Zwei Ehen - ein Leben - Heinrich-Andreas Makiela - E-Book

Zwei Ehen - ein Leben E-Book

Heinrich-Andreas Makiela

0,0

Beschreibung

Ing. Heinrich-Andreas Makiela wurde in Ost-Oberschlesien, Polen im Jahr 1932 geboren, wo er bis 1973 lebte. Im Jahr 1973 kam er als Spätaussiedler in die Bundesrepublik Deutschland, wo er bis heute lebt. In diesem Buch „Zwei Ehen – ein Leben – eine Autobiografie“, beschreibt er sein Leben in erster und zweiter Ehe. Er ist Autor von vier Büchern. Drei Bücher sind in deutscher Sprache erschienen: „Schritte zum eigenen Heim“ – 2006, ISBN 3-8334-4818-0. In diesem Buch gibt er zukünftigen Bauherren Tipps und Empfehlungen. Weiterhin: „Traumhaus“ – 2006, ISBN 978-3-8334-6785-1. In diesem Buch beschreibt er seine Auseinandersetzungen mit Maklern, Architekten, Bauunternehmern, Handwerkern, Nachbarn, Sachverständigen usw. Ebenso: „Das nicht nur geschlagene Kind“, 2016, ISBN 978-3-7528-8372-5. In diesem Buch – eine Biografie – beschreibt er sein Leben von seiner Geburt bis zu seinem 23. Lebensjahr. Ein Buch erschien im Jahr 2011 in polnischer Sprache. In diesem beschreibt er die Erinnerungen aus dem Leben in seinem Geburtsort in Oberschlesien, Polen, aus den Jahren 1932 bis 1973.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 342

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Die Zeit von 1955 – 1973 in Oberschlesien, Polen

Die Zeit von 1973 – 2017 in der Bundesrepublik Deutschland

Nachwort

Vorwort

Viele Junggesellen wohnen bei der Mutter – sozusagen im „Hotel Mama“ – oder in einer Junggesellenwohnung. Bei der Mutter sind ihre Freiheiten etwas eingeschränkt. In der eigenen Wohnung sind sie besser dran, da sie mit der Mutter bzw. mit einer Partnerin kein gemeinsames Inventar besitzen und so freier sind. Seine Freizeit kann der Junggeselle so verbringen, wie es ihm gefällt. Aber da fühlt er sich meistens einsam und in der Haushaltsführung oft etwas unbeholfen. Man könnte sagen, dass es ihm bei einem solchen Lebensstil an nichts fehlt. Meistens fehlt ihm aber doch eine weibliche Person, so eine, die für ihn liebevoll sorgt, wie einst die Mutter.

So sehnen sich doch viele Junggesellen nach einem Leben zu zweit, mit einer Partnerin. Die meisten erwarten von ihr auch, dass sie für ihn liebevoll sorgt, wie einst die Mutter. Manche behaupten, dass man zu zweit viele Probleme besser lösen könne, die aber, wenn sie alleine geblieben wären, gar nicht entstanden wären.

Eine Partnerin, die mit einer Mutter zu vergleichen wäre, ist heutzutage sehr schwierig zu finden. Denn heutzutage sind die Partnerinnen meistens auch von ihren Müttern verwöhnt, und so erwarten sie, dass ihr Partner ihnen die Mutter teilweise ersetzt. In der Zeit, als unsere Mütter noch Mädchen waren, mussten sie im Haushalt helfen, und so wurden sie auf das spätere Leben in eigener Familie vorbereitet. Noch in meiner Jugendzeit leisteten viele Mädchen nach Abschluss der Schulzeit, im Alter ab 14 Jahren, Dienste in anderen Familien, halfen im Haushalt, betreuten kleine Kinder usw. So waren sie auf das spätere Familienleben als Ehefrau und Mutter vorbereitet. Die heutigen Mädchen schämen sich, solche Dienste zu verrichten. Es zählen nur eine gute Ausbildung, ein erlernter Beruf, zur Arbeit zu gehen und am liebsten unverheiratet zu bleiben. Und dann möchten sie nur mit einem Partner leben, der bei den Hausarbeiten mithilft.

Das Zusammenleben in einer Partnerschaft ohne Trauschein ist einerseits gut, denn die zwei Partner können sich in der Zeit besser kennen lernen. Im Falle, dass sie nicht zusammen passen, können sie sich problemlos trennen und eventuell eine neue Partnerschaft bilden. Wenn sie zusammen passen, dann bleiben sie zusammen, mit oder ohne Trauschein, bleiben kinderlos oder gründen eine Familie.

Solche Freiheiten, wie ein eheliches Zusammenleben zweier geschlechtsreifer junger Menschen ohne Trauschein, so auf Probe, war in meinen jungen Jahren nicht möglich. Junge Menschen, meistens Mädchen, waren von den Eltern und von der katholischen Religiosität so geprägt, dass so ein Leben vor der Eheschließung eine Sünde sei. Solche begangenen Sünden musste man bei der Ohrenbeichte dem Priester bekennen. In vielen Ländern und Religionen existieren immer noch solche Sitten, dass Geschlechtsverkehr nur in der Ehe möglich ist. In diesen Ländern werden diese Sitten von den unverheirateten jungen Menschen auch ernst genommen.

Viele der weiblichen Partner unterscheiden sich heutzutage in ihren Verhalten kaum von den männlichen. Früher kochten die Mädchen wie ihre Mütter, trugen Kleider, Röcke usw. Und heute? Sie tragen lange Hosen, üben männliche Berufe aus, rauchen, trinken usw., wie ihre Väter. Die Mädchen von heute sind männlicher geworden. Einige Jungs haben sich inzwischen auch der heutigen Zeit angepasst und sind etwas weiblicher geworden. Sie laufen auf den Straßen in kurzen Hosen herum, helfen im Haushalt – kochen, waschen, bügeln, betreuen Kinder usw.

Witz!

Albert fragt Fritz: „Wie heißt eine Frau, die Wäsche macht?“ – „Waschfrau“, antwortet Fritz. Albert: „Richtig, und wie heißt ein Mann, der Wäsche macht?“ – „Waschmann", antwortet Fritz. „Nein, so einen Mann nennt man ,Arschloch’", sagt Albert.

Dem Lebensstil der heutigen jungen Generation – zusammen leben ohne Trauschein – stimme ich zu. Denn eine Ehe einzugehen, ohne sich vorher in allen Lebensbereichen gut genug zu kennen, ist aus meiner Sicht nicht zu empfehlen. Nur im Zusammenleben vor der Eheschließung kann man sich gut kennen lernen. Wenn man nicht zusammen passt, so kann man die Partnerschaft ohne Gerichtsverhandlungen auflösen.

In einer Ehe kann es auch zu Kämpfen kommen, laut und still, schmerzlich und schmerzlos usw., und das aus verschiedenen Gründen. Es liegt manchmal auch daran, dass die Partner aus zwei verschiedenen Häusern kommen, wo auch unterschiedliche Lebensstile herrschten.

In der Partnerschaft stellt sich die Frage, wer die Finanzen übernimmt, den Haushalt führt, die Kinder erzieht usw. Meistens werden die Probleme irgendwie gelöst und das Eheleben läuft einigermaßen weiter. Wie die jungen Menschen zueinander stehen, das beobachten meistens ihre Eltern. Und das besonders, wenn sie zusammen mit den Eltern wohnen, oder wenn diese zu Besuch kommen. Meistens wird die negative Seite des anderen Kindes beobachtet, und dann wird das eigene Kind darauf aufmerksam gemacht. Das eigene Kind wird sozusagen gegen den Ehepartner aufgehetzt, und so geht meistens der Kampf des Ehepaares weiter, und man weiß nie, wie er enden wird.

Die Zeit, in der sich ein Paar kennen lernt, verläuft meistens so: Er spricht viel und sie hört ihm zu. Vor der Hochzeit ist es wiederum so, dass sie viel spricht und er hört ihr zu. Und nach der Hochzeit ist es meistens so, dass beide viel und laut sprechen und die Hausbewohner hören zu.

Na ja. Heiraten ist nichts Neues. Die Medien berichten sehr viel Negatives, darüber gesprochen wird in den Familien, unter den Menschen usw. Und trotzdem geben sich jedes Jahr so viele Paare das „Ja-Wort“.

In meinem Buch beschreibe ich meine Erlebnisse als Junggeselle, Ehemann, Schwiegersohn, Vater von zwei Kindern, Großvater und Urgroßvater. Als „Alleinlebender“ – getrennt von der Frau, den Kindern und den Schwiegereltern, am Ende geschieden. Aber dann doch wieder verheiratet.

Dezember 2017 Heinrich-Andreas Makiela

Die Zeit von 1955 - 1973 in O/S, Polen

Im Herbst 1954, im Alter von 22 Jahren, leistete ich den polnischen Wehrdienst ab. Ich verließ die Kaserne als Unteroffizier, ausgezeichnet mit dem Orden „Vorbildlicher Soldat“. Ich kehrte zurück in meinen Geburts- und Wohnort Dąbrówka Wielka (Gross-Dombrowka), Oberschlesien, Polen und wohnte weiter zusammen mit meinen Eltern und den Geschwistern. Unsere Familie bestand in dieser Zeit aus sieben Personen: die Eltern und fünf Kinder (geb.: ich 1932, erster Bruder 1936, zweiter Bruder 1941, dritter Bruder 1945, zweite Schwester 1953). Die erste Schwester (geb. 1931) war schon verheiratet und wohnte nicht mehr bei uns.

Unsere Wohnung bestand aus drei Zimmern: Küche, Wohn- und Schlafzimmer, kein Bad und eine Trockentoilette draußen im Hof. Gekocht und geheizt wurde mit Kohle. Leitungswasser gab es in der Wohnung, aber ohne Wasserabfluss. Schmutzwasser musste man in einem Eimer nach draußen tragen, und es wurde je nachdem, wie stark es verschmutzt war, im Hof, auf der Straße oder auf dem Misthaufen ausgeschüttet. Die Trockentoilette, Misthaufen, ein Stall für Kohle, Holz und auch für einige Tiere befanden sich im Hof des Anwesen. Um dorthin zu gelangen musste man aus der Wohnung herausgehen.

Das Familienbad am Samstag fand in einer größeren Badewanne in der Küche statt, die nach dem Bad in den Keller getragen wurde. Zuerst wurde das kleinste Mitglied der Familie gebadet, und dann nach dem Alter weiter. Bei dem nächsten Badenden wurde nur etwas heißes Wasser hinzugegossen, das auf dem Ofen heiß gemacht und gehalten wurde. Das Badewasser wurde nach dem Bad aus der Wohnung in einem Eimer nach draußen getragen und auf die Straße oder in den Rinnstein ausgeschüttet.

Hausabfälle gab es fast keine, alles Verbrennbare wurde im Kohleofen verbrand. Faulige Abfälle wurden auf dem Misthaufen entsorgt, alle anderen in der Aschegrube.

Im Jahr 1952 machte ich das Fachabitur per Abendstudium, da ich schon seit dem Jahr 1950, mit 18 Jahren, berufstätig war. Nach dem Abitur wollte ich ebenfalls per Abendstudium Ingenieurwesen in der mechanischen Fachrichtung studieren. Im Jahr 1952 musste ich den polnischen Wehrdienst leisten. Der von mir gestellte Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht wurde abgelehnt. Mir wurde damals als Alternative zum Abendstudium ein Fernstudium empfohlen, was ich dann wohlwollend auch gemacht habe. Das Fernstudium Ingenieurwesen – Fachrichtung: Anlagenbauplanung, das ich vor meinem Wehrdienst im Jahr 1952 begann, studierte ich während des Wehrdienstes und danach weiter.

Da ich im Jahr 1952 wegen der Wehrpflicht am Abendstudium nicht teilnehmen konnte, war ich sehr verärgert. Ich bin sogar zu dem Ergebnis gekommen, dass Fernstudium eine bessere Lösung als Abendstudium sei. Denn zum Abendstudium musste man bei den Vorlesungen an den Abenden dabei sein. Egal, ob es einem passte oder nicht. Abwesenheit war von den Professoren bzw. den Dozenten immer ungern gesehen. Im Fernstudium konnte ich mir die Lernzeit so einteilen, wie es mir passte. So konnte ich nach dem Wehrdienst sagen: „Ende gut, alles gut.“

Ein weiterer Vorteil war der, dass ich in den zwei Jahren Wehrdienst eine andere Disziplin als zu Hause lernen konnte und andere Gegenden und Menschen kennen lernte. Dazu war ich zwei Jahre fast den ganzen Tag lang an der frischen Luft. Und so, am Ende des Wehrdienstes, war ich den Bürokraten dankbar, die meinen Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht abgelehnt hatten.

Vor dem Wehrdienst arbeitete ich im Konstruktionsbüro als Konstrukteur am Reißbrett in einem Bergbaubetrieb in Bytom (Beuthen, O/S). In dem Unternehmen wurden Nichteisenerze (Blei) im Untertagebau abgebaut und im Flotationsverfahren bearbeitet. Es war bis zum Kriegsende im Jahr 1945 in Betrieb. Nach 1945 plünderten die Siegermächte die Anlage aus und ließen nur die leeren Gebäude stehen.

Nach dem Wehrdienst nahm ich im November 1954 bei meinem alten Arbeitgeber in Bytom (Beuthen) die Arbeit als Oberkonstrukteur im Konstruktionsbüro auf. Der Aufbau der Anlage, der im Jahr 1950 begonnen hatte, war immer noch im Gange. Das Hauptproblem des Aufbaus lag darin, dass man die benötigten Maschinen in den kommunistischen Ländern nicht kaufen konnte. Diese eventuell in den westlichen Ländern zu kaufen, dafür fehlten dem polnischen Staat die nötigen Devisen. Aufgrund der fehlenden Devisen mussten wir Konstrukteure viele der benötigten Maschinen unter Anleitung der wenigen noch verbliebenen oberschlesischen (deutschen) Techniker und Ingenieure konstruieren. Zwei Ingenieure möchte ich hier erwähnen, denn von ihnen habe ich vieles für mein späteres Berufsleben gelernt. Es war der Abteilungsleiter des Konstruktionsbüros Herr Ing. Zając sowie Herr Ing. Mruzek, der die Aufbauarbeiten der Anlage führte. Die beiden Ingenieure erwähnte ich in meinem Buch: „Das nicht nur geschlagene Kind“ – Autobiografie aus den Jahren 1932 - 1955, Abschnitt: „Die Jahre 1950 – 1952“.

Die Arbeitszeit im Konstruktionsbüro begann um 7:00 Uhr und endete um 15:00 Uhr. Zur Arbeit fuhr ich mit der Bahn von Dąbrówka Wielka bis Szarlej (Scharley) und umgekehrt zurück nach Hause. Mein Arbeitsplatz vom Bahnhof in Szarlej befand sich ca. 3 km entfernt, und die Strecke musste man zu Fuß, bei jedem Wetter, hinter sich bringen.

Foto, nächsten Seite: Ich (24) am Reißbrett mit dem schon erwähnten Abteilungsleiter des Konstruktionsbüros, Herrn Ing. Zajac. Auf dem Reißbrett ist die Zeichnung eines Walzenbrechers zu sehen, den ich nach den Festigkeitsberechnungen konstruierte.

Der Walzenbrecher wurde nach meinen Werkstattzeichnungen gebaut und arbeitete in unserer Anlage. Mit großer Freude sah ich mir immer die Maschinen und andere Objekte in der Anlage an, die ich konstruiert hatte.

Foto: Ich (24) am Reißbrett mit Herrn Ing. Zajac – 1954

Bis zum Alter von 23 Jahren lernte ich einige Mädchen kennen, aber das waren Bekanntschaften, die ich aus welchem Grund auch immer nicht zu ernst nahm. Denn wegen des Abendstudiums im Technikum, und dann wegen des Fernstudiums und des Wehrdienstes, hatte ich wenig Zeit für Mädchen.

Im Herbst 1954 organisierte der Elternbeirat eines Kindergartens in unserem Ort einen Tanzabend für eine geschlossene Gesellschaft. Meine Schwester gehörte zu den Organisatoren des Tanzabends, und so war ich auch dabei. Gegen 22 Uhr betrat ich den schön geschmückten Saal und nahm Platz am Tisch, an dem meine Schwester mit ihrem Mann saß. Irgendwann rief eine Dame, die die Tanzgesellschaft durch den Tanzabend führte, zu einem Gesellschaftsspiel auf, an dem viele Paare teilnahmen. Das Spiel war der Tanzgesellschaft bekannt. Ich machte mit.

Die Tanzkapelle spielte die dazu vorgesehene Musik, und die Teilnehmer des Spieles bildeten einen Kreis, mit den Gesichtern zur Mitte des Kreises. Sie hielten sich an den Händen und gingen im Kreis herum. In der Mitte des Kreises ging in umgekehrter Richtung eine Person, dabei sangen alle Teilnehmer, übersetzt aus der polnischen Sprache: „Ich habe ein Tuch, wem soll ich es geben? Ich gebe es nur dem zum Andenken, den ich lieb finde. So lege ich es vor dir hin und küsse dich auf dem Tuch.“ Und das Spiel geht so: Die Person mit dem Tuch wählt eine Person aus dem Kreis, und auf dem ausgelegten Tuch, kniend, küssen sich die beiden – immer ein Mann und eine Frau. Nach dem Kuss geht die ausgewählte Person in die Mitte des Kreises, um wieder eine Person auszuwählen. Und so wiederholt sich das Spiel wieder.

Auf dem Tanzabend war ein junges, 16-jähriges Mädchen mit dem Vornamen Irene zusammen mit ihren Eltern. Nun bekam Irene das Tuch von einem jungen Mann, der schon seit einiger Zeit ihre Annäherung suchte. Das erfuhr ich erst einige Monate später. Irene spazierte mit dem Tuch, rot im Gesicht, herum. Nach einer Bedenkzeit wählte sie mich aus, und wir küssten uns, kniend, auf dem ausgelegten Tuch. Sie hatte mich ausgewählt, da ich für sie ein ihr unbekannter junger Mann war. Irenes Vater kannte ich zu dieser Zeit schon, sie und ihre Mutter aber nicht. Irene besuchte damals ein Technikum – Fachrichtung „Finanzen“. Sie wohnte seit ihrer Geburt bei ihren Eltern in Dąbrówka Wielka, wo ich auch von Geburt an wohnte. Ich traf Irene manchmal auf der Straße im Ort. Da ging sie immer mit gesenktem Kopf auf mich zu. Ich grüßte sie jedenfalls, bekam auch eine Antwort, und wir gingen weiter, ohne anzuhalten.

Im Herbst 1955 traf ich mich an manchen Sonntagen nachmittags mit meinen besten Freunden aus der Schulzeit, mit Josef und Jan, zum Kartenspielen. Wir spielten meistens Skat, und der Verlierer musste eine Schnapsrunde spendieren. Als wir nach einigen Runden in guter Stimmung waren, machten wir einige Runden im Ort, um frische Luft zu schnappen. An einem Sonntag, als wir einige Runden im Ort drehten, trafen wir Irene mit ihren Freundinnen Martha und Agnes. Mein Freund Josef kannte Agnes schon, da sie im selben Betrieb arbeiteten. Wir standen mit den Mädchen längere Zeit auf der Straße und unterhielten uns. Danach begleiteten wir sie nach Hause. Seit dieser Zeit trafen wir die drei Mädchen sonntags öfters. Einmal lud uns Agnes zum Kaffee in ihr Elternhaus ein. Wir nahmen die Einladung gerne an. Am nächsten Sonntag lud uns Irene zum Kaffee ein und später auch Martha. Bei diesen Gelegenheiten lernten uns ihre Eltern kennen und wir sie auch. Bis zum Jahresende 1955 trafen wir uns mit den Mädchen, besuchten sie auch zu Hause zum Kaffeetrinken, aber immer in der Gruppe. Man konnte schon spüren, dass ich zu Irene neigte und Josef zu Martha. Unser Freund Jan mochte die Mädchen aus unserem Ort nicht, und so zeigte er auch kein Interesse an Agnes.

Eines Tages, im Januar 1956, als ich zum Bahnhof kam, da traute ich meinen Augen nicht, denn ich sah Irene vor dem Bahnhof stehen. Ich fuhr wie sie mit der Bahn zur Arbeit, sie zum Technikum, jedoch jeder in eine andere Richtung. Mein Zug ging um 6:30 Uhr und Irenes Zug um 6:55 Uhr. Und so hatten wir uns nie am Bahnhof vor den Abfahrten der Züge gesehen. Nun fragte ich sie, ob die Uhr bei ihr zu Hause schlecht gehe. Sie sagte, dass sie früher gekommen sei, um mich zu sprechen. Sie fragte mich, ob ich und Josef am Abend zu Martha kommen könnten. Warum wir dorthin kommen sollten, das wusste sie angeblich nicht. Ich sagte ihr, dass wir bestimmt kommen werden, und wenn er nicht könnte, dann würde ich alleine erscheinen. Wir trafen uns am Abend bei Martha. Martha hatte einige Häppchen und Tee vorbereitet, und so saßen wir am Tisch, bis Martha endlich den Mut hatte und uns sagte, worum es ihnen ging. Sie wollten wissen, ob wir Lust hätten, mit ihnen zu einem Tanzabend zu gehen, den eine Handwerkskammer organisierte. Eigentlich hatten ihre Eltern, die selbstständige Tischlerhandwerker waren, die Einladung zu dem Tanzabend erhalten. Jedoch hatten ihre Eltern keine Lust, dort hinzugehen, und so wollten sie, dass ihre Töchter mit uns gehen. Wir sagten zu. An jenem Tag fuhren wir mit dem Zug von unserem Ort nach Piekary Śląskie (Deutsch Piekar), wo der Tanzabend stattfand. Ich tanzte vorwiegend mit Irene und Josef mit Martha. Am nächsten Tag in der Frühe kamen wir ebenfalls mit dem Zug zurück nach Hause.

An dem Tanzabend fragte ich Irene, ob wir uns beide an Sonntagen regelmäßig treffen könnten. Irene sagte mir, dass sie erst mit ihren Eltern darüber sprechen möchte, und sie würde mir bei nächster Gelegenheit die Antwort geben. Ihr Standpunkt gefiel mir eigentlich nicht, denn es kam mir so vor, als ob die Eltern bestimmten, wer ihr Freund werden sollte. Vielleicht war sie noch nicht erwachsen genug. Im März sollte Irene ihren 18. Geburtstag feiern. Warum sie zu dieser Zeit so von den Eltern abhängig war, das habe ich erst einige Monate später erfahren. Wie ich schon erwähnte, war ihr Vater Wiktor ein Handwerker, ein Tischlermeister mit eigener Tischlerwerkstatt, wo hauptsächlich Möbel hergestellt wurden.

Irene war das einzige Kind der Eheleute, und so waren sie sich nicht einig, welchen Beruf Irenes zukünftiger Ehemann haben sollte. Der Vater bestand darauf, dass Irenes zukünftiger Ehemann ein Tischler sein müsste, damit er einmal seine Tischlerwerkstatt übernehmen könnte. Und so hatte ihr Vater für sie einen einheimischen jungen Tischlermeister im Auge. Der junge Mann soll sogar schon einige Male bei ihnen zu Hause zu Besuch gewesen sein. Irenes Mutter, Marie, bestand darauf, bloß keinen einheimischen Partner für Irene zu suchen, und dazu noch einen Tischler von Beruf. Keinen Einheimischen, da Irenes Eltern bereits durch frühere familiäre Bindungen miteinander weitschichtig verwandt waren. In den kleinen Orten war es früher üblich, dass ab dem vierten Verwandtschaftsgrad geheiratet werden durfte. Mutter Marie hatte sogar einen Onkel, der geistig verwirrt war. So war sie wohl der Meinung, dass fremdes Blut in die Beziehung ihrer Tochter Irene gebracht werden müsste, um weitere Inzucht zu vermeiden.

Keinen Tischler für Irene auch deshalb, weil sie schon genug von dem Tischlerleben ihres Mannes und von der Tischlerei an sich hatte. Zwar konnte man zu dieser Zeit in den staatlichen Verkaufsstellen schon mehr Material (Holz, Leim, Farbe usw.) für die Tischlerei kaufen, aber das Material war immer noch eine Mangelware. Und im sozialistischen Staat wurden die privaten Handwerksbetriebe sehr streng beobachtet und mit Hausdurchsuchungen und Steuerzuschlägen kaputt gemacht. So war Irenes Mutter der Meinung, dass ihr zukünftiger Ehemann in einem staatlichen Betrieb arbeiten und so sein verdientes Geld monatlich nach Hause bringen sollte, damit auch die Familie krankenversichert wäre. Auch sollte der Ehemann das Haus zur Arbeit verlassen, damit Irene in dieser Zeit zu Hause in Ruhe ihre Hausarbeiten ausführen könnte.

Irene hatte nicht lange gewartet, um mir die Antwort zu geben, ob wir uns beide an Sonntagen regelmäßig treffen könnten. Denn einige Tage später wartete sie wieder am Bahnhof auf mich und sagte mir, dass ihre Eltern mit der Freundschaft mit mir einverstanden wären. So vereinbarten wir, dass ich am kommenden Sonntag gegen 16:30 Uhr zu ihr in die Wohnung der Eltern kommen sollte. Seitdem sahen wir uns an jedem Sonntag. Und so begann die Freundschaft mit Irene. Sie war 18 Jahre alt, Sternzeichen Fische, und ich 24 Jahre, Sternzeichen Löwe. Längere Zeit wollte Irene mit mir nicht am helllichten Tag spazieren gehen, sie war noch sehr schüchtern.

Alle Mädchen, die ich vorher kennen gelernt hatte, hatten dunkle Haare und dunkle Augen – brünette, denn nur solche haben mir gefallen. Irene war das erste Mädchen mit hellen Haaren und blaugrünen Augen.

Löwen-Mann und Fische-Frau – passen die zusammen? Die Horoskope schreiben einiges über die Menschen, angepasst an ihre Sternzeichen. Zu „Löwen-Mann“ lese ich unter anderem folgendes: Eine Frau, die mit einem Löwen in Beziehung tritt, muss sich einen Ratschlag merken: Nie, niemals darf man ihn an der Nase herumführen. Was man ihm versprochen hat, sollte man halten. Der Löwen-Mann liebt keine Tändeleien. Wer nicht gewillt ist, ihm bis ans Ende zu folgen, lasse sich erst gar nicht mit ihm ein. Er glaubt, die Frauen müssen immer für ihn da sein, weil er selbst immer bereit ist, für sie da zu sein. Zu „Fische-Frau“ lese ich unter anderem folgendes: Sie ist feinfühlig, geduldig, sanft und tolerant. Längere Zeit kann sie nicht verzeihen, und sie kann auch untreu werden. Sie ist unentschlossen und führt deswegen ihr Leben lieber unter Anleitung. Man kann sie schlecht durchschauen und verstehen. Sie legt Wert auf wahre Freundschaft und Liebe. Damals jedenfalls glaubten junge Leute nicht an Horoskope – heute jedoch immer mehr. Etwas Wahrheit steckt schon darin.

Die Bekanntschaft mit Irene war irgendwie ernsthaft, da ich mich zugleich mit den Eltern verbunden fühlte. Wir haben uns alle gut verstanden, und die Atmosphäre in Irenes Familie gefiel mir gut. Schnell lernte ich auch die ganze Familie mit Tanten, Onkeln usw. kennen. Nachdem Irene das Abitur gemacht und ich mein Ingenieurstudium abgeschlossen hatte, trafen wir uns öfter, auch an den Werktagen, zum Spazierengehen, Kinobesuch usw.

Fotos: Ich (24) und Irene (18) - 1956 Das sind die ersten Fotos, die wir uns mit Widmung schenkten

Ich besaß ein Rennrad Marke „Favorit“, Made in ČSSR. Im Sommer fuhr ich mit dem Rennrad zur Arbeit. Die Fahrt zur Arbeit und zurück betrachtete ich als Training. Die Fahrt nach Hause dauerte manchmal einige Stunden, da ich meistens zwischen 100 – 250 km zurücklegte. Das Training brauchte ich, da ich an verschiedenen Radrennen teilnahm. Zwar gehörte ich nicht zu den Besten, mir ging es mehr ums Dabeisein. Mit dem Rennrad unterwegs zu sein war für mich ein Freizeitgenuss. Einmal, am Wochenende im Jahr 1956, waren wir mit Irenes Vater in Szczyrk, Beskidenberge, Polen. Dorthin fuhr Irene mit dem Vater auf dem Motorrad. Er besaß ein Motorrad Marke „Java 250 cm3“, Made in ČSSR. Ich wiederum fuhr mit meinem Rennrad dorthin. Wir übernachteten bei einem Einheimischen auf dem Dachboden im Heu, da alle Zimmer bei ihm belegt waren. Irenes Vater schlief zwischen mir und Irene. Als wir wieder zu Hause waren, fragte uns Irenes Mutter, wie wir dort geschlafen hätten. Irene sagte, dass wir im Heu geschlafen hätten und dass der Vater zwischen uns gelegen hätte. Darauf sagte die Mutter zu ihrem Mann: „Warum bist du denn zwischen den beiden reingekrochen, du alter Dummkopf!“ Für eine solche Sachlage hatte Irenes Mutter wohl mehr Verständnis als ihr Vater. Sie war der Meinung, dass wir alles tun dürften, also auch Sex. Wir sollten es nur nicht soweit treiben, dass wir schnell heiraten müssten, weil Nachwuchs unterwegs sei.

Mein und Irenes Zuhause: Mein Vater Andreas und Irenes Vater Wiktor kannten sich durch ihre Berufe sowie aus dem Schach- und Mandolinenklub, denen mein Vater vorstand. Die beiden duzten sich. Nach dem verlorenen Krieg schloss mein Vater den Friseursalon und arbeitete in einem staatlichen Betrieb als Bahnwärter an einer Betriebsbahnschranke. Als Kriegsinvalide konnte er nur eine leichte Arbeit ausüben, und als Arbeiter in einem staatlichen Betrieb bekam er für die Familie Lebensmittelkarten, war krankenversichert und dazu rentenversichert. Bis zum Kriegsende bezog er eine deutsche Kriegsinvalidenrente, die der polnische Staat nicht zahlte. In der Großfamilie, in der ich aufgewachsen bin, Eltern und sechs Kinder, lernte ich auf vieles zu verzichten, dazu arbeitsam, sparsam usw. zu sein. Aus heutiger Sicht betrachte ich dies aber als eine gute Kindererziehung. Bei Irene war zu Hause alles anders als bei mir. Die Eltern konnten ihr jeden Wunsch erfüllen, sie brauchte nichts tun und musste nicht sparsam sein. Der Lebensstil bei ihr zu Hause war luxuriöser im Vergleich zu meinem. Irene trug lange Haare, glatt gekämmt mit einem Haarknoten, und wurde täglich von ihrer Mutter gekämmt. Sie machte zu Hause keine Hausarbeiten. Ihre Mutter sagte öfter zu ihr: „Du wirst im Leben noch genug arbeiten müssen.“ Mit dieser Weisheit bin ich nicht einverstanden, denn: Was Irene in den jüngeren Jahren nicht gelernt hatte, das wird sie auch als Erwachsene nicht können. Was sich auch später in der Ehe mit Irene zeigte. Irene war sehr stark an ihre Mutter gebunden, sie waren wie zwei Freundinnen. Eine richtige Freundin in ihrem Alter hatte Irene nie gehabt. In der Freizeit ging Irene meistens mit der Mutter zu den Tanten, Gertrud oder Anna, um dort etwas über verschiedene Geschehnisse im Ort zu klatschen. Die Freundinnen Agnes und Martha kannte Irene schon immer. Etwas enger befreundet mit ihnen war sie erst, als Irene an Sonntagen auch im Ort spazieren ging und dabei wohl auch Ausschau nach Jungs hielt. Und das ist ihr auch gelungen, sie lernte mich kennen. Nach dem Abitur arbeitete Irene in einer Handelsgesellschaft als Buchhalterin in unserem Ort.

Im Herbst 1956 waren ich und Irene als Brautjungfernpaar bei einer Hochzeit in unserem Ort. Die Brauteltern waren Bekannte von Irenes Vater.

Foto: Irene (18) und ich (24) als Brautjungferpaar – 1956

Im Jahr 1957 bin ich vom Rennrad auf ein Motorrad umgestiegen – Marke „SHL 125 cm3“, Made in Polen. Irene und ich unternahmen viele Motorradtouren zu Bekannten, zu Seen und in die Berge. Ich war sehr stolz, Motorradbesitzer zu sein, da es in unserem Ort zu dieser Zeit nur elf Motorradbesitzer gab. Natürlich unternahm ich auch weiterhin Touren mit dem Rennrad.

Irenes Eltern planten, eine Tischlerwerkstatt und ein Wohnhaus zu bauen. Mutter Marie bekam das Anwesen ihres Vaters, aus dem er 1945 ausgesiedelt wurde, und nach jahrelangen Gerichtsverhandlungen 1955 zurück bekam. Die Tischlerwerkstatt und das Wohnhaus planten sie auf dem Anwesen zu bauen, das Mutter Marie geerbt hatte.

Die Baupläne für die Werkstatt und das Wohnhaus habe ich, gemäß den Vorschlägen von Irenes Eltern, im Jahr 1956 entworfen und angefertigt. Diese wurden auch durch das zuständige Bauamt genehmigt. Die Bauvorbereitungen auf der Baustelle begannen im gleichen Jahr. In dem Wohnhaus mit einer Wohnfläche von 120 m2 sollten Irenes Eltern und wir, Irene und ich, wohnen. Die Eltern im Erdgeschoss und wir im Obergeschoss – jede Wohnung 60 m2. Zu dieser Zeit machte ich mir keine Gedanken darüber, dass das Zusammenleben mit den Schwiegereltern einmal schief gehen könnte.

Um die Tischlerwerkstatt und das Wohnhaus zu bauen, musste die alte Bebauung abgerissen werden. Neue Ziegelsteine konnte man zu dieser Zeit nur in einer staatlichen Baumaterial-Verkaufsstelle kaufen, und das in zugeteilter Menge. Viele Leute machten auch selber verschiedene Mauersteine oder benutzten Abbruchsteine bzw. Ziegelsteine aus eigenen oder anderen Abbruchstellen. Vater Wiktor kaufte sogar zwei Eisenbahnwagons Abbruch-Ziegelsteine aus dem zerbombten Wrocław (Breslau). Die Wagons kamen am Bahnhof in Brzesiny Śląskie (Birkenhain) an und wurden von dort mit dem Pferdewagen zur Baustelle gebracht. Auf der Baustelle wurden die Ziegelsteine gesäubert und sortiert – ganze, kaputte – und nach Größe getrennt aufgestapelt. Diese Arbeiten erledigte Mutter Marie, ihre zwei Schwestern Gertrud und Anna und ab und zu auch ich. Ich arbeitete immer öfter bei den Bauvorbereitungsarbeiten mit. Zu den Bauvorbereitungsarbeiten gehörte auch die Ausgrabung einer großen Grube für den gelöschten Kalkstein. Irene half nicht bei den Bauarbeiten. Sie kam meistens zum Feierabend, und wir sind dann zu ihr nach Hause gegangen bzw. mit dem Motorrad gefahren. Mit dem Rennradsport war es vorbei, die Freizeit opferte ich der Baustelle. Das Rennrad und das Motorrad dienten nur für die Fahrten zur Arbeit oder auf die Baustelle.

Im Jahr 1957 wurde die Tischlerwerkstatt gebaut. Zeitig im Frühjahr wurden die Tore und der Dachstuhl der Scheune und des Stalls demontiert. Es gab jede Menge verschiedenes Altmaterial: Holz, Dachpappe usw. Das Holz wurde zu Brennholz verarbeitet, und das unbrauchbare Material, wie z. B. Pappe, weggefahren. Das dicke Mauerwerk der Scheune war aus Bruchsteinen gemauert. Von der Straßenseite her wurde in der Mitte das Mauerwerk bis zum Fundament der Scheune abgerissen für ein Möbelausstellungsfenster. Die Abbruchsteine der Mauer wurden auf dem Grundstück gelagert und später für den Kellerbau des Wohnhauses verwendet. An der Tischlerwerkstatt wurde noch ein Schuppen angebaut, um dort Holz und andere Gegenstände unterzubringen. Aus dem alten Gemäuer (Scheune und Stall) entstand ein schönes Gebäude, die Tischlerwerkstatt. Im Erdgeschoss befanden sich der Maschinenraum und der Möbel-Ausstellungsraum mit einem großen Schaufenster zur Straßenseite, im Obergeschoss der Montageraum – Arbeitsplatz für fünf Tischler. Das Gebäude wurde mit einem Pultdach eingedeckt. Die Pläne für die Aufstellung der Maschinen fertigte ich an und führte auch die Arbeiten durch. Bei den verschiedenen Bauarbeiten halfen mir ab und zu zwei Schwager von Mutter Maria, Thomas und Wiktor, sowie einige Stundenarbeiter, abhängig vom Arbeitsaufwand.

Der Umzug der Tischlerwerkstatt in das neue Gebäude fand Ende des Jahres 1957 statt, und sie wurde sogleich in Betrieb genommen. Bei allen Arbeiten spielte Vater Wiktor nur den Bauherrn, selten half er bei irgendwelchen Arbeiten. Ich spielte hierbei die Rolle eines Handlangers, Poliers und Baumeisters usw. Ich fuhr auch mit meinem Motorrad den Maurer nach Hause, der in Bytom (Beuthen) wohnte, 8 km von der Baustelle entfernt. Danach fuhr ich zu Irenes Elternhaus zum Abendessen. Die erste Etappe des Bauvorhabens ging zu Ende. Für den Bau verwendete ich meine Freizeit und meinen vierwöchigen Urlaub.

Als die Tischlerwerkstatt in Betrieb war, machte sich mein zukünftiger Schwiegervater Wiktor Sorgen, dass jemand in die unbewachte Tischlerwerkstatt einbrechen könnte. So beschlossen wir beide, diese zu bewachen, indem wir (ich und er) abwechselnd mit einem Schäferhund in der Werkstatt schliefen. Nach dem „Nachtdienst“ fuhr ich mit dem Motorrad zu meinem Elternhaus, um mich frisch zu machen und anschließend zur Arbeit zu fahren. Von der Arbeit fuhr ich nach Hause zum Mittagessen und dann wieder schnell auf die Baustelle. Nach einer Zeit bemerkte ich, dass ich jede zweite Nacht in der Werkstatt schlief, Vater Viktor jedoch nicht, und so habe ich den „Nachtdienst“ eingestellt, und keiner fragte mich warum. Jedenfalls bewachte der Hund die Werkstatt alleine.

Zeitig im Frühjahr 1958 haben wir mit der Demontage des alten Wohnhauses mit dem Schuppen begonnen. Das Dach war vorwiegend mit Stroh bedeckt und mit den Dachlatten verknotet. Die Demontage des Gebäudes war nicht so leicht. Bei der Ausknotung des Strohs entstand sehr viel Staub, und ich musste mit einer Schutzmaske arbeiten. Das Stroh wurde auf der Baustelle verbrannt und das Holz zu Brennholz verarbeitet. Das brauchbare Material aus dem Abbruch der Mauer sammelten wir auf der Baustelle, und das unbrauchbare wurde weggefahren.

Beim Abbruch des Wohnhauses mit Schuppen arbeitete ich fast alleine. Aber als ich die dicke Kellermauer mit Pickel, Meißel und Hammer zu zerlegen begonnen hatte, da meldete sich ein alter Mann, ein Cousin von Mutter Marie. Er wohnte zwei Häuser weiter und war bereit, mir freiwillig und kostenlos zu helfen. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Nun arbeitete der Mann nicht der Reihe nach an der Mauer, sondern pickte mit einem Pickel (den er schon mitgebracht hatte) im Kellerraum am Boden und an den Wänden herum. Ich fragte ihn, warum er überall so herumpickte und mir nicht helfen wollte, die dicke Mauer zu zerlegen. Nun sagte er mir, dass er Goldstücke suche, die hier irgendwo vergraben sein könnten. Seine Großmutter (auch Irenes Urgroßmutter) hatte nämlich viele Goldstücke, und diese könnten noch heute hier irgendwo im Kellerraum vergraben sein. Nun fragte ich: „Warum wohnte deine Großmutter in so einem alten, kleinen und mit Stroh bedeckten Haus, wenn sie Goldstücke hatte?“ – „Weil sie sehr geizig war“, bekam ich zur Antwort.

Vorsichtshalber ließ ich den Mann nie aus den Augen, für den Fall, dass er vielleicht Goldstücke finden könnte. Als ich am nächsten Tag zur Baustelle kam, pickte er schon im Keller herum. Ob er etwas in meiner Abwesenheit gefunden hatte, das weiß ich nicht. Ich fand jedenfalls die Goldstücke nicht. Einige Goldstücke besaß Mutter Marie. Vielleicht waren es die, die der alte Mann gesucht hatte.

Ich erzählte einmal der Stiefmutter Franziska von der Suche des alten Mannes nach den Goldstücken. Stiefmutter Franziska kannte das Haus, da die Mutter von Mutter Marie eine Cousine war. Sie sagte mir damals, dass fast jede ansässige Familie Goldstücke (goldene Münzen) besaß, welche an geheimen Stellen im Haus aufbewahrt bzw. versteckt waren. Diese wurden sozusagen als Absicherung für das Alter, aber auch für den Fall eines Falles, aufbewahrt. Weiter sagte sie mir, dass die Leute die Goldstücke nicht in den Mauern oder in der Erde vergraben hielten. Und dass das sicherste Versteck das Bett war, in dem man schlief. Man konnte so öfter kontrollieren, ob die Goldstücke noch in dem Versteck waren. Diese konnte man dann bei Gefahr, z. B. beim Brand des Hauses usw., schnell herausholen und mitnehmen. Großmutter Franziska sagte mir auch, dass sie ebenfalls drei Goldstücke in ihrer Wohnung versteckt hatte und diese eines Tages verschwunden waren. Sie war sich sicher und lebte immer noch in der Überzeugung, dass diese Goldstücke Vater Wiktor, ihr Stiefsohn, geklaut hatte. Denn kurze Zeit danach soll er sich viele Werkzeuge gekauft und in zwei Kellerräumen des Hauses eine Tischlerwerkstatt aufgebaut haben. Diese war die erste Tischlerwerkstatt von Vater Wiktor. Zu dieser Zeit war er noch nicht verheiratet und wohnte bei Stiefmutter Franziska.

Im Betrieb, in dem ich arbeitete, kaufte ich große Mengen Hohlblocksteine und als Schrott Bewehrungsstahl in verschiedenen Durchmessern. Nach dem Abriss des alten Wohnhauses mit dem Schuppen und dem Wegfahren des Abbruch-Bauschutts begannen die Aushubarbeiten für den Keller des Wohnhauses. Die Aushubarbeiten wurden mit Schaufeln und Schubkarren durchgeführt. Die Oberschicht des Erdbodens wurde mit dem Pferdewagen weggefahren und der darunter liegende Sand wurde auf der Baustelle aufbewahrt. Den Sand benötigten wir später für die Zubereitung der Mörtel.

Nun begann der Bau des Hauses. Die Vermessungsarbeiten bzw. das Aufsetzen des Hauses im Aushub führte Vaters Bruder Roman durch, der von Beruf Baumeister war. Bruder Roman war nicht nur ein guter Baumeister, sondern auch ein sehr guter Maurer. Er arbeitete langsam, aber präzise und sehr sauber. Die zwei Brüder konnten sich auf der Baustelle irgendwie nicht vertragen und gerieten öfters in Streit. Der Unruhestifter war immer Vater Wiktor, da er glaubte, alles besser zu wissen, wie es beim Hausbau vorzugehen habe. Nach jeder Streitigkeit schwänzte Bruder Roman öfter die Baustelle. Und so beschäftigte Vater Wiktor einen zweiten Maurer, den man immer nach seiner Arbeit im Betrieb abholen musste – das tat meistens Vater Wiktor mit dem Motorrad. Mit meinem Motorrad fuhr ich dann den Maurer nach Hause, nach Bytom, zurück. Damals benutzten die Motorradfahrer keinen Motorradhelm und keine Motorrad-Schutzkleidung. Vor der Kälte während der Fahrt schützte man die Brust und die Unterschenkel mit Zeitungen.

Es kam ab und zu zwischen mir und Vater Wiktor zum Streit, da ich vieles nicht so gemacht habe, wie es nach seinen Vorstellungen hätte gemacht werden sollen. Er war selten mit der Ausführung meiner Arbeiten auf der Baustelle einverstanden – kein Lob, meistens nur Kritik. Da ich öfter von der Kritik die Nase voll hatte, sagte ich ihm von Zeit zu Zeit meine Meinung. Danach war er auf mich böse und sprach einige Tage nicht mit mir. Verärgert schwänzte ich dann auch manchmal die Baustelle. Aber die zwei Frauen, Irene und ihre Mutter, bewegten mich immer dazu, wieder auf der Baustelle zu arbeiten. Als ich einmal mit ihm Stunk hatte, da riet mir Mutter Marie, dass ich nicht auf seine Wortgefechte eingehen sollte. Also, wenn er mir wieder etwas sagte, was nicht zur Sache passte, so solle ich keine Antwort geben, sondern eine etwas lachende Grimasse ziehen.

Auch Familienfeiern bzw. –treffen, bei denen Vater Wiktor anwesend war, endeten diese fast immer mit Zwist, und der Unruhestifter war immer der gleiche – Vater Wiktor. Er stellte sich immer als Besserwisser und als ein von Erfolg gekrönter Mann dar. Und das wurde noch verstärkt, wenn er Alkohol getrunken hatte. Seiner Meinung widersprachen viele Personen, und so kam es meistens zu heftigem Zwist, dabei war er sehr wütend, und manchmal geriet er sogar so sehr in Wut, dass er die Gesellschaft verließ.

Der Bau des Wohnhauses ging weiter. Für den Bau der 40 cm starken Kellerwände verwendete man Betonblöcke, Abbruchsteine und Ziegelsteine. Die Betonblöcke stammten aus einer im Jahr 1944 durch die Wehrmacht gesprengten Bahnbrücke. Für den Bau der zwei Stockwerke verwendete man neue Ziegelsteine und Hohlblocksteine, und zur Verankerung der Mauer Bewehrungsstahl. Die Maurer und wir Helfer waren alle berufstätig, so wurde meistens am Nachmittag auf der Baustelle gearbeitet, bis es dunkel wurde. In unserer Urlaubszeit arbeiteten wir den ganzen Tag. Alle Bauarbeiten wurden manuell ausgeführt, ohne Maschinen. Vater Wiktor notierte meine Arbeitsstunden auf der Baustelle, wohl für den Fall, dass meine Beziehung mit Irene in die Brüche gehen sollte. Bis zum Ende des Jahres 1958 vollendeten wir das Wohnhaus mit Anbau. Im Winter wurden die Sanitär- und Elektroinstallationen durchgeführt.

Aus der freundschaftlichen Beziehung entstand zwischen mir und Irene ein Liebespaar, das im Jahr 1959 heiraten wollte. Unsere Bekanntschaft begann im Herbst 1954 an dem Tanzabend, also kannten wir uns schon über vier Jahre, und so lange kannten mich ihre Eltern – Wiktor und Marie, und ich sie auch. In der Zeit konnte ich sie richtig durchschauen. Ich erkannte, dass ein Zusammenwohnen mit dem streitsüchtigen Vater Wiktor nichts Gutes in unsere Ehe bringen konnte. Ich war mir sicher, dass wir so keine Selbständigkeit erreichen und dem Vater und der Mutter immer ausgeliefert sein würden. Irene konnte sich nicht vorstellen, dass wir getrennt von den Eltern wohnen könnten, da die Wohnung im Obergeschoss für uns vorgesehen war. Ich fühlte mich sozusagen gezwungen, in Zukunft mit Irenes Eltern, vielleicht noch mit unseren Kindern, zusammen zu wohnen. Nein, das gefiel mir überhaupt nicht.

Vor dem Zusammenwohnen warnte mich sogar des Vaters Wiktors Stiefmutter Franziska. Schließlich kannte sie ihren Stiefsohn Wiktor und seine Frau Marie sehr gut, da sie zusammen viele Jahre in einem Haus gewohnt hatten. Stiefmutter Franziska mochte mich und Irene sehr, aber nicht Vater Wiktor und Mutter Marie. Nun – was tun? Irene wollte mit den Eltern in einem Haus wohnen und ich nicht. Ich setzte Irene in Kenntnis, dass ich nur eine Lösung sähe, und die wäre, wir gingen auseinander. Irene war sehr traurig und weinte viel. Aber sie beruhigte mich und sagte: „Nach der Hochzeit werde ich nicht zulassen, dass meine Eltern sich bei uns einmischen. Ich kann doch nichts dafür, dass ich so einen Vater habe.“ Ich bestand weiter darauf, dass wir nach der Heirat nicht mit den Eltern in einem Haus wohnten. Darüber sprach wohl Irene mit ihrer Mutter, und sie fanden eine Lösung, und zwar: Die Eltern ziehen in das neue Haus, und wir bekommen die Wohnung der Eltern bei Onkel Roman. Die elterliche Wohnung bestand aus drei Zimmern: Küche 16,5 m2, Wohnzimmer 16,5 m2, Schlafzimmer 16,5 m2 – zusammen: 49,5 m2, ohne Bad und eine Trockentoilette draußen im Hof. Aber das war für mich eine gute Lösung. Die Häuser standen ca. 1,5 km voneinander. Ich stimmte dem Vorschlag zu, denn so würden wir getrennt wohnen.

Foto: Vater Wiktor (47), Mutter Maria (48), Irene (20) und ich (26). Abendessen in der Küche - Silvester 1958/59

Zu Silvester 1958 nach dem Abendessen teilte ich Irenes Eltern mit, dass wir im Herbst 1959 heiraten wollten. Zu dieser Zeit waren wir schon über drei Jahre ein Paar, Irene war 20 und ich 26 Jahre alt. Vater Wiktor stimmte ohne irgendwelche Bedenken zu, Mutter Marie aber nicht. Sie sagte, dass es aus finanziellen Gründen nicht möglich sei, eine Hochzeit zu halten. Obwohl Vater Wiktor die finanziellen Bedenken seiner Frau ausräumte, blieb sie weiter beim „Nein“. Ein paar Tage später sagte ich zu Irene, dass ich mit den Eltern nicht mehr über eine Heirat sprechen würde. Und wenn die Hochzeit im Herbst 1959 nicht stattfände, da würden unsere Wege auseinander gehen. Ich hatte auch schon keine Kraft mehr, das ganze Hin und Her weiter zu führen – berufliche Belastung, Baustelle usw. Ich hatte in den vielen Jahren zwei Zuhause, bei meinen Eltern und bei Irenes Eltern. Irene drängte wohl ihre Mutter dazu, dass sie die kirchliche Trauung im katholischen Pfarramt bestellen möge. Damals war das so üblich, dass die Mutter der Braut die kirchliche Trauung im Pfarramt bestellte.

Im März 1959 bestellte sie dann doch die kirchliche Trauung. Den kirchlichen Trauungstag legte sie für den 20. Oktober 1959 fest. Irene war glücklich, dass sie ihre Mutter dazu überreden konnte. Vielleicht hat ihr auch Vater Wiktor dabei geholfen. Seit Silvester 1958 war die Stimmung zwischen uns Vieren sehr ausgewogen, und es gab fast keine Verstimmungen.