Zurück aus der Hölle - Sascha Bisley - E-Book

Zurück aus der Hölle E-Book

Sascha Bisley

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Beschreibung

Mit 19 verletzte er im Gewalt- und Alkoholrausch einen Obdachlosen so schwer, dass dieser an den Spätfolgen starb. Der Knast krempelte den notorischen Gewalttäter um. Heute gibt er im Auftrag von Jugendämtern Kurse zu Gewaltprävention in Schulen und Gefängnissen. In seinem Buch erzählt Sascha Bisley schonungslos und direkt von seinem Leben und seinem Weg zurück in die Gesellschaft. Ein krasser Bericht über menschliche Abgründe – und den Versuch, Abbitte für eine große Schuld zu leisten.

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Das Buch

Gewalt zieht sich wie ein roter Faden durch Sascha Bisleys Leben. Schon als kleiner Junge begeistert er sich für Waffen, als Jugendlicher glaubt er sich nur beim Prügeln stark und lebendig, Alkohol- und Drogenexzesse inklusive. 17 Verfahren wegen Körperverletzung und Nötigung sind das Vorspiel zu jener folgenreichen Tat, die alles ändert.

Im Jugendknast beginnt Sascha sich mit seinem vermurksten Leben auseinanderzusetzen. Wie hatte aus dem Nesthäkchen, aufgewachsen in einer idyllischen Waldrandsiedlung im Sauerland, ein solcher Gewalttäter werden können?

Auf seinen Selbsthass folgt Reue, auf Ausweglosigkeit der Wille, ein anderer Mensch zu werden. Als er nach einem Jahr U-Haft auf Bewährung freigelassen wird, ist noch lange nicht alles gut. Aber er beginnt seinen Weg in ein neues, besseres Leben.

In diesem Buch erzählt Sascha Bisley seine Geschichte: ehrlich, temporeich und mit einem ganz eigenen Sound.

Der Autor

Sascha Bisley, *1973, wuchs als jüngstes von sieben Kindern im Sauerland auf. Heute lebt er als Referent für Jugendämter und das Innenministerium von NRW, Filmemacher, Autor und Piercer in Dortmund. Er bloggt unter »dortmund-diary.de« und ist ein gefragter Lesebühnenautor.

SASCHA BISLEY

Zurück aus der Hölle

Vom Gewalttäter zum Sozialarbeiter

Econ

Einige Namen wurden gezielt verändert. Diese Änderungen dienen dem Schutz und der Sicherheit der jeweiligen Personen.

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein-buchverlage.de

Wir wählen unsere Bücher sorgfältig aus, lektorieren sie gründlich mit Autoren und Übersetzern und produzieren sie in bester Qualität.

ISBN: 978-3-8437-1044-2

© der deutschsprachigen AusgabeUllstein Buchverlage GmbH, Berlin 2015Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, MünchenAutorenfoto: Daniel Koch, Chokografie

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Für J. K.

INHALT

Über das Buch und den Autor

Titelseite

Impressum

Widmung

Wie immer. Alles scheiße

Ungebetener Besuch

Hineingesprungen in alle Versuchungen

Ab in den Knast

Hang zur Gewalt

Mit gebrochenen Rippen auf dem Boden

Kurze Karriere als Bombenleger

Ohnmachtsspiele

Familienersatz in falschen Kreisen

Eine Nase nach der anderen

Heroin, Hagebuttentee und ein versauter Selbstmord

Der Vater verstummt

Ein Brief an Jonathan

Countdown in der Einzelzelle

Tage in der Klapse

Angst, Angst, Angst

»Junge, mach das nie wieder!«

Gute Aussichten

Die wiederkehrenden Dämonen

Therapie gegen Gewalt

Schuld – und Dinge, die sich gut anfühlen

Dank

Feedback an den Verlag

Empfehlungen

WIE IMMER. ALLES SCHEISSE

Meine Erinnerung hat sich von den 3,3 Promille Blutalkohol befreit und steht breitbeinig in meinem Kopf. Mit den Händen in den Taschen lacht sie mich aus und nimmt mir jegliche Illusion, die Sache zu einem guten Ende zu führen. Fragmente setzen sich in meinem angeschlagenen Kopf zusammen, ich sehe den gestrigen Abend bruchstückhaft vor mir.

Getrunken, gekifft, das Übliche. Auch die Stimmung war wie immer, laut, schnell, aggressiv. Das war in den letzten Tagen nicht so gewesen. Mein Freund Phillip und ich hatten seit zwei Wochen ein altes Fachwerkhaus renoviert, weit draußen im Wald eines Vororts meiner Heimatstadt. Eigentlich bin ich handwerklich nicht so begabt, obwohl ich Schlosser gelernt und wenige Monate zuvor meine Gesellenprüfung zum Verfahrensmechaniker bestanden habe. Aber die Arbeiten an dem Haus machten uns Spaß, und wir konnten uns unsere Zeiten selbst einteilen. Einen Chef oder etwas Ähnliches gab es nicht vor Ort, somit stand unserer freien Entfaltung auch nicht wie sonst die Ablehnung jeglicher Autoritätspersonen im Weg. Irgendwie konnten wir uns nie daran gewöhnen, dass uns jemand sagte, was wir zu tun und zu lassen haben. Uns beiden hatte das schon in der Schule eine Menge Ärger eingebracht. Phillip zeigte mir alles, an das er sich selbst noch erinnern konnte. Den Rest improvisierten wir. Darin war er spitze. Ich bewunderte seine weltmännische Leichtigkeit, die viele als Naivität missverstanden. Er war ein Kauz, vielleicht. Für mich war er ein Mentor, ein Freund und, ja, auch eine Art Vaterfigur.

Das Fachwerkhaus war 1265 erbaut worden und schloss direkt an eine noch intakte Mühle an, deren Wasserrad durch den kleinen Bach angetrieben wurde, an dem sie errichtet worden war. Die ganze Hütte sah von innen so aus, als wäre seit der Fertigstellung niemand mehr darin gewesen, alles war voller Spinnweben. Die Sonne schien durch die muffig riechenden Holzplanken im oberen Stockwerk und ließ die von uns aufgewirbelten Staubkörner in ihren Strahlen auf und ab tanzen.

George hatte die Mühle gekauft. Er war ein Tätowierer aus England und lebte in der schrecklichen Stadt Hagen, in der auch sein Tattoo-Studio war. Die Betonbauten Hagens mit dem Charme eines Industriegebiets in Bitterfeld kurz nach dem Mauerfall veranlassten ihn zum Kauf der Mühle. Bezahlen wollte uns George mit Tattoos anstelle von Bargeld. Für Phillip und mich der perfekte Deal.

George war so um die fünfzig und wirkte sehr verlebt. Tiefe Furchen waren in sein Gesicht gegraben, und die langen Haare und die dürre Gestalt verstärkten den Eindruck, er wäre ein alter Indianer. Das kam ihm gelegen, denn er trug manchmal indianischen Schmuck, und auch bei den Tattoos hatte er sich auf diese Richtung spezialisiert. In seinem Laden waren indianische Armbänder mit Conchos und Federn daran der absolute Renner und somit der frühzeitliche Vorläufer der Arschgeweihe und Chinazeichen von heute.

George hatte uns einen kleinen Wohnwagen besorgt, den er auf dem Rasen vor der Mühle abstellen ließ. Darin hausten wir nun. In der Mühle konnte man ja noch nicht schlafen, und der tägliche Weg von zu Hause wäre viel zu weit und durch unsere täglichen Alkoholexzesse auch nahezu unmöglich gewesen.

Der Wohnwagen war ein beige-brauner Kasten mit nicht allzu viel Komfort. Phillip und ich verbrachten bei dem Scheißwetter viel Zeit auf der Sitzgruppe aus Eichenfurnier und spielten Karten. Er musste mir das Kartenspielen erst beibringen, weil ich es nie gelernt hatte. Meine Mutter sagte immer, Kartenspiele seien »Judenspiele« und dass es so was bei uns zu Hause nicht gäbe. Basta. Ich hatte das nie hinterfragt. Das hätte ich mal besser, denn jetzt jagt mir das Wort eine Gänsehaut über den Körper, wenn ich daran denke.

Ein- bis zweimal pro Woche kam George zur Mühle und füllte unseren Kühlschrank auf oder brachte uns Geld für Einkäufe vorbei. Er tauchte unangemeldet auf, weswegen wir Werkzeug vor die Mühle stellten, so dass es aussah, als hätten wir gerade noch gearbeitet. Unsere ausgedehnte Pause, die wir seit Stunden mit Zocken verbracht hatten, wurde so kommentarlos abgesegnet.

An diesem Freitag machen wir nur ein paar Kleinigkeiten am Haus, danach bereiten wir uns auf die Heimfahrt vor. Phillip und ich wollen zu mir, uns von meiner Mutter bekochen lassen, doch vorher wollen wir noch zu George, weil wir vor dem üblichen Saufgelage am Wochenende auf etwas frische Farbe in unserer Haut spekulieren.

Björn, ein Freund aus der Gegend, rollt mit seinem hellgrünen Strich-Achter-Mercedes auf den Rasen der Mühle und winkt uns zu. Wir steigen mit unseren gepackten Sachen in den Wagen und fahren los. Während mein Blick an den mit Stahlnetzen bespannten Steilhängen der bergigen Umgebung vorbeifliegt, unterhalten sich Phillip und Björn über den Ablauf der vergangenen Tage. Ich komme mir wie ein Eremit vor, der aus seinem Loch gekrabbelt ist. Ein paar Tage Abwesenheit reichen also aus, um den Anschluss an die anderen Jungs zu verlieren. Es gibt allerdings nicht viel Neues. Sauerland eben. Alles wie immer. Alles Scheiße.

Die Fahrt erscheint mir unendlich lang. Seit zwei Tagen habe ich Durchfall, und die zwei Biere, die ich im Benz getrunken habe, machen es nicht besser. Ich fühle mich etwas fiebrig, aber die Lust auf ein Tattoo und ein maßloses Wochenende überwiegt.

Das Studio hat aber schon geschlossen, als wir in Hagen ankommen. George muss wohl wegen etwas Wichtigem den Laden früher zugemacht haben. Das ist sonst nicht seine Art. Wir sind ziemlich verärgert und holen uns an der Pommes-Bude gegenüber für jeden von uns vier Kümmerlinge und ein Bier. Mein Magen zieht sich bei dieser Kombi zusammen und presst die Säfte nach unten; mir ist kalt, dann wieder heiß. Auf der Rückfahrt im Auto versuche ich nicht daran zu denken, es funktioniert nicht besonders gut.

Zu Hause begrüßt uns meine Mutter mit etwas übertriebener Freude. Sie hat Essen gemacht und einen Brief für mich, den ich schnell öffnen soll.

Auf dem Absender steht: »Kreiswehrersatzamt Hagen«.

Ich atme kurz durch, sehe Phillip an und nicke bedeutungsvoll mit dem Kopf. Wir müssen beide grinsen. Nachdem ich den Brief kurz überflogen habe, teile ich meiner Mutter und Phillip mit, dass ich in knapp zwei Wochen meiner Verpflichtung zum Soldaten auf Zeit nachkommen und für unser Vaterland in die Armee einrücken soll. Nach Paderborn. Zu den Panzerjägern. In Phillips Gesicht entdecke ich verwunderte Freude, im Gesicht meiner Mutter taucht Hoffnung auf. Sie stellt sich vor, dass man durch militärische Strenge und einen geregelten Tagesablauf so etwas wie ein funktionierendes Mitglied der Gesellschaft aus mir machen könnte. Vielleicht ist die Bundeswehr wirklich das Beste für mich. Ein Arschtritt. Für meine Zukunft. Das sollte gefeiert werden.

Phillip und ich fahren nach dem Essen mit dem Bus in die Stadt, suchen mehrere Kneipen auf, bestellen Bier und Schnaps, erst hintereinander, dann zusammen. Ich weiß nicht, wie viel ich gesoffen habe, aber ich bin ziemlich voll.

Den Kneipen folgen Diskotheken und weitere Getränke. Freunde tauchen auf, reden mit uns über die Renovierung, die letzten Tage, die Bundeswehr, verabschieden sich. Ich nehme alles wie durch einen Schleier wahr, leicht gedämpft. Getaucht in das Licht, das mir am besten gefällt. Ich bin fertig. Ich fühle mich nicht wie ein Neunzehnjähriger, ich fühle mich alt. Alt und versoffen. Alt, versoffen und dringend reparaturbedürftig. Ich will ins Bett. Phillip bestellt uns noch ein Bier, dazu ordert er Tequila. Aufgeben gibt’s nicht. Hart angeschlagen verlassen wir die Barfrau Susi, ihren Tresen und den Laden.

Vor dem Parkplatz treffen wir ein paar Bekannte. Punks aus der Nachbarschaft und ein paar Mädels, die sie im Schlepptau haben. Die bunten Jungs erzählen von einem Penner und seiner weiblichen Begleitung, die sie gerade in einem nahegelegenen Park getroffen haben. Die Frau sei extrem besoffen und habe ständig ihren Rock hochgezogen und darum gebettelt, von irgendwem gefickt zu werden. Wahrscheinlich, um ihrem Typen eins auszuwischen. Egal warum, es reicht, um unser Interesse in einen Wunsch nach einer persönlichen Einschätzung der Lage umzuwandeln. Phillip und ich sagen den Punks, dass wir uns das jetzt mal genauer ansehen werden, und verabschieden uns.

Auf dem Weg zum Park holt Phillip seine kleine Pfeife aus der Hosentasche und füllt den Kopf mit geübten Handgriffen mit etwas Haschisch, das wir noch aus dem Wohnwagen mitgenommen haben. Er raucht das Teil an und hält es mir hin; ich nehme ein paar tiefe, feste Züge. Der warme Rauch verteilt sich brennend in meiner Lunge, die nach dem ganzen Alkohol nicht mehr so empfindlich ist wie sonst, wenn ich kiffe.

Der Park liegt direkt vor uns, am Eingang steht ein kleiner, aus Stein gehauener Berliner Bär, auf dessen Sockel die Entfernung von 483 Kilometern zur Hauptstadt eingemeißelt ist.

Von der begattungswilligen Frau fehlt jede Spur. Wir gehen den Park langsam ab, dann treffen wir auf ihn, den besagten Penner. Ohne Frau, dafür ähnlich besoffen, ähnlich geladen wie wir. Das Interesse an der Alten weicht sofort einem Zustand, den ich gut kenne. Die Situation erinnert mich an ein Duell in einem Westernfilm, bis auf den Umstand, dass es hier nicht sehr ausgeglichen wirkt. Er ist allein, wir sind zu zweit. Er ist betrunken, wir sind betrunken und verrückt. Kurzer Blickkontakt, genaues Taxieren der Möglichkeiten. Die Einschränkung durch den Alkohol scheint immer wie weggewischt, sobald ich das Gefühl habe, jemand tritt in meinen persönlichen Bereich. Ich kann es förmlich riechen, dass der Typ mir gleich im Weg stehen wird. Fehlt eigentlich nur noch der Pianist, der aufhört zu spielen, weil er Angst hat, getroffen zu werden.

Den Umweg durch den Park werden wir noch bereuen. Er auch.

»Wichser!«, zischt er uns zu, als wir auf seiner Höhe sind.

Im Halbdunkel sehe ich sein Gesicht nicht, muss ich auch nicht, seine Umrisse reichen aus, um mein Ziel zu erkennen. Was dann passiert, fühlt sich mittlerweile an wie einstudiert, wie eine Choreographie. Der erste Schlag trifft ihn am Kopf und lässt ihn in sich zusammensacken. Alkohol und Adrenalin streiten sich in mir um den Thron, Adrenalin liegt vorne.

»Was jetzt, du Stück Scheiße? Wer ist jetzt der Wichser?«

Wir stürzen uns auf ihn, ich packe ihn an den Haaren und ziehe seinen Kopf hoch, mit der rechten Faust schlage ich ein paarmal in sein Gesicht, bis mir die Hand weh tut. Er wimmert und will aufstehen. Ich gehe zwei Schritte zurück, meine Hand schmerzt. Er brüllt mich an, unverständlich, versucht uns mit seinem blutigen Mund anzuspucken. Ich nehme Anlauf und trete ihm ins Gesicht, seine Nase bricht unter dem Druck meiner schweren Schuhe.

Er fällt nach hinten auf den Rücken und ist da, wo ich ihn haben will. Kein Entkommen. Ich springe hoch und bearbeite jetzt von oben sein Gesicht, immer und immer wieder. Phillip kniet neben ihm und schlägt mit der Faust auf seinen Körper und die Beine ein. Als sein Kopf zur Seite sackt, stelle ich mich neben ihn und stütze mich mit den Händen auf meine Knie. Ich bin außer Atem, mein Herz rast, ich kriege kaum Luft. Nach ein paar Atemzügen wird es besser. Ich versuche im Dunkeln zu erkennen, wo sein Kopf liegt, man kann ein Blubbern und Röcheln hören.

Mit voller Wucht stoße ich in die Richtung, aus der das Röcheln zu kommen scheint. Das Geräusch der Tritte verändert sich von Mal zu Mal, es wird lauter, irgendwie feuchter. Ich merke, wie mein Schuh tiefer in sein Gesicht eindringt. Bei jedem Tritt. Ich trete weiter zu. Immer und immer wieder. Bis ich mir zwei Zehen meines rechten Fußes breche. Das Röcheln hat aufgehört.

Ich muss lachen. Mein Atem ist schnell und wild, ich fühle mich gut. Ich fühle mich besser als der da unten. Obwohl ich ihn in der Dunkelheit nicht richtig sehe, weiß ich, dass er dabei ist, über den Abgrund zu sehen. Der Abgrund, der die Gewinner von den Verlierern trennt. Ich bin heute Gewinner, so viel ist sicher. Mein Mund ist klebrig und stumpf vom durchgeatmeten Speichel, der sich im Laufe der Anstrengung in meinen Mundwinkeln festgesetzt hat. Die Zehen klopfen schwellend an die Innenseiten meiner Stahlkappen, deren Kälte in meine Füße zu kriechen beginnt.

»Lass uns hier abhauen«, schreie ich Phillip unter angestrengtem Hecheln zu. Wir wenden uns von dem Penner am Boden ab und rennen los.

Die Seitenstraße neben dem Park ist hell erleuchtet, alle zwanzig Meter steht eine hohe, gelb scheinende Straßenlaterne, die unsere Schatten beim Rennen gegeneinander antreten lässt. Nach etwa hundert Metern müssen wir allerdings stoppen, ich bekomme keine Luft mehr. Wir bleiben stehen, sehen uns an und lachen. Wir geben uns High Five und rennen weiter.

Auf der Hauptstraße wechseln wir in ein normales Tempo, um nicht zu sehr aufzufallen, obwohl zu dieser späten Zeit nicht mal die Polizei unterwegs ist. Aber sicher ist sicher. Wir torkeln, uns in den Armen liegend, durch die laue Septembernacht, auf dem Weg zur Wohnung meiner Mutter.

Der Alkohol kommt langsam zurück, seine Wirkung vertreibt das Adrenalin, das mich bis gerade eben noch spüren ließ, ich wäre ein unbesiegbarer Krieger. Trotzdem fühle ich mich gut, besoffen oder nicht. Ich bin lebendig und stark, ein unbeschreibliches Empfinden. Da kann der Schwanzlutscher sich morgen mal fragen, ob es die richtige Entscheidung war, uns blöd zu kommen, denke ich. Schlauer fürs nächste Mal.

»Wer ist jetzt der Wichser?«, schreie ich nochmals über meine Schulter zurück.

Humpelnd wanke ich nach Hause, Phillip lallt dazu Rockabilly-Songs durch die Nacht.

In der Küche mache ich mir ein Brot mit Leberwurst und gehe ins Bett. Phillip klappt die Schlafcouch aus und legt sich wortlos und gähnend hin. Ich bin müde, es war ein harter Tag. Ich schlafe sofort ein.

UNGEBETENER BESUCH

Das Sondereinsatzkommando klingelt um 11.43 Uhr an der Tür. Meine Mutter ist mit einer Freundin auf einer Kaffeefahrt in Holland, Heizdecken kaufen. Der Restalkohol hat mich so im Griff, dass ich erst nach dem dritten Klingeln reagiere. Phillip schläft wie ein müder Hund in seinem Körbchen. Mit verklebten Augen, in Boxershorts, öffne ich die Tür.

Ein Faustschlag trifft mich mitten ins Gesicht, lässt mich in den Flur taumeln und zu Boden gehen. Ich bekomme das Bein eines Stuhls zu fassen und versuche damit auf die Eindringlinge einzuschlagen, vergebens. Breitbeinig steht eine Gestalt in grünem Overall über mir, entreißt mir den Stuhl und schreit mich an. Jetzt erst erkenne ich die Aufschrift »« auf seinem Helm und dass er eine Maschinenpistole auf mich gerichtet hat.

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