht doch nicht …«
»Warum nicht?«
»Na …« Annika druckste herum, denn ihr fiel sofort ein Grund ein, weshalb sie nicht mitkonnte. »Ich kann mir das nicht leisten.«
»Quatsch!« Ida schüttelte vehement den Kopf. »Ist doch alles bezahlt! Du würdest mir sogar einen Gefallen tun, wenn du mitfährst. Dann lohnt sich der teure Urlaub wenigstens.«
»Ob meine Eltern damit einverstanden wären?«
»Hallo? Du bist doch alt genug und kannst wohl machen, was du willst, oder?«
»Im Prinzip schon«, antwortete Annika zögernd. Sie fand nämlich, dass sie ihren Eltern ziemlich viel schuldete. Immerhin hatten die beiden sie nach ihrer Trennung von Gustav wieder bei sich aufgenommen.
»Komm schon, wie lange soll ich noch betteln?« Ida formte ihre Lippen zu einer bittenden Schnute.
»Also, ein Ortswechsel würde uns guttun.« Vielleicht käme sie dann endlich auf andere Gedanken. Vor allem brauchte sie schnell eine neue Arbeit, denn zuletzt war sie bei ihrem Ex im Marketingbüro fix angestellt gewesen. Sie hatte Werbesprüche entwickelt. Seither hatte sie nur Aushilfsjobs angenommen. Schon über ein Jahr lang.
»Bin ganz deiner Meinung!« Ida trank den Becher leer. »Dann können wir ja morgen in Ruhe packen, ehe wir übermorgen losstarten. Ich hole dich Punkt neun Uhr ab!«
»So bald geht´s los?« Annika erschrak. Das ging viel schneller als erwartet. Wie sollte sie das ihren Eltern beibringen?
Joell
»Joell, wie fandest du unseren Auftritt?«, fragte Kyle seinen Kumpel Backstage und legte die Gitarre beiseite.
Joell setzte ein breites Lächeln auf und zeigte mit seinem Daumen nach oben. »Hammergeil!« Er hielt Kyle ein Handtuch vor die Nase.
»Das freut mich. Die Menge war begeistert.« Kyle wischte sich den Schweiß vom Kopf. »Trotzdem müssen wir reden.«
Joell wurde mulmig zumute. Jedes Mal, wenn Kyle so anfing, wollte er etwas und das war meist nicht gut.
»Es ist so … das Management will was Neues ausprobieren.« Kyle fuhr sich über das schwarze Haar. »Songs, die in eine härtere Richtung gehen.«
Joell nickte stumm. Irgendwie hatte er damit schon gerechnet, dennoch traf ihn diese Aussage. Bis jetzt hatte er rockige Nummern mit Balladen abwechselnd komponiert, das war beim Publikum ganz gut angekommen. Zusätzlich war er als Bandbetreuer engagiert gewesen. Mit den Jungs kam er prima aus.
Kyle klopfte ihm auf die Schulter. »Du hast immer gute Arbeit geleistet.«
»Danke.« Es kam halbherzig, Joell konnte seinen Blick nicht vom Boden heben. Sein Herz litt unter dem Wissen, dass er künftig Songs mit Passagen, die man grölen konnte, schreiben sollte. Ob ihm das überhaupt gelang?
»Es tut mir leid, Joell, aber das Management möchte ab sofort jemanden anderen als Songwriter einstellen. Ich habe gemeint, dass ich mit dir darüber rede, weil wir gute Kumpel sind.«
Joell sah nun doch hoch und fing Kyles mitfühlenden Blick auf. Hatte er eben richtig gehört? Er sollte nicht mehr für die Black-haired-Guys schreiben? Seine Kehle war wie ausgetrocknet und er brachte keinen Ton heraus.
Kyle verzog sein Gesicht. »Und ich muss dir leider noch etwas mitteilen.« Er räusperte sich. »Harry vom Management ist zudem der Meinung, dass du auch als Künstlerbetreuer nicht mehr tragbar bist. Harry meint, du könntest es vermutlich nicht verkraften, wenn wir die Songs eines anderen Komponisten spielen. Tut mir echt leid, Kumpel.« Er beugte sich ein Stück zu ihm hinunter. »Was sagst du dazu? Sicher ist es schwer für dich, was?«
Joell war so schwindlig, wie auf einem Kettenkarussell. Das waren eindeutig zu viele schlechte Nachrichten auf einmal.
»Ich finde es schade, dass du nicht mehr mit uns touren darfst. Wir haben uns alle an dich gewöhnt. Aber ich bin mir zu tausend Prozent sicher, dass du sofort ein neues Jobangebot bekommst.« Kyle grinste, sodass sein schiefes Gebiss entblößt wurde.
»Ist das also schon alles fix?« Joells Worte kamen mühselig, er konnte es nicht fassen.
»Ich fürchte ja, mein Kumpel.« Der Leadsänger drückte ihm das feuchte Handtuch in die Hand und holte eine Flasche Wodka unter einem Tisch hervor. »Auch einen Schluck? Um den Schock zu verdauen?«
Joell nickte und genehmigte sich ein großes Glas. »Das ist ein totaler Albtraum für mich. Scheiße! Warum?« Er fand, dass es eigentlich in letzter Zeit recht gut lief. Klar, mit Harry vom Management lag er öfter mal im Clinch. Meist lag es an den verspäteten Auszahlungen. Oft aber auch daran, dass seine Ideen nicht anerkannt wurden, Harry jedoch anschließend dieselben Vorschläge unterbreitete. Das hatte Joell gewaltig geärgert. Aber was hätte er sagen sollen? Dass der Manager log? Wer hätte ihm geglaubt?
Er konnte sich nicht vorstellen, dass die Black-haired Guys von nun an Heavy Metal spielen sollten. Nie hätte er so etwas vorgeschlagen. Er fand, so richtig harte Nummern passten nicht zur Band. Vor allem hatte Kyle so eine herrlich warme Stimme, viel zu schade für Herumgrölerei. Aber Harry würde schon wissen, was er tat.
Prompt trat der Manager zu ihnen. Die restlichen Bandmitglieder befanden sich bereits drüben in der Umkleide.
»Na, hat Kyle dir Bescheid gegeben? Ich habe mir gedacht, die Kündigung erfährst du lieber von einem Kumpel als von mir.« Harrys Glatze spiegelte sich durch einen Scheinwerfer, als er vor ihnen stand.
Enttäuschung und Wut machten sich bemerkbar. Joell hätte am liebsten Harrys Glatze mit seinen Fäusten poliert. Diese Blöße wollte er sich jedoch nicht geben. Daher räusperte er sich. »Alles klar.«
Harry setzte ein süffisantes Grinsen auf. »Dann ist ja gut. Freut mich, dass wir uns so friedvoll trennen. Man sieht sich vielleicht irgendwann, irgendwo.« Mit Schwung drehte er sich um und ließ die beiden allein.
Joell sank ein Stück weit zusammen. Er konnte nicht richtig fassen, dass er nun ohne Job dastand.
»Also, die Jungs und ich gehen gleich ins Sha-Sha-Cats, dem neuen Club der Stadt. Die Mädels sollen supersexy und leicht zu haben sein.« Er zwinkerte Joell zu. »Kommst du mit?«
»Ich denke nicht.« Am liebsten würde Joell jetzt einen Marathon laufen, um sich auszupowern. Er musste die unterdrückte Wut woanders loswerden, sonst würde er Harry vielleicht doch noch erzählen, was er von der Sache hielt. Außerdem hatte er keine Lust mit den Jungs der Band auf gute Laune zu machen. Er wusste, dass sie ihn bedauern und ihm vermutlich ein leichtes Mädchen für eine Nacht aufdrängen würden. Darauf hatte er keinen Bock. Er blickte Kyle an. »Ab wann bin ich freigestellt?« Das letzte Wort würgte er heraus.
»Oh Mann, ich fürchte ab sofort. Harry will im neuen Jahr mit deinem Nachfolger weitermachen und bis dahin haben wir Urlaub.« Kyle klopfte ihm auf die Schulter. »Das wird schon wieder! Bist ein prima Kerl!«
»Du auch.« Joell gab ihm einen Klaps zurück. »Die Band war echt top, ach was, sie ist es natürlich noch!« Halbwegs gefasst ging er hinter Kyle her. Er wollte sich wenigstens von den anderen Jungs verabschieden, ehe er seine Zelte bei den Black-haired Guys abbrach.
Das Lebewohlsagen fiel kurz, aber schmerzlich aus. Zumindest für Joell, denn er war einfach eine sensible Person. Die Jungs schien es weniger zu treffen, was vielleicht auch daran liegen mochte, dass sie schon einiges an Alkohol intus hatten. Sie waren in Feierlaune. Ganz wie es sich für eine – bald – Heavy Metal Gruppe gehörte.
Joell packte seine Habseligkeiten. Die Band war erst kürzlich in ihre Heimatstadt Graz zurückgekehrt. Die Jungs hatten hier noch ein, zwei Auftritte, ehe es wieder ins Studio ging. Der andere Style musste ausgetüftelt werden und dazu benötigten sie dann ja die neuen Songs. Erneut musste Joell schlucken. Diesmal würde er sich nicht die Nächte um die Ohren schlagen, um die passenden Lieder und Melodien für die Black-haired Guys zu finden, nein, das würde nun jemand anderer erledigen. Ein Kerl, der zum geänderten Image der Band passte.
Als er alles beisammen hatte, schnappte er sich noch seine Gitarre, die ihn seit Jugendtagen begleitete. Sie hatte sich prima gehalten, was auch daran lag, dass Joell sie hegte und pflegte. Niemand sonst durfte sie angreifen.
Er marschierte schnurstracks nach Hause in seine winzige Wohnung inmitten der Stadt. Etwas Größeres konnte er sich nicht leisten. Und wozu auch? In letzter Zeit war er sowieso ständig unterwegs gewesen.
Seine Habseligkeiten verstaute er im Schrank, im winzigen Wohnzimmer. Die Gitarre legte er auf das Sofa. Er kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, dass er heute noch darauf spielen würde.
Vorher wollte er sich den Schmutz des Tages abduschen und hoffte, dass auch seine Sorgen mit dem Wasser im Ausguss verschwanden. Wie sollte er damit fertigwerden, dass ihn seine Band von heute auf morgen nicht mehr benötigte? Wie sollte er diese Abfuhr verkraften? Sein Herz schmerzte bei dem Gedanken. Es war vorbei.
Er stand eine gefühlte Ewigkeit unter dem heißen Wasser, am liebsten hätte er seine Enttäuschung wirklich fortgespült, das ging aber nicht so leicht.
Mittlerweile war es ziemlich spät geworden. Er könnte auch schlafen gehen, das würde ihm bestimmt gut tun. Denn in den langen Tourwochen war er nie vor dem Morgengrauen ins Bett gekommen, was daran lag, dass er entweder mit den Jungs feiern war oder dass er nach den Konzerten an neuen Songs feilte.
Joell verspürte nun Hunger, denn er hatte den ganzen Tag kaum etwas zu essen bekommen. Vor einem Auftritt musste alles genau eingeteilt werden, damit es dann wie am Schnürchen lief. Aufbau und Soundcheck organisieren, die Jungs zum Essen zusammentrommeln und sie rechtzeitig auf den Auftritt vorbereiten. Joell war bei allem voll dabei gewesen.
Er schlurfte in die Küche und öffnete den Kühlschrank, doch es wartete nur ein leicht modriger Geruch auf ihn. In der Gemüselade lag eine Packung Karotten. Da er sie nicht aus dem Plastik genommen hatte, schimmelten sie bereits.
»Na super.« Mit spitzen Fingern nahm er die Packung angeekelt heraus, entsorgte alles im Abfalleimer und warf erneut einen Blick in den Kühlschrank. Nur noch eine Tube Senf, ein Glas angebrochene Marmelade und einen Becher Aufstrich fand er darin. Da er aber kein Brot zu Hause hatte, konnte er damit nicht wirklich etwas anfangen. Mit einem Seufzen schloss er die Tür und wandte sich an sein Vorratsregal. Nudeln sprangen ihm ins Auge. Bloß fehlte ihm die Soße. Für eine Sekunde überlegte er sogar, den Aufstrich darüber zu kippen, verwarf aber den Gedanken. Da es für ein Lieferservice bereits zu spät war, blieb ihm nichts übrig, als hungrig ins Bett zu gehen.
Sein Vorhaben wurde durch das Klingeln an der Haustür vereitelt.
Wer konnte das jetzt noch sein? Er warf einen Blick aus dem Fenster, sah jedoch nicht, wer unten vor dem Eingang stand.
Es klingelte erneut, sodass Joell fürchtete, wenn er nicht gleich für Ruhe sorgte, würden die Nachbarn sauer werden.
Deshalb marschierte er zur Sprechanlage. »Wer ist da?«
»Joell?! Ich bin´s! Kumpel, mach auf!«
Die Stimme kannte er. Sie gehörte Leon. Sein Freund war in letzter Zeit ständig mit seiner neuen Flamme unterwegs gewesen. Joell hatte sie nur einmal kurz gesehen und ihren Namen bereits vergessen.
Er drückte auf den Türöffner. Bis Leon am Treppenabsatz erschien, dauerte es allerdings. Immerhin wohnte Joell im fünften Stock.
»Hi! Störe ich dich?« Leon keuchte. Das Treppensteigen schien erschwert für ihn zu sein.
Joell ahnte Schlimmes. »Hey Leon! Du bist bei mir immer willkommen!«
»Cool, weißt du, ich bin f-fort gewesen. Mit einem Kumpel …« Er trat ein und warf seine Lederjacke in die nächstbeste Ecke. »S-sorry …«
»Etwas Wasser für dich?« Joell marschierte zur Küchenzeile und holte ein Glas aus dem Schrank.
»Auf dich kann man sich verlassen.«
Es war kaum zu überhören, dass Leon zu viel Alkohol intus hatte. Joell befüllte das Glas mit Wasser und reichte es Leon, der gierig trank und sich noch einmal nachschenken ließ.
Mit bittendem Gesichtsausdruck sah er dann Joell an. »Tja … was ich dich eigentlich fragen wollte: Kann ich bei dir pennen?«
Joell atmete sanft aus. Das war also der Grund, weshalb sein Freund hier war. »Klar.« Er fügte hinzu: »Ich wollte ohnehin gerade selbst schlafen gehen.«
»Ich dank dir!« Schnurstracks wankte Leon rüber zum Sofa und ließ sich darauf fallen. »Weißt du, Ida hat mit mir Schluss gemacht.«
»Das tut mir leid.« Joell zog über seinen Kumpel die Kuscheldecke, die er manchmal benutzte, wenn er auf der Couch saß und an seinen Songtexten feilte.
»Ich … sie … ach Mann. Es ist alles scheiße!«, jammerte Leon und schniefte sogar.
Joell blieb einen Moment neben dem Sofa stehen und betrachtete seinen Freund. Er sah so aus, wie Joell sich fühlte: untröstlich.
Das war wohl für sie beide kein guter Tag gewesen. Da sein Freund zu schnarchen anfing, zog Joell sich auch zurück. Er war froh, dass er wenigstens ein Zweizimmerapartment hatte und die Tür schließen konnte. Doch mit Einschlafen war nichts. Joell wälzte sich von einer Seite zur anderen. Seine Sorgen raubten ihm beinahe die Luft zum Atmen. Er musste so schnell wie möglich Arbeit finden. Nur, wo und mit was sollte er sich bewerben? All seine geschriebenen Songs waren bei den Black-haired Guys unter Vertrag.
Irgendwann musste er wohl doch eingenickt sein, denn er träumte wirres Zeug. Er stand auf einer Bühne und spielte einen selbstgeschriebenen Song. Das Publikum blieb totenstill, klatschte nicht. Plötzlich warf jemand überreife Orangen nach ihm, die vor ihm aufplatzten. Sie kamen von allen Seiten. Buh-Schreie gellten durch den Raum. Joell wusste nicht, was er tun sollte. Er wollte sich in Sicherheit bringen, da stürmte ein muskulöser Kerl die Bühne. Er riss ihm seine Gitarre aus der Hand und zertrümmerte sie.
Joell stand starr vor Schreck und konnte sich nicht rühren.
»Du spielst scheiße!«, rief jemand aus dem Saal. Als Joell genauer hinsah, erkannte er den Bandmanager. Harry. Er lachte gehässig und verteilte Orangen …
Schweißgebadet erwachte Joell und rieb sich über die Augen. »Zum Glück nur ein Albtraum!«
Als sein rasender Puls sich beruhigt hatte, stellte er fest, dass es draußen bereits hell war. Zwar hatte er keine gesteigerte Lust, nach so einer blöden Nacht aus dem Bett zu steigen, aber er wusste, dass die Chancen, wieder einzuschlafen, sehr gering waren. Deshalb stand er auf und schaute, ob sein Freund noch schlief.
Leon räkelte sich.
»Guten Morgen! Alles klar bei dir?« Schmunzelnd ging Joell zur Küchennische und setzte frischen Kaffee auf.
»Geht so …« Sein Freund gähnte laut. »Danke nochmals, dass ich hier übernachten durfte.«
»Immer wieder gern.« Joell erinnerte sich an die häufigen Ausgehabende mit seinen Freunden, darunter auch Leon. Da Joell recht zentral wohnte, kam es öfter mal vor, dass ein Freund bei ihm geschlafen hatte und am nächsten Morgen mit dem Bus oder der Straßenbahn nach Hause gefahren war. Nur am Wochenende fuhren Nachtbusse, aber zu Studentenzeiten war Joell mit seinen Jungs selbst mitten unter der Woche oft unterwegs gewesen.