Zeitzeugen: Erinnerungen -  - E-Book

Zeitzeugen: Erinnerungen E-Book

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Beschreibung

Wie kamen Gottfried Blendinger, der Pfarrer, Dekan und spätere Ehrenbürger von Leutershausen in Mittelfranken, und Pfarrfrau Luise durch die zeit der nationalsozialistischen Herrschaft? Zum Glück haben beide ihre Erlebnisse und Erfahrungen aufgeschrieben. Als Zeichen eines Glaubens, der sich bewährt hat in schwerer Zeit, schenken ihre Berichte Zuversicht und Hoffnung. Zugleich sind sie mahnendes Gedenken an die zerstörerische Gewalt von Staatsterreor und Krieg.

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Der Autor / Hg.Rainer Schulz, * 1954, wirkte als evang.-luth. Gemeindepfarrer in Chile und Bayern, zuletzt in Leutershausen, Mittelfranken. Eben hier wirkte auch Gottfried Blendinger als Dekan von 1935 bis 1955. In diesem Buch zitiert der Autor ihn und Ehefrau Luise als Zeugen einer stadtgeschichtlich dramatischen Epoche und trägt damit zur Aufarbeitung jener von der nationalsozialistischen Herrschaft bestimmten Jahre bei.

Vorbemerkung (Hg.)

Der Kampf des nationalsozialistischen Staates gegen die Kirche habe sich methodisch »mehr im Geheimen vollzogen«. So fasst Gottfried Blendinger, Dekan im mittelfränkischen Leutershausen von 1935 bis 1955, das Vorgehen des Hitler-Regimes gegenüber der Kirche zusammen. Der Staat habe »auf dem Weg von Verordnungen« agiert, »die z. T. gar nicht öffentlich bekannt gemacht wurden«. Diese Verordnungen seien dann oft so »getarnt« worden, »daß man sie bei oberflächlicher Betrachtung gar nicht als gegen die Kirche gerichtet erkennen konnte.«1

Im Folgenden finden sich vier Einzel-Dokumente, nun zusammengefasst in einem Band. Drei davon sind Aufzeichnungen von Dekan Gottfried Blendinger, eines – hier auszugsweise wiedergegeben – hat seine Ehefrau Luise Blendinger verfasst, und alle vier drehen sich um die in Leutershausen zugebrachten Jahre 1935 bis 1955. Bei beiden berührt besonders die Sorge um das Schicksal der zum Kriegsdienst eingezogenen Söhne.

Ein besonderer Dank gilt der Evang.-luth. Kirchengemeinde Leutershausen für den Archiveinblick. Nur so konnten die Dekan-Blendinger-Texte hier publiziert werden.

Bei aller völlig unbestrittenen Distanz der Eheleute Blendinger zum Hitler-Regime stellt sich zugleich die Frage: Welchen alltagspraktischen Umgang übten die Blendingers gegenüber der übermächtigen NSDAP, Gestapo, Partei usw.? Wie verhielten sie sich zur Vertreibung der Leutershausener Juden, zu Antisemitismus oder Menschenrechtsverletzungen? Das sorgfältige und sachgerechte Abwägen solcher Fragen ist eine Aufgabe der historisch-wissenschaftlichen Forschung. Der vorliegende Band zielt hingegen wesentlich darauf ab, einem Stück authentischer Zeitzeugenschaft Raum und Stimme zu verleihen. Das Öffnen der Archive ist ein allererster, allerdings auch entscheidender Schritt, um dieser Stimme Gehör zu verschaffen.2

Blendinger selbst blickte auf diese Zeit zusammenfassend wie folgt zurück:

»Schwere Zeiten für die Kirche zogen herauf. Ich darf sagen, daß ich von allem Anfang an wußte, wo ich stehen mußte und keinen Augenblick zweifelte: auf der Seite des Evangeliums und des Bekenntnisses. Der Geist der sogenannten neuen Zeit wehte natürlich auch in das eher abgelegene Leutershausen und ich hatte mich auf einige Konfrontationen einzurichten. Daß sie relativ harmlos ausfielen, entsprach vielleicht dem im Ganzen konservativen Geist in unserem Städtchen. Gerade auch die kommunale und politische Prominenz verhielt sich mit wenigen Ausnahmen wohlwollend gegen den neuen Dekan und die Kirche. Sie konnten nicht einfach über die starken Bindungen der Bevölkerung an ihre Kirche, die sich in den Gottesdienst-Besucherzahlen deutlich ausdrückte, hinweggehen. Wir hielten nach dem Muster von Nürnberg und Erlangen Bekenntnisgottesdienste ab, Fürbittandachten, zu denen eigens mit Handzetteln eingeladen wurde. Oft saß, sicher auf Anweisung des Kreisleiters in Ansbach, der Ortsgendarm mit dem Notizblock in meinen Predigten. Eine Vervielfältigungsmaschine wurde beschlagnahmt, eine bald beschaffte zweite streng verborgen gehalten. ›Deutsche Christen‹ gab es in unserem Ort so gut wie keine.«3

Während Luise Blendinger den Schwerpunkt ihrer Erinnerungen auf das Leben im Pfarrhaus und das Ergehen der Familie legte, beschrieb ihr Ehemann vorrangig die Geschehnisse um die Kirchengemeinde in Leutershausen. Seine Aufzeichnungen befassen sich zum einen mit der Geschichte der Kirchengemeinde in den Jahren 1938 bis 1954, sodann mit dem sogenannten »Kirchenkampf« (1934– 1937), und schließlich als »Kriegschronik« mit Ereignissen während der Kriegsjahre 1939 bis 1945.

Dass Dekan Blendinger kein Repräsentant eines aktiven »Widerstands« war, lässt sich beispielsweise an Zugeständnis-Bemerkungen wie der folgenden erkennen:

»Wir [Pfarrer] sind die letzten, die nicht Gott und unserm Führer dankbar sind, dass wir verschont blieben vor solch grauenerregenden Zuständen, wie sie uns aus Russland und Spanien gemeldet werden.«4

Mehr noch: Ob Blendinger sich der realen Situation in den von den Nationalsozialisten errichteten, sogenannten »Konzentrationslagern« im Klaren war? 1936 goutierte er im Blick auf »Kommunisten wie Ernst Thälmann etc.« dessen bzw. deren Gefangenschaft in einem »Konzentrationslager«.5 Schon seit 1933 gab es in ganz Deutschland mindestens 40 solcher »Lager«, deren ausgemachtes Ziel zu jener Zeit vor allem darin bestand, politische Gegner der NSDAP definitiv aus dem Weg zu räumen und schließlich auch hinzurichten.

Die in dieser Hinsicht offenbare Ahnungslosigkeit Blendingers erstaunt insofern, als er durchaus auch klare Worte zu finden imstande war, etwa beim Eintreten für verhaftete, in Konzentrationslager verbrachte Pfarrer6 oder mit seiner kritischen Einstellung zum Thema Führer-Eides7.

Überraschend ist auch das selbst noch nachträglich, zumindest öffentlich an den Tag gelegte Stillschweigen beider Eheleute über das Schicksal der Leutershäuser Juden8, obwohl sie zur Zeit des antisemitischen Pogroms 1938 bereits in Leutershausen gelebt hatten und ihnen das Geschehene gewiß nicht entgangen sein konnte.9 Dekan Blendinger erwähnt in seinen hier publizierten Texten Juden überhaupt nur einmal, nämlich ausgerechnet im Zusammenhang mit der Währungsreform 1948:

»Das Jahr 1948 ist das Jahr der Währungsreform. Das bedeutet auch für unsere Gemeinde eine große Einbuße. Wenn man zuerst gehofft hatte, daß wenigstens die kirchlichen Gelder von der Entwertung ausgenommen werden, so war man bitter enttäuscht, daß auch die Gelder der Kirche 10:1 abgewertet wurden, während das Vermögen der Juden 1:1 behandelt wurde.«

Was die NSDAP angeht, so hob Luise Blendinger einerseits entgegenkommend hervor:

»Wenn ich von Parteimaßnahmen spreche, muß ich um der Gerechtigkeit willen sagen, daß die Leutershäuser Verantwortlichen aus der Partei weitgehend rücksichtsvoll und immer höflich mit ihrem Dekan umgegangen sind.«

Sie würdigt außerdem freundliche Geschenke der Partei zur Durchführung der Mütterarbeit, etwa »Magermilch, oft Quark, oft große Tragkörbe voll Zwetschgen aus der städtischen Zwetschgenanlage«, und berichtet vom Gendarmeriemeister, der ihr zwischen den Zeilen bedeutet habe, dass er im kommenden Gottesdienst zum »Abhören« anwesend sein werde.

Andererseits aber verschweigt sie nicht, dass man im Kapitel-Saal des Pfarrhauses »alle kirchlichen Arbeiten« aufgenommen habe, »die in der Einengung durch die Parteimaßnahmen ihre Räume verloren« hatten, sowie man »immer neue Möglichkeiten« gesucht und gefunden habe, um die kirchliche Frauenarbeit »trotz aller Verbote durch die Partei« fortzuführen. Das galt auch für die Reichstagung der Evangelischen Frauenhilfe 1944, die in den bis dahin gewohnten Räumen nicht mehr durchgeführt werden durfte, worüber die Gestapo »scharf gewacht« habe10, und die man stattdessen nun improvisierend im Pfarrhaus abhielt in der Hoffnung, die »Parteileitung« werde »uns wohl keine Schwierigkeiten machen«.

Noch deutlicher wurde Luise Blendinger im Blick auf Kriegspropaganda und die durch Spitzeltum erzielte Unterdrückung freier Meinungsäußerungen:

»Der Krieg wurde immer grausamer. Die Soldaten an der Front wurden durch propagandistische Irreführung in der Meinung erhalten, daß die Wende zum Sieg durch eine Wunderwaffe nahe bevorstehe. Jedenfalls wurde dies versucht. In der Heimat war diese Hoffnung erloschen. Aber wer konnte seine Meinung noch frei äußern! Jeder wurde überwacht, und wer mit Freunden ein offenes Gespräch wagen wollte, der sicherte sich zunächst ab durch den sogenannten deutschen Blick: Man spähte nach allen Seiten, ob es keine Zuhörer gab.«

Bei Gottfried Blendinger ist über den Krieg an sich, geschweige denn über dessen politische Hintergründe eher weniger zu hören. Alloerdings war er in jungen Jahren – zuvor »ausgebildet mit Karabiner 98 und als Infanterist«11 – durchaus vom Krieg berührt worden, nachdem man den seinerzeit noch unverheirateten Aschaffenburger Pfarrer im August 1914 einberufen hatte. In Kampfhandlungen war er nicht verwickelt worden, sondern hatte zunächst Lazarett- und Küchendienste leisten müssen, erkrankte vier Monate später aber lebensbedrohlich an Typhus.12 Es folgte ein Vierteljahr später eine Phase der Rekonvaleszenz im Siebengebirge. Dann, knapp neun Monate nach der Einberufung, endete seine Zeit beim Militär. Luise Blendinger, seine spätere Frau, berichtete später über diese Erfahrungen wie folgt:

»Gottfried Blendinger hatte seinen Gestellungsbefehl für den 3. Mobilmachungstag bekommen. Er mußte sich als Sanitäts-Gefreiter bei seinem Truppenteil in Heidingsfeld bei Würzburg einstellen und von dort wurden die Kolonnen alsbald an die Westfront abtransportiert.13 […] Einmal kam noch ein Brief von Gottfried Blendinger.14 Er erzählte von seinem Leben als Sanitätsgefreiter ohne jegliche Ausbildung, Kartoffelschälen und Küchendienste, bei den vielen Durchfallkranken niedrigste Arbeit, die man den Nichtausgebildeten zuschob. Gefahren durch Beschuß ohne jegliche Deckung! […] Nach und nach sickerte ein Gerücht durch, der Pfarrer Blendinger habe Typhus. Und es wurde dann auch offiziell bestätigt. […] Der Typhus hatte ihn lebensbedrohend gepackt. Zwischen Wachen und Bewußtseinsstörungen, zwischen Bangen und Hoffen verbrachte er notvolle Wochen. […] Ende März15 war er so weit genesen, daß er nach einer letzten Untersuchung zur Bestätigung, daß er kein Bazillenträger mehr sei, in das Genesungsheim Niederdollendorf im Siebengebirge bei Bonn einrücken konnte […]. Im Juni 1915 trat Gottfried seine Pfarrstelle in Betzenstein an […].«16

Mit politischen Fragen befasste sich Blendinger, soweit erkennbar, vor allem im Blick auf die anfängliche Parteizugehörigkeit und den später erfolgten Parteiausschluss seines Kollegen Pfarrer Fries, im Zusammenhang damit besonders auch auf das an diesen ergangene Verbot, weiter Religionsunterricht zu erteilen. Blendinger berichtet:

»Pfarrer Fries hatte in einer Predigt kurz nach Absetzung der Bürgermeister erwähnt, dass die beiden Herrn um ihrer kirchlichen Stellung willen, wie man sage, abgesetzt worden seien. Er forderte die Gemeinde auf, sich durch eine Unterschriftensammlung an die Kreisleitung zu wenden. Auch hatte er im Religionsunterricht der 4./5. Klasse für die beiden Herrn um Kraft gebetet. Deshalb wurde er aus der Partei, in die er seinerzeit mit grosser Begeisterung eingetreten und grosse Opfer für sie gebracht, ausgeschlossen und […] wurde ihm die Ausübung des Religionsunterrichts an allen Schulen untersagt. Durch Beschwerden an das Staatsministerium und Abordnungen nach Ansbach und München suchen wir die Rücknahme dieser Entscheidung herbeizuführen.«

Einige Furore brachte die Frage von »Bekenntnisschulen« mit sich, und gegenüber Blendingers sonst eher zurückhaltender Art der Berichterstattung fällt auch der folgende Kommentar immerhin deutlich aus:

»Der Winter 1936/1937 brachte eine wesentliche Steigerung des Kirchenkampfes, indem Redner der Partei in ganz Franken die Kirche mit ihren Einrichtungen schmähten und verunglimpften und meist auch zum Austritt aus derselben aufforderten.«

Ein bemerkenswerter Passus zur Problematik des sogenannten Ariernachweises findet sich den Lebenserinnerungen, die Blendinger 1974 notierte:

»Eine zusätzliche Arbeit muß noch erwähnt werden, wenn sie auch damals jedes Pfarramt belastete: Es war die Flut der Bitten um «Arische Zeugnisse«. Auszüge aus den Kirchenbüchern, die dem Bittsteller amtlich bezeugten, daß er kein jüdisches Blut in den Adern hatte. ›Ich möchte anfragen, ob mein Großvater in ihren Kirchenbüchern erscheint‹, so und ähnlich kamen täglich Anfragen. […] Die arischen Nachweise hatten übrigens die gute Seite, daß ich bald die verwandtschaftlichen Zusammenhänge meiner Gemeindeglieder kennenlernte, oft bevor ich sie selber persönlich kannte.«17

Unvergeßlich für Leutershausen bleibt der mutige Vorstoß Blendingers, als es darum ging, am Ende des Krieges den amerikanischen Befreiern die weiße Fahne hochzuhalten. Er selbst beschreibt dieses Ereignis mit den folgenden Worten:

»Das schwere Kriegserleben, das mich eng mit meiner Gemeinde zusammenband, neigte sich seinem Ende und für uns noch einmal einem Höhepunkt zu. Die Front rollte über uns hinweg. Das bedeutete für uns, daß am 18. April 1945 etwa 120 Gebäude in Flammen aufgingen, mehrere Einwohner ihr Leben verloren und der nächste Tag noch schlimmer zu werden schien. Ich stellte mich dem Bürgermeister zur Verfügung, als er einen Unterhändler suchte, der ins fünf Kilometer entfernte Auerbach ging, wo die amerikanischen Truppen ihren Befehlsstand hatten. Es gelang mir auch, die amerikanischen Offiziere davon zu überzeugen, daß keine deutschen Soldaten mehr in Leutershausen seien, und so blieb unser Städtchen von weiteren Bombardierungen verschont. Dieser nächtliche Gang zwischen den Fronten – unterwegs habe ich zwei gefallene deutsche Soldaten eingesegnet, die gerade am Straßenrand eingebettet wurden – ist wohl die Ursache, daß man mir einige Jahre später das Ehrenbürgerrecht der Stadt Leutershausen verlieh.«

Blendinger schließt seine beruflichen Lebenserinnerungen mit folgendem Rückblick ab:

»Der Schwerpunkt meiner Arbeit, der mir am wichtigsten war, ist während der mehr als fünf Jahrzehnte meiner Amtszeit die Verkündigung und Auslegung von Gottes Wort gewesen in Predigt und Bibelstunden, im Religionsunterricht und Jugendarbeit. Dieser Dienst war meine große Freude. Als ich 1955 mit Erreichung der Altersgrenze mit 70 Jahren den Abschied nehmen mußte von der geliebten Arbeit, wurde mir das nicht leicht. Ich war dankbar, daß ich noch ein Jahrzehnt lang die Kraft hatte, auszuhelfen, wo man mich brauchte, so in Leutershausen selbst und in den Pfarreien des Dekanats. Einige Male wurde ich vom Landeskirchenrat zu mehrmonatlichen Aushilfen gebeten, bis hin nach Gallneukirchen / Österreich.«

Lebensabend und -ende:

»Das Pfarrersehepaar Blendinger war mit Betzenstein heimatlich so stark verbunden, dass sie sich im Ruhestand wieder hier ansässig machten. Sie bauten sich ein kleines Wohnhaus neben dem Pfarrhaus und verbrachten hier ihren Lebensabend. Ihre letzte Ruhestätte ist das Familiengrab auf dem Betzensteiner Friedhof.«18

Dr. Rainer Schulz, (Hg.)

1 BLENDINGER, GOTTFRIED, Geschichte der Evang.-Luth. Kirchengemeinde Leutershausen 1938-1954, Leutershausen 1938-1954, 1.

2 Sohn H. berichtet, sein Vater, ein »irenischer und leutseliger« Pfarrer, habe sich gut mit Parteivertretern verstanden. Auf dem fränkischen Land sei eine Einteilung in politische Freunde und Feinde unangebracht gewesen, da Bauern und Mittelstand Kirche und braune Gesinnung mühelos hätten vereinbaren können. (BLENDINGER, HERMANN, Ein Unheld im Zweiten Weltkrieg. Kriegserinnerungen (zweite Fassung), 13). Man könne sagen, dass Fanatismus bei den Leutershäusern nicht weitverbreitet war. Die meisten seien wohl »braun« gewesen und Hitler habe schon vor 1933 hohes Ansehen im Städtchen genossen. (a. a. O., 14). Der Kirchbesuch sei gleichwohl überdurchschnittlich hoch gewesen. Man habe treu zum Landesbischof gestanden und wenig Interesse an den »Deutschen Christen« gezeigt (a. a. O., 14–15). Typisch mittelfränkisch habe man die Juden nicht gemocht. An allen Ortseingängen in Franken seien warnende Tafeln angebracht gewesen: »Juden sind hier unerwünscht - die Juden sind unser Unglück.« (a. a. O., 15)

3 Zitiert aus: SCHREIBER, HERMANN, Leutershausen, Leutershausen 1975, 413.

4 GOTTFRIED BLENDINGER, Antwort auf die Angriffe des stellvertr. Gauleiters K. Holz in der Versammlung vom 14.11.36 (1936-11-22), hier 2, Leutershausen .

5 Offenbar war der geistlichen »Bekenntnisfront« vorgeworfen worden, sie wollten, dass Thälmann aus der Haft entlassen werde. Nebenbei bemerkt: Thälmann befand sich zu jener Zeit nicht in einem »Konzentrationslager«, sondern in Einzelhaft im Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit. Erst im August 1944 wurde er von den Nazis im KZ Buchenwald durch Erschießen ermordet.

6 Blendinger verweist »auf die Tatsache, dass oft schon Geistliche ins Konzentrationslager gekommen sind ohne dass weder vorher noch nachher ihre Sache von einem ordentlichen Gericht verhandelt worden wäre.« ebd.

7 »Eide Menschen gegenüber können dich nur binden zum Gehorsam in allen irdischen Dingen, aber sie können dich nicht binden für Fragen deines ev. Gewissens und deiner ev. Ueberzeugung. Sie können dich nur binden soweit nicht ein göttliches Gebot dagegen steht.« ebd.

8 Sohn H. erinnerte sich, dass sein Vater die Judenverfolgung als Strafe für die Kreuzigung Jesu erklärt habe und erst bei der Gleichsetzung getaufter und ungetaufter Juden kritisch geworden sei. Die Mutter habe in der Judenfrage wohl kritischer als der Vater gedacht. BLENDINGER, HERMANN, Ein Unheld im Zweiten Weltkrieg, 16.

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