Zeitenliebe: Zwei Leben für eine Liebe (Band 3) E-Book

Ewa A.

• Herausgeber: Carlsen
• Kategorie: Fantasy und Science-Fiction
• Sprache: Deutsch
• Veröffentlichungsjahr: 2018

Beschreibung

Manchmal muss man durch die Zeit reisen, um die wahre Liebe zu finden… **Über eine Liebe, die alles übersteht** Die willensstarke Elda lässt sich nicht leichtfertig von ihren Überzeugungen abbringen. Auch nicht von dem charismatischen Eddie von Gerwulf, in dem sie nichts als einen klassischen Aufreißer sieht, der sie mit seinen Sprüchen bloß um den Finger wickeln will. Doch dann erzählt Eddie ihr von einem geheimnisvollen Familienerbstück, das ihm gezeigt hat, dass Elda und er vor vielen Jahrhunderten ein Liebespaar waren. Elda kann ihm nicht glauben, aber ihr bleibt nur eine Möglichkeit, um zu erfahren, ob seine Geschichte wahr ist: Mutig legt sie den Armreif an und findet sich plötzlich tatsächlich in einer anderen Zeit wieder. Jedoch ist alles ganz anders als erwartet, selbst Eddie… Ewa A.s romantische Zeitenliebe-Trilogie macht die Nacht zum Tag und lässt alle Herzen schmelzen. //Dies ist ein Roman aus dem Carlsen-Imprint Dark Diamonds. Jeder Roman ein Juwel.// //Alle Bände der »Zeitenliebe«-Reihe: -- Zeitenliebe 1: Nur zu zweit sind wir eins -- Zeitenliebe 2: Zwei Seelen in einem Herz -- Zeitenliebe 3: Zwei Leben für eine Liebe// Alle Bände der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden und haben ein abgeschlossenes Ende.

Leseprobe

Dark Diamonds

Jeder Roman ein Juwel.

Das digitale Imprint »Dark Diamonds« ist ein E-Book-Label des Carlsen Verlags und publiziert New Adult Fantasy.

Wer nach einer hochwertig geschliffenen Geschichte voller dunkler Romantik sucht, ist bei uns genau richtig. Im Mittelpunkt unserer Romane stehen starke weibliche Heldinnen, die ihre Teenagerjahre bereits hinter sich gelassen haben, aber noch nicht ganz in ihrer Zukunft angekommen sind. Mit viel Gefühl, einer Prise Gefahr und einem Hauch von Sinnlichkeit entführen sie uns in die grenzenlosen Weiten fantastischer Welten – genau dorthin, wo man die Realität vollkommen vergisst und sich selbst wiederfindet.

Das Dark-Diamonds-Programm wurde vom Lektorat des erfolgreichen Carlsen-Labels Impress handverlesen und enthält nur wahre Juwelen der romantischen Fantasyliteratur für junge Erwachsene.

Ewa A.

Zeitenliebe: Zwei Leben für eine Liebe (Band 3)

**Über eine Liebe, die alles übersteht** Die willensstarke Elda lässt sich nicht leichtfertig von ihren Überzeugungen abbringen. Auch nicht von dem charismatischen Eddie von Gerwulf, in dem sie nichts als einen klassischen Aufreißer sieht, der sie mit seinen Sprüchen bloß um den Finger wickeln will. Doch dann erzählt Eddie ihr von einem geheimnisvollen Familienerbstück, das ihm gezeigt hat, dass Elda und er vor vielen Jahrhunderten ein Liebespaar waren. Elda kann ihm nicht glauben, aber ihr bleibt nur eine Möglichkeit, um zu erfahren, ob seine Geschichte wahr ist: Mutig legt sie den Armreif an und findet sich plötzlich tatsächlich in einer anderen Zeit wieder. Jedoch ist alles ganz anders als erwartet, selbst Eddie …

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Vita

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© privat

Ewa A. erblickte 1970 als fünftes Kind eines Verlagsprokuristen und einer Modistin das Licht der Welt. Im Jahr 2014 erfüllte sie sich den Traum, das Schreiben von Geschichten zu ihrem Beruf zu machen und wurde selbständig freiberufliche Autorin. Nach wie vor lebt sie mit ihrem Ehemann und den zwei gemeinsamen Kindern in der Nähe ihres Geburtsortes, im Südwesten Deutschlands.

KAPITEL 1

Schloss Gerwulf, 2019

»O mein Gott, es ist tatsächlich ein Schloss! Ich dachte immer …« Verdattert hielt Elda in ihrem Gestammel inne.

»Was?«, fragte Julia amüsiert, die neben ihr herlief und ein Fahrrad schob. »Dass ich dich anlüge?«

»Nein!«, erwiderte die siebzehnjährige Elda empört. »Ich hatte vermutet, dass dein Zuhause bloß ein etwas größeres, älteres Haus ist. Aber nicht, dass es sich um solch einen beeindruckenden Palast aus dem letzten Jahrhundert handelt.«

»Vorsicht, meine Liebe. Du meinst wohl aus dem vierzehnten Jahrhundert. Dein Glück, dass meinen Vater dich nicht gehört hat, sonst würde er dich durch die gruselige Ahnengalerie schleppen und dir die Ohren mit langweiligen Einzelheiten der von Gerwulfs vollquasseln. Glaub mir, das willst du nicht.«

Ihr Feriendomizil, das inmitten eines kleinen Dorfes lag und von einer hohen Mauer umgeben war, grenzte an eine lange Kastanienallee. Jul, wie sie Julia von Gerwulf nannte, war so lieb gewesen sie mit dem Rad vom Bahnhof abzuholen. Auf den winzigen Gepäckträger hatten sie ihren vollgestopften Trolley gepackt.

Fünf Wochen würde Elda bei den Gerwulfs verbringen. Ein bisschen mulmig war ihr schon zumute, da sie, außer Jul, keinen der Familie kannte. Doch lieber verbrachte sie ihre Sommerferien mit ihrer Freundin und deren Familie als mit ihrer eigenen. Und zwar mit keiner von beiden, die ihr durch die Scheidung ihrer Eltern zur Wahl standen. Bei ihrem Vater, der derzeit mal wieder eine neue Flamme hatte, würde sie sich wie das fünfte Rad am Wagen vorkommen. Sie wollte ihrem alten Herrn nicht dabei zuschauen, wie er eine Tussi abknutschte, die ihre ältere Schwester sein könnte. Die Ferien bei ihrer Mutter zu verbringen war leider auch keine Option. Dort wäre sie nur zu einem weiteren unnötigen Anhängsel mutiert.

Nachdem ihre Mutter den Mann geheiratet hatte, der nicht ganz unschuldig an der Trennung ihrer Eltern gewesen war, hatte sie Zwillinge bekommen, die bis heute ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen. Obwohl die Geburt der zwei kleinen Racker der Grund gewesen war, dass ihre Mutter und ihr Stiefvater Erik Elda erst für ein Jahr nach England und danach ins Internat abgeschoben hatten, liebte sie ihre Halbgeschwister über alles. Doch die vier waren eine perfekte Familie – und sie bloß ein Gast. Obwohl Erik das nie in Worte fassen würde, spürte sie, dass er genau das dachte. Er wollte sie nicht im Haus haben. Das war nie der Plan gewesen. Schon damals hatte ihre Mutter ihren Vater und sie bei Nacht und Nebel sitzen gelassen, um das Leben mit ihrem neuen Lover zu genießen. Doch der Alltag hatte ihre Mutter schneller eingeholt als gedacht, weswegen Elda schließlich nach einem Jahr doch noch bei ihr hatte einziehen dürfen. Allerdings war sie nicht lange in dem neuen Heim ihres Stiefvaters geblieben. Bald hatte Erik ihre Mutter überredet, dass Elda ein Jahr im Ausland guttun würde und sie dort ihre Englischkenntnisse erweitern konnte.

Aber Elda wollte sich nicht darüber beklagen. Denn aufgrund dessen und ihrer Ehrenrunde in einem anderen Jahr zuvor hatte sie, als sie wieder zurück in Deutschland war, ein weiteres Schuljahr wiederholen müssen, was sie letztlich mit Jul zusammengeführt hatte. Jul war seitdem ihre beste Freundin, auf die sie nie und nimmer verzichten wollte.

»Ich hoffe, deine Eltern können mich leiden. Es wäre schrecklich, wenn ich ihnen zuwider wäre und sie mich fünf Wochen ertragen müssten.« Nervös rückte Elda die Hornbrille auf ihrer Stupsnase zurecht. Normalerweise trug sie Kontaktlinsen, doch da bei ihrer Abreise am Internat starker Wind geherrscht hatte, hatte sie darauf verzichtet. Zwar vergrößerten die Gläser ihre Augen um ein Vielfaches und sie wirkte damit wie ein permanent erstauntes, ängstliches Kaninchen, aber das war ihr gleich. Im Gegensatz zu Jul legte sie keinen besonderen Wert auf ihre äußere Erscheinung. Praktisch und bequem, das war ihre Devise und die betraf sowohl ihre Kleidung als auch ihre Frisur – und ihre Schuhe erst recht. Aus diesem Grund schlurfte Elda in ihren ältesten Turnschuhen und Jeans hinter Jul in das Schloss. Ihre braunen Haare hatte sie wie immer zu einem groben Knoten geschlungen, aus dem sich mittlerweile mehrere Strähnen gelöst hatten.

»Natürlich werden meine Eltern dich leiden können. Warum auch nicht?«, versuchte Jul die Zweifel ihrer Freundin zu zerstreuen. »Du bist keine Zicke, immer höflich und nett. Wahrscheinlich wollen sie dich nach den Ferien gar nicht mehr gehen lassen.« Das blonde Mädchen riss die Augen auf. »Wäre das nicht geil? Du und ich hier zusammen. Dann wären wir wieder in einer Klasse.«

Elda schnaubte. »Ja, das wäre es. Es dürfte aber auch ziemlich cool werden, wenn du die beiden letzten Jahre doch bei mir auf dem Internat bleiben würdest. Anstatt mich allein zurückzulassen und wieder nach Hause zu gehen, um das Gymnasium hier zu besuchen.«

»Ja, ich weiß. Aber … irgendwie hat es mich jetzt nach der langen Zeit doch immer mehr hierher zurückgezogen.« Jul machte eine schuldbewusste Grimasse und Elda bereute ihren Vorwurf sofort.

Zerknirscht erwiderte sie: »Entschuldige, das war gemein von mir. Wenn ich so eine tolle Familie hätte wie du, würde ich dem Internat wohl auch lieber früher als später den Rücken kehren.«

»Ach, El, du hast ja recht. Eigentlich muss ich mich bei dir entschuldigen, dass ich dich allein unter den Blödmännern zurücklasse.«

»Quatsch. Ich kann es ja verstehen. Außerdem sind ja hoffentlich Helena und Maria noch da, wenn ich Ende August wieder ins Internat fahre. Mach dir keinen Kopf deswegen.« Elda atmete durch und schaute sich ihre Umgebung genauer an. Sie drehte sich um ihre eigene Achse. »Wow, das ist ja wirklich wie im Märchen.«

Sie standen in der prächtigen Eingangshalle, die in edlem Weiß und Gold erstrahlte. Über dem hellen Marmorboden wölbte sich wie ein Segel die mit Stuck verzierte Decke, die von mehreren Säulen getragen wurde. Zwei Treppen führten in synchron verlaufender Windung ins Obergeschoss. Jede einzelne der unzähligen geschnitzten Geländerstreben bestand aus Ranken und Blüten. Dieselben Verzierungen fanden sich ebenso an allen sichtbaren Türen. Nach der sommerlichen Hitze draußen war es hier drin angenehm kühl.

»Ein bisschen too much, oder?«, meinte Jul. »Aber mein Vater will es genau so erhalten. Abgesehen davon steht das Gebäude unter Denkmalschutz und das bedeutet, man kann es nicht nach Belieben verändern oder erneuern, sondern muss sich an gewisse Auflagen halten.«

»Ich bin schon gespannt, wie dein Zimmer aussieht, Prinzessin Julia«, grinste Elda frech.

»Leider nur Komtess Julia. Nichts mit Prinzessin«, korrigierte Jul sie gespielt geknickt und beide lachten. »Aber egal, was ich bin, jetzt stell ich dich auf jeden Fall erst mal meiner Familie vor. Lass den Trolley einfach hier stehen, wir nehmen ihn nachher mit aufs Zimmer.«

Elda stellte ihren Koffer neben eine Säule und folgte ihrer Freundin, die eine der vielen Türen öffnete, aber gleich wieder schloss.

»Hm, hier ist niemand. Wo sind die denn? Mama müsste doch da sein.« Sie holte Luft und rief laut in die Halle hinein, die ihre Stimme weiterschallen ließ. »Huhu, wo seid ihr denn alle? Keiner zu Hause?«

Eine Sekunde später antwortete aus der Ferne eine weibliche Stimme: »Hallo, wir sitzen draußen.«

»Ah, sie sind auf der Terrasse«, kommentierte Julia und schnappte ihre Freundin am Handgelenk.

Eldas Hände wurden feucht vor Aufregung. Mit wackeligen Knien ließ sie sich von ihrer Freundin unter der Galerie hindurch den Gang entlangschleifen, der auf eine offen stehende Doppeltür zustrebte. Nach einer weiteren Schiebetür traten sie ins Freie. Eine steinerne Terrasse bot sich ihnen dar, die vom Stil her zu einem Palazzo hätte gehören können. Doch anstelle von Pinien und Zypressen umgaben den Freisitz Tannen und Fichten. In Rattan-Loungemöbeln, die im Schatten des Hauses standen, saßen eine blonde Frau und zwei Männer. Der ältere der beiden hatte schwarze Haare, die an den Schläfen bereits ergraut waren. Der jüngere schien höchstens ein oder zwei Jahre älter als sie selbst zu sein und war ebenso wie sie brünett. Elda war von der neuen Umgebung und den vielen Eindrücken dermaßen fasziniert, dass sie erst einen Moment später die überraschten, fast schon fassungslosen Gesichter der drei Anwesenden wahrnahm. Sie hörte das geflüsterte »O mein Gott!« der älteren, aber noch immer attraktiven Frau, die der Ähnlichkeit nach Juls Mutter sein musste. Überrumpelt von dem befremdlichen und beinahe unhöflichen Verhalten ihrer Gastfamilie, blieb Elda erstarrt stehen.

Großartig, dachte sie voller Ironie. Sie musste wohl einen fantastischen ersten Eindruck hinterlassen haben. Wie sollte sie auf dieses Willkommen reagieren?

»Wer bist du? Wie ist dein Name?«, kam es unvermittelt aus dem Sessel, in dem der junge Mann saß. Obwohl er keinerlei Ähnlichkeit mit Jul oder deren Eltern aufwies, lag es nahe, dass er Juls Bruder sein musste.

Nachdem Elda ihn eingehend betrachtet hatte, betete sie im Stillen, dass sie mit ihrer Vermutung falschlag. Denn mit seinem Kleidungsstil, den Lederarmbändern, der hippen Undercut-Frisur und dem Tattoo, das auf seinem linken Unterarm prangte und unter seiner rechten Hand hervorblitzte, wirkte er wie einer dieser halb nackten Bad Boys, die auf Liebesromanen abgebildet waren. Es fiel Elda schwer, keine ablehnende Grimasse zu ziehen. Denn sie kannte diese Typen zur Genüge und hasste sie wie die Pest, weil sie sich leider auch auf ihrem Internat herumtrieben.

In jeder Schulstufe waren sie in Rudeln vertreten. Sie machten auf coolen, harten Underdog, dabei waren sie allesamt arrogante, verwöhnte Söhnchen aus reichem Hause. Bloß wegen dieses aufgemotzten und in den meisten Fällen zugegebenermaßen nicht mal ganz so hässlichen Aussehens sowie ihres antiquierten machohaften Getues konnten sie die Mädels reihenweise abschleppen. Nach der einen Nacht, um die es ihnen von vornherein nur gegangen war, ließen sie die naiven Hühnchen fallen und behandelten sie dabei noch schlimmer als zuvor. Vor ihren ähnlich bescheuerten Kumpels brüsteten sie sich dann mit ihren Eroberungen und wie cool sie mit den Mädchen Schluss gemacht hatten. Es war immer das gleiche alte, beschissene Lied und das hing ihr mittlerweile zum Hals raus.

»Ähm, ein Hallo wäre erst mal ganz nett«, fuhr Jul ihren Bruder in der Zwischenzeit an. Offensichtlich war sie über sein unhöfliches Benehmen verärgert. Sie fing sich jedoch gleich wieder und legte lächelnd den Arm um Elda.

»Geliebte Familie, darf ich euch vorstellen: Das ist Elda Heisse, meine beste Freundin. El, das sind meine Eltern, Esther und Nickolas Gerwulf. Und der Trottel da, der dich so verdattert anstarrt, ist mein Bruder Edmund.«

Na klar, wie hätte es auch anders sein können. War er der Grund, weshalb Jul vor Jahren ins Internat geflüchtet war? Ihre Freundin hatte ihr nie den wirklichen Grund gesagt, weshalb sie ihr Zuhause verlassen hatte und lieber meilenweit weg von ihrer Familie wohnte. Jul hatte sie stets mit fadenscheinigen Ausreden abgespeist, dass sie es nicht mehr auf ihrer bisherigen Schule ausgehalten hatte und so weiter. Da Jul damals, als sie im Internat eingetroffen war, ein bisschen fülliger gewesen war, hatte Elda vermutet, dass man sie deswegen gemobbt und sie daraufhin beschlossen hatte ein weit entferntes Internat zu besuchen. Aber vielleicht war der Auslöser doch ihr Bruder gewesen, der augenscheinlich ein Mega-Poser war und sie zu dieser Flucht getrieben hatte?

Mit einem unsicheren »Hi!« und einem schüchternen Lächeln reichte Elda nacheinander den drei Gerwulfs die Hand. Juls Eltern erwiderten ihre Begrüßung in höflicher Freundlichkeit, doch Edmunds Miene blieb kühl. Er musterte sie ernst und die junge Frau fühlte sich unter seinem unnachgiebigen und durchdringenden Blick äußerst unwohl.

Während ihre Hände sich berührten, beschleunigte sich ihr Herzschlag und ein eisiges Prickeln durchströmte ihren Rücken, ganz so, als wittere ihr Körper eine Gefahr. Instinktiv hätte Elda ihm am liebsten ihre Finger entrissen. Aber aus Anstand zwang sie sich Edmunds Blick und seiner Berührung standzuhalten, die länger währten als angebracht.

»Hi, du kannst mich Eddie nennen«, murmelte er.

Die für sein Alter tiefe und samtene Stimme umhüllte Elda und sie nickte nur stumm.

Jul, die danebenstand, beobachtete verwirrt das Verhalten der beiden. »Okay, El, komm, ich zeig dir mein Zimmer.« Beherzt zog sie ihre Freundin ins Haus zurück.

Obwohl Elda nicht mehr zurückschaute, spürte sie Edmunds Blick in ihrem Nacken.

KAPITEL 2

In Teamwork hievten Julia und Elda den schweren Koffer ins Obergeschoss. Das antike Himmelbett, das in Juls Zimmer stand, war für zwei Personen gedacht, sodass die beiden Mädchen sich schon auf die Pyjamaparty freuten, die sie abends mit Filmen und Pizza veranstalten wollten.

Nachdem Elda ihre Habseligkeiten ausgepackt und in Schrank und Badezimmer verstaut hatte, beschlossen sie auf einen Milchshake in die Eisdiele der Stadt zu gehen.

Sie hatten gerade das Zimmer verlassen, als plötzlich Eddie die gegenüberliegende Tür aufriss. Es kam so abrupt, dass es den Anschein hatte, als habe er hinter der verschlossenen Tür auf sie gewartet.

Er wirkte nervös. »Hey. Na, was macht ihr zwei denn jetzt?«, fragte er und schaute immer wieder zu Elda, die jedoch versuchte dem Blickkontakt auszuweichen, indem sie ihre Brille zurechtrückte.

Kritisch beäugte Jul ihren Bruder. »Warum willst du das wissen? Sonst interessiert es dich auch nicht, was ich den lieben langen Tag so treibe.«

Edmunds Brauen schoben sich zusammen und verärgert raunzte er seine Schwester an: »Julie, du weißt ganz genau, wem Elda ähnlich sieht, also … Bitte.« Danach sprach er Elda über Juls Schulter hinweg an. »Elda, wäre es okay für dich, wenn wir uns mal kurz allein unterhalten könnten.«

Diese schluckte, ihr fehlten die Worte. Weder hatte sie Lust dazu noch war sie darauf vorbereitet. Und noch immer kreisten Eldas Gedanken um die Frage, wem sie ähnlich sehen sollte. Was hatte Eddie damit gemeint?

In der Zwischenzeit übernahm Julia das Antworten für sie und schüttelte abwehrend den Kopf. »Was! Warum? … Oh, o mein Gott, du meinst, El wäre …? Nein, das ist doch Bullshit, Eddie. Das bildest du dir bloß ein.«

Es dauerte nur eine Millisekunde und doch entging Elda der Ausdruck von tiefer Traurigkeit nicht, der über Eddies Gesicht hinwegrauschte.

Er hob sein kantiges Kinn, auf dem ein leichter Bartschatten auszumachen war. »Doch, genau das meine ich. Und hör auf mich als durchgeknallt darzustellen.« Das Blau seiner Augen gewann an Helligkeit.

Genervt packte Jul Eldas Hand und zog sie von ihrem Bruder fort. »Dann hör, verdammt noch mal, auf dich so zu benehmen. Du kannst später mit ihr reden. Jetzt gehen wir erst mal in die Eisdiele.«

Als Elda annahm, dass sie sich außerhalb von Eddies Hörweite befanden, platzte sie mit ihren Fragen heraus: »Was will dein Bruder von mir? Warum sollte ich mich mit ihm allein unterhalten? Und mit wem, bitte schön, habe ich Ähnlichkeit?«

»Glaub mir, das willst du gar nicht wissen, das ist viel zu abgefahren. Mein Bruder hat einen Knall.«

»Jul, sag mir, was los ist.«

»Nein. Ich habe ehrlich keinen Bock auf diesen Mist, der mich seit jeher verfolgt. Immer dreht sich alles nur um ihn und seinen Scheiß …« Wutschnaubend verstummte sie, um nach einem tiefen Atemzug fortzufahren. »Ich will den Nachmittag einfach nur mit meiner Freundin genießen. Okay? Lass uns über Jungs, die Schule oder Musik quatschen. Nur nicht über meinen Bruder.«

Jul klang so deprimiert, dass Elda schließlich nickte. »Okay, sprechen wir über was anderes.« Sie gab ihrer Freundin einen sachten Rempler mit der Schulter. »Und, erzähl, Süße, hast du schon einen neuen Typen am Start?«

***

Elda spielte nervös mit dem Trinkhalm ihres Erdbeer-Shakes. Bis vor wenigen Minuten hatte sie das Beisammensein mit Jul in der Eisdiele noch genossen. Sie saßen draußen auf den Bistrostühlen im Schatten und hatten die Passanten auf der Straße beobachtet. Über Gott und die Welt hatten sie sich unterhalten, bis Eddie angetrabt gekommen war und sich an einem Tisch neben ihnen niedergelassen hatte.

Seitdem fühlte sie sich von ihm beobachtet. Keinen Blick, kein Wort hatte sie ihm gegönnt und doch waren ihre und auch Juls Laune in den Keller gerutscht. Offenbar hatte Eddie wirklich nicht mehr alle Latten am Zaun, sondern war ein Stalker im Bad-Boy-Kostüm – auch wenn er sich zurückhielt und sie bloß durch seine Anwesenheit belästigte.

»Vielleicht sollte ich mir einfach anhören, was er von mir will?«, überlegte Elda vernehmlich. »Damit er uns in Ruhe lässt.«

Ohne von ihrem Heidelbeer-Shake aufzuschauen, entgegnete Jul: »Ich befürchte, dass es damit nicht getan ist. So durch den Wind habe ich ihn noch nie erlebt.«

Betroffen wanderte Eldas Blick zu Eddie hinüber, denn nach Juls Worten hatte sich in ihr etwas geregt, das sich wie Mitleid anfühlte.

Zurückgelehnt saß er in seinem Stuhl und streckte seine langen Beine von sich. Doch zu Eldas Verwunderung starrte er nicht sie an, sondern sein Handy. Er lächelte und seine weißen Zähne blitzten in dem sonnengebräunten Gesicht auf. Seine Schultern wirkten in dem karierten Hemd für sein Alter überdurchschnittlich breit. Auch seine trainierte Brust kam in dem gerippten Trägerhemd gut zur Geltung, was auch die anderen weiblichen Gäste bemerkten. Elda nahm wahr, wie die Frauen ihm immer wieder verstohlene Blick zuwarfen. Er tat, als bemerke er es nicht, und doch fiel Elda auf, dass er immer wieder vom Handy aufsah und seine Umgebung abcheckte – bis sein Blick auf ihr landete. Er brach den Kontakt nicht ab und hielt sie mit seinen meerblauen Augen gefangen. Ein leichtes Schmunzeln legte sich auf seine Lippen und hastig wandte Elda sich ab.

Pff, diesem eingebildeten Player sollte sie Mitgefühl entgegenbringen? Nie und nimmer.

»Hey, Alter, warum treffen wir uns auf einmal hier? Ich dachte, du kommst zu mir«, ertönte plötzlich eine männliche Stimme an Eddies Tisch.

»Oh, Fuck, bitte nicht der auch noch!«, stöhnte Jul leise.

»Wieso, wer ist das?«, flüsterte Elda und spitzte ihre Ohren, um Eddies Antwort mitzubekommen.

»Keine Ahnung, Mann. Ich hatte Lust auf ein Eis. Wir können ja später noch zu dir gehen.«

»Das ist David, einer von Eddies Freunden«, raunte Jul ihr zu. Der Tonfall verriet, dass sie David nicht leiden konnte.

»Ah, ich sehe schon, warum wir uns hier treffen sollten. Hier hocken ja ein paar richtig heiße Schnecken.«

Nach dieser Ansage musste Elda sich den Sprücheklopfer genauer anschauen und wie erwartet saß ein blonder Typ neben Juls Bruder, der der gleichen Spezies angehörte – dieselbe Frisur, derselbe Kleidungsstil. Was für eine Überraschung! Sofort drehte sie den beiden Jungs den Rücken zu, was allerdings nichts daran änderte, dass sie ihre Unterhaltung noch immer genau verstehen konnte.

»Hey, Alter, nicht … Halt die Klappe!«, zischte Eddie und versuchte damit seinen Freund im Zaun zu halten.

Aber der kannte vermutlich keinen Anstand und redete munter weiter. »Wieso, läuft die Anmache schon? Auf welche hast du es abgesehen? Auf die Blonde mit der langen Mähne?«

Eindeutig redete er über Jul, deren lange helle Locken nicht zu übersehen waren.

»Nein, Mann, halt jetzt endlich dein Maul!«

»Geiles Teil! Die würde ich mir mal gern näher anschauen.« David lachte großspurig und Jul schloss mit einem lauten Schnauben für einen Moment die Lider.

»Dieser miese Arsch!«, grummelte sie.

Gleichzeitig verbreitete David weiter seine Ansichten. »Ihre Freundin mit der Brille sieht auch nicht übel aus. Meinst du, die haben Bock einen Vierer mit uns zu schieben?«

»Mann, Alter!«, lachte Eddie. »Nicht mal ich hätte Bock auf einen Vierer mit dir.«

Elda wurde schlecht und Jul platzte der Kragen.

Sie erhob sich mit einem unechten Grinsen. »Entschuldige mich mal kurz!«, sagte sie und nahm ihr Glas vom Tisch. Sie entfernte den Trinkhalm und wandte sich ruckartig ihrem Bruder und dessen Freund zu.

Elda sah noch, wie Juls rechte Augenbraue einen spitzen Bogen bildete. Das war kein gutes Zeichen! Denn wenn Juls Braue das tat, bedeutete es, dass ihre Besitzerin vor Zorn kochte und zu allem Möglichen fähig war.

»David Herrman, du beknackter Vollidiot«, fuhr sie den Typen an. »Dein Kumpel wird mich nie im Leben anmachen oder für einen Quickie in Betracht ziehen, weil ich nämlich seine kleine Schwester bin. Und genauso wenig würde ich jemals mit dir auch nur irgendwas schieben wollen.«

Elda konnte es zwar nicht mit eigenen Augen sehen, aber Jul kippte ihm wohl den Rest ihres Milchshakes über die Hose, denn sie vernahm das unverkennbare Herunterflatschen eines dickflüssigen Getränks.

Auch Eddies verhaltenes Lachen war zu hören und Davids gestammeltes »Hey, das … das kannst du doch nicht machen«.

»Und ob ich das kann. Das geile Teil kann noch viel mehr als das!«, flötete Jul in fließendem Sarkasmus.

»Bist du völlig verrückt?«

»Nein, ich bin es einfach nur leid, mir immer noch deine miesen Sprüche antun zu müssen.«

»Was? Was habe ich denn getan?«, rief David verdattert.

Doch Jul hatte sich schon längst von ihm abgewandt und Elda ein Signal gegeben mit ihr die Fliege zu machen.

Während sie in die Eisdiele hineingingen, um ihre Getränke zu bezahlen, konnte Elda noch die lautstarke Diskussion der beiden Jungs hören.

»Alter, warum hast du mir nicht gleich gesagt, dass das deine Schwester ist? Ich habe die Kleine nicht mehr gesehen, seit sie unsere Schule verlassen hat. Woher hätte ich wissen sollen, dass sie mittlerweile so … scharf ist?«

»Hey, sie ist meine Schwester. Pass auf, was du sagst! Und würdest du Trottel einem Mädchen auch mal ins Gesicht schauen, hättest du die Ähnlichkeit mit meiner Mutter bemerkt.«

»Verdammt, Julie saß mit dem Rücken zu mir! Ich konnte ihr Gesicht gar nicht sehen.« David warf entnervt die Serviette auf den Tisch, mit der er sich die Hose sauber gerieben hatte.

Ohne den beiden weitere Aufmerksamkeit zu schenken, stürmte Jul aus der Eisdiele und Elda hatte Mühe, mit ihrer Freundin Schritt zu halten.

Das blonde Mädchen hielt den Kopf gesenkt und murmelte vor sich hin: »Warum rege ich mich nach all den Jahren überhaupt noch über ihn auf? Ich hätte es doch wissen sollen. Er wird sich nie ändern. Er wird immer wieder Dinge sagen oder tun, die mich verletzen.«

»Jul?« Elda griff im Laufen nach dem Arm ihrer Freundin und zwang sie damit stehen zu bleiben. Erst jetzt bemerkte sie die Tränen, die über Juls Wangen flossen. »Jul, war dieser David etwa dein Freund und der Grund, weshalb du die Schule gewechselt hast?«

Langsam hob Julia den Kopf. Um ihre grünen Augen schimmerte die Nässe und weichte allmähliche die Schminke ihrer Augen auf. »Nein, er war nicht mein Freund. Und ja, hauptsächlich wegen ihm wollte ich nicht mehr auf meine alte Schule gehen.«

Elda nahm Jul in den Arm und drückte sie, ihr tat es im Herzen weh, ihre Freundin so leiden zu sehen. »Der Kerl ist ein Vollpfosten. Ignoriere ihn einfach.«

Jul jammerte verärgert: »Das würde ich ja gern. Aber ich kann es nicht.« Sie löste sich aus Eldas Umarmung und leise kam es über ihre Lippen: »Ich war früher in David verliebt und obwohl er schrecklich gemein zu mir war, als er davon erfahren hat, ist da immer noch etwas, was ich für ihn empfinde. Ich weiß nicht, was es ist. Vielleicht bilde ich es mir auch nur ein und hasse ihn bloß.« Verwirrung spiegelte sich in Juls Augen. »Jetzt gerade hasse ich ihn auf jeden Fall.«

Elda schnaubte. »Was hat der Depp dir damals angetan?«

Jul zuckte verlegen mit den Schultern und setzte den Heimweg fort. »Es war ihm peinlich, dass eine pummelige Fünftklässlerin, noch dazu die kleine Schwester seines besten Kumpels, für ihn schwärmte und jeder davon wusste. Er tat das, was wohl die meisten Jungs in seinem Alter getan hätten. Er schrie mir im Pausenhof, an der Bushaltestelle, überall, wo er mich traf, hinterher, dass ich aufhören solle, ihm nachzulaufen, ich sei viel zu … fett und zu armselig, um jemals seine Freundin zu werden.«

»Was für eine fiese elende Stinksocke!«, knurrte Elda und fragte sogleich: »Und was hat dein Bruder unternommen?«

»Nichts. Er selbst hat es David ja gesteckt, dass ich auf ihn stehe. Sie waren in der siebten Klasse – kindisch und gemein zu dieser Zeit. Eddie war es total peinlich, dass ich seine Schwester war und für seinen Freund schwärmte. Deshalb machte er sich ebenso lustig darüber.«

Elda schüttelte angewidert den Kopf. Dass Eddie genauso arschig war, wie sie vermutet hatte, enttäuschte sie in gleichem Maße, wie sie sich über sein Verhalten von damals ärgerte.

KAPITEL 3

Die Mädchen hatten es sich mit einem gekühlten Getränk auf dem Boden in Juls Zimmer gemütlich gemacht. Jul hatte sich wieder beruhigt und hoffte David in dem letzten Jahr, das er mit ihr noch gemeinsam auf dem Gymnasium verbringen würde, nicht allzu oft begegnen zu müssen. Schwieriger würde es sich wohl gestalten, ihm zu Hause aus dem Weg zu gehen, da er nach wie vor eine enge Freundschaft zu ihrem Bruder pflegte.

Sie lachten gerade über ihre Einfälle, was Jul unternehmen könnte, um von David unentdeckt zu bleiben, als es an der Tür klopfte. Die beiden verstummten abrupt und Jul, die genauso überrascht von der Störung wirkte wie Elda, rief: »Ja?«

Elda hatte mit Esther oder Nickolas von Gerwulf gerechnet, die ihrer Tochter noch etwas sagen wollten, aber nicht mit Eddie, der zaghaft den Kopf zu ihnen hereinstreckte.

»Hey, wir wollten kurz mit euch reden, wenn es euch recht ist.«

»Wer ist wir?«, fragte Jul lauernd.

Daraufhin schob Eddie die Tür weiter auf und trat zur Seite, sodass man seinen Freund nun im Flur stehen sehen konnte. »David und ich.«

Eine verräterische Röte erblühte auf Juls Wangen und mit stierendem Blick, der voller Fragen schien, drehte sie sich zu Elda.

Die schaute ebenso verwirrt zwischen den Geschwistern hin und her. Da Jul offenbar die Sprache verloren hatte, nickte Elda zögernd. »Okay.«

David schlappte gemächlich ins Zimmer. Mit den Händen in den Taschen und dem zerknirschten Gesichtsausdruck wirkte der sonst so toughe Typ plötzlich schüchtern.

»Hi, Julie«, sagte er, zeigte dann auf sich und nickte Elda zu. »Ähm, ich bin übrigens David, der mit den dummen Sprüchen.«

Elda hob ihre Brauen unbewusst und wippte zustimmend mit dem Kopf. »Ja, das habe ich mitbekommen. Ich bin Elda, Juls Freundin aus dem Internat.«

»Cool«, erwiderte David und schaute dann wieder zu Jul, die ihm immer noch die kalte Schulter zeigte.

Elda wartete, dass Eddie ins Zimmer kam und sich zu ihnen gesellte, aber er verharrte am Türrahmen. In das angespannte Schweigen hinein sagte er: »Kommst du, Elda?« Er deutete ihr mit einer Kopfbewegung an zu ihm in den Flur zu kommen.

Elda räusperte sich unschlüssig. Die Situation gefiel ihr nicht. Einerseits war sie neugierig und würde gern endlich erfahren, was Eddie ihr zu sagen hatte und was hinter Juls komischen Andeutungen steckte. Andererseits ließ sie ihre Freundin nur ungern mit David allein, der bisher alles andere als nett zu Jul gewesen war und offenbar gerade eine spontane Anwandlung von Einsicht zeigte. Es beunruhigte sie von Jul getrennt zu werden. Zudem gehörte Eddie zu der Sorte von Kerlen, die sie gewöhnlich mied wie die Pest, und doch konnte sie nicht leugnen, dass sie irgendetwas an ihm anzog. Das war doch paradox! Sie wusste, er würde mit ihr bloß spielen wollen, sie früher oder später verletzen und schauen, wie weit sie mit ihm gehen würde. Und doch war es genau dieser Umstand, der sie reizte. Sie wollte ihm beweisen, dass er sich an ihr die Zähne ausbiss. Sie war nicht wie andere Mädchen. Sollte er sein Drängen nur mit ihrem Widerstand messen. Er würde schon sehen, wohin das führte. Ja, sie wollte sich auf das Spiel mit dem Feuer einlassen.

Mit zittrigen Knien erhob sich Elda, blieb jedoch einen Moment neben David stehen, der sie unverwandt ansah. »Ich warne dich: Wenn du Jul wehtust, werde ich dir das Leben zur Hölle machen.«

David lachte amüsiert auf und schaute herausfordernd zu Eddie, ob er die Drohung genauso lächerlich fand und in sein Lachen mit einstimmte. Doch der starrte ihn ebenso ernst an wie Elda. Dem blonden Jungen verging das Grinsen.

»Okay«, gab er nach einem Zögern klein bei.

Nach einem letzten warnenden Blick ging Elda zu Eddie in den Flur.

Mit einem zufriedenen Schmunzeln schloss er die Tür hinter ihr. »Sollen wir in mein Zimmer gehen oder in den Garten?«

»Nein«, antwortete Elda und musterte Eddie, der langsam näher kam. Alle Alarmglocken in ihrem Innersten schrillten los und sie begann zu stammeln: »Ich … ich würde mir lieber euren Garten anschauen.«

Eddies Mundwinkel zuckten sacht. »Gut«, erwiderte und nahm ihre Hand.

Die unschuldige Berührung wirbelte Eldas Gefühlswelt völlig durcheinander. Es war aufregend und zugleich verstörend. Sie wollte das nicht fühlen – nicht bei ihm, der vermutlich jedes Mädchen flachlegte, das nicht bei drei auf den Bäumen war.

Als sie die Treppe erreichten, nutzte Elda die Gelegenheit und wand ihre Finger aus Eddies Umklammerung. Bewusst ignorierte sie sein amüsiertes Erstaunen. Und um ihm keine weitere Möglichkeit zum Händchenhalten zu geben, stieg sie nach ihm die Treppe hinunter und hielt sich am Geländer fest. Unten angekommen versenkte sie ihre Hände gleich in ihren Hosentaschen und Eddie grinste.

»Ich habe schon verstanden. Du magst es nicht, dass ich deine Hand halte.«

»Richtig, ich mag es nicht.«

»Warum? Ekelst du dich vor mir? Bin ich dir zuwider? Hast du Angst, ich falle gleich über dich her?«

Elda blinzelte perplex über seine dreiste Offenheit.

»Nein.«

»Weshalb dann?«

»Weil ich dich nicht kenne und mich nicht gleich von jedem Typen betatschen lassen möchte«, sprudelte die Wahrheit aus ihr heraus, die sie am liebsten sofort wieder zurückgenommen hätte.

Für den Bruchteil einer Sekunde zeigte Eddies Miene Bewunderung. »Hm, gutes Argument.« Er deutete mit dem Kinn auf den Gang, der, wie sie wusste, zur Terrasse führte. »Hier müssen wir lang.«

Sie gingen weiter und nachdem sie den Freisitz überquert und ein paar Stufen hinter sich gelassen hatten, erreichten sie ein weitläufiges Rasenstück.

»Also, warum wolltest du mit mir allein reden?«, schoss es aus Elda heraus.

»Julie hat dir also nichts erzählt?«, fragte Eddie ungläubig. In seiner Stimme klang Bedauern mit.

»Nein, sie wollte es nicht.«

»Natürlich. Sie hat es schon immer gehasst, sich mit dieser Sache auseinanderzusetzen.« Er nahm einen tiefen Atemzug. »Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, wie ich es dir erklären soll. Denn egal, womit ich anfange …« Eddie stoppte und Elda bemerkte, wie schwer es ihm fiel weiterzusprechen.

»Was, Eddie? Sag es doch einfach.«

»Du wirst mich für verrückt halten.«

Eldas Herz klopfte bis zum Hals. Die tiefe Verzweiflung, die auf einmal in Eddies Augen stand, machte ihr Angst. Jäh erwachte das Bedürfnis in ihr, die ernste Situation aufzulockern. Mit einem Schmunzeln entgegnete sie: »Schon passiert. Und jetzt rück raus mit der Sprache.«

Aber Eddie war nicht aufzumuntern. Seine Atmung ging stetig schneller. Seine Augen gewannen mehr und mehr an feuchtem Glanz. Die Furcht, die Elda überrollte, spiegelte sich in seinem Blick wider. Sie musste sich zurückhalten ihn nicht in eine tröstende Umarmung zu ziehen.

»Großer Gott, Eddie. Was kann denn bloß so schrecklich sein, dass du dich so anstellst?«

Leiser als zuvor begann er mit seiner Erklärung. »Seit ich ein kleiner Junge war, träume ich von einer Frau. Jede Nacht. Es sind immer wieder die gleichen Träume, die ich von ihr habe – und ich kann nichts dagegen tun.«

Entgeistert starrte Elda ihn an. »Okay, du hast Träume von einer Frau, die immer wiederkehren. Und wenn ich dich richtig verstehe, kennst du sie nicht?«

»Doch, jetzt schon. Denn du bist diese Frau.«

»Was?«, lachte Elda hysterisch auf. »Wie? Das kann nicht sein? Warum solltest du … ich …?«

Außer sich vor Verwirrung schüttelte Elda den Kopf. Ihre Gedanken überschlugen sich. Wie kam Eddie dazu, so etwas Absurdes zu behaupten? Plötzlich wurde ihr klar, warum er das tat, was er damit bezweckte. Hitze und Kälte wallten abwechselnd in ihr auf. Zornig zischte sie ihn an: »Ist das deine Masche, um die Weiber ins Bett zu bekommen? Du musst mich für ganz schön bescheuert halten, wenn du glaubst, dass ich darauf hereinfalle.«

Eddies Züge zeigten betroffene Bestürzung, aber Elda war viel zu sehr in Rage, um das zu registrieren.

»Leck mich, Mann!«, schrie sie ihn an. »Bei mir wirst du nicht landen mit deinen Scheißträumen, die von hinten bis vorn erstunken und erlogen sind.« Wütend eilte sie davon, doch Eddie lief ihr nach.

»Elda, nein! Warte, so ist das nicht. Ich schwöre es dir!«

Elda rannte stumm weiter, obwohl der Klang ihres Namens aus seinem Mund sie unerwartet mitten ins Herz getroffen hatte.

Schließlich hielt Eddie ihr rückwärtslaufend seinen linken Unterarm unter die Nase. »Sieh her. Schau dir mein Tattoo an. Erkennst du das Gesicht der Frau? Elda? Bitte, sieh hin!«

Genervt und mit Tränen in den Augen blieb sie stehen. Missmutig starrte sie ihn an und dann das Tattoo auf seinem Arm. Es war das Abbild eines Wolfs, dessen Mähne zu der einer Frau wurde. Elda schluckte.

Bildete sie sich das nur ein oder hatte das tätowierte Frauengesicht tatsächlich Ähnlichkeit mit dem ihren?

Außer Atem prüfte Elda jede Einzelheit. Ihr Blick wechselte immer wieder von der Tätowierung zu Eddies Gesicht und zurück.

Da war die gleiche Stupsnase wie ihre eigene. Selbst der kleine Schmollmund mit den hohen Bögen ihrer Oberlippe war gut getroffen – ebenso das kurze runde Kinn. Auch die nahe beieinanderstehenden kugelrunden Augen. Ja, wenn sie den Blick gesenkt hielt, würde sie womöglich genauso aussehen wie die Frau auf Eddies Unterarm.

»Wie kann das sein?«, flüsterte Elda und spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufrichteten.

Schwermütig entgegnete Eddie: »Ich weiß es nicht genau. Aber so, wie es mir mein Vater erklärt hat, hängt wohl alles mit dem goldenen Armreif der Gerwulfs zusammen.« Elda zuckte verständnislos mit dem Kopf und Eddie fuhr fort. »Das ist ein antiker Armreif, der aus zwei Teilen besteht. Einer meiner Vorfahren hat ihn einst für sich und seine Geliebte anfertigen lassen. Doch den beiden war es weder vergönnt gewesen, den Schmuck zu tragen, noch sich zu lieben. Mein Vater behauptet, dass er seit jener Zeit jedes Paar zusammenführt, das füreinander bestimmt ist. Er selbst hatte, so wie ich, schon als Kind Träume von einer Frau gehabt – meiner Mutter. So lange, bis er ihr endlich begegnet war.«

»Ach, du heilige Scheiße.«

»Ja, das kannst du laut sagen. Kannst du dir vorstellen, wie durchgeknallt es sich anfühlt, ständig von ein und derselben Person zu träumen, obwohl man sie nicht kennt, und ihr dann plötzlich im realen Leben gegenüberzustehen?«

Elda stockte der Atem. Nun begriff sie annähernd, weshalb er sich die ganze Zeit über so seltsam benommen hatte. Und trotzdem war die Geschichte viel zu abgefahren, um wahr zu sein.

»Aber vielleicht bin ich diese Frau gar nicht? Womöglich glaubst du das nur, weil du es aus Verzweiflung glauben willst.«

Trotzig schüttelte Eddie den Kopf. »Nein, Elda. Es lässt sich ganz leicht beweisen. Denn du wirst die Träume auch haben.«

»Ich?« Empört griff sich Elda an die Brust. »Nein! Ich hatte sie bisher nicht. Und warum sollte ich sie jetzt haben? Du spinnst doch, Eddie!«

Ein Schatten verdunkelte für einen Augenblick Eddies Züge und Elda tat der letzte Satz schon wieder leid.

»Entschuldige, das habe ich nicht so gemeint.«

»Schon gut. Ich zweifle ja selbst oft genug an meinem Verstand. Aber … Bitte, lass es mich dir beweisen. Du musst nur den Armreif anziehen.«

»Was? Nein! Vergiss es!« Geschockt über Eddies Vorschlag schüttelte Elda energisch den Kopf und setzte ihren Weg fort.

»Elda!«, rief Eddie und folgte ihr erneut. »Es passiert dir nichts, glaub mir. Wenn du die Frau aus meinen Träumen bist, dann wirst du die gleichen Träume haben wie ich. Und wenn du es nicht sein solltest, passiert nichts – überhaupt nichts. Das schwöre ich dir.«

Aber Elda verneinte stumm und lief panisch davon.

»Willst du nicht erfahren, wie dein früheres Leben aussah?«, rief Eddie ihr nach.

Elda verlangsamte ihren Schritt, blieb stehen und drehte sich zu ihm um. »Mein früheres Leben? Glaubst du etwa an Wiedergeburt und solchen Mist?«

»Nein, eigentlich nicht«, sprach er und näherte sich ihr wieder. »Aber so, wie meine Eltern es mir geschildert haben – und da ich dich jetzt leibhaftig vor mir sehe –, halte ich mittlerweile alles für möglich.« Elda beäugte Eddie kritisch. Er wirkte verlegen. »Meine Eltern haben mir den Namen eines Freundes gegeben, der ebenso in ihren Träumen aufgetaucht war. Meine Mutter hat mir erst kurz nach deinem Auftauchen gesagt, dass sie auch von einer Frau geträumt hatten, die Elda geheißen hat, so wie du. Deswegen waren sie auch so überrascht, als Julie dich auf die Terrasse führte und deinen Namen erwähnte. Mein Namensgeber und jene Elda hätten sich geliebt. Und genau das durchlebe auch ich in meinen Träumen. Drei dir unbekannte Menschen träumen von dir. Das kann kein Zufall sein.«