Zivilprozessrecht - Caroline Meller-Hannich - E-Book

Zivilprozessrecht E-Book

Caroline Meller-Hannich

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Beschreibung

Das Studienbuch bietet eine verständliche und strukturierte Aufbereitung des zivilprozessualen Erkenntnisverfahrens. Neben dem gesamten relevanten Prüfungsstoff enthält das Buch zahlreiche Schemata, Definitionen, Fallbeispiele und Übungsaufgaben. Im Zentrum der Darstellung stehen Prozess- und Sachentscheidungsvoraussetzungen, Klage und Streitgegenstand, Beweismittel und -verfahren, Urteil, Rechtsmittel und Rechtskraft, die Prozessbeendigung ohne Urteil und die Prozesskosten. Zivilprozessuale Zusatzfragen im ersten juristischen Examen können damit ebenso wie das Schwerpunktstudium im Zivilprozessrecht erfolgreich bewältigt werden. Für den raschen Zugriff sind typische Probleme und Lösungen optisch hervorgehoben. Hinweise auf ausgewählte Rechtsprechung und Literatur ermöglichen die eigenständige Vertiefung.

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Studienreihe Rechtswissenschaften

herausgegeben von

Professor Dr. Winfried Boecken und Professor Dr. Heinrich Wilms (†)

fortgeführt von

Professor Dr. Winfried Boecken und Professor Dr. Stefan Korioth

Zivilprozessrecht

von

Dr. Caroline Meller-HannichUniversitätsprofessorin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

2., überarbeitete Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Meiner Mutter

2. Auflage 2016

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-029191-1

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-029192-8

epub: ISBN 978-3-17-029193-5

mobi: ISBN 978-3-17-029194-2

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Das Studienbuch bietet eine verständliche und strukturierte Aufbereitung des zivilprozessualen Erkenntnisverfahrens. Neben dem gesamten relevanten Prüfungsstoff enthält das Buch zahlreiche Schemata, Definitionen, Fallbeispiele und Übungsaufgaben. Im Zentrum der Darstellung stehen Prozess- und Sachentscheidungsvoraussetzungen, Klage und Streitgegenstand, Beweismittel und -verfahren, Urteil, Rechtsmittel und Rechtskraft, die Prozessbeendigung ohne Urteil und die Prozesskosten. Zivilprozessuale Zusatzfragen im ersten juristischen Examen können damit ebenso wie das Schwerpunktstudium im Zivilprozessrecht erfolgreich bewältigt werden. Für den raschen Zugriff sind typische Probleme und Lösungen optisch hervorgehoben. Hinweise auf ausgewählte Rechtsprechung und Literatur ermöglichen die eigenständige Vertiefung.

Professorin Dr. Caroline Meller-Hannich hat an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht und Handelsrecht inne. Sie lehrt, prüft und forscht vornehmlich im Zivilprozessrecht.

Vorwort

Dieses Buch wendet sich auch in der zweiten Auflage vor allem an Jurastudentinnen und Jurastudenten und bietet ihnen eine verlässliche Grundlage im Zivilprozessrecht und einen schnellen Zugriff auf den Pflichtstoff und den Stoff des Schwerpunktstudiums. Hinweise auf einerseits grundlegende, andererseits aktuelle Rechtsprechung und ebensolches Schrifttum ermöglichen die Vertiefung der behandelten Themen, etwa für eine Seminar- oder Schwerpunktarbeit. Rechtsreferendaren und Rechtsreferendarinnen dient es als Basis für die Aneignung und Wiederholung des Zivilprozessrechts. Die Anforderungen an Studierende im Zivilprozessrecht werden in beiden Abschnitten der juristischen Ausbildung immer größer. Dies entspricht aber auch der Bedeutung des Faches für die Praxis des Juristen.

Motivation für dieses Buch war und ist es, ein lebendiges und vielleicht sogar lebhaftes Interesse am Zivilprozessrecht zu wecken und zu unterstützen. Die Kombination der Vermittlung fundierten Wissens mit dessen Anwendung in vielen Fallbeispielen soll diesem Zweck dienen. Immer geht es dabei um das Verständnis und Verstehen des Lesers. Prozessuale Situationen und die sie regelnden Normen sollen selbständig nachvollzogen werden können. Bei der Darstellung von Strukturen, dogmatischen Grundlagen und wissenschaftlichen Meinungsverschiedenheiten im Prozessrecht war mir größtmögliche Konkretisierung und Transparenz wichtig. Ich würde mich freuen, wenn in dem Buch deutlich wird, welche Bedeutung das Zivilprozessrecht für Studium, Prüfung und Praxis hat, und in welchem Maße das materielle Recht für seine Verwirklichung eines geregelten Verfahrens bedarf. So kann das Buch auch für Richter, Anwälte und Wissenschaftler lesenswert sein.

Dem Buch sind Schemata und Anleitungen für die Prüfung prozessualer Fallgestaltungen und typische ZPO-Zusatzfragen hinzugefügt. Als Merkhilfe für Verstandenes dient eine Liste wichtiger Definitionen.

Mein Dank geht an meine Hörerinnen und Hörer im Zivilprozessrecht und meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, namentlich Herrn Felix Konold und Herrn Christian Häntschel.

Halle (Saale), im November 2015Caroline Meller-Hannich

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abkürzungen

Literaturverzeichnis

Teil 1Einführung und Allgemeines

§ 1Was ist Zivilprozessrecht?

§ 2Der Ablauf eines Zivilprozesses im Überblick

I.Klageerhebung

II.Mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme

III.Urteil

IV.Rechtsmittel und Rechtskraft

§ 3Systematik und Rechtsquellen des Zivilprozessrechts

I.Aufbau der ZPO

II.Sonstige Rechtsquellen des Zivilprozessrechts

§ 4Der Zweck des Zivilprozesses

§ 5Die Geschichte der ZPO

I.Entwicklungsströmungen hin zur ZPO

II.Entwicklung der ZPO seit ihrem Inkrafttreten

§ 6Die Verfahrensgrundsätze

I.Die Dispositionsmaxime

1.Herrschaft der Parteien über den Beginn des Verfahrens

2.Herrschaft der Parteien über den Gegenstand des Verfahrens

3.Herrschaft der Parteien über das Ende des Verfahrens

a)Beendigung durch den Kläger

b)Beendigung durch den Beklagten

c)Beendigung durch beide Parteien

II.Der Verhandlungsgrundsatz

1.Inhalt und Grund des Verhandlungsgrundsatzes

2.Verhältnis zur Dispositionsmaxime

3.Begriff der Tatsache

4.Ausprägungen und Grenzen des Beibringungsgrundsatzes

5.Tatsachenermittlung im Zivilprozess auf der Grundlage des Beibringungsgrundsatzes

a)Schlüssigkeit

b)Erhebliches Bestreiten

c)Beweiserhebung

III.Der Grundsatz der Mündlichkeit

IV.Der Grundsatz der Unmittelbarkeit

V.Der Grundsatz der Öffentlichkeit

VI.Die Konzentrationsmaxime

1.Prozessförderung durch das Gericht

2.Prozessförderung durch die Parteien

VII.Die freie richterliche Beweiswürdigung

VIII.Die Verfahrensgrundrechte

1.Rechtliches Gehör

a)Verankerung im einfachen Recht

b)Mögliche Gehörsverletzungen

c)Rechtsbehelfe gegen Gehörsverletzungen

2.Gesetzlicher Richter

3.Justizgewährung

4.Faires Verfahren

5.Prozessuale Waffengleichheit

§ 7Die Beteiligten am Zivilprozess

I.Das Gericht

1.Der Richter

a)Richterausschluss und Richterablehnung

b)Insbesondere: Besorgnis der Befangenheit

2.Weitere Organe der Justiz

II.Die Parteien

1.Formeller Parteibegriff

2.Tod oder Erlöschen der Parteien

3.Die Prozessbevollmächtigten der Parteien

4.Insbesondere: der Rechtsanwalt

III.Weitere Beteiligte

§ 8Die Prozesshandlungen der Parteien und des Gerichts

I.Prozesshandlungen des Gerichts

II.Prozesshandlungen der Parteien

1.Vorliegen einer Parteiprozesshandlung

2.Abgrenzung von Prozesshandlungen und Willenserklärungen

a)Abgrenzung nach den Hauptwirkungen

b)Doppeltatbestand

c)Doppelnatur

3.Einzelne Arten von Prozesshandlungen

a)Erwirkungshandlungen

b)Bewirkungshandlungen

c)Angriff und Verteidigung – Angriffs- und Verteidigungsmittel

Teil 2Die Darstellung des Rechtsgebietes im Einzelnen

§ 9Die Klage

I.Die Klagearten

1.Leistungsklage

2.Feststellungsklage

a)Feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, Urkunden

aa)Rechtsverhältnis

bb)Tatsachen

cc)Urkunden

b)Feststellungsinteresse

aa)Vorrang der Leistungsklage

bb)Feststellungsinteresse trotz möglicher Leistungsklage

(a)Unbezifferter Schadensersatzanspruch

(b)Feststellung des Schuldgrundes

(c)Erledigung des Rechtsstreits schon durch ein Feststellungsurteil

(d)Fortsetzungsfeststellungsklage

cc)Feststellungsinteresse bei der negativen Feststellungsklage

3.Gestaltungsklage

II.Besondere Typen bei einzelnen Klagearten

1.Zwischenfeststellungsklage

2.Teilklage

3.Klage auf zukünftige Leistung

4.Abänderungsklage

5.Stufenklage

III.Die Klageerhebung

1.Anforderungen an die wirksame Klageerhebung

a)Inhalt der Klageschrift

aa)Pflichtinhalt: Parteien, Gericht, Streitgegenstand

bb)Insbesondere: Bestimmung des Streitgegenstands

cc)Unterschrift

dd)Soll-Inhalt

ee)Kann-Inhalt

b)Einreichung der Klageschrift

c)Zustellung der Klageschrift

2.Wirkungen der Klageerhebung

a)Einwand der Rechtshängigkeit, § 261 Abs. 3 Nr. 1

b)Fortdauer der Zuständigkeit, § 261 Abs. 3 Nr. 2

c)Einschränkung der Klageänderung, §§ 263, 264

d)Materiell-rechtliche Wirkungen der Rechtshängigkeit

IV.Der Streitgegenstand

1.Der Begriff des Streitgegenstands und des prozessualen Anspruchs

2.Der zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff

3.Eingliedrige prozessuale Streitgegenstandsbegriffe, materiell-rechtliche Lehren und Stellungnahme

4.Abgrenzungsprobleme

5.Relevanz des Streitgegenstandes

V.Die objektive Klagehäufung

1.Voraussetzungen der objektiven Klagehäufung, § 260

2.Alternative, eventuale, kumulative objektive Klagehäufung; insbesondere Haupt- und Hilfsantrag

3.Wirkung der Klagehäufung

VI.Die Klageänderung

1.Vorliegen einer Klageänderung

2.Zulässigkeit der Klageänderung

a)Kraft Gesetzes zulässige Klageänderungen

aa)Erweiterungen und Beschränkungen des Klageantrags, § 264 Nr. 2

bb)Umstellung des Klageantrags auf einen Ersatzgegenstand oder Schadensersatz, § 264 Nr. 3

b)Einwilligung des Beklagten, § 263

c)Sachdienlichkeit, § 263

3.Wirkungen der Klageänderung

VII.Die Parteiänderung

1.Gesetzliche Parteiänderung

2.Gewillkürte Parteiänderung

a)Klagerücknahme- und Klageänderungstheorie, Rechtsinstitut sui generis

b)Differenzierte Betrachtungsweise

aa)Wechsel auf Beklagtenseite

bb)Wechsel auf Klägerseite

cc)Unzulässigkeit eines bedingten Parteiwechsels

§ 10Die Sachentscheidungsvoraussetzungen

I.Zulässigkeit und Begründetheit einer Klage

II.Die Sachentscheidungsvoraussetzungen im Einzelnen

1.Ordnungsgemäße Klageerhebung

2.Deutsche Gerichtsbarkeit

a)Territorial

b)Personell

3.Die Rechtswegzuständigkeit – Der Rechtsweg zu den Zivil­gerichten

a)Bürgerlich-rechtliche Streitigkeit

b)Abgrenzung zu den öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten

c)Abgrenzung der Zivilgerichtsbarkeit von der Arbeitsgerichtsbarkeit

4.Die internationale Zuständigkeit

a)Internationale Zuständigkeit nach dem Recht der Europäischen Union

b)Internationale Zuständigkeit im Verhältnis zu Drittstaaten

c)Deutsche Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit

5.Die sachliche Zuständigkeit

a)Vor das Amtsgericht gehören

b)Vor das Landgericht gehören

c)Verweisung, rügelose Einlassung und Prozessurteil bei sachlicher Unzuständigkeit

6.Die örtliche Zuständigkeit

a)Allgemeiner Gerichtsstand

b)Besondere (nicht ausschließliche) Gerichtsstände

aa)Gerichtsstand des Erfüllungsortes

bb)Gerichtsstand der unerlaubten Handlung

cc)Gerichtsstand der Widerklage

c)Ausschließliche Gerichtsstände

aa)Rechtsfolgen einer ausschließlichen Zuständigkeit

bb)Wichtige ausschließliche Gerichtsstände

d)Gerichtsstandvereinbarung

e)Rügelose Einlassung

f)Verweisung bei örtlicher Unzuständigkeit

g)Die funktionelle Zuständigkeit

aa)Abgrenzung der Aufgabenbereiche von Richter und Rechtspfleger sowie Urkundsbeamten der Geschäftsstelle

bb)Abgrenzung innerhalb der Instanzen im zivilprozessualen Erkenntnisverfahren

cc)Abgrenzung der Aufgaben bei Kollegialspruchkörpern

dd)Abgrenzung zum Verfahren in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

ee)Folgen von Verstößen gegen Regelungen zur funktionellen Zuständigkeit

7.Parteifähigkeit

a)Rechtsfähige Personen

b)Parteifähigkeit kraft gesetzlicher Anordnung

c)Rechts- und Parteifähigkeit kraft richterlicher Rechtsfortbildung

8.Prozessfähigkeit und Vertretung

9.Prozessführungsbefugnis

a)Prozessführungsbefugnis des Rechtsinhabers bzw. Rechtsverpflichteten

b)Prozessstandschaft

aa)Gesetzliche Prozessstandschaft

bb)Gewillkürte Prozessstandschaft

10.Postulationsfähigkeit

11.Keine anderweitige Rechtshängigkeit

12.Keine entgegenstehende Rechtskraft

13.Rechtsschutzbedürfnis

14.Klagbarkeit des Anspruchs

15.Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen für bestimmte Verfahren

a)Klage auf künftige Leistung

b)Widerklage

c)Abänderungsklage

d)Urkundenprozess

e)Nichtigkeits- und Restitutionsklage

f)Obligatorische vorgerichtliche Streitschlichtung

16.Sachentscheidungshindernisse

a)Einrede der Schiedsvereinbarung

b)Einrede mangelnder Prozesskostensicherheit

c)Mangelnde Kostenerstattung bei der Klagerücknahme

§ 11Die Reaktion des Beklagten auf die Klage

I.Untätigkeit und Versäumnisurteil

II.Geständnis und Nichtbestreiten

III.Anerkenntnis

IV.Verteidigung durch Antrag auf Klageabweisung

1.Einwendungen gegen die Zulässigkeit

2.Einwendungen gegen die Begründetheit

a)Rechtsausführungen

b)Bestreiten der anspruchsbegründenden Tatsachen durch den Beklagten

c)Verteidigung durch Einreden i. S. d. ZPO

aa)Einwendung/Einrede i. S. d. ZPO und Einwendung/Einrede i. S. d. BGB

bb)Besonderheiten bei der Prozessaufrechnung

(a)Aufrechnung als Doppeltatbestand

(b)Hilfsaufrechnung

(c)Keine Rechtshängigkeit der Aufrechnungsforderung

V.Gegenangriff durch Erhebung einer Widerklage

§ 12Die mündliche Verhandlung

I.Mündliche Verhandlung und Prozessleitung durch das Gericht

1.Die mündliche Verhandlung als Grundlage der gerichtlichen Entscheidung

2.Formelle und materielle Prozessleitung

3.Originärer und obligatorischer Einzelrichter

a)Originärer Einzelrichter

b)Obligatorischer Einzelrichter

II.Die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung

1.Termine und Ladungen

2.Früher erster Termin oder schriftliches Vorverfahren

3.Vorbereitung eines jeden Termins

III.Die gerichtliche Güteverhandlung

IV.Der Verweis in die außergerichtliche Schlichtung oder Mediation

V.Die Durchführung der mündlichen Verhandlung

1.Ablauf der mündlichen Verhandlung

2.Formelle Prozessleitung in der mündlichen Verhandlung

3.Materielle Prozessleitung in der mündlichen Verhandlung

4.Sitzungsprotokoll

§ 13Die Beweisaufnahme

I.Die Grundlagen der Beweiserhebung

1.Voraussetzungen für eine Beweisaufnahme

a)Schlüssigkeit, Erheblichkeit, Beweisbedürftigkeit

b)Beweisantritt oder Beweisaufnahme von Amts wegen

c)Kein Ermessen des Gerichts

2.Ablauf einer Beweiserhebung

3.Richterliche Beweiswürdigung und Maß der richterlichen Überzeugung

4.Abgrenzung: Freibeweis, Strengbeweis, Glaubhaftmachung

5.Abgrenzung: Indizien, Vermutungen, Beweislastumkehr und Anscheinsbeweis

a)Indizienbeweis

b)Anscheinsbeweis

c)Gesetzliche Vermutungen

6.Abgrenzung: Hauptbeweis, Gegenbeweis, Beweis des Gegenteils

7.Abgrenzung: Beweisvereitelung und Beweisverbote

II.Die Beweismittel des Strengbeweises

1.Der Beweis durch Augenschein

2.Der Zeugenbeweis

3.Der Beweis durch Sachverständige

4.Der Beweis durch Urkunden

5.Der Beweis durch Parteivernehmung

III.Das selbständige Beweisverfahren

§ 14Streitgenossenschaft, Beteiligung Dritter und Prozessführung durch Dritte im Zivilprozess

I.Die Streitgenossenschaft

1.Die einfache Streitgenossenschaft

a)Zulässigkeit der einfachen Streitgenossenschaft, §§ 59, 60

b)Wirkungen der zulässigen einfachen Streitgenossenschaft, §§ 61, 63

2.Die notwendige Streitgenossenschaft

a)Notwendigkeit der Streitgenossenschaft

aa)Notwendige Streitgenossenschaft aus prozessrechtlichen Gründen, § 62 Abs. 1 Alt. 1

bb)Notwendige Streitgenossenschaft aus materiell-rechtlichen Gründen, § 62 Abs. 1 Alt. 2

b)Wirkungen der notwendigen Streitgenossenschaft

aa)Gemeinschaftliche Klageerhebung

bb)Folge des Fehlens von Sachentscheidungsvoraussetzungen

cc)Vertretung bei Säumnis

dd)Gebot einheitlicher Entscheidung

ee)Rechtsmittel

II.Die Nebenintervention

1.Die Stellung des einfachen Nebenintervenienten.

2.Zulässigkeit der Nebenintervention

3.Interventionswirkung

4.Streitgenössische Nebenintervention

III.Die Streitverkündung

1.Zulässigkeit der Streitverkündung

2.Form der Streitverkündung

3.Wirkungen der Streitverkündung

a)Der Dritte tritt bei

b)Der Dritte tritt nicht bei

c)Materiell-rechtliche Folgen der Streitverkündung

IV.Veräußerung des in Streit befangenen Gegenstandes

1.Veräußerung des in Streit befangenen Gegenstandes

2.Rechtsfolgen der Veräußerung

a)Gesetzliche Prozessstandschaft

b)Rechtskraftwirkung gegenüber dem Rechtsnachfolger

c)Umstellung des Klageantrags.

V.Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess

1.Bündelung von Individualansprüchen durch Verbände

2.Vorteilsabschöpfung durch Verbände bei Kartell- und Wettbewerbsverstößen

3.Unterlassungsklagen von Verbänden

4.Muster-, Sammel- und Gruppenklagen

5.Ausblick

§ 15Das Endurteil

I.Der Inhalt des Urteils

II.Teilbeendigung des Rechtstreits durch Zwischenurteil, Grundurteil, Vorbehaltsurteil oder Teilurteil

1.Das Zwischenurteil

2.Das Zwischenurteil über den Grund (Grundurteil)

3.Das Teilurteil

4.Das Vorbehaltsurteil

III.Das Versäumnisurteil

1.Das Versäumnisurteil gegen den Kläger, § 330

a)Säumnis trotz ordnungsgemäßer Ladung

b)Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils

c)Echtes und unechtes Versäumnisurteil

d)Einspruch gegen das Versäumnisurteil

2.Das Versäumnisurteil gegen den Beklagten, § 331

a)Säumnis, Antrag, Schlüssigkeit der Klage

b)Echtes und unechtes Versäumnisurteil

c)Einspruch

3.Säumnis beider Parteien

4.Das Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren, § 331 Abs. 3

IV.Das Anerkenntnisurteil

V.Das Verzichtsurteil

§ 16Die Beendigung des Verfahrens ohne Urteil

I.Die Klagerücknahme

1.Voraussetzungen der Klagerücknahme

a)Vor Beginn der mündlichen Verhandlung oder mit Einwilligung

b)Zwischen Anhängigkeit und Rechtskraft

c)Voraussetzungen der teilweisen Klagerücknahme

d)Vereinbarungen über die Klagerücknahme

2.Rechtsfolgen der Klagerücknahme

a)Wegfall der Rechtshängigkeit, § 269 Abs. 3

b)Kostentragung und Entscheidung über die Kosten durch Beschluss

aa)Kostentragung durch den Kläger

bb)Kostenentscheidung nach billigem Ermessen bei Wegfall des Klageanlasses vor Rechtshängigkeit

cc)Weitere Ausnahmen von der alleinigen Kostentragungspflicht des Klägers

c)Neue Erhebung derselben Klage, § 269 Abs. 6

3.Rücknahme sonstiger Anträge

II.Die Erledigung der Hauptsache

1.Die übereinstimmende Erledigungserklärung

2.Die einseitige Erledigungserklärung

3.Die Erledigung vor Rechtshängigkeit

III.Der Prozessvergleich

1.Die Doppelnatur des Prozessvergleichs

2.Voraussetzungen eines wirksamen Prozessvergleichs

a)Prozessuale Voraussetzungen

aa)Prozesshandlungsvoraussetzungen der Parteien

bb)Vor einem Gericht, im Rahmen eines anhängigen Rechtsstreits und gerichtlich protokolliert

cc)Im Wege gegenseitigen Nachgebens zur Beilegung dieses Rechtsstreits

dd)Fehlen prozessualer Voraussetzungen des Prozessvergleichs

b)Materiell-rechtliche Voraussetzungen

aa)Willenserklärung

bb)Fehlen materiell-rechtlicher Voraussetzungen des Prozessvergleichs

c)Kein Widerruf

3.Wirkungen des Prozessvergleichs und mögliche Rechtsstreitigkeiten um den Prozessvergleich

§ 17Die Rechtsmittel

I.Suspensiv- und Devolutiveffekt

II.Zulässigkeit und Begründetheit eines Rechtsmittels

III.Die Beschwer

IV.Die Rechtsbehelfsbelehrung

V.Der Grundsatz der Meistbegünstigung

VI.Verschlechterungsverbot – Verbot der reformatio in peius

VII.Anschlussrechtsmittel

VIII.Rechtsmittelverzicht und Rechtsmittelrücknahme

IX.Die Berufung

1.Zulässigkeit der Berufung

a)Statthaftigkeit

aa)Berufungsfähige Urteile

bb)Streitwertberufung

cc)Zulassungsberufung

b)Form- und fristgerechte Einreichung der Berufungsschrift und der Berufungsbegründung

d)Beschwer

2.Begründetheit und Entscheidung über die Berufung

X.Die Revision

1.Zulässigkeit der Revision

a)Statthaftigkeit

aa)Revisionsfähige Urteile

bb)Revision wegen Zulassung durch das Berufungsgericht

cc)Revision auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung

b)Form- und fristgerechte Einreichung der Revisionsschrift und Revisionsbegründung

c)Beschwer

2.Begründetheit und Entscheidung über die Revision

3.Sprungrevision

XI.Die Beschwerde

1.Sofortige Beschwerde

a)Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde

aa)Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde

bb)Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen

b)Begründetheit und Entscheidung über die sofortige Beschwerde

2.Rechtsbeschwerde

a)Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde

aa)Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde

bb)Weitere Zulässigkeitsvoraussetzungen

b)Begründetheit und Entscheidung über die Rechtsbeschwerde

3.Außerordentliche Beschwerde

§ 18Die Rechtskraft

I.Rechtskraftfähige Entscheidungen

II.Die Wirkungen der Rechtskraft

1.Die formelle Rechtskraft

2.Die materielle Rechtskraft

a)Die Art der Wirkungen der materiellen Rechtskraft

aa)Unzulässigkeit einer weiteren Klage mit demselben Streitgegenstand (ne bis in idem)

bb)Bindung im Hinblick auf Vorfragen eines weiteren Prozesses – Präjudizialität

b)Der Umfang der Rechtskraft in objektiver Hinsicht

aa)Rechtskraft, Urteilsformel und Streitgegenstand

bb)Einwendungen des Beklagten und Besonderheiten bei der Prozessaufrechnung

cc)Präjudizielle Rechtsverhältnisse und die Zwischenfeststellungsklage

dd)Rechtskraft bei Teilklagen

ee)Rechtskraft bei Klageabweisung als „derzeit unbegründet“

c)Der Umfang der Rechtskraft in subjektiver Hinsicht

aa)Zwischen den Parteien

bb)Für und gegen die Rechtsnachfolger der Parteien und Gutgläubigkeit des Rechtsnachfolgers

cc)Für und gegen Personen, die den Besitz an der in Streit befangenen Sache erlangt haben.

dd)Für und gegen Nacherben

ee)Rechtskraft bei Prozessstandschaft insbes. Testamentsvollstreckung

ff)Rechtskrafterstreckung kraft materieller Abhängigkeit

d)Der Umfang der Rechtskraft in zeitlicher Hinsicht und die Vollstreckungsgegenklage

III.Möglichkeiten der Durchbrechung der Rechtskraft

1.Abänderungsklage

2.Wiederaufnahme des Verfahrens

3.Klage aus § 826 BGB

§ 19Besondere Verfahrensarten

I.Das Verfahren vor den Amtsgerichten

II.Das Mahnverfahren

1.Voraussetzungen für den Erlass eines Mahnbescheids

a)Zulässigkeit des Mahnverfahrens

b)Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids

c)Zuständiges Gericht

d)Keine Schlüssigkeitsprüfung

2.Erlass des Mahnbescheids oder Zurückweisung des Antrags

3.Widerspruch und Übergang in das streitige Verfahren

4.Erlass des Vollstreckungsbescheids

5.Einspruch und Übergang in das streitige Verfahren

III.Der Urkundenprozess

1.Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen des Urkundenprozesses

2.Besonderheiten des Verfahrens im Urkundenprozess

3.Vorbehaltsurteil

4.Nachverfahren

IV.Das Verfahren in Familiensachen

1.Allgemeine Regelungen

2.Einzelne Familiensachen und Sonderregelungen

V.Das schiedsrichterliche Verfahren

1.Vor- und Nachteile eines Schiedsverfahrens und im Schiedsverfahren anwendbares Recht

2.Berührungspunkte zwischen Schiedsverfahren und staatlicher Gerichtsbarkeit

a)Schiedsvereinbarung und Überprüfung durch staatliche Gerichte

b)Schiedsrichterliches Verfahren und zwingende Regeln der ZPO

c)Schiedsspruch und Vollstreckbarerklärung

§ 20Prozesskosten und das Verfahren der Prozesskostenhilfe

I.Die Prozesskosten

1.Die Gerichtskosten

2.Die Anwaltsvergütung

3.Die Aufwendungen der Partei

II.Die Kostentragung und die Kostenverteilung zwischen den Parteien

III.Das Verfahren der Prozesskostenhilfe

Teil 3Prozessuale Zusatzfragen und Lösungen

Teil 4Prüfungsschemata

A.Zulässigkeit der Klage

B.Klageänderung (= Änderung des Streitgegenstands)

C.Versäumnisurteil (VU) gegen den Beklagten, § 331 ZPO

D.Versäumnisurteil gegen den Kläger, § 330 ZPO

E.Übereinstimmende Erledigungserklärung, § 91a ZPO

F.Einseitige Erledigungserklärung des Klägers (= Klageänderung auf Feststellung des Vorliegens eines erledigenden Ereignisses)

G.Prozessvergleich

H.Prozessaufrechnung

I.Klagerücknahme

K.Streitverkündung

L.Einfache Streitgenossenschaft (= mehrere Personen auf Kläger- oder Beklagtenseite/subjektive Klagehäufung)

M.Notwendige Streitgenossenschaft (= zwingende gemeinschaftliche Klageerhebung mehrerer Parteien oder zwingende einheitliche Sachentscheidung über mehrere Klagen)

Teil 5Definitionen

Stichwortverzeichnis

Abkürzungen

Soweit nicht im Text des Buches erklärt, wird für die verwendeten Abkürzungen verwiesen auf Kirchner (Begr.), Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 8. Auflage, Berlin, 2015.

Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche der ZPO.

Literaturverzeichnis

Adolphsen, Jens, Zivilprozessrecht, 4. Auflage, Baden-Baden, 2014

Baumbach, Adolf/Lauterbach, Wolfgang/Albers, Jan/Hartmann, Peter, Zivilprozessordnung, Kommentar, 74. Auflage, München 2016

Grunsky, Wolfgang/Jacoby, Florian, Zivilprozessrecht, 14. Auflage, 2014

Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung (hrsg. von Rauscher, Thomas/Wax, Peter/Wenzel, Joachim), 4. Auflage, München 2012, 2013

Musielak, Hans-Joachim/Voit, Wolfgang, Grundkurs ZPO, 12. Auflage, München 2014

Dies., Zivilprozessordnung, Kommentar, 12. Auflage, München 2015

Pohlmann, Petra, Zivilprozessrecht, 3. Auflage, München 2014

Prütting, Hanns/Gehrlein, Markus, Zivilprozessordnung, Kommentar, 7. Auflage, Köln 2015

Rosenberg, Leo/Schwab, Karl Heinz/Gottwald, Peter, Zivilprozessrecht, 17. Auflage, München 2010

Saenger, Ingo, Zivilprozessordnung, Handkommentar, 6. Auflage, Baden-Baden 2015

Schellhammer, Kurt, Zivilprozess, 14. Auflage, München 2013

Schilken, Eberhard, Gerichtsverfassungsrecht, 4. Auflage, Köln 2007

Ders., Zivilprozessrecht, 7. Auflage, München 2014

Schumann, Ekkehard, Die ZPO-Klausur, 3. Auflage, München 2006

Schwab, Martin, Zivilprozessrecht, 4. Auflage, Heidelberg 2013

Stein, Friedrich/Jonas, Martin, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22., 23. Auflage, Tübingen 2013, 2015

Thomas, Heinz/Putzo, Hans/Reichold, Klaus, Zivilprozessordnung, Kommentar, 36. Auflage, München 2015

Zeiss, Walter/Schreiber, Klaus, Zivilprozessrecht, 12. Auflage, Tübingen 2014

Zimmermann, Walter, Zivilprozessordnung, Kommentar, 10. Auflage, München 2015

Teil 1Einführung und Allgemeines

§ 1Was ist Zivilprozessrecht?

1Wenn eine Privatperson der Ansicht ist, Ansprüche gegen eine andere Person zu haben, ist ein Konzept für deren Durchsetzung die Selbsthilfe: Wer nicht bereit ist, mir mein Recht zu gewähren, wird – unter Umständen auch mit Gewalt – durch eigenmächtiges Handeln dazu gebracht. Rechtsschutz wäre in diesem Fall selbst organisiert und privat geregelt. Im Zweifel erhält dann allerdings der Stärkere Recht, nicht unbedingt derjenige, der Recht hat.

2In einem Rechtsstaat liegt das Gewaltmonopol beim Staat, Selbsthilfe ist nur in engen Ausnahmefällen gestattet. Dieses staatliche Gewaltmonopol umfasst auch das Rechtsschutzmonopol. Das bedeutet, allein der Staat, nicht eigenmächtiges Handeln, darf einer Privatperson Rechtsschutz gegen eine andere Privatperson verschaffen.

3Wenn der Staat aber dem Einzelnen die Möglichkeit zur eigenmächtigen Durchsetzung seiner Rechte nicht zubilligen kann, ist er verpflichtet, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, mit dem private Rechte festgestellt und durchgesetzt werden können, sog. Justizgewährungspflicht. Dem entspricht ein Justizgewährungsanspruch des Einzelnen.

4Im Bereich der privaten Streitigkeiten gewährt der Staat Rechtsschutz durch unabhängige Rechtsprechung. Dem Rechtsschutzmonopol entspricht insofern ein Rechtsprechungsmonopol. Dem Justizgewährungsanspruch wird also durch Einrichtung eines Zivilgerichtswesens und durch Normierung eines Verfahrens beim Streit um private Rechte genügt.

5Das Zivilprozessrecht regelt dieses Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (vgl. § 13 GVG) vor staatlichen Zivilgerichten. Es umfasst die Gesamtheit der Regelungen, die das gerichtliche Verfahren zur verbindlichen Feststellung und Durchsetzung privater Rechte zum Inhalt haben.

6Die Rechtsbeziehungen zwischen den beteiligten Privatpersonen sind dabei zwar privatrechtlicher Art, das Verfahrensrecht selbst jedoch setzt die beschriebenen staatsrechtlichen Vorgaben um und findet nur vor den staatlichen Gerichten Anwendung, so dass das Zivilprozessrecht insgesamt dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist.

7Der Begriff Zivilprozess wird für die institutionelle Einrichtung des zivilprozessualen Verfahrens benutzt, Zivilprozess ist aber auch der einzelne Rechtsstreit, in dem Parteien in einem Prozessrechtsverhältnis miteinander verbunden sind.

§ 2Der Ablauf eines Zivilprozesses im Überblick

8Für einen ersten Überblick wird der Ablauf einesProzesses vor dem Landgericht von der Klageerhebung bis zur Rechtskraft dargestellt. Die erwähnten Schritte werden ebenso wie Gestaltungsmöglichkeiten und Abweichungen in den einschlägigen Kapiteln des Besonderen Teils dieses Lehrbuchs weiter ausgeführt.

I.Klageerhebung

9Der Zivilprozess beginnt in der Regel mit der Erhebung einer Klage. Dafür erstellt der Kläger einen Schriftsatz, die Klageschrift (§ 253), die er bei Gericht einreicht. Das Gericht stellt die Klageschrift dem darin bezeichneten Beklagten zu (§ 253 Abs. 1, §§ 166 ff.). Erst dann wird von einer rechtshängigen Klage gesprochen (§ 261 Abs. 1). Den Zustand ab Einreichung der Klage bei Gericht nennt man demgegenüber Anhängigkeit.

10Die Klageschrift legt bereits verbindlich fest, wer die Parteien des Rechtsstreits sind und welchen Streitgegenstand das Verfahren hat. In seiner Begründung der Klage stellt der Kläger zudem den Sachverhalt, der der Klage zu Grunde liegt, aus seiner Perspektive dar und führt aus, warum sich seiner Ansicht nach aus dem materiellen Recht die vom Kläger begehrte Rechtsfolge ergibt.

11Der Richter trifft schon mit der Zustellung der Klage an den Beklagten die Entscheidung, ob ein früher erster Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt wird (§ 275), oder ob zunächst ein schriftliches Vorverfahren (§ 276) zur weiteren Vorbereitung eines Haupttermins erforderlich erscheint. In jedem Fall erhält der Beklagte Gelegenheit zur schriftlichen Klageerwiderung, wozu er bereits mit der Zustellung aufgefordert wird (§ 275 Abs. 1 bzw. § 276). Der Beklagte wird also in einem weiteren Schriftsatz, der Klageerwiderung, zur Klage Stellung nehmen; es schließen sich vielfach eine Replik des Klägers und weitere Schriftsätze an (vgl. § 277).

II.Mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme

12Wann es zur mündlichen Verhandlung kommt, hängt davon ab, welchen Verfahrensweg – früher erster Termin oder schriftliches Vorverfahren (oben Rn. 11) – der Richter gewählt hat. Der Richter setzt einen Termin für die mündliche Verhandlung der Klage fest und bereitet ihn umfassend, insbesondere durch Ladungen von Anwälten, Parteien und Zeugen, vor (§ 273). Vielfach haben die Parteien zu diesem Zeitpunkt bereits ausführlich zum Verfahren vorgetragen und ihre Positionen und Rechtsansichten mitgeteilt. Dennoch ist erst die mündliche Verhandlung das Kernstück des Zivilprozesses. Die Parteien nehmen dort Bezug auf ihre Schriftsätze, ergänzen ihren Sachvortrag, vertreten Rechtsansichten oder nehmen (sonstige) Prozesshandlungen vor.

13Falls sich aus dem Vortrag der Parteien ergibt, dass entscheidungserhebliche Tatsachen zwischen ihnen streitig sind, wird in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben (§ 355 ff.). Voraussetzung ist, dass die Parteien für die beweisbedürftigen Tatsachen den Beweis angetreten haben, indem sie ein Beweismittel benannt haben. In Betracht kommt dann die Vernehmung eines Zeugen, die Augenscheinsnahme, die Vorlage von Urkunden, der Sachverständigenbeweis oder auch die Parteivernehmung in der mündlichen Verhandlung. Der Richter würdigt die erhobenen Beweise frei, ob sie nämlich zu seiner Überzeugung von einer bestimmten Tatsache führen oder nicht (§ 286).

III.Urteil

14Nach Beweisaufnahme oder auch, falls sie nicht notwendig ist, ohne Beweisaufnahme ist der Rechtsstreit zur Entscheidung reif. Es ergeht ein Urteil (§ 300), das verkündet (§§ 310, 311) und den Parteien zugestellt (§ 317, §§ 166 ff.) wird. Das Urteil enthält nach der Bezeichnung der Parteien und des Gerichts, dem Rubrum (§ 313 Abs. 1 Nr. 1 und 2), die richterliche Entscheidung in einem Urteilsausspruch (§ 313 Abs. 1 Nr. 4), dem sog. Tenor. Außerdem stellt der Richter die Tatsachen, die der Entscheidung zu Grunde liegen, in einem Tatbestand dar (§ 313 Abs. 1 Nr. 5) und schließt das Urteil mit den Entscheidungsgründen (§ 313 Abs. 1 Nr. 6), also den Erwägungen, auf denen die Entscheidung rechtlich und tatsächlich beruht.

IV.Rechtsmittel und Rechtskraft

15Gegen ein erstinstanzliches Urteil kann die dadurch beschwerte Partei grundsätzlich Berufung einlegen (§ 511), gegen ein zweitinstanzliches Revision (§ 542). Nach Ablauf der für das Rechtsmittel vorgesehenen Frist oder, falls von vornherein kein Rechtsmittel statthaft war, mit Urteilserlass, erwächst die Entscheidung in Rechtskraft (§§ 322, 325). Das heißt, sie bindet das Gericht und die Parteien dauerhaft und ist – außer in engen Ausnahmefällen – nicht mehr abänderbar.

§ 3Systematik und Rechtsquellen des Zivilprozessrechts

16Die Regelungen für das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vor staatlichen Gerichten sind großteils in der ZPO zu finden. Es gibt aber auch weitere Gesetze, die Einfluss auf den Verfahrensablauf haben.

I.Aufbau der ZPO

17Die ZPO gliedert sich in elf Bücher. Das erste Buch enthält allgemeine Vorschriften. Wie wir es auch aus dem Allgemeinen Teil des BGB kennen, haben solche allgemeinen Regeln – als „vor die Klammer gezogenes“ Recht – für die Gesamtheit der in einem Gesetz geregelten Materien Gültigkeit. In der ZPO sind im ersten Buch etwa Zuständigkeitsnormen, Regelungen zur Richterablehnung, zu den Parteien und deren Bevollmächtigten, zu den Prozesskosten und zu den Grundlagen der mündlichen Verhandlung ebenso zu finden wie Vorschriften zum Verfahren bei Zustellungen, zur Säumnis und Wiedereinsetzung sowie zur Verfahrensunterbrechung und Aussetzung. Im zweiten Buch werden das Verfahren von der Klageschrift bis zum Urteil und das Beweisverfahren geregelt und zwar zunächst exemplarisch für das landgerichtliche Verfahren, sodann in Ausnahmen für das Verfahren vor den Amtsgerichten. Beide Gerichte können Eingangsgericht, das heißt Gericht erster Instanz, im Zivilprozess sein. Dabei finden grundsätzlich die Regeln zum Verfahren vor dem Landgericht auch auf dasjenige vor dem Amtsgericht Anwendung, es sei denn, es sind für dieses Verfahren Sonderregeln vorgesehen. Das dritte Buch widmet sich den Rechtsmitteln, wobei zunächst die Berufung, dann die Revision und die Beschwerde normativ ausgestaltet werden. Im vierten bis zum siebenten Buch folgen Regelungen zu besonderen Verfahrensarten, nämlich zunächst zur Wiederaufnahme (viertes Buch), dann zum Urkunden- und Wechselprozess (fünftes Buch) sowie zum Mahnverfahren (siebtes Buch). Es schließt sich im achten Buch das Zwangsvollstreckungsrecht an, in sich wiederum anschaulich untergliedert in allgemeine Vorschriften und Abschnitte zu den einzelnen Vollstreckungsarten. Bis zum August 2009 enthielt das sechste Buch das familiengerichtliche Verfahren (Rn. 28, 627) und das neunte Buch das Aufgebotsverfahren. Beide wurden verlagert in das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).1 Das zehnte Buch enthält das schiedsrichterliche Verfahren, wenn das Schiedsgericht in Deutschland liegt, und das elfte Buch schließlich enthält Regelungen zur justiziellen Zusammenarbeit in der EU, insbesondere zur Anwendung unmittelbar in Deutschland geltender europäischer Verordnungen (Rn. 18 a. E.) für grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten.

II.Sonstige Rechtsquellen des Zivilprozessrechts

18Weitere Gesetze ergänzen die ZPO und vervollständigen die Regelungen zum Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Sie werden uns an einigen Stellen dieses Buches begegnen und seien hier kurz vorgestellt. Das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ist heranzuziehen, wenn nach dem Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit gefragt wird und Fragen der sachlichen Zuständigkeit und des Rechtswegs zu beantworten sind. Das Berufsrecht einzelner am Verfahren beteiligter Berufsgruppen ist für die Richter im Deutschen Richtergesetz (DRiG) und für die Rechtsanwälte (Rn. 107) in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) geregelt. Da neben dem Richter der Rechtspfleger im zivilprozessualen Verfahren tätig sein kann, ist zur Abgrenzung seiner Zuständigkeiten der Blick in das Rechtspflegergesetz (RPflG) zu lenken. Für die Kosten eines Verfahrens, die bei der Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ einer Klage wesentlich zu beachten sind, findet, was die Gerichtskosten angeht, das Gerichtskostengesetz (GKG), was die Anwaltskosten betrifft, das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) Anwendung. Spezifische Regelungen finden im Falle eines grenzüberschreitenden Rechtsstreits Anwendung, wobei für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union hier als wichtigste die Verordnung (EG) Nr. 12/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia-VO) zu nennen ist.

§ 4Der Zweck des Zivilprozesses

Literatur:

Gaul, Zur Frage nach dem Zweck des Zivilprozesses, AcP 168 (1968), 27; Henckel, Prozessrecht und materielles Recht 1970, 5 ff; Meller-Hannich, Zivilprozessrecht und materielles Zivilrecht, FS Fischer 2010, 297; Meyer, Wandel des Prozessrechtsverständnisses – vom „liberalen“ zum „sozialen“ Zivilprozess?, JR 2004, 1; Münch, Eberhard Schilken und seine Lehre zum Prozesszweck, FS Schilken 2015, 387; Schilken, Der Zweck des Zivilprozesses und der kollektive Rechtsschutz, in: Meller-Hannich (Hrsg.), Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess 2008, 21.

Rechtsprechung:

BGHZ 161, 138 (Aufgabe der Rechtsprechung ist die richtige Entscheidung des Einzelfalls).

19Der Zivilprozess dient der Feststellung und Durchsetzung subjektiver Rechte.1 Das gilt sowohl für den Zivilprozess als Institution als auch für den konkreten individuellen Zivilprozess zwischen Parteien. Der einzelne Zivilprozess konkretisiert und nutzt dabei die Institution Zivilprozess, indem der Richter das materielle Recht auf einen konkreten Einzelfall anwendet und verbindliche Rechtsfolgen in einem Urteil festgestellt werden. Im Prozess geht es um die materielle Rechtslage und die aus ihr folgenden subjektiven Rechte der Parteien.

20Ein geordnetes faires Verfahren, in dem die Beteiligten ihre Rechtspositionen vor einer neutralen Instanz vorbringen können und verbindlich entschieden erhalten, birgt selbstverständlich schon in sich einen hohen rechtspolitischen Wert. Und: Ein Rechtsstaat ist ebenso selbstverständlich verpflichtet, sich bei der Erfüllung seiner Justizgewährungspflicht durch Ausgestaltung einer Verfahrensordnung an diesem Wert zu orientieren. Der einzelne klagende Bürger wird jedoch seinen Prozess nicht für ein solches abstraktes öffentliches Anliegen führen, sondern im Eigeninteresse. Soweit deshalb als weitere Zwecke des Zivilprozesses die Wahrung des Rechtsfriedens, die Bewährung und Fortbildung der objektiven Rechtsordnung oder die Rechtssicherheit genannt werden, sind diese nicht selbständiger Hauptzweck, sondern letztlich nur die Kehrseite der Erkenntnis und Durchsetzung subjektiver Rechte. Rechtsfriede, Rechtssicherheit und Rechtsbewährung können in einem Rechtsstaat nicht gegen, sondern nur entsprechend den subjektiven Rechten des Einzelnen gewährleistet werden.2 Dasselbe gilt für eine ebenfalls als Zweck des Zivilprozesses genannte Aufgabe, nämlich die der Sozialgestaltung durch den Richter:3 Auch hierzu ist zu sagen, dass der Richter an Recht und Gesetz gebunden ist, und seine Aufgabe nicht in der Gestaltung der Rechtslage nach seinen Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit besteht.

21Dass durch inzwischen vielfach etablierte alternative Streitbeilegungsmethoden (Rn. 30, 334, 337), etwa die Güteverhandlung, die Verbraucherstreitbeilegung oder die Mediation, Aspekte der Sozialgestaltung und der Friedenswahrung in den Vordergrund treten, ändert an dieser Grundlage nichts. Die Parteien sind aufgrund ihrer auch materiell-rechtlich gewährten Verfügungsmacht über private Rechte berechtigt, derartige alternative Lösungswege zu suchen und mit verbindlichen Ergebnissen auszustatten. Eine Klagepflicht gibt es selbst im Falle unveräußerlicher Recht und zwingenden Rechts nicht.

22Auch der wachsende Bereich kollektiver Rechtsschutzmöglichkeiten (Rn. 31, 434) ändert an dem grundsätzlichen Zweck des Zivilprozesses nichts bzw. widerspricht diesem nicht.4 Freilich wird hier die Institution des Zivilprozesses mit ihrer weit reichenden Parteiautonomie vor allem für zweckdienlich befunden, um im Allgemeininteresse liegenden Anliegen, etwa des Verbraucherschutzes, des Anlegerschutzes, der gerechten Schadensregulierung und der Prävention unlauteren Geschäftsgebarens, Nachdruck zu verleihen.5 Vielfach steht hier der Prozesszweck der Durchsetzung und Fortbildung der objektiven Rechtslage im Vordergrund.

§ 5Die Geschichte der ZPO

Literatur:

Damrau, Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen seit der Reichszivilprozeßordnung von 1877, 1975; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 4, § 5; Stein/Jonas/Brehm, Kommentar zur Zivilprozessordnung, vor § 1, Rn. 128 ff.

23Schon vor Inkrafttreten des BGB, also vor der Rechtseinheit im materiellen Recht, wurden die partikularen Rechtsordnungen auf dem Gebiet des Deutschen Reichs durch ein einheitliches Zivilprozessrecht abgelöst. Im Jahr 1877 wurde nämlich als eines der Reichsjustizgesetze die Civilprozessordnung (CPO) – so die damalige Schreibweise – verabschiedet. Sie trat am 1.10.1879, damit zwanzig Jahre vor dem BGB, in Kraft. Weitere Reichsjustizgesetze sind die Strafprozessordnung (StPO), das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und die inzwischen durch die Insolvenzordnung (InsO) abgelöste Konkursordnung (KO).

I.Entwicklungsströmungen hin zur ZPO

24Inhaltlich orientierte sich die CPO am gemeinen deutschen Zivilprozess, der teilweise bis in das 19. Jahrhundert hinein in einigen Teilen Deutschlands Geltung hatte, und am französischen Prozessrecht.1 Dem französischen Vorbild entstammen insbesondere die liberalen Gedanken der Parteiherrschaft über das Verfahren und des geringen amtlichen Einflusses auf Prozessablauf und Tatsachenermittlung. Im 19. Jahrhundert war das Prozessrecht von vielen Bestrebungen zur Reform des starren und schwerfälligen gemeinen Zivilprozesses gekennzeichnet. Die Befugnisse des Gerichts und der Parteien wurden immer genauer austariert, um einerseits Prozessverschleppung Einhalt zu gebieten, andererseits der Selbstverantwortung der Parteien möglichst Raum zu geben. Ein flexibleres, strafferes und moderneres einheitliches Verfahrensrecht sollte geschaffen werden. Dafür gab es eine Reihe unterschiedlicher Entwürfe, bis eine „Reichsjustizkommission“ eingesetzt wurde, die schließlich einen einstimmig angenommen Entwurf für eine CPO ebenso wie für das GVG und das EGZPO (damals EGCPO) vorlegen konnte. Die Materialien dieses letzten Schrittes sind nach wie vor lesenswerte und maßgebliche Quellen der Auslegung vieler seit Entstehen der ZPO unveränderter Vorschriften. Protokolle und Berichte der Reichsjustizkommission sind gesammelt herausgegeben und veröffentlicht.2

II.Entwicklung der ZPO seit ihrem Inkrafttreten

25Einige Anpassungen der ZPO fanden statt, als schließlich am 1.1.1900 das BGB in Kraft trat. Weitere Reformen bis zur Zeit des Nationalsozialismus setzten die Ziele des konzentrierten effektiven Verfahrensablaufs fort. Unter dem Nationalsozialismus hatte eine unabhängige Justiz gegenüber einer Diktatur keinen Raum. Die Abschaffung der persönlichen und sachlichen Unabhängigkeit der Richter sowie der Ausschluss von Anwälten und Richtern aus ideologischen Gründen sind dafür Kennzeichen.

26Auf dem Gebiet der DDR wurde die ZPO im Jahr 1975 durch das Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Zivil-, Familien- und Arbeitssachen (DDR-ZPO) ersetzt. Die Vorstellung eines bürgerlichen, von individuellen Interessen bestimmten Verfahrens war dem sozialistischen Zivilprozess fremd.3 Mit dem Einigungsvertrag vom 31.8.1990 wurde der Geltungsbereich der ZPO zum 3.10.1990 wieder auf die neuen Bundesländer erstreckt.

27Bei den Entwicklungen der ZPO seit In-Kraft-Treten des Grundgesetzes kann zunächst vermerkt werden, dass ein Großteil der Reformen der Verfahrensvereinfachung und Beschleunigung und dadurch nicht zuletzt der Justizentlastung diente. Diese Ziele setzten sich etwa die Vereinfachungsnovelle von 19764, das Rechtspflegevereinfachungsgesetz von 19905 und das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege von 19936. Auch die Zivilprozessreform von 2001 war dem Entlastungs-, Beschleunigungs- und Vereinfachungsziel verpflichtet, indem sie den Prozess möglichst auf die erste Instanz konzentrierte, außergerichtliche Streitschlichtung förderte und die Prozessleitungsbefugnisse des Gerichts verstärkte.7 Zusammen mit der Effizienzsteigerung wollte die Reform von 2001 Transparenz und Bürgernähe des Zivilverfahrensrechts erreichen. Der Reform folgte im Jahr 2004 ein weiteres Justizmodernisierungsgesetz.8

28Viele verfahrensrechtliche Neuerungen betrafen das familiengerichtliche Verfahren, etwa das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts von 1976 mit Einrichtung eines Familiengerichts und Sonderregeln für das familiengerichtlichen Verfahren9, die Änderungen des Kindschaftsrechts und seiner Verfahrensregeln von 199710 und 199811 und schließlich die vollständige Neuordnung des familiengerichtlichen Verfahrens in einem eigenen Gesetz, dem FamFG zum 1.9.2009 (Rn. 627 ff.).12

29Ein Bereich, in dem vor allem in den letzten 20 Jahren vielfache Neuerungen zu vermerken sind, betrifft die Internationalisierung, insbesondere Europäisierung des Zivilprozessrechts. Hier ist zunächst die Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts im Jahr 1997 auf der Grundlage eines UNCITRAL-Modellgesetzes von 1985 zu nennen (Rn. 639). Eine bedeutsame Rolle spielt aber vor allem die justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union. Die unmittelbar anwend­baren europäischen Verordnungen sind maßgebliche Rechtsquelle im internationalen Zivilprozessrecht (Rn. 233). Um sie in das deutsche Justizsystem einzugliedern, wurde im Jahr 2004 ein elftes Buch der ZPO hinzugefügt.13

30Als moderne Entwicklungen genannt seien auch die Regelungen zur Verstärkung alternativer Streitschlichtungsmöglichkeiten (Rn. 303, 334, 337) im Gesetz zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung vom 15.12.1999 mit der Einführung einer obligatorischen vorgerichtlichen Güteverhandlung (§ 15a EGZPO) sowie die Regelungen im ZPO-Reformgesetz von 2001, die weitere Elemente gütlicher Streitbeilegung in den Zivilprozess einführten (§ 278 Abs. 2, 5).14 Seit kurzem gibt es auch ein besonderes Verbraucherstreitverfahren mit dem Ziel der außergerichtlichen Beilegung von Konflikten zwischen Verbrauchern und Unternehmern (VSBG)15, das auf zwei europäischen Rechtsakten16 beruht.

31Zu nennen sind auch die noch entwicklungsoffenen Regelungen im Bereich des kollektiven Rechtsschutzes (Rn. 434 ff.), wo mit der Verbandsklage nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG), der Prozessführung durch Verbände nach § 79 Abs. 2 Nr. 3 und dem Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz (KapMuG) Grundlagen für ein möglicherweise fortzuentwickelndes Recht des kollektiven Rechtsschutzes in Form von Muster-, Verbands- und Gruppenklagen geschaffen wurde. Inzwischen gibt es von der Europäischen Kommission eine Empfehlung über gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren17, auf deren Grundlage in Deutschland demnächst eine Musterfeststellungsklage entwickelt werden soll.18

32Neue Gesetzgebung betrifft schließlich den Einsatz elektronischer Kommunikationsmittelim Zivilprozess. So ist seit dem Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Geschäftsverkehr im Jahr 200119 eine Übersendung von Schriftstücken als elektronische Dokumente ausdrücklich zugelassen (s. insbes. §§ 130a, 130b). Seit der ZPO-Reform 2001 ist die sog. Videoverhandlung in § 128a (Rn. 60) zugelassen. Seit dem Justizkommunikationsgesetz vom Jahr 200520 kann bei allen Gerichten die elektronische Aktenbearbeitung eingeführt werden (s. insbes. §§ 298a, 299 Abs. 3, 299a), und elektronisch signierte Dokumente genießen erhöhte Beweiskraft (§ 371a). Einen entscheidenden Schritt hat die Digitalisierung der Justiz im Jahr 2013 mit dem sog. EJustizG21 getan. Das Gesetz will einen medienbruchfreien digitalen Prozessablauf erreichen und regelt E-Kommunikation, E-Akte und E-Archivierung.22

§ 6Die Verfahrensgrundsätze

Literatur:

Althammer/Schäuble, Effektiver Rechtsschutz bei überlanger Verfahrensdauer – Das neue Gesetz aus zivilrechtlicher Perspektive, NJW 2012, 1; Brehm, Bindung des Richters an den Parteivortrag und Grenzen freier Verhandlungswürdigung 1982; Bischoff, Tatsachenvortrag im Zivilprozess, JA 2010, 532; Huber, Anhörungsrüge bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, JuS 2005, 109; Meller-Hannich, Das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren – Theorie und Praxis, KammerForum 2014, 3; Möller, Die Verfahrensgrundsätze des Zivilverfahrens, JA 2010, 47; Pechstein, Der gesetzliche Richter, Jura 1998, 197; Schinkels, Prinzipien, Regeln oder Modelle: Eine Analyse des Kanons der zivilprozessualen „Maximen“, Rechtstheorie 37 (2006), 407; Schnellenbach, Grundsätze des gerichtlichen Verfahrens, JA 1995, 783; Schreiber, Der Dispositionsgrundsatz im Zivilprozeß, Jura 1988, 190; ders., Die Verfahrensgrundsätze im Zivilprozess, Jura 2007, 500; ders., Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Zivilprozess, Jura 2011, 601; Vollkommer, Bundesverfassungsgericht, Justizgewährleistung durch das Grundgesetz, Verfahrensgrundrechte und Zivilprozess, speziell: Das Plenum des Bundesverfassungsgerichts als Ersatzgesetzgeber?, FS Gerhardt 2004, 1023; Völzmann-Stickelbrock, Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und Parteiöffentlichkeit – Nicht mehr zeitgemäße oder unverzichtbare Elemente des Zivilprozesses?, ZZP 118 (2005), 359.

Rechtsprechung:

BVerfG NJW 2004, 3320 (Angemessene Dauer von Gerichtsverfahren – Telekomklagen); BGH NJW 2005, 2624 (Rechtliches Gehör und richterlicher Hinweis); BGH NJW-RR 2006, 61 (Prozessuale Waffengleichheit in Bezug auf Beweismittel); EGMR NJW 1995, 1413; BGH NJW-RR 2006, 61 (Prozessuale Waffengleichheit – Vier-Augen-Gespräch); BVerfG v. 25.3.2010 – 1 BvR 2446/09 (Rechtliches Gehör und Parteivorbringen); BGH NJW-RR 2011, 487 (Rechtliches Gehör und Überraschungsentscheidung); BGH NJW 2011, 2794 (Beibringungsmaxime und Wahrheitspflicht); BGH NJW 2012, 78 (Faires Verfahren); BGH MDR 2012, 1366 (Verspätetes Vorbringen); BGH MDR 2012, 988 (Anhörungsrüge); BGH NJW 2013, 446 (Faires Verfahren); BGH NJW-RR 2013, 255 (Rechtliches Gehör vor Berufungsverwerfung); OLG Frankfurt MDR 2013, 107 (Faires Verfahren – Vier-Auge-Gespräch); BGH MDR 2015, 536 (Rechtliches Gehör und Ausschluss von Angriffs- und Verteidigungsmitteln); BGH NJW 2015, 1312 (Entschädigung bei überlanger Verfahrensdauer).

33Die Kenntnis der Grundprinzipien des Zivilprozessrechts erleichtert dessen Verständnis erheblich.1 Maximen oder Verfahrensgrundsätze tragen zwar in der Regel keine unmittelbaren Rechtsfolgen mit sich. Sie finden aber in vielen konkreten Regelungen der ZPO ihren Ausdruck, die dadurch systematisch verstanden und angewandt werden können. Einige Prozessmaximen kennzeichnen außerdem den Zivilprozess geradezu als solchen. Generell kann man dabei unterscheiden zwischen spezifisch zivilprozessualen Maximen, gerichtsverfassungsrechtlichen Grundsätzen und Prozessgrundrechten.2

I.Die Dispositionsmaxime

34Aufgrund der Dispositionsmaxime können die Parteien Beginn, Gegenstand und Ende des Prozesses bestimmen.3 Sie haben also das „Ob“ und das „Wann“ eines Prozesses in der Hand und verfügen über den Streitgegenstand (Rn. 168 ff.). Die Dispositionsmaxime gehört sicherlich zu den Prozessmaximen, die den Zivilprozess als solchen kennzeichnen. Das entspricht der Perspektive des materiellen Rechts: Im materiellen Zivilrecht können die Parteien auch über ihre privaten Rechte selbständig verfügen. Es gilt die Privatautonomie. Nun sind zwar Prozessmaximen nicht allein aus dem materiellen Recht logisch folgende Konstruktionen; sie sind aber Ausdruck des gesetzgeberischen Verständnisses vom Verhältnis zwischen Staat und Bürger, das sich im materiellen Recht ebenso wie im Verfahrensrecht widerspiegelt.4 Sowohl im materiellen Zivilrecht als auch im Zivilprozessrecht ist dieses Verhältnis zu Gunsten der Verfügungsfreiheit tariert. Insofern kann man sagen, dass die Dispositionsmaxime naheliegende Folge der im bürgerlichen Recht gewährten Entscheidungsfreiheit über Bestand und Ausübung der dem Individuum gewährten subjektiven Rechte ist.5

1.Herrschaft der Parteien über den Beginn des Verfahrens

35Damit überhaupt ein Zivilprozess in Gang gesetzt wird, muss Klage erhoben werden. § 253 beschreibt dabei nicht nur die formellen und inhaltlichen Anforderungen an die Klageerhebung, sondern macht auch deutlich, dass die Einleitung eines Prozesses überhaupt nur auf Betreiben einer Privatperson, nämlich des Klägers durch Einreichung eines Schriftsatzes, erfolgt. „Wo kein Kläger, da kein Richter.“

Bsp.: Erfährt ein Richter von offenen Ansprüchen des K gegen B, wird er nicht von Amts wegen tätig. Ein Prozess gegen B beginnt nur, wenn und weil K gegen B Klage erhebt.

36Die Befugnis, über den Verfahrensbeginn zu bestimmen, gilt für alle Verfahrensarten und Verfahrensabschnitte. Eine Klage oder ein Antrag sind also notwendig, damit etwa ein Mahnverfahren (§ 688) oder ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz (§§ 920, 936) in Gang kommt. Ebenso gilt die Herrschaft der Parteien über den Beginn eines Verfahrens im Rechtsmittelrecht, so dass weder Revision (Rn. 537 ff.) noch Berufung (Rn. 519 ff.) noch Beschwerde (Rn. 554 ff.) ohne entsprechende Einlegung des Rechtsmittels von Kläger- oder Beklagtenseite stattfinden, § 519 Abs. 1 (Einlegung der Berufung), § 549 Abs. 1 (Einlegung der Revision), § 569 Abs. 2 Satz 1 (Einlegung der sofortigen Beschwerde), § 575 Abs. 1 Satz 1 (Einlegung der Rechtsbeschwerde).

37Das Gegenteil der Verfahrenseinleitung durch die Parteien ist ein Tätigwerden „von Amts wegen“, auch Offizialmaxime genannt. Diese gilt etwa im Verwaltungsrecht und im Strafrecht; teilweise auch in Familien- und Kindschaftsverfahren (Rn. 629).

2.Herrschaft der Parteien über den Gegenstand des Verfahrens

38Neben der Frage, ob ein zivilprozessuales Verfahren beginnt, bestimmen die Parteien auch darüber, welchen Gegenstand dieses Verfahren haben soll. § 253 Abs. 2 Nr. 1 sieht vor, dass der Kläger bestimmt, wer sein Prozessgegner sein soll. § 253 Abs. 2 Nr. 2 legt die Bestimmung des Gegenstandes und Grundes des erhobenen Anspruchs und des Antrags in die Hände des Klägers. Damit bezeichnet der Kläger den Streitgegenstand (Rn. 168 ff.) des Verfahrens und macht deutlich, was er vom Beklagten begehrt, etwa Zahlung, Unterlassung u. a., und welche Tatsachen den Schluss auf dieses Begehren zulassen sollen. An den Antrag des Klägers ist das Gericht gebunden. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass das Gericht in jedem Fall entsprechend dem Antrag urteilt. Eine Klage kann auch ganz oder teilweise abgewiesen werden, so dass der Kläger weniger als das Beantragte erhält Es bedeutet aber, dass der Richter weder etwas anderes noch mehr als das vom Kläger Beantragte zusprechen darf, § 308 Abs. 1 – „Ne eat iudex ultra petita partium“. Lediglich über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, muss das Gericht auch dann entscheiden, wenn dies nicht durch einen Klageantrag zum Streitgegenstand wurde, § 308 Abs. 2. Die Bestimmung über den Streitgegenstand setzt sich auch während des Verfahrens fort. So kann unter den Voraussetzungen des § 263 der Streitgegenstand durch Klageänderung nachträglich geändert werden.

Bsp.: Der Richter erkennt während des Verfahrens, dass B dem K statt der eingeklagten 50.000 € sogar 100.000 € schuldet.

Er darf diese dem K wegen § 308 Abs. 1 nicht zusprechen. Wenn K den Klageantrag nachträglich ändert, also etwa Zahlung von 100.000 € verlangt, ist eine Verurteilung zu dieser Summe aber möglich.

39Die Befugnis, über den Gegenstand des Verfahrens zu bestimmen, setzt sich auch bei den Rechtsmitteln fort. Die durch ein Urteil beschwerte Partei kann bestimmen, in welchem Umfang sie Berufung einlegt und das Urteil abgeändert haben will, § 528. Ebenso ist das Gericht an den von den Parteien bestimmten Umfang der Revisionsprüfung gebunden, § 557 Abs. 1.

3.Herrschaft der Parteien über das Ende des Verfahrens

40Die Parteien sind berechtigt, das Verfahren selbständig zum Abschluss zu führen.

a) Beendigung durch den Kläger. Der Kläger kann eine einmal eingereichte Klage zurücknehmen, § 269 (Rn. 472 ff.). Die Rechtshängigkeit (Rn. 162 ff.) der Klage entfällt damit. Das Gericht kann das Verfahren nicht fortführen, selbst wenn es meint, die zurücknehmende Partei hätte durchaus Erfolg mit ihrer Klage gehabt. Das Verfahren endet ohne gerichtliche Beteiligung gleichsam „automatisch“ aufgrund der Parteierklärung. Der Kläger kann auch auf die Klage verzichten, § 306 (Rn. 470). Der Verzicht auf eine Klage führt – ohne weitere inhaltliche Prüfung der Klage durch das Gericht – zum Erlass eines Verzichtsurteils, das in Rechtskraft erwächst. Eine Klage mit diesem Streitgegenstand kann nicht noch einmal erhoben werden. Darin liegt ein Unterschied zwischen Verzicht und Klagerücknahme, denn nach einer Klagerücknahme kann nochmals geklagt werden. Es ergeht ja bei der Klagerücknahme – anders als beim Verzicht – kein Urteil. Zuletzt ist als Ausprägung der Dispositionsmaxime im Hinblick auf das Ende des Verfahrens darauf hinzuweisen, dass der Kläger durch einfaches Nichterscheinen eine Verfahrensbeendigung – zu seinen Ungunsten – herbeiführen kann, ohne dass sein Anspruch inhaltlich geprüft wird. Das Gericht erlässt bei Nichterscheinen des Klägers ein Versäumnisurteil gegen den Kläger (Rn. 452 ff.), mit dem die Klage abgewiesen wird, § 330.

b) Beendigung durch den Beklagten. Das „Gegenstück“ zum Verzicht ist auf der Beklagtenseite das Anerkenntnis, § 307. Der Beklagte ist dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen, wenn er den gegen ihn geltend gemachten Anspruch anerkennt (Rn. 465). Weder prüft das Gericht den Bestand des Anspruchs noch hat es eine Bedeutung, wenn das Gericht sicher davon ausgeht, der Anspruch gegen den Kläger bestünde gerade nicht. Es ist an das Anerkenntnis gebunden und erlässt ein entsprechendes Anerkenntnisurteil.

c) Beendigung durch beide Parteien. Eine Beendigung des Verfahrens tritt auch ein, wenn die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklären (Rn. 486). Das Gericht entscheidet über den mit der Klage geltend gemachten Anspruch dann nicht mehr, sondern nur noch darüber, wer die Verfahrenskosten zu tragen hat, § 91a. Eine Möglichkeit, den Rechtsstreit ohne Urteil durch gemeinsames Parteihandeln zum Ende zu bringen, besteht zudem darin, einen Prozessvergleich abzuschließen (vgl. §§ 278 Abs. 1, 6, 794 Abs. 1 Nr. 1). Der Vergleich hat – neben der materiell-rechtlichen Wirkung des § 779 BGB – prozessbeendigende Wirkung, so dass die Rechtshängigkeit des Verfahrens entfällt (Rn. 501).

44Auch Rechtsmittel können zurückgenommen werden, § 516 (Rücknahme der Berufung) und §§ 565, 516 (Rücknahme der Revision). Auch ein Verzicht ist bei Rechtsmitteln möglich, §§ 515, 566 Abs. 1 Satz 2, 565. Aktiv wird hier Kläger oder Beklagter des Ausgangsverfahrens, je nachdem, wer das Rechtsmittel eingelegt hat.

II.Der Verhandlungsgrundsatz

451.Inhalt und Grund des Verhandlungsgrundsatzes

Im Prozess bestimmen die Parteien durch ihren Vortrag darüber, welche Tatsachen der Richter seinem Urteil zu Grunde legen wird. Der Verhandlungsgrundsatz bezieht sich auf diese Befugnis der Parteien, über den Tatsachenstoff zu verfügen. Der Verhandlungsgrundsatz wird auch Beibringungsmaxime genannt, weil nur die von den Parteien beigebrachten Tatsachen im Prozess eine Rolle spielen. Es gilt nicht die Amtsermittlungspflicht des Gerichts oder einer Behörde wie etwa im Strafprozess. Auch der Verhandlungsgrundsatz kennzeichnet den Zivilprozess als solchen und ist Fortsetzung der Privatautonomie in den Zivilprozess hinein. Da Privatrechtssubjekte außerhalb des Prozesses über das materielle Recht verfügen dürfen und auch die Folgen ungünstiger oder unterlassener Verfügungen zu tragen haben, sollen sie auch im Prozess eigenständig den Tatsachenstoff bestimmen und die Folgen mangelhafter Aufklärung tragen. Macht man sich klar, dass im Zivilprozess zwei Parteien mit ganz gegenläufigen Interessen vortragen und jede Partei (nur) den für sie positiven Tatsachenstoff beibringen muss, so kann man möglicherweise dem Satz folgen, dass „die Wahrheit aus der Parteien Mund leichter kund wird als durch eine gerichtliche Untersuchung“.6 Eine Verfahrensordnung, in der der Beibringungsgrundsatz gilt, verlässt sich hinsichtlich des entscheidungserheblichen Tatsachenstoffes auf die Initiative der Parteien. Das tut sie aber nicht deshalb, weil sie ein geringeres Interesse an objektiver Wahrheitsfindung hat oder die Wahrheit für Verhandlungssache hält. Vielmehr wird daraus, dass die Parteien um private Rechte streiten, gefolgert, dass diese auch in der Lage und willens sind, den Tatsachenstoff beizubringen. Die Parteien stehen dem sachlichen Streitstoff näher als das Gericht, weil er sich aus ihren privaten Angelegenheiten ergibt. Und weil sie in ihren privaten Rechten betroffen sind, haben sie auch den entsprechenden Anreiz zum Tätigwerden. Wegen des in dieser Hinsicht gesunden Egoismus der Parteien und der Gegensätzlichkeit ihrer Interessen kann dem Gericht durch die Parteien insgesamt ein zutreffenderes Bild der Wahrheit vermittelt werden, als das Gericht selbst zu ermitteln imstande wäre. Da es im Zivilprozess um die Verwirklichung privater Rechte geht, ist es auch Angelegenheit der Parteien, wenn sie den für sie günstigen Tatsachenstoff nicht vorbringen. Ein Gericht muss außerdem einen Rechtsstreit auch dann entscheiden, wenn die Tatsachen nicht vollständig ermittelt werden können. Konsequenz der Geltung der Verhandlungsmaxime ist, dass die Partei, der es nicht gelingt, die für sie günstigen Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, den Prozess verliert. Die Verhandlungsmaxime bietet insofern mit der Beweislast eine Möglichkeit, ein Prozessergebnis zu erreichen, wenn Tatsachen ungeklärt geblieben sind (Situation des „non liquet“). In solchen Fällen wie im Strafprozess grundsätzlich „zu Gunsten des Angeklagten“ zu entscheiden oder wie etwa im Verwaltungsverfahren den Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes zu unterlassen, wäre angesichts der grundsätzlichen Gleichordnung der Parteien im Zivilprozess nicht angemessen. Im Übrigen wird auch unter Geltung der Inquisitionsmaxime die („materielle“/„absolute“) Wahrheit nicht um jeden Preis ermittelt,7 betrachtet man nur die umfangreichen Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess.

46Jede Partei muss die für sie günstigen Tatsachen vortragen und beweisen. Welche Tatsachen für welche Partei „günstig“ sind, ergibt sich wiederum aus dem materiellen Recht, nämlich den Tatbestandsmerkmalen, negativen Tatbestandsmerkmalen oder Vermutungen einer Anspruchsgrundlage oder Einrede. Beweislastfragen sind insoweit Fragen des materiellen Rechts. Der Kläger trägt die Beweislast für die klagebegründenden Tatsachen, der Beklagte für die Einredetatsachen. Welche Rechtsansichten die Parteien vertreten, ist im Übrigen für den Richter weder bei Übereinstimmung noch bei Streit der Parteien verbindlich, da allein dem Gericht die Rechtsanwendung zusteht – „iura novit curia“.8

472.Verhältnis zur Dispositionsmaxime

Die Anknüpfung an die Autonomie des Bürgers hat der Verhandlungsgrundsatz mit der Dispositionsmaxime (Rn. 34 ff.) gemein: Beide können unter dem Stichwort „Parteiherrschaft“ zusammengefasst werden, wobei allerdings sämtliche Bestrebungen, die Herrschaft über das Verfahren und diejenige über die Tatsachen in ein gemeinsames Prinzip zusammenzufassen,9 letztlich nicht fruchtbringend sind.

483.Begriff der Tatsache

Tatsachen sind alle inneren und äußeren Geschehnisse und Zustände. Unter den Begriff der Tatsache fallen freilich auch sog. „Rechtstatsachen“ oder „juristische Tatsachen“. Mit ihnen wird ein Rechtsbegriff vorgetragen (z. B. Vertrag), der vielfach ein einfacher Begriff des täglichen Lebens ist, mit dem die Parteien richtig umgehen können. Der Vortrag der Rechtstatsache ersetzt in diesem Fall den Vortrag der im Einzelnen dem Rechtsbegriff zugrunde liegenden Tatsachen. Trägt beispielsweise der Kläger vor, es sei ein Kaufvertrag geschlossen worden, und ergeben sich beim Gericht keine Anhaltspunkte dafür, dass er zum richtigen Umgang mit diesem Begriff nicht in der Lage ist, handelt es sich um klägerischen Tatsachenvortrag, nicht um die Äußerung einer Rechtsansicht.

494.Ausprägungen und Grenzen des Beibringungsgrundsatzes

Ableiten kann man die Geltung des Verhandlungsgrundsatzes zunächst aus § 138. Wenn beide Parteien dieselben Tatsachen vortragen, werden diese vom Gericht nicht auf ihre Wahrheit überprüft, § 138 Abs. 3. Auch § 288 ergibt, dass eine Partei eine Tatsache zugestehen kann, die dadurch unstreitig wird. Wenn der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung gar nicht erscheint, gilt dies ebenfalls als Geständnis (§ 331 Abs. 1), so dass bei Schlüssigkeit des Klägervortrags ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten ergeht (Rn. 459 ff.). Zur Beweiserhebung kommt es nur, wenn der Vortrag der Gegenseite bestritten wird. Das Maß, das an das Bestreiten zu richten ist, bestimmt § 138 Abs. 2 (Rn. 55)

50Lügen dürfen die Parteien nicht, § 138 Abs. 1. Diese Wahrheitspflicht10 führt dazu, dass nicht jeder Parteivortrag, sondern nur der wahrheitsgemäße in den Prozess einzubeziehen ist. Einschränkungen des Verhandlungsgrundsatzes sind auch vorzunehmen, wenn die materielle Prozessleitung des Richters (§ 139) erfordert, dass der Richter eine Partei auf Unvollständigkeiten ihres Vortrags hinweist (Rn. 340 ff.). Im Übrigen ist für bestimmte Familiensachen generell nicht der Beibringungsgrundsatz, sondern die Untersuchungsmaxime vorgesehen (vgl. §§ 26, 127 FamFG).

515.Tatsachenermittlung im Zivilprozess auf der Grundlage des Beibringungsgrundsatzes

a) Schlüssigkeit. Der Richter überprüft eine Klage zunächst auf ihre Schlüssigkeit. Eine Klage ist schlüssig, wenn das Klägervorbringen, seine Richtigkeit unterstellt, den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ergibt. Dafür sichtet der Richter die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen und subsumiert sie unter den Tatbestand einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage. Bei der Schlüssigkeitsprüfung wird nicht darauf geachtet, ob die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen vom Beklagten bestritten und vom Kläger bewiesen sind, sondern ihre Richtigkeit wird unterstellt. Da jede Partei die für sie günstigen Tatsachen vortragen muss (Rn. 46), trägt der Kläger die Darlegungslast für alle anspruchsbegründenden Tatsachen. Fehlt es hierzu an Vortrag, ist die Klage nicht schlüssig.

Bsp.: Der Kläger verlangt gerichtlich Schadensersatz für eine Pflichtverletzung vom Beklagten. Dann muss er Tatsachen zum Zustandekommen eines Schuldverhältnisses zwischen den Parteien, zur Art und Weise der Pflichtverletzung durch den Beklagten und zu seinem eigenen Schaden vortragen (§ 280 Abs. 1 BGB, evtl. §§ 280 Abs. 2, 286 BGB); zusätzlich beim Schadensersatz statt der Leistung Tatsachen zur erfolglosen oder entbehrlichen Fristsetzung (§ 281 Abs. 1 BGB), zur Unmöglichkeit (§ 283 BGB) oder zur Unzumutbarkeit (§ 282 BGB). Er muss zum Verschulden des Beklagten allerdings nicht vortragen, da § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB durch seine Formulierung dem Beklagten die Darlegungslast auferlegt.

52Zu bedenken ist allerdings, dass der Kläger möglicherweise für ihn selbst ungünstige Tatsachen vorträgt; auch diese hat der Richter in die Schlüssigkeitsprüfung einzubeziehen.

Bsp.: Der Kläger trägt vor, er sei beim Abschluss des Vertrages, aus dem sein Anspruch wegen Pflichtverletzung begründet sein soll, volltrunken gewesen (§ 105 Abs. 2 BGB). Das lässt die Schlüssigkeit des Klägervortrags im Hinblick auf vertragliche Ansprüche entfallen.

53Auch ein Beklagtenvorbringen, das für den Kläger günstig ist und das sich dieser zu eigen macht, findet Eingang in die Schlüssigkeitsprüfung.

Bsp.: Der Beklagte behauptet, er sei selbst nicht beim Vertragsschluss anwesend gewesen, habe aber den X bevollmächtigt. Das kann die Schlüssigkeit der Klage im Hinblick auf die Vertretungsmacht (§§ 164, 167 BGB statt § 179 BGB) beim Vertragsschluss herbeiführen.

54b) Erhebliches Bestreiten. Ergibt die beschriebene Prüfung eine Schlüssigkeit der Klage, überprüft der Richter, ob sich aus dem Tatsachenvortrag des Beklagten erhebliche Einwände ergeben. Damit sind hier nicht die Einwendungen oder Einreden des Beklagten gemeint, die letztlich einen eigenen Tatbestand bilden und eigenständig auf ihre Schlüssigkeit zu überprüfen sind (Rn. 319 f.). Gemeint ist vielmehr das Bestreiten der klagebegründenden Tatsachen, die bei der Schlüssigkeitsprüfung des Klägervorbringens zugrunde gelegt wurden (sog. Klageleugnen).

55Bestreiten ist die Abweichung des Beklagten- vom Klägervortrag. Das Maß, das an ein Bestreiten durch den Beklagten zu richten ist, richtet sich nach dem Umfang des klägerischen Vortrags, vgl. § 138 Abs. 2. Reagiert der Beklagte auf einen substantiierten Vortrag des Klägers mit einfachem „Nein“ (= einfaches Bestreiten), wird die entsprechende Tatsache als unstreitig angesehen und es bleibt beim klägerischem Vortrag. Hier wäre substantiiertes Bestreiten durch den Beklagten notwendig. Je mehr der Kläger vorträgt und substantiiert, desto mehr muss der Beklagte vortragen, um den klägerischen Vortrag zu widerlegen. Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4) ist nur zulässig, wenn der Erklärende tatsächlich keine Kenntnis hat, weil sich das Behauptete außerhalb seiner Wahrnehmungsmöglichkeit ereignet hat.11

Bsp.: Der Kläger trägt ausführlich vor, wann, unter welchen Umständen und mit welchen Erklärungen es zum Vertragsschluss gekommen sei. Der Beklagte muss dann die substantiierten Angaben des Klägers widerlegen, indem er etwa behauptet, an diesem Tag gar nicht am entsprechenden Ort gewesen zu sein, etwas anderes erklärt zu haben u. ä. Behauptet er einfach, ein Vertrag sei nicht geschlossen worden („einfaches Bestreiten“), reicht das nicht aus. Erklärt er, anwesend gewesen zu sein, bestreitet aber den Vertragsschluss mit Nichtwissen, genügt dies ebenfalls nicht. Die Tatsache des Vertragsschlusses wird vom Gericht dann nicht als streitig angesehen.

56Erheblich ist eine Abweichung des Beklagten- vom Klägervortrag nur dann, wenn es in der Lage ist, den schlüssig begründeten Anspruch des Klägers zu Fall zu bringen.

Bsp.: Bestreitet der Beklagte, am Tag des Vertragsschlusses sei schönes Wetter gewesen, wie es der Kläger behauptet, so ist dies im Hinblick auf die schlüssige Klage aus dem Vertrag unerheblich.

Bsp.: Der Anspruch des Klägers erfordert einen wirksamen Vertragsschluss für seine Schlüssigkeit und der Beklagte trägt vor, er sei beim angeblichen Abschluss des Vertrages nicht anwesend gewesen und habe auch niemanden bevollmächtigt. Dies ist ein erhebliches Vorbringen gegen den Klägervortrag, da es die Schlüssigkeit eines vertraglichen Anspruchs des Klägers erschüttert.

57Auch hier (wie bei der Schlüssigkeit Rn. 51) gilt insofern der enge Bezug zu den Normen des materiellen Rechts, um die Erheblichkeit des Klägervortrags festzustellen. Nur wenn der Beklagte etwas vorträgt, was tatsächlich die Ausfüllung des Tatbestandes durch den Klägervortrag entfallen lässt, liegt erheblicher Beklagtenvortrag vor.

58Nicht erheblich ist im Übrigen, wenn der Beklagte zwar andere als die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen behauptet, sich aber auch nach dieser Behauptung der klägerische Anspruch ergibt (sog. äquipollentes Parteivorbringen).

Bsp.: Der Kläger behauptet, zwischen ihm und dem Beklagten sei ein Vertrag geschlossen worden und der Gehilfe des Beklagten habe Nebenpflichten aus diesem Vertrag verletzt, indem er das Eigentum des Klägers beschädigt habe (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 278 BGB). Der Beklagte bestreitet (lediglich) den Vertragsschluss mit der Begründung, man sei über das Verhandlungsstadium nicht hinausgekommen. Dieses Vorbringen ist gleichwertig (äquipollent) zu dem des Klägers im Hinblick auf den vom Kläger begehrten Schadensersatz (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1, 278 BGB) und deshalb nicht erheblich, auch wenn der Kläger es sich nicht zu Eigen macht.

59c) Beweiserhebung. Grundsätzlich muss über die erheblich bestrittenen Tatsachen durch ein angebotenes Beweismittel Beweis erhoben werden (Rn. 343 ff.). Da jede Partei die Beweislast für Tatsachen, die für sie günstig sind, trägt (Rn. 46), muss sie Beweis für sie anbieten und verliert den Prozess, wenn ihr dieser Beweis nicht gelingt.

III.Der Grundsatz der Mündlichkeit

60Der Zivilprozess ist nach dem gesetzlichen Idealbild ein mündliches Verfahren, § 128 Abs. 1. Die mündliche Verhandlung ist das Kernstück des Zivilprozesses (Rn. 12). Ohne mündliche Verhandlung darf ein Urteil grundsätzlich nicht erlassen werden.12 In der mündlichen Verhandlung sieht das Gesetz die Verlesung der Anträge (§ 297 Abs. 1) und den freien Parteivortrag (§ 137 Abs. 2) vor. Das Urteil selbst ist mündlich zu verkünden, das heißt vorzulesen, § 311 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3. Entscheidende Folge des Mündlichkeitsgrundsatzes ist vor allem, dass nicht der schriftliche Akteninhalt bedeutsam ist, sondern nur! das in der mündlichen Verhandlung Vorgetragene und Erörterte Grundlage der Urteilsfindung wird. Dem Mündlichkeitsprinzip wird auch durch die Videoverhandlung (§ 128a) genügt, denn immerhin ist sie fernmündlich.13

61Die mündliche Verhandlung ist dabei als Einheit anzusehen, selbst wenn mehrere Termine anberaumt werden. Folge dieser Einheit der mündlichen Verhandlung ist, dass es keine Rolle spielt, wann eine Partei bestimmte Tatsachen zur Anspruchsbegründung oder zu Einreden vorträgt oder bestreitet. Alles, was bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde, wird Prozessstoff.

62Wer aber einmal eine mündliche Verhandlung vor einem Zivilgericht miterlebt, wird an verlesenen Plädoyers der Anwälte und mündlichem Streitgespräch oft wenig erleben. Selbstverständlich wird nämlich eine mündliche Verhandlung durch den Richter und die Anwälte schriftlich vorbereitet, §§ 129, 273. Im schriftlichen Vorverfahren können im Falle von Säumnis oder Anerkenntnis sogar Urteile ergehen, die ohne mündliche Verhandlung und Verkündung Wirksamkeit entfalten (§§ 276 Abs. 2, 331 Abs. 3, 307 Satz 2, 310 Abs. 3). Auch wenn kein schriftliches Vorverfahren, sondern ein früher erster Termin angeordnet ist, bereitet der Richter das Verfahren schriftlich vor, § 275 Abs. 1, 4. Die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien kündigen zwar einen Sachvortrag und den Klageantrag nur an; eine besondere Rolle spielen im Zivilprozess aber die Möglichkeiten zur mündlichen Bezugnahme auf schriftlich Eingereichtes (§§ 137 Abs. 3, 297 Abs. 2), so dass ohne Kenntnis der schriftlichen Akten ein Verständnis des Inhalts einer mündlichen Verhandlung kaum möglich ist. Die Möglichkeiten zum schriftlichen Verfahren mit Zustimmung der Parteien, zur fakultativen Mündlichkeit bei Entscheidungen nur über die Kosten sowie bei Beschlüssen und Verfügungen (§ 128 Abs. 2–4) zeigen weitere Ausnahmen vom Mündlichkeitsprinzip. Auch an anderen Stellen der ZPO ist entweder zwingend oder fakultativ ein schriftliches Verfahren vorgesehen, etwa beim Verfahren vor dem Amtsgericht, § 495a.

IV.Der Grundsatz der Unmittelbarkeit

63§ 128 ZPO bringt neben der Mündlichkeit (Rn. 60) eine weitere Maxime des Zivilprozesses zum Ausdruck, nämlich den Unmittelbarkeitsgrundsatz. Die Parteien verhandeln vor dem erkennenden Gericht, also demjenigen Gericht, das später auch das Urteil fällt. Ein Urteil kann nur von denjenigen Richtern gefällt werden, die der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung beigewohnt haben, § 309. Unmittelbarkeit bedeutet also, dass das Gericht, welches schließlich das Urteil erlässt und verkündet, auch die Verhandlung der Parteien und die Beweisaufnahme durchgeführt haben muss. Dem persönlichen Eindruck vom Begehren der Parteien und vor allem von der Beweisaufnahme (§ 355) wird damit zu Recht wichtige Bedeutung beigemessen. Mittelspersonen dürfen nicht eingeschaltet werden. Von einer mündlichen Verhandlung oder Beweisaufnahme darf dem Gericht etwa nicht lediglich durch eine andere Person oder Institution berichtet werden. Ein Richter darf bis zur Urteilsverkündung nicht ausgewechselt oder vertreten werden, zumindest muss der neue Richter am letzten Termin der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben.

64Wie wichtig im Zivilprozess der persönliche Eindruck des entscheidenden Richters ist, zeigt sich etwa daran, dass eine Beweisaufnahme grundsätzlich durch das Prozessgericht stattzufinden hat (§ 355 Abs. 1); durch den beauftragen oder ersuchten Richter (§ 375 Abs. 1) oder durch schriftliche Antworten zur Beweisfrage (§ 377 Abs. 3) ist eine Zeugenvernehmung nur zulässig, wenn eine sachgemäße Beweiswürdigung möglich bleibt. Ausnahmsweise können Teile eines Rechtsstreits, etwa eine Beweisaufnahme (§§ 372 Abs. 2, 375, 402, 434, 451), die Abnahme eines Geständnisses (§ 288 Abs. 1) oder ein Güteversuch (§ 278) auf einen beauftragten (§ 361) oder einen ersuchten Richter (§ 362) übertragen werden. Ist ein originärer (§ 348) oder obligatorischer (§ 348a) Einzelrichter tätig, ist ihm und nicht dem Kollegium die Entscheidung übertragen, so dass dem Unmittelbarkeitsgrundsatz genügt ist. Dem Vorsitzenden Richter einer Kammer für Handelssachen ist hingegen nur in Ausnahmefällen die Beweisaufnahme ohne Teilnahme der anderen Kammermitglieder erlaubt (§ 349 Abs. 1 Satz 2).

65Die rechtlich mögliche, allerdings kaum genutzte Videoverhandlung (§ 128a), entspricht trotz eingeschaltetem Medium dem Unmittelbarkeitsgrundsatz,14 da zwar Ortsverschiedenheit, aber doch Simultaneität und direkter sowohl mündlicher als auch visueller Kontakt zwischen Gericht und Partei gegeben sind.

V.Der Grundsatz der Öffentlichkeit

66Im Zivilprozess herrscht der Öffentlichkeitsgrundsatz. Das bedeutet, jedermann! kann an einem solchen Verfahren als Zuhörer und Zuschauer teilnehmen, bis der Gerichtssaal keinen Raum mehr bietet – ein größerer Saal muss nicht beschafft werden15 –, der gesamte Haupttermin ist öffentlich. Auch wenn diese Möglichkeit teilzunehmen durch die Öffentlichkeit gerade im Zivilprozess seltener wahrgenommen wird, als man vielleicht vermuten würde, hat der Öffentlichkeitsgrundsatz einen bedeutsamen staatspolitischen Hintergrund. Durch die Öffentlichkeit soll Geheimjustiz verhindert werden; die Gerichte sollen nicht hinter verschlossenen Türen tagen, sondern durch das Volk, vertreten jeweils durch die konkret teilnehmende Öffentlichkeit, kontrolliert werden. Letztlich soll dies auch das Vertrauen der Bürger in die Rechtspflege stärken, denn Misstrauen kann vielfach durch Intransparenz entstehen, Vertrauen durch Beobachtung verantwortungsvoll tätiger Staatsorgane gefördert werden. Ton- oder Filmaufnahmen zum Zweck der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung sind allerdings unzulässig (§ 169 S. 2 GVG) – daher die Gerichtszeichner.

67Die staatspolitische Bedeutung zeigt sich im Übrigen darin, dass der Öffentlichkeitsgrundsatz kein dem Zivilprozess spezifisches Prinzip ist, sondern in sämtlichen Verfahrensarten gilt. Er ist gerichtsverfassungsrechtlich festgeschrieben, § 169 GVG.16 Verletzungen des Öffentlichkeitsgrundsatzes sind im Zivilprozess ein absoluter Revisionsgrund: Bei einem Urteil, das unter unberechtigtem Ausschluss der Öffentlichkeit gefällt wurde, wird vermutet, dass die Urteilsfindung auf dem mit der Revision gerügten Rechtsfehler beruht, § 547 Nr. 5.

68Der Öffentlichkeitsgrundsatz im Zivilprozess kann ein