Zukunft war gestern - Henriette Nagel - E-Book

Zukunft war gestern E-Book

Henriette Nagel

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Beschreibung

Was haben Schwarze Löcher, Gendefekte, Sportwagen und Telefonzellen gemeinsam? Sie alle ermöglichen Reisen durch die Zeit - zumindest auf der Kinoleinwand. In diesem Buch treffen Filmwissenschaft und Astrophysik aufeinander. An einer Vielzahl klassischer Zeitreisefilme zeigt Medienwissenschaftlerin Henriette Nagel auf, welchen Einfluss die Erkenntnisse von Albert Einstein, Stephen Hawking & Co. auf die lange Tradition des Zeitreisekinos haben - unter anderem an Beispielen von "Die Zeitmaschine" und "Planet der Affen" über "Zurück in die Zukunft", "Twelve Monkeys" und "Donnie Darko" bis hin zu "Butterfly Effect", "Harry Potter und der Gefangene von Askaban" und "Star Trek". Denn was geschieht mit der Gegenwart, wenn die Vergangenheit im Nachhinein geändert wird? Zwischen Parallelwelten und selbstkonsistenten Universen erfahren Sie, warum Marty McFly sich beinahe in Luft aufgelöst hätte, wieso Captain Kirk ohne seinen Vater aufwachsen musste und wie Harry Potter sich während einer Zeitreise selbst das Leben retten konnte.

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Seitenzahl: 89

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Henriette Nagel

Zukunft war gestern

Zeitreisemodelle im Film

 

 

 

 

 

 

 

 

© 2014 Mühlbeyer-Verlag, Frankenstraße 21a, 67227 Frankenthal, Inh. Harald Mühlbeyer

www.muehlbeyer-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks in Zeitschriften oder Zeitungen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung oder Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen oder Video, auch einzelner Text- und Bildteile.

Umschlagbild: © Henriette Nagel

Umschlaggestaltung: Steven Löttgers, Birkenheide (www.loettgers-design.de)

Lektorat, Gestaltung und Produktion: Harald Mühlbeyer, Mühlbeyer-Verlag

ISBN:

978-3-945378-06-9 (Epub)

978-3-945378-07-6 (Mobipocket)

978-3-945378-11-3 (PDF)

978-3-945378-08-3 (Print)

Inhalt

Title Page

Impressum

Danksagung

Faszination Zeitreise

Narrative Strukturen in zeitgenössischen Kinofilmen

Zeitreisemodelle

Das Großvater-Paradoxon

Das selbstkonsistente Universum

Das Parallel-Universum

Die Anwendung von Zeitreisemodellen in Kinofilmen

Selbstkonsistenz in Kinofilmen

HARRY POTTER UND DER GEFANGENE VON ASKABAN

DIE FRAU DES ZEITREISENDEN

BILL UND TEDS VERRÜCKTE REISE DURCH DIE ZEIT

TWELVE MONKEYS

Zwischenbilanz - Selbstkonsistenz in Kinofilmen

Parallel-Universen in Kinofilmen

STAR TREK

Die Kombination von Zeitreisemodellen

DÉJÀ VU – WETTLAUF GEGEN DIE ZEIT

BUTTERFLY EFFECT

TIMELINE

ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT I

Zwischenbilanz - Die Kombination von Zeitreisemodellen

Zeitreisen in die Zukunft

PLANET DER AFFEN

DIE ZEITMASCHINE

Zwischenbilanz – Zukunftsreisen in Kinofilmen

Der etwas andere Zeitreisefilm

DONNIE DARKO

JUMANJI

PEGGY SUE HAT GEHEIRATET

UND TÄGLICH GRÜßT DAS MURMELTIER

Die Darstellung des Zeitreisemoments

Schlussbemerkungen

Literatur- und Quellenverzeichnis

Literatur

Filmographie

Bildnachweis

Grafiken

Filmbilder

Anmerkungen

Dieses Buch ist allen Fans von Zeitreisefilmen gewidmet und einem im Besonderen:

Für Basti, der besser zuhören kann als Momo.

Danksagung

Ein herzliches Dankeschön an all die Menschen, die mir ihre Zeit geschenkt, mit mir über Parallelwelten, Zeitmaschinen und Drehbücher diskutiert und mir bei der Entstehung dieses Buches mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben.

Meiner Familie danke ich, für eure liebevolle Unterstützung zu jeder Zeit. Besonders danke ich meiner Mutter, die immer für mich da ist, und meinem Vater, der mir beigebracht hat, was Selbstkonsistenz bedeutet.

Ich danke Basti für Unterstützung und Inspiration in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft.

Jens, Hanna und Mika danke ich für viele Zeitreise-DVDs und das häufige Verlängern meiner Leihfristen.

Stephan danke ich für den einmaligen intellektuellen Austausch.

Und ein herzlicher Dank an meine persönlichen Lektorinnen Lena, Biene und Gabi.

Henriette Nagel

 

Faszination Zeitreise

»Wenn ich das gewusst hätte!«

Wer hat sich nicht schon einmal gewünscht, seine Vergangenheit zu ändern? Noch einmal die Chance zu haben, alles besser zu machen? Sich nicht immer wieder mit »Was wäre wenn«-Fragen plagen zu müssen? Wenn ich für diese Prüfung besser gelernt hätte, diese eine Frage im Vorstellungsgespräch anders beantwortet und mein Geld auf eine andere Mannschaft gesetzt hätte? Und was wäre, wenn ich meiner Jugendliebe damals nicht so leichtfertig Lebewohl gesagt hätte? Ungenutzte Chancen, falsche Entscheidungen und verpasste Möglichkeiten gehören zum Leben dazu. Doch was wäre, wenn Sie eine Zeitmaschine zur Verfügung hätten? Eine Zeitmaschine, die es Ihnen erlauben würde, die Prüfung zu wiederholen, sich den Job mit einem brillanten Auftritt im Vorstellungsgespräch zu sichern, Millionen beim Wetten zu gewinnen und die Liebe Ihres Lebens für sich zu erobern? Eine wundervolle Vorstellung, nicht wahr? Doch leider machen uns Albert Einstein und Stephen Hawking wenig Hoffnung, dass eine Reise in die Vergangenheit tatsächlich möglich wäre. Und trotzdem träumt die Menschheit weiter von Zeitreisen, in Literatur, TV-Serien und besonders gerne auf der Kinoleinwand.

Im Jahr 1960 konnten die Kinobesucher beobachten, wie der Wissenschaftler George seine Zeitmaschine bestieg und eine weit entfernte Zukunft bereiste. Auch wenn George Pals DIE ZEITMASCHINE nicht der erste Zeitreisefilm war, gilt er doch als der Klassiker schlechthin und ist das Vorbild für viele weitere Filme, die dem Genre der Science-Fiction angehören. 25 Jahre später raste Marty McFly das erste Mal mit einem zur Zeitmaschine umgebauten DeLorean in die Vergangenheit und wieder ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT. Dieser Auftakt zur beliebtesten Zeitreise-Trilogie aller Zeiten war der größte Kinoerfolg des Jahres 1985. In den folgenden Jahren wurden nicht nur in Hollywood viele weitere Zeitreisefilme produziert. RUBINROT, nach dem Beststeller der deutschen Autorin Kerstin Gier, kam 2013 als deutsche Verfilmung in unsere heimischen Kinos. Zeitreisen in Kinofilmen haben eine lange Tradition und faszinieren die Kinobesucher immer wieder aufs Neue. Und Zeitreisen gehören längst nicht mehr nur dem Science-Fiction-Genre an, sondern finden sich auch in Fantasy-Filmen (HARRY POTTER UND DER GEFANGENE VON ASKABAN), romantischen Komödien (30 ÜBER NACHT) und Dramen (DIE FRAU DES ZEITREISENDEN). Seit den 1950er Jahren steigt die Anzahl der produzierten Zeitreisefilme stetig an (siehe Abbildung Nr. 1). Allein in den letzten drei Jahren wurden weltweit vierzehn neue Zeitreisefilme produziert.

Abb. 1: Anzahl an Zeitreisefilmen 1951-2014[1]

Zeitreisen sind jedoch nicht nur der Fiktion in Film und Literatur vorbehalten. Auf Grundlage von Einsteins Relativitätstheorie haben sich viele Astro-Physiker wie Stephen Hawking und Igor D. Novikov mit der tatsächlichen Möglichkeit von Zeitreisen beschäftigt. Auch wenn sich die meisten Physiker einig sind, dass Zeitreisen in die Vergangenheit unmöglich sind, haben einige von ihnen Zeitreisemodelle entwickelt, die sich mit den theoretischen Konsequenzen von Zeitreisen in die Vergangenheit befassen. Diese Zeitreisemodelle finden sich in den meisten Zeitreisefilmen wieder und beeinflussen die narrativen Strukturen dieser Werke.

Dieses Buch beschäftigt sich mit den verschiedenen Möglichkeiten, Zeitreisen in Kinofilmen umzusetzen. Wir begegnen Zeitmaschinen, Schwarzen Löchern, Gendefekten und Magie. Doch bevor wir uns einigen dieser großartigen Zeitreisefilme widmen, werfen wir zunächst einen Blick auf den aktuellen Erzähltrend im zeitgenössischen Kino[2].

 

 

 

Narrative Strukturen in zeitgenössischen Kinofilmen

Die Art und Weise, wie eine Geschichte erzählt wird, beeinflusst die Wahrnehmung und Interpretation der Handlung maßgeblich. Neben der erzählenden Literatur eignet sich das Medium Film besonders gut für komplexere Handlungen, da filmtechnische Mittel wie »flashbacks«[3] (Rückblenden) oder »flash-forwards«[4] (Vorausschauen) es erlauben, die Geschichte nicht mehr nur von Anfang bis Ende zu erzählen, sondern die linearen Ereignisketten aufzubrechen. In einem Film muss unterschieden werden zwischen der Story, der eigentlichen Handlung des Filmes, und dem Plot, den Ereignissen, die im Film tatsächlich gezeigt werden. Der Plot entscheidet, in welcher Reihenfolge die Ereignisse der Story dem Rezipienten (Zuschauer) gezeigt werden. Am Beispiel des Zeitreisefilmes BUTTERFLY EFFECT (Eric Bress, J. Mackye Gruber, USA 2004) lässt sich eine non-lineare Erzählstruktur gut erklären. Non-linear bedeutet in diesem Fall, dass eine Geschichte nicht in ihrer kausal-logischen Reihenfolge erzählt wird (ABC), sondern die Ereignisse in einer neu gewählten Reihenfolge präsentiert werden (beispielsweise CABC).[5]

Abb. 2: Narrative Struktur in BUTTERFLY EFFECT

Wie in Abbildung Nr. 2 dargestellt, werden die Ereignisse in BUTTERFLY EFFECT nicht in ihrer eigentlichen Reihenfolge erzählt, sondern der Film beginnt mit einem Ereignis, das erst kurz vor dem Ende der Story stattfindet. Mittels eines »flashbacks« (13 Jahre früher) wird eine non-lineare Erzählstruktur erzeugt.

David Bordwell beschreibt in seinem Buch Film Art: An Introduction, dass in einem fiktional-narrativen Film, in dem raumzeitliche Ereignisketten im Ursache-Wirkung-Prinzip auftreten, lineare Erzählstrukturen bevorzugt werden.[6] Der aktuelle Forschungsdiskurs zum Thema neuer komplexer Erzählstrukturen im zeitgenössischen Kino zeigt, dass Filme immer häufiger vom klassischen Modell der Narration mit linearen Erzählstrukturen abweichen. Zeitreisefilme eignen sich besonders gut für die Anwendung komplexer Erzählweisen, da die Filmemacher mit wenigstens zwei Zeitebenen arbeiten können. Der Trend hin zu immer komplexeren Filmen korreliert also mit der größer werdenden Anzahl von produzierten Zeitreisefilmen (siehe Abbildung Nr. 1).

Unter anderem beschäftigen sich die Filmwissenschaftler Warren Buckland, Thomas Elsaesser und David Bordwell mit neuen Erzählweisen in zeitgenössischen Kinofilmen. Sie haben verschiedene Filmkategorien erarbeitet, die hier kurz vorgestellt werden: Der von Buckland verwendete Begriff des »Puzzle Films«[7] bezeichnet Filme, in denen den Zuschauern ein verwirrendes Puzzle, ein komplexes Rätsel präsentiert wird, das es zu lösen gilt.Ein Beispiel für einen solch komplexen »Puzzle Film« ist wiederum der Zeitreisefilm BUTTERFLY EFFECT, in dem das Leben des Protagonisten durch Zeitreisen in die Vergangenheit immer wieder verändert wird. So wird der Zuschauer konstant herausfordert, die immer neuen Ereignisketten nachzuvollziehen.

Der von Thomas Elsaesser geprägte Begriff des »Mind-Game Film«[8] bezeichnet hingegen Filme, in denen mit der Filmwahrnehmung des Rezipienten gespielt wird oder Filme, in denen mit den Charakteren in der Handlung selbst gespielt wird. Dabei sind die Hauptcharaktere in einem »Mind-Game Film« häufig psychisch instabil oder gar geisteskrank, wie der Protagonist in David Finchers FIGHT CLUB (USA 1999), der eine multiple Persönlichkeit besitzt. Auf den Film DONNIE DARKO (Richard Kelly, USA 2001) treffen beide Definitionen des »Mind-Game Films« zu. In diesem Film wird mit der Filmwahrnehmung des Rezipienten gespielt, dem nicht klar ist, ob Donnies Visionen real sind oder seiner labilen Psyche entspringen. Auch DONNIEDARKO ist ein Zeitreisefilm. Bucklands und Elsaessers Filmkategorien »Puzzle Film« und »Mind-Game Film« werden in dem Sammelband Puzzle Films – Complex Storytelling in Contemporary Cinema beschrieben, in dem auch David Bordwells Begriff der »Multiple-Draft narratives« aus seinem 2002 erschienen Aufsatz Film Futures[9] aufgeführt wird. Unter »Multiple-Draft narratives« wird ein Film verstanden, der verschiedene Versionen des gleichen Handlungsstranges nacheinander zeigt, wie beispielsweise in Tom Tykwers LOLA RENNT (1999).

Zeitreisemodelle

Eine Kausalitätsverletzung entsteht, wenn eine Kausalkette (Ereignis A führt zu Ereignis B, Ereignis B führt zu Ereignis C, etc.) durchbrochen wird. Reist jemand in der Zeit zurück zu Ereignis B und verändert dieses, kann Ereignis C nicht mehr stattfinden und es entsteht eine Kausalitätsverletzung. Die folgenden von Astrophysikern entwickelten Zeitreisemodelle behandeln die Problematik von Kausalitätsverletzungen bei Reisen in die Vergangenheit und deren mögliche Lösung.

Das Großvater-Paradoxon

Das am häufigsten angeführte Beispiel für die Problematik von Kausalitätsverletzungen bei Zeitreisen in die Vergangenheit ist das so genannte »Großvater-Paradoxon«[10]. Die Physiker Stephen Hawking, J. Richard Gott und Igor Novikov, um nur einige zu nennen, thematisieren das »Großvater-Paradoxon« (auch »Großmutter-Paradoxon«[11] genannt) in diversen Fachbeiträgen zum Thema Zeitreisen.

Das Szenario ist folgendes: Der Zeitreisende reist in die Vergangenheit und tötet seinen Großvater vor der Zeugung seines Vaters. Diese Vorstellung ist paradox, da der Zeitreisende in dem Fall, dass sein Großvater getötet wurde, selbst nie geboren werden würde und somit nie die Zeitreise hätte antreten können, um seinen Großvater zu töten.

Abbildung Nr. 3 stellt die Struktur einer Zeitreise dar, in deren Verlauf das Großvater-Paradoxon auftritt. Die persönliche Lebenslinie des Zeitreisenden beginnt mit seiner Geburt. Er verbringt sein Leben in der Gegenwart, seine Zeit läuft von der Vergangenheit in die Zukunft. Dann tritt er eine Reise in die Vergangenheit an und tötet während seines Aufenthaltes seinen Großvater, vor der Zeugung seines eigenen Vaters. Ab diesem Augenblick ist die persönliche Lebenslinie des Zeitreisenden paradox, da er nach der Tötung des Großvaters eigentlich nicht mehr existieren kann bzw. nie existiert haben dürfte.

Abb. 3: Zeitreisestruktur Großvater-Paradoxon

Das selbstkonsistente Universum

Eine Lösung für dieses Paradoxon bietet das Modell des selbstkonsistenten Universums, wobei »Konsistenz« aus den lateinischen Wortbestandteilen »con«= zusammen und »sistere«= halten zusammengesetzt ist. Das selbstkonsistente Universum kann also verstanden werden als ein »sich-selbst-zusammen-haltendes Universum«. Das »Self-Consistency Principle«[12]