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Kommissar Kluftinger reist nicht gern – seine geistigen Väter sind wegen ihm jedoch in ganz Deutschland unterwegs. Dieses Nomadenleben zwingt den beiden Allgäuern bisher ungeahnte Herausforderungen auf, denen sie sich mutig stellen: Wie verhält man sich auf einem roten Teppich, wenn einen kein Fotograf knipsen will, welche Allüren sollte man sich zulegen, um in der literarischen Welt ernst genommen zu werden? Und, allen voran, wie macht man den Veranstaltern klar, dass auch für ein Autorenduo ein Doppelzimmer keinesfalls in Frage kommt?
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Seitenzahl: 157
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Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag erschienenen Buchausgabe
1. Auflage Dezember 2011
ISBN 978-3-492-95332-0 Deutschsprachige Ausgabe: © 2011 Piper Verlag GmbH, München Umschlagkonzept: semper smile, München Umschlaggestaltung: Cornelia Niere, München Umschlagmotiv: Arne Schultz, München
Vorwort
(beinahe geschrieben von Roger Willemsen)
Sagt Ihnen der Begriff therapeutisches Schreiben etwas? Nicht? Na, dann wurde es ja sowieso mal Zeit, denn Sie befinden sich gerade mittendrin. Vor Ihnen liegt das Ergebnis ungezählter Therapiesitzungen. Jetzt fragen Sie sich, wie ausgerechnet Sie Teil dieses kleinen psycholiterarischen Autorenhilfsprojektes werden konnten? Dazu müssen wir etwas weiter ausholen.
Stellen Sie sich zwei Allgäuer vor, damals noch in der Blüte ihrer Jahre (es ist schon etwas länger her). Die beiden fühlen sich seltsamerweise zum Schreiben berufen und erkennen auch noch Anzeichen rudimentärer Kompetenz bei sich dazu. Sie beschließen also, da sie eh fast keine Freunde haben und meist nutzlos daheim rumsitzen, diese vermeintlichen Fähigkeiten zu nutzen und ein Buch zu schreiben. Und dann passiert das Undenkbare: Das Buch wird ein Erfolg. Ein ziemlich großer sogar. So groß, dass sie raus müssen. Aus dem Haus. Aus dem Allgäu. Ja, aus Bayern. Bis nach Norddeutschland!
Das Leben dieser beiden Allgäuer, nennen wir sie aus Datenschutzgründen einfach mal Richi und Holger, ändert sich schlagartig. Sie reisen fortan quer durch die Republik, besuchen staunend deren Metropolen, sehen mehr Menschen, als es auf Allgäuer Wiesen Kühe gibt …
Irgendwann werden die Eindrücke so überwältigend, wird das gemeinsame Reisen so beschwerlich und seelisch belastend, dass sie beginnen, nicht nur Bücher über einen grantelnden Allgäuer Kommissar zu verfassen, sondern über sich, ihr Leben als Autoren und Vortragsreisende zu schreiben. Irgendwo muss der Seelenballast ja hin. Das Ergebnis liegt nun in Ihren Händen. Wir … ich meine, Richi und Holger haben schonungslos ausgepackt, denn nur so ist wirklich ein therapeutischer Effekt zu erreichen. Sie schreiben, wie es ist zu schreiben, welchen inneren Schweinehunden man dabei begegnet, wie bissig diese sein können und mit welchen Leckerli man sie besänftigt. Sie erzählen davon, wie man sich fühlt, wenn man als Allgäuer in die Welt hinausgeworfen wird, eine Welt ohne Kühe und sattgrüne Wiesen und allabendliches Alpenglühen, und sie verraten weltexklusiv, wie sie es anstellen, selbst beim größten Promi- und Fotografenauftrieb unerkannt, unfotografiert und unwichtig zu bleiben.
Sehr oft werden Sie, liebe Hilfspsychologen, in diesen Texten dem alles beherrschenden Über-Ich der Autoren begegnen, Kommissar Kluftinger, dem die beiden so viel verdanken und mit dem sie nun ihr literarisches Leben verbringen – in guten wie in bösen Tagen. Sie werden Zeuge des allerersten persönlichen Zusammentreffens des dynamischen Duos mit ihrem Übervater und, auch das kann manchmal Teil einer zielführenden Therapie sein, ihrer unerbittlichen Rache für all die erlittene Unbill: Die beiden schicken Kommissar Kluftinger, diesen unverbesserlichen Dahoimdrumhocker (allgäuerisch für Daheimbleiber), nämlich selbst auf Reisen.
So, jetzt sind Sie im Bilde. Wir können nur an Sie appellieren: Helfen Sie diesen armen, verirrten Seelen, indem Sie diese therapeutische Textcollage lesen, loten Sie die Untiefen der Gemütslage zweier Allgäuer aus, begeben Sie sich auf die Reise durch die verschlungenen Windungen zweier Voralpengehirne. Sie bekommen auch ein Einzelzimmer, versprochen.
Allgäu, im Herbst 2011
Postskriptum: Jetzt hätten wir beinahe vergessen, es zu erklären, aber sicher hatten Sie es ohnehin gemerkt: Roger Willemsen hat dieses Vorwort nicht geschrieben. Genauso wenig wie Frank Schätzing, Claus Kleber oder Herta Müller, die übrigens alle in diesen Texten auftauchen und natürlich gar nicht gefragt wurden, ob sie es denn schreiben wollen. Bis auf Roger Willemsen.
Textsammlungen wie die vorliegende haben ja oft einen prominenten Paten. Doch wie Sie im vorliegenden Buch erfahren werden, kennen Richi und Holger keine Prominenten. Das heißt: Sie würden ja schon einige kennen, aber das sind dann doch ziemlich einseitige Bekanntschaften.
Und die Angst des Verlages vor Absagen im Stile von »Knipfel und Korb, wer soll das sein?« oder »Wir schreiben nur was für Kafka, nicht für Kasperl!« war wohl ziemlich groß. So groß, dass man echte Prominente oder gar richtige Schriftsteller gar nicht zu fragen wagte, ob der oder jener sich ein Vorwort für das neueste Werk aus der Feder eines, das muss man sich mal vorstellen, Allgäuer Autorenduos abringen könnte. So mussten sich die beiden selbst ein Herz fassen. Und als sie endlich so weit waren, Roger Willemsen einen tränenreichen Bittbrief schrieben und dieser sogar zusagte, da hieß es vom Verlag:
Wir drucken übermorgen, keine Zeit auf Herrn Willemsen zu warten, sagt ihr ihm mal wieder ab. Ja, und so wurde das Vorwort eben nur beinahe geschrieben von Roger Willemsen.
Aber wir versprechen, das nächste Mal fragen wir gleich den Papst nicht, und den Dalai Lama auch nicht, das klingt dann vielleicht noch besser.
Damit das schon mal klar ist …
Ein bisschen ein schlechtes Gewissen haben wir ja schon, dass wir unseren Kommissar Kluftinger so schamlos für unsere Zwecke (gemeint ist die Anhebung und Sicherung unseres Lebensstils) an die Öffentlichkeit zerren. Aber als uns vor einigen Jahren ein Bekannter, der aus verständlichen Gründen nicht genannt werden möchte (an dieser Stelle ganz herzlichen Dank an Richard Maier), von den unglaublichen Abenteuern dieses Mannes erzählt hat, wussten wir sofort: Das ist pures Gold!
Sicher, bei der ein oder anderen Begebenheit mag es scheinen, als komme unsere Hauptfigur nicht besonders gut weg, doch aus unserer Sicht ist das ja gaaaanz anders. Und Millionen Fans des Kommissars beweisen das: Er ist zu einer echten Identifikationsfigur geworden, zum unfreiwilligen Mahnmal gegen Modernismus und Globalisierung, gegen Anglizismen und Langhammerisierung der Welt.
Wenn man ihn gefragt hätte, ob er gerne zur Gallionsfigur einer solchen Bewegung werden würde, hätte er zwar vermutlich geantwortet: »Du bisch wohl it ganz knuschper!«
Aber wie es eben so ist mit Stilikonen – man kann es sich nicht aussuchen, man wird zu einer gemacht.
Und deswegen waren wir umso überraschter, als wir – nach vielen Jahren erfolglosen Flehens – endlich eine Audienz im Büro des Hauptkommissars bekamen. Nachfolgend das Protokoll dieses außergewöhnlichen Zusammentreffens.
Jeder fängt mal klein an: das erste Foto, das Michi und Volki als Autorenduo von sich selbst gemacht haben. Damit wäre auch die Frage geklärt, wie man sich im Allgäu Schriftsteller vorstellt.
Interview mit dem Kommissar
Von den Autoren (A) wurde das Treffen mit Spannung erwartet: Zum ersten Mal sollten sie mit Kommissar Kluftinger (K) zusammentreffen, dessen beruflichen Alltag und privates Leben sie in ihrer Romanreihe öffentlich machen. Unzählige Fragen hatten sie sich bereitgelegt und danken wollten sie dem Vorzeigepolizisten aus dem Allgäu auch. Doch dann kam alles ganz anders …
A: Grüß Gott, Herr Kommissar, es ist für uns eine große Ehre, Sie …
K: Sie sind das also?
A: Wie meinen Sie?
K: Sie sind die, die das … Zeug da immer schreiben über mich?
A: Ja, das sind wir.
K: (betrachtet sie lange) Aha. Na ja, so was hab ich mir schon gedacht. Zwei feine Bürschle seid ihr mir!
A: Wir verstehen nicht ganz …
K: Na ja, ein siebengscheiter Lehrer und so ein Journalisten-Fatzke. Sagt’s mal: Geht’s eigentlich noch? Wisst ihr, was ich mir jeden Abend anhören kann von der Erika?
A: Aber Sie sind doch jetzt berühmt … irgendwie.
K: Eben! Meine Frau liegt mir deshalb doch immer in den Ohren: Da hast du’s, jetzt wissen alle, wie unordentlich du bist – sogar von deinem Gwandsessel wissen die. Und dass du den Martin Langhammer nicht leiden kannst, ist auch rausgekommen! Überhaupt, wie du wieder aussiehst, mit deinem viel zu engen Trachtenjäckle! Ich hab dir immer gesagt, das rächt sich noch mal …
A: Aber Sie sind doch ein stattlicher Mann.
K: Aufpassen, Büble, gell! (beugt sich vor und flüstert) Sagt’s mal, in dem Film, da hat mich doch dieser große, schlaksige Knauf gespielt. Der Erika tät der schon auch gefallen, so von der Statur her.
A: … Knaup. Herbert Knaup.
K: Ja, wie auch immer, ich halt nicht viel von diesen Schauspielern. Jedenfalls: Könntet ihr mich in den Büchern nicht ein bisschen mehr wie den … also ich mein, ich hab eh ein bissle abgenommen.
A: Oh, das wär uns jetzt gar nicht aufge… äh, das heißt, doch, toll, Respekt. Ja, da ließe sich eventuell schon was machen.
K: Ja, bittschön. Und jetzt mal zum Doktor. Das ist ja unmöglich, was ihr mit dem anstellt!
A: Finden Sie, er kommt zu schlecht weg?
K: Nein, zu gut! Viel zu gut. Ihr müsstet mal sehen, wie der inzwischen in Altusried rumstolziert. Wie ein Gockel! Und wisst ihr, wie sich seine Sprechstundenhilfe inzwischen am Telefon melden muss? Nein? (verstellt seine Stimme) Hier allgemeinärztliche Praxis Dr. Martin Langhammer, bekannt aus Funk und Fernsehen, was kann ich für Sie tun?
A: Wir hatten ja keine Ahnung. Was schlagen Sie vor?
K: Mei, ich weiß auch nicht. So ein kleiner Unfall vielleicht … Nix Schlimmes, nur ein komplizierter Splitterbruch oder so. Dann wär für eine Weile Ruhe. Auch so eine kleine Privatinsolvenz könnt ich mir gut vorstellen.
A: Aber die Leser würden nur ungern auf ihn verzichten.
K: Die Leser? Die Leser sind mir doch scheißegal. Denen ist doch auch wurscht, wie ich mich mit dem Schlaumeier abplagen muss! Sollen die sich doch ihren eigenen Langhammer anschaffen, dann werden sie schon sehen, wie das ist.
A: Die meisten haben ja sowieso schon einen. Aber leider: Wir haben noch viel vor mit dem Doktor. Und mit Ihnen.
Hier ist der Beweis: Nicht nur der Klufti vergisst schon mal, wo sein Auto steht. Na ja, gut, war zwar ein Preiß, aber trotzdem …
K: Ja, hat es denn nicht gereicht, dass ihr die Geschichte mit dem Auto und meinem ersten Flug an die Öffentlichkeit gezerrt habt?
A: Ich fürchte nicht.
K: Ihr seid’s doch narrisch! (denkt nach) Ich hätt einen besseren Vorschlag. Könnt ihr nicht mal schreiben, wie ich im Theater bin, in der Oper oder so? Im Ballett vielleicht. Recht begeistert wär ich davon. Und wichtige Bücher könnt ich doch lesen und dann schlaue Sachen drüber sagen. Mei, das würd der Erika gefallen.
A: Aber das glaubt uns doch keiner, Herr Kommissar.
K: Nicht, gell? Ja herrgottzack, wie geht’s dann weiter?
A: Also, wir dachten daran, vielleicht die Geschichte mit dem geheimnisvollen Handyanruf zum Thema eines neuen Buches zu machen.
K: Na, bittschön nicht. Da steh ich doch bloß wieder da wie der Depp, weil ich das Gerät nicht richtig bedienen kann!
A: Aber Sie haben doch diesen rätselhaften Fall brillant geklärt.
K: Ja, meint’s ihr? Ja, gut, ganz schlecht war das nicht. Aber was anderes, ich weiß nicht, ob ihr das schon wisst: Der Maier wird versetzt. Ich hab mich für eine Beförderung starkgemacht. Das war ja nicht mehr auszuhalten mit dem. Er hat sich schon eine eigene Internetseite gebastelt:
www.derberühmtegehilfevomklufti.de
A: Ja, davon haben wir auch schon gehört. Aber wir mussten das leider wieder rückgängig machen. Er bleibt doch in Ihrer Abteilung. Auch ihn wollen die Leser weiter dabeihaben.
K: Im Ernst? Das müssen ja komische Leute sein, eure Leser.
A: Nein, die sind überwiegend sehr nett.
K: Pff! Kann ich mir nicht vorstellen. Wenn es mir mies geht, freuen die sich doch am meisten! Aber jetzt mal unter uns Pfarrerstöchtern: Da kommt doch ganz schön was rum dabei, oder?
A: Wie meinen Sie das?
K: Jetzt stellt’s euch nicht blöder als ihr seid. Ich mein bei dem ganzen Buchzeug und die Auftritte, die ihr allweil macht’s. Da bleibt doch ziemlich was hängen, oder? (Er reibt Daumen und Zeigefinger aneinander.) Diridari, wir verstehen uns.
A: Ach so, ja, gut, wir haben unser Auskommen.
K: Wie wär’s, wenn wir uns da auf einen Obulus für mich einigen könnten? Ich mein, nachdem ihr mein Leben da an die Öffentlichkeit zerrt … Und wenn ich mir mein Auto so anschau: Ein neues wär da vielleicht wirklich nicht verkehrt. Meint die Erika ja auch immer. Und das Haus müsst man mal wieder streichen und den Keller fliesen und …
A: Also, ich weiß nicht, Herr Kommissar. Was würde denn der Lodenbacher dazu sagen.
K: (bekommt große Augen) Der Lodenbacher? Ach so, ja, nein, das war ja jetzt eh bloß Spaß. Ha! Ich will doch nicht von so einem Geschreibsel profitieren. Liest denn das überhaupt jemand? Ich mein, außer euren Eltern und Geschwistern?
A: Ja, ein paar Millionen.
K:MILLIONEN? Kreizkruzifix, jetzt wundert mich nix mehr.
A: Wieso?
K: Ja, wenn ich zum Verhör erscheine, dann lachen die meisten Verbrecher ja inzwischen nur noch. Und stellen mir blöde Fragen: Na, im Hotel wieder die Pröbchen eingepackt? In letzter Zeit mal wieder Sushi gegessen?
A: Also, diese Sachen stammen ja eigentlich immer vom Volker.
K: Ah, vom Fatzke? Ja, das hab ich mir schon gedacht. Brauchen Sie denn den überhaupt? Sie sind doch Lehrer. Wir beiden Beamten, wir müssten uns doch arrangieren können.
A: Moment mal. Wenn ich mich recht erinnere, kommt von dir die Idee mit der knappen Badehose im Erlebnisbad.
K: Au, das ändert die Sachlage natürlich. Ich hatte ja noch nie was übrig für Lehrer, wenn ich’s genau bedenke. Aber so Journalisten, also die haben ja schon eine wichtige Funktion für die Öffentlichkeit und unsere Demokratie und so.
A: Versuchen Sie gerade, uns gegeneinander aufzubringen?
K: Ich? Nein. Um Gottes willen! Nie würd mir so was einfallen. Sagt’s mal, wo habt’s ihr eigentlich eure Informationen her?
A: Wir haben so unsere Quellen.
K: Das merk ich. Aber ich mein: woher denn?
A: Der Michi hat ja zum Beispiel auch in Erlangen studiert, der kennt den Markus ganz gut.
K: Der Saukrüppel, wenn der mir heimkommt.
A: Bitte?
K: Ach, nix. Bloß laut gedacht.
A: Wir hätten da eine wichtige Frage: Würden Sie uns vielleicht ihre beiden Vornamen verraten? Die Leser wollen die unbedingt wissen.
Kluftinger zeigt ihnen seinen Dienstausweis.
A: Oh … das … tut uns natürlich leid. Das konnten wir ja nicht wissen. Da bleiben wir vielleicht doch lieber bei »Klufti«.
K: Gibt’s noch was? Ich müsst langsam wieder was arbeiten.
A: Davon wüssten wir aber.
K: Ihr? Nein, wirklich, bei mir türmen sich die Akten.
A: Wo denn?
K: (blickt sich um. Sein Schreibtisch und die Schränke sind leer) Ui, wie habt’s ihr denn jetzt des gemacht?
A: Ich bitte Sie, Herr Kluftinger, wir sind Ihre Autoren, wir können alles machen. Im Guten wie im Bösen. Aber das würden wir ja nie gegen Sie ausnutzen …
K: (steht auf und schiebt die beiden zur Tür) Also, das wird mir langsam ein bissle … unheimlich. Ich muss dann auch wirklich wieder ans Werk. Einsatz. Das hat mich jetzt ja wirklich sehr gefreut, dass Sie da waren, gell? Und nix für ungut. Jederzeit wieder, wann immer Sie wollen, bloß wenn Sie sich vielleicht vorher bei der Frau Henske anmelden täten, dann bring ich meine Familie mit und die Kollegen, die wollen Sie schon lang mal … pfüa Gott, gell?
A: Wir sehen uns wieder, Herr Kommissar, verlassen Sie sich drauf!
Aerodynamisch, massenhaft Platz, schnee- und frostresistent und unkaputtbar: Kluftis heißgeliebte Familienkutsche.
Zwei Freunde sollt ihr sein: Der Autor und sein Computer
Es gibt eine Frage, die uns seit Beginn unserer Zusammenarbeit immer wieder gestellt wird (und bei der wir, das geben wir offen zu, inzwischen Schwierigkeiten haben, sie immer so zu beantworten, als hätten wir sie just in diesem Moment zum ersten Mal gehört, denn darauf hat der Fragende doch irgendwie ein unveräußerliches Anrecht). Die Frage lautet nicht etwa, wie jetzt viele meinen: Herr Klüpfel (oder Herr Kobr, je nachdem, wem der Fragesteller nähersteht), warum schleppen Se denn diesen unangenehmen Zeitgenossen Kobr (oder Klüpfel, siehe oben) mit sich rum, Sie könnten es doch allein viel schöner haben?
Sicher, das wäre durchaus mal eine berechtigte und intelligente Frage, aber auf die kommt ja niemand.
Nein, die Frage lautet: Wie schreibt man eigentlich zu zweit einen Krimi? Das können sich die meisten Menschen schlichtweg nicht vorstellen. Dabei schreiben wir gar nicht zu zweit, sondern zu viert. Der Kobr, der Klüpfel und ihre beiden Computer. Und richtig kompliziert wird es eigentlich nur durch Letztere. Wie schieben wir sinnvoll Dateien hin und her, wie überarbeiten wir den Text des anderen so, dass er es nicht merkt, wie kann ich einen Virus auf seine Festplatte schleusen, ohne dass er ihn auf mich zurückführt, damit ich beim Schreiben wieder etwas aufhole?
Schwierige Fragen, die Ausdruck einer komplizierten Beziehung sind. Fast sind wir geneigt zu sagen: Die Geschichte des Autors und seines Computers ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Aber lesen Sie selbst …
Auch wenn es auf dem Foto anders aussieht: Wir müssen nicht nur zu zweit schreiben, sondern auch zu zweit lesen. Manche trifft das Schicksal eben besonders hart.
Der Klufti in uns
Von Volker Klüpfel
Das ist jetzt eigentlich gar kein richtiger Tagebucheintrag, eher ein Intermezzo, eine kleine Erklärung, ein Offenbarungseid. Und, okay, zugegeben: Es müsste eigentlich heißen: Der Klufti in mir. Denn es geht hier um mich, um mich undnochmalummich. Um mich und mein technisches Unvermögen. Nicht um das der Menschen um mich herum. Aber erstens klingt »in uns« besser und zweitens gibt mir allein der Gedanke etwas Selbstachtung zurück, dass vielleicht auch andere so kläglich gescheitert wären wie ich. Nicht nur Klufti …
Aber hier ist die ganze traurige Geschichte. Die Geschichte eines jungen … ja, ja, schon gut: eines mitteljungen … Herrgott, na gut, eines mittelalten Mannes (jetzt zufrieden?), der sich, als Angehöriger der Web-2.0-Generation, als Mitglied der Informationselite, als geschmeidiger Surfer durch die Netzwelten – und, wie sich rausstellt: Computerdepp – aufmachte, einen Kluftinger-Blog in unserer (oder heißt es: auf?) Homepage zu installieren. Denn das tun die aufgeklärten jungen … und mittelalten Menschen heutzutage: Sie twittern, mailen, bloggen, smsen, chatten, skaipen und eisikjuen (das kannten Sie jetzt nicht, hm? ICQ, ha, immerhin mit den Begrifflichkeiten kenn ich mich aus), als gäbe es kein Morgen mehr.
Doch vor dieses Morgen haben die Götter das Heute gesetzt, oder mindestens das (Morgen-)Grauen, und das heißt in diesem Fall: Bitte registrieren Sie sich. Denn ohne Registrierung kein Blog, das ist klar, denn der Webspace (wieder so ein toller Begriff, den ich so selbstverständlich benutze, wie ich morgens meinen Computer einschalte, also, nachdem ich die Steckdosenleiste angeknipst und den Router per Resetknopf zum Laufen gebracht habe, wobei ich dann nur noch die Antennen ausrichten muss, wobei ein kleines Stück Schokoladen-Alufolie die Sendeleistung erhöht, wie ich festgestellt habe) ist zwar irgendwo da draußen, aber er muss ja mir erst einmal zugewiesen werden.
Für unsere Homepage haben wir einen Webmaster (wobei ich mich immer frage, ob wir, obwohl wir dafür bezahlen, dann eigentlich seine Webdiener sind? Und, by the way: Gibt es in diesem Network eigentlich noch irgendjemanden, der German spricht?). Der erledigt das für uns, aber manchmal packt mich die Eitelkeit gepaart mit einem guten Schuss Hybris und ich denke mir: Kann ich doch auch selber. Ich mein, hallo: Ich hab mir erst neulich eine Computerzeitschrift gekauft und damit in schlappen zwei Wochen meine WLAN-Verbindung eingerichtet, das wird nicht einmal zwei Minuten dauern, dann bin ich da … Moment, sehe gerade, dass mit einer Registrierung immer nur einer bloggen kann. Hm, dumm jetzt, es gibt gar keine Anmeldungsmöglichkeit für Autorenduos. Haben die wohl vergessen in dem Netz da, ganz schön nachlässig … Aber ich hab den anderen, den Kobr, nun mal am Hals, also muss ich da irgendwie anders weiterkommen.
Was für eine Adresse geb ich da denn jetzt eigentlich für die Anmeldung an? Nicht, dass die (und wer sind die überhaupt?) noch denken, wir wohnen zusammen, der Kobr und ich. Und den Blogger-Namen muss ich auch ändern, weil der muss ja für uns beide passen. Hübscherjungerundbescheidenermann eignet sich also nicht. Hm, wo mach ich jetzt das? Mist, geht nicht. Muss beim Webmaster anrufen. Egal, der hilft seinem Diener schon.
Das kann nur der Administrator, heißt es da.
Ach so, ja, danke. Nur gut, dass ich nicht Klufti bin, der würde jetzt wahrscheinlich im Telefonverzeichnis nach einem Wolfgang Administrator suchen … Ich dagegen – weiß eigentlich auch nicht, wer das ist. Also, was er macht, schon, aber wer ist das? Gut, noch mal anrufen. Administrator bin ich selbst. Gut zu wissen und – schwupps, Name geändert.
So, jetzt nur noch ein Bild uploaden … kreizkruzifix, wie geht das denn nun wieder? Da ist ja gar kein Button zum … okay, noch mal anrufen. Der Webmaster denkt jetzt auch: Nun weiß ich, von wem der Kommissar die Internetschwäche hat. Egal, noch mal fragen.
»Sie haben aber schon die Anmeldungs-E-Mail bestätigt?«
Die Anmel… jajaja, natürlich, sicherlich, no question, das hab ich sofort als Erstes gemacht, ha, wer vergisst denn so was, das ist doch das Allerallerwichtigste überhaupt.
Jetzt schnell auflegen, E-Mail-Programm booten, Mail confirmen – ui, es geht! Ich bin drin. Mit Bild, jawoll. Und eine Nachricht hab ich schon. Vom Administrator höchstpersönlich. Er (sie? ich?) heißt mich willkommen in der Community. Hat die (er? ich?) da extra auf mich gewartet? Mei, das ist so schön, thanks, da kommen mir echt die Tears 2.0, could this only der Klufti erleben.
So, genug jetzt. Wie gesagt: War eigentlich gar kein richtiger Tagebucheintrag. Eher eine Therapiesitzung. Danke fürs Zuhören.
Wie ich einmal einen schweren Ausnahmefehler beging
Von Volker Klüpfel
Ich muss Ihnen heute etwas gestehen. Ich arbeite ja nicht allein, sondern im Team. Zu zweit, also vielleicht kein richtiges Team, eher eine Notgemeinschaft. Ein Team geht eigentlich erst dann los, wenn man gegen jemanden, den man nicht mag, Koalitionen mit anderen Teammitgliedern bilden kann, um ihn rauszumobben. Das geht nicht, wenn man zu zweit ist. Auch mit Mehrheitsentscheidungen tut man sich leichter, wenn es sich nicht nur um ein Duo handelt. Die Zweiersituation ist aber eigentlich auch kein richtiges Problem – vorausgesetzt, man mag sich.
Ich aber hasse meinen Partner.
Wobei ich kaum Partner sagen kann, denn jeden Tag mutet er mir aufs Neue derart Unglaubliches zu, dass ich manchmal vermute, es sei sein eigentlicher Daseinszweck, mir das Leben zu vergällen. Von oben gesandt als eine der Sieben Plagen. Ach, was heißt da eine? Alle Sieben Plagen zusammen. Ich traue ihm alle Schlechtigkeit der Welt zu und bin ihm trotzdem ausgeliefert, weil es ohne ihn nicht geht.
Jetzt wissen Sie es. Ich verachte meinen Computer. Ja, genau, von dem rede ich, was dachten Sie denn? Und ich glaube, er weiß das auch. Denn unsere täglichen Arbeitssitzungen werden immer wieder durch lautstarke Streitigkeiten unterbrochen, die durchaus auch einmal körperliche Gewalt beinhalten können. Finden Sie übertrieben? Nur ein Beispiel:
Als ich, nennen wir ihn mal Nemesis, als ich Nemesis also heute Morgen einschalte, ploppt er eines seiner garstigen Fenster auf. Sie wissen schon: blauer Rand, graue Füllfarbe, die nur einem einzigen Zweck dienen: uns Computerbenutzer mit kryptischen Nachrichten an den Rand des Wahnsinns zu treiben – und manchmal noch einen Schritt weiter (SUWIN verursachte eine allgemeine Schutzverletzung in Modul SETUPX.DLL). Bin ich Suwin? Nennt er mich so? Aber womit sollte ich ihn verletzt haben? Ich habe ihn ja die ganze Nacht nicht angefasst. Oder war es vielleicht genau das? Erwartet er auch nachts meine tastenden Hände auf seinen handlichen Tasten?
Jedenfalls ist er sauer und ich machtlos. Der Tag ist praktisch gelaufen, wie neulich, als er mir einen schweren Ausnahmefehler vorgeworfen hat. Na, hallo, jeder macht mal Fehler, aber deshalb gleich so ausfallend zu werden? Und was kann ich dafür, wenn die Speicheradressen nicht gefunden werden? Ich hab sie nicht verlegt, aber ich darf es ausbaden.
Ja, und wenn wir dann überhaupt nicht weiterkommen, auch gutes Zureden, Streicheln oder manchmal auch etwas festeres Tätscheln nichts hilft, dann wird damit gedroht, in den abgesicherten Modus zu wechseln. All das ohne brauchbaren Hinweis auf Möglichkeiten, mein Fehlverhalten wiedergutzumachen. Ins Zwischenmenschliche übersetzt ist das so, als befinde die Lebenspartnerin: »Also, wenn du da nicht selbst draufkommst, dann gibt es zwischen uns nichts mehr zu sagen.«
Auch mit meinen (leeren, aber woher weiß er das) Drohungen laufe ich regelmäßig gegen die Wand: Wenn ich beispielsweise sage: Ich formatiere dich neu, zeigt er mir einfach sein sarkastisches Dauergrinsen (blauer Bildschirm).
Die Worte: »Ich steig um auf Apple«, beantwortet er lediglich mit einem gleichgültigen Schulterzucken (Hilfe und Support kann nicht geöffnet werden. Starten Sie Hilfe und Support, um dieses Problem zu beheben.).
Neulich dann der Tiefpunkt unserer Hassliebe – das Wort »Beziehung« scheint deplatziert: Versuch, verschachtelte Maskenereignisse auszuführen. Hä? Wie bitte? Nein, ich verlange ja gar keine Maskenereignisse. Und schon gar nicht, wenn sie verschachtelt sind. Tu einfach nur deine Arbeit, so wie ich, wenn ich nicht damit beschäftigt bin, mich mit deinem verkorksten Innenleben zu beschäftigen.
Ende der Leseprobe