Zwischen zwei Leben...bis dass der Tod uns scheidet? I. Teil - C. F. Müller - E-Book

Zwischen zwei Leben...bis dass der Tod uns scheidet? I. Teil E-Book

C. F. Müller

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Mitte der 60er Jahre im Norden von Bayern. Horst Malon ist frische 19 Jahre jung und lebt ein Leben auf der Überholspur. Schnelle Autos, exklusive Hobbies und selbstverständlich Mädchen, sind seine Passion. Er will den Sinnenrausch der Liebe spüren und sucht sein aufregendes Glück in der malerischen Bergwelt des Voralpenlandes. Charmant und attraktiv, wie er ist, machen es ihm die Mädchen leicht, - bis auf Conni. Sie ist sein Himmel und seine Hölle. Eine einzige fatale Entscheidung aus Pflichtgefühl, Stolz und vermeintlicher Ehre, wird zum gnadenlosen Gefängnis der Gefühle. Nach einer durchfeierten Nacht, wacht er im Bett von Marga auf. Wochen später, stellt sie ihn zur Rede. Sie sagt, sie erwartet ein Kind. Er zweifelt die Vaterschaft an und will sich befreien von verstaubter, verkrusteter Moral und aufgezwungener Etikette des Elternhauses. Margas Mutter verlangt ihm eine Unterredung ab, droht ihm und seiner Familie mit einem Aufsehen erregenden Skandal und erzählt von den Stigmatisierungen, welche sie selbst als ledige Mutter nach dem Krieg erleiden musste. Der junge Pilot ist hin- und hergerissen, vereinbart einen Kompromiss und heiratet zwei Wochen vor der Geburt, trotz aller Warnungen seiner Familie. Die Ehe entwickelt sich zur perfiden Unerträglichkeit. Er arrangiert sein Doppel-Leben, flüchten sich in heiße Affären und versucht aus diesem Gefängnis der Gefühle zu entfliehen und die bittersüße Verlockung, den Drahtseilakt, zwischen prickelnder Versuchung und Last der Verantwortung, zu meistern. Aus Hilfsbereitschaft und im Kampf um den § 218StGB fliegt er Frauen in Not zum Schwangerschaftsabbruch in die Niederlande und besorgt auf Drängen eines Freundes, illegal, die in Deutschland zu jener Zeit, immer noch umstrittene Antibabypille für Frauen, welche legal keinen Zugang zu diesem revolutionären Weg der Selbstbestimmung haben. 1977 novelliert das Scheidungsgesetz mit der Abschaffung des Schuldprinzips und endlich könnte eine Befreiung in Sicht sein.

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Seitenzahl: 257

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Urheberrechtlich geschütztes Material

Copyright by C. F. Müller

c/o COCENTER

Koppoldstr. 1

86551 Aichach

Umschlaggestaltung: C. F. Müller Urheberrechtlich geschützt

Innenteilgestaltung: C. F. Müller Urheberrechtlich geschützt

Deutsche Erstausgabe 2024 Es gibt Geschichten, die erzählt werden müssen, um Klarheit zu schaffen. Klarheit für die Zukunft und auch für die Vergangenheit, um zu verstehen und um den zähen Nebel der Missverständnisse und sämtlicher Manipulationen, mit dem Wind und der Sonne der Wahrheit zu vertreiben.

Menschen entscheiden annähernd immer für das Ego und gegen jede Vernunft. Doch wenn sie für die Vernunft entscheiden, bereit sind, sich selbst zurückzunehmen, um das Wohl anderer zu sichern, verdienen sie Respekt und Wertschätzung.

Heute und auch für die Vergangenheit.

C. F. Müller

Zwischen zwei Leben

…bis dass der Tod uns scheidet?

I. Teil

Dieser Roman beruht auf wahren Ereignissen. Einige Begebenheiten, Szenen, Namen, Protagonisten und Schauplätze sind zum Schutz von Personen verändert oder aus dramaturgischen Gründen fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.

© C. F. Müller

Gewidmet, der Liebe meines Lebens, in Dankbarkeit und

Verbundenheit. Posthum in Gedenken an H. M., der dieses Buch

Realität werden ließ.

Aufrichtiger Dank an Elfi N., herzenswarme Freundin, für die

Kreativität und den wachen Geist, Peter G., Freund und

Wegbegleiter für die Initiative und Inspiration und Karin K.,

wertvolle und geduldige Freundin, für die Sensibilität und

Motivation.

Klappentext

Volles Risiko in der Luft und am Boden. Immer auf der Jagd nach der perfekten Balance, zwischen zwei völlig gegensätzlichen Leben, in einer Zeit im Wandel der gesellschaftlichen Normen, in der bayrischen Provinz, unweit der Grenze zur DDR.

Der junge Rebell, Horst Malon, ist gerade neunzehn geworden, will Sportflugzeuge fliegen und den Sinnenrausch der Liebe spüren. Nur eine Nacht verändert das ganzes Leben. Eine einzige, fatale Entscheidung aus Pflichtgefühl, Stolz und vermeintlicher Ehre, wird zum gnadenlosen Gefängnis der Gefühle. Der junge Mann versucht aus diesem Gefängnis zu entfliehen und die bittersüße Verlockung, den Drahtseilakt, zwischen prickelnder Versuchung und Last der Verantwortung, zu meistern. Zusammen mit einer Frau, die er nicht liebt, zieht er in die Bergwelt des malerischen Chiemgaus. Dort findet er Anni, seine perfekte Seelenverwandte, aber auch den traurigen Grund, zum Gut der Familie zurück zu kehren.

Herzzerreißend, intensiv und sexy. Eine Geschichte aus den wilden 60er/70er Jahren, über ambitionierte Träume eines Mannes, den unbedingten Willen, die Freiheit in der Luft und in der Liebe zu erreichen. Sein Mut, über Grenzen zu gehen, seine Hilfsbereitschaft für das Schicksal von Frauen im Kampf um den §218StGB und seine Tollkühnheit, könnten ihm irgendwann zu viel kosten.

Inhalt I. Teil

Kapitel 1 Träume in 2000 Fuß über Grund Kapitel 2 Himbeereis und klare Worte Kapitel 3 Tom Collins und Karmann Ghia Kapitel 4 Sturzflug

Kapitel 5 Die Luft wird dünn

Kapitel 6 No-wedding-flight

Kapitel 7 Geschenke und Angelika Kapitel 8 Abschied und Freiheit Kapitel 9 Habe die Ehre Chiemgau Kapitel 10 Strolchi

Kapitel 11 Wedding-Bells?

Kapitel 12 Ein Engel ist gelandet Kapitel 13 Noch ein Engel ist gelandet Kapitel 14 Recht auf Freiheit

Kapitel 15 Generaldirektor von 30000 Mitarbeitern

Kapitel 1

„Träume in 2000 Fuß über Grund“

Anfang August. Auf den Feldern reift das Korn. Die Ernte steht bevor. Es ist immer noch heiß an diesem Sommerabend und lange hatte es nicht geregnet. Die Erde ist trocken, rissig und aufgebrochen. Heute endlich, soll der Regen kommen und es fühlt sich den ganzen Tag nach dieser bleiernen Schwere an, als ob ein Gewitter naht. So ein verfluchter Mist! Die sind bestimmt schon alle da und ich mal wieder viel zu spät! Gas geben! Los jetzt! Alles aus der Maschine rausholen! Tacho am Anschlag! Mit Vollgas rase ich auf der Landstraße entlang und noch nicht einmal der Fahrtwind kühlt mich ab. Seit Wochen freue ich mich auf diesen Abend und kann es kaum erwarten. Ich will heute das Leben feiern, Mädchen treffen und Spass in den Lenden haben. Die Lichter kommen näher, schnell biege ich ab, lege eine Vollbremsung hin und höre schon stampfenden Sound aus der Bar. Dichte Rauchschwaden, nur schemenhaft Gestalten in Bewegung. Wo sind meine Freunde? Meine Güte ist das zappenduster hier. Bebend und rhythmisch fühle ich die Musik. Sie spielen “Let’s Twist Again” von Chubby Checker, oder versuchen es zumindest und ich ordere bei Hans ein Bier und drücke die eiskalte Flasche an meine Brust. Meine Kumpels tanzen und ich verschaffe mir einen Überblick. Die Band spielt ein Cover nach dem anderen und ich vermute, das jetzt soll ein Isley Brothers Song sein. Fast nicht zu erkennen, aber die Tanzfläche vibriert bei “Twist And Shout” und ich halte Ausschau nach der Prinzessin des Abends.

Conni! Doch ja, sie ist es! Weit hinten in der Ecke sehe ich sie mit ihrer Freundin sitzen. Ein sichtlich betrunkener Kerl in Jeans und Lederjacke, wankt auf die Mädchen zu, stützt sich unbeholfen am Tisch auf und versucht sein Glück. Ich kenne den Typen. Er arbeitet bei Connis Vater in der Fabrik und trank sich heute wohl Mut an. Krampfhaft versucht er seine Balance mit einer Hand am Tisch zu finden. Conni nimmt eine Zigarette von ihm, schüttelt den Kopf, steht auf, kommt zu mir rüber.

»Hallo Horsti! Hast du das mitbekommen? So penetrant, dieser elende Lümmel!«

Große, braune Augen und der perfekte Mund. Ihr schulterlanges, dunkles Haar schimmert im Schein der spärlichen Beleuchtung. Das ultrakurze Sommerkleid zeigt deutlich die Konturen ihres grazilen Körpers und sie setzt sich zu mir, überschlägt die Beine und ich kann nicht wegsehen. Mit atemberaubender Grazie und Sexappeal bewegt sie sich auf dem Barhocker, dass es einem die Sprache verschlägt. Mein Herz klopft bis zum Hals. Ich halte mich am Bierglas fest und überlege, wie ich wohl mit meinen Lebensplanungen Eindruck schinden könnte. Keiner meiner Freunde konnte bei ihr landen, aber alle haben es versucht. Ich lausche ihrer Stimme und starre sie nur an.

»Paris! Ich will unbedingt nach Paris und Mode studieren. Papa will mich zur Textilfachschule nach Münchberg schicken. Stell’ dir das mal vor! Der soll sich jemanden anderen suchen für seinen Laden. Ich will nach Frankreich und eine große Designerin werden und ich will die Welt sehen, jeden Morgen erledigt aus den Clubs stolpern, mit Filmstars Croissants essen, Champagner in einem Eckbistro mit Musikern trinken und sofort wieder an die Arbeit gehen. Ausruhen kann ich, wenn ich tot bin!« Sie greift nach meinem Bierglas, trinkt gierig einen großen Schluck, holt Luft und legt weiter los: »Außer für ein paar Wochen mal an die Riviera, bin ich noch nie rausgekommen. Das war bisher die einzige Zeit in meinem Leben, in der ich mich frei fühlen konnte! Frei von Zwängen und Konventionen. Weit weg von den Leuten hier, die mich schief anschauen, wenn ich ein paar chice Klamotten aus irgendeiner Boutique in Nizza trage. Dieses Gerede und Getuschel ist sowas von verletzend. Keiner freut sich für mich, wenn ich mein Leben in Paris plane…das macht mich wütend und traurig!«

Conni leert mein Bier. Ich ordere ein weiteres… »Horsti! Komm doch mit mir an die Côte d´Azur! Ich war in Saint-Tropez im Esquinade. Alles glitzert und strahlt, die Barkeeper mixen dir mit einem Lächeln die köstlichsten Drinks und du siehst auf das Meer. Jeden Moment hast du das Gefühl, Brigitte Bardot oder Alain Delon kommen herein. Alle sind so chic und benehmen sich. Ganz im Gegensatz zu den Kerlen hier. Die Typen arbeiten entweder für meinen Vater oder für die Schuhfabrik. Ich kann mich nicht mal mit denen unterhalten, weil ich sie kaum verstehe, bei dem fiesen Dialekt. Oder sie sind sturzbetrunken, wie der Kerl gerade! Soll Papa mit meinem Bruder rechnen, aber sicher nicht mit mir! Und? Horsti! Du sagst ja gar nichts! Was planst du so?« Überraschend findet ihr Redeschwall ein Ende. »Ich will fliegen lernen und den Himmel berühren, die Wolken von oben sehen. Geschwindigkeit, Freiheit und Loslassen von allem, den Blick haben, aus einer anderen Perspektive. Das ist es, was für mich zählt! Die Unterlagen habe ich mir besorgt, meinen Job kann ich mit links, also halte ich an diesem Traum fest, den ich schon so lange träume. Ich kann dich ja mal besuchen in Paris, dann fliege ich mit dir einen Three Sixty um den Eiffelturm!« Conni hängt an meinen Lippen, sie strahlt mich mit ihren großen Rehaugen an und zieht mich am Hemdsärmel auf die Tanzfläche. Die Band spielt “Devil In Disguise” von Elvis und wir beide überhören gerne die falschen Töne. Lachend bewegen wir uns aufeinander zu und ich wünsche mir so sehr, sie in den Arm zu nehmen, ziehe sie sachte zu mir, bis sie den leichten Widerstand aufgibt. Nun sind wir uns ganz nah und mein Herz bebt, ich sehe nur sie und fühle die Musik durch meinen ganzen Körper strömen. Gleich berühren sich unsere Lippen, gleich…jetzt, endlich…

Plötzlich! Wie aus dem Nichts! Ein ohrenbetäubender greller Knall! Die Musik ist aus und kreischende Mädchenstimmen tönen in meinen Ohren! Alle rennen in der Dunkelheit aus der Bar. Ich höre wie Stühle umgestossen werden, Gläser zu Boden fallen.

Ein Blitz schlägt genau zum unpassendsten Zeitpunkt irgendwo ein und zerstört meinen langersehnten, romantischen Moment mit Conni exakt auf der Zielgeraden. Sie gleitet mir aus den Armen und rennt zu ihrer Freundin. Die Mädchen reißen ihre Mäntel und Taschen von den Stühlen und flüchten nach draussen. Ich stehe inmitten der leeren und dunklen Tanzfläche und versuche, irgendwas zu erkennen. Na Bravo! Vermutlich kein Strom im Umkreis von, - na sagen wir mal, - der halben Stadt. Um den Auftritt der seit Wochen angekündigten Beatband ist es nicht schade, die sollten erstmal Noten lesen lernen. Langsam gehe ich nach draussen in Richtung Toiletten und höre den Wirt fluchen, seine Kühlung sei dahin. Er ruft nach mir.

»Hey du! Warte mal! Repariere mal mein Zeug! Mir gehen alle Vorräte flöten!«

»Tut mir leid, Hans. Das war sicher eine klassische Spannungsspitze und da kann ich nichts mehr machen. Das Überlandwerk wird sich bestimmt schnell um die Sache kümmern!«

»Jaja, ist schon recht! Ihr jungen Leute tut euch leicht, wollt nur Spass haben! Ich aber bleibe auf dem Schaden sitzen. Aber wartet nur, ich habe mir alle gemerkt, die ihren Deckel noch offen haben!«

Geistesgegenwärtig zahle ich meine Rechnung bei ihm und bekomme ein müdes Lächeln. Mit den Händen in den Hosentaschen gehe ich nach draussen. Ein paar Leute stehen herum. Ich sehe mich um. Hey! Was haben wir denn da? Conni lehnt an meinem Motorrad! Sie fragt leise, wo ich bleibe und dass sie nur noch wissen wollte, was ein Three Sixty ist. Der warme Regen rinnt ihr über das fein geschnittene Gesicht, ihr Haar ist nass und das Kleid klebt ihr am Körper. Ich rieche deutlich ihr Parfum und es mischt sich mit dem Duft von feuchter Erde und nassem Gras. Sie haucht mir ins Ohr »was nun?« und ich fahre vorsichtig und langsam mit dem Zeigefinger die Konturen des Blumenmusters auf ihrer Schulter nach, frage sie, ob wir noch ein wenig Abenteuer haben sollten und sie ruft »Ja! Lass uns in die Stadt fahren oder gleich nach Nürnberg! Irgendwas ist sicher noch offen! Ich will unter Menschen sein!« Conni setzt sich hinter mich und klammert sich fest heran, - ganz nah. Ich lasse die Maschine an. »Na los! Warum fährst du nicht?« »Geht nicht! Da steht ein Mercedes direkt in der Einfahrt, das Tor ist zu eng. Da komme ich nicht durch.« Conni sieht an mir vorbei und steigt ab. Ich drehe am Zündschloss, der Motor ist aus. Sie läuft schnell auf das Auto zu, fuchtelt mit den Händen in der Luft herum und ruft »Papa, was soll das? Was willst du hier? Verdammt nochmal!« »Deine Mutter hatte Angst um dich! Der Stromausfall kam im Radio und ich bin sofort losgefahren! Jetzt steig schon ein! Kind, du bist ja völlig durchnässt…oder wolltest du dir mit dem Bengel auf dem Motorrad den Tod holen? Du zitterst doch schon vor Kälte!«

Conni brüllt los und stampft mit dem Fuß auf den Boden: »Nein! Aus Wut, Papa! Du blamierst mich vor meinen Freunden! Ich fasse es nicht!« Ihre Stimme überschlägt sich und sie schimpft wild weiter drauf los. Ihr Vater unterbricht sie, aber ich höre nicht genau, was er sagt. Sie wird nun leiser und ich glaube meinen Namen zu hören. Sie dreht sich um und kommt zurück zu mir, gibt mir einen Kuss auf die Wange.

»Es hätte so schön werden können, heute mit uns…bis zum nächsten Mal, Horsti. Gute Nacht!« Sie stapft zum Auto und steigt ein, ihr Vater hebt die Hand und ruft »Gute Nacht, junger Mann! Beste Grüße an die Frau Mama!« Ich sehe den Rücklichtern nach und zupfe mein nasses Hemd zurecht, dabei steigt mir der Duft von Connis Parfum in die Nase. Nettes Andenken… Conni ist weg. Ich habe den Finger am Zündschlüssel und will gerade starten, da fährt ein VW Transporter durch das Tor. Im Licht des Scheinwerfers erkenne ich das Logo auf dem Bus. Zwei Männer steigen aus. Ach, schau an, der Jochen.

»Hey Horsti! So ein Mist! Samstag Abend und ich habe Notdienst!« Jochen öffnet die Trafostation, legt den Netztrennschalter um und holt sein Werkzeug. »Ja, frag mich mal. Den ganzen Tag geschuftet, seit Wochen auf den Abend gefreut, endlich hier und dann das!« Ich sitze auf meiner Maschine und sehe interessiert zu, wie die beiden Kollegen den Schaden analysieren. Um mich herum ist es ruhig geworden, die meisten sind gegangen und meine Kumpels haben sich mit ihren Freundinnen auf die Rücksitze ihrer Autos verzogen.

»Oh je! Bis das wieder geht?« Ein Mädchen, nein, - eine junge Frau im beigen Kostüm steht neben mir. Ich beruhige sie und erkläre stolz mit meinem Fachwissen, was nun passiert. Sie strahlt mich an und bedankt sich. »Na, dann gehe ich mal. Ist ja nichts mehr los hier! Macht’s gut, ihr Fachmänner, sonst finde ich zuhause mein Bett nicht und steige am Ende ins Falsche ein!«

Ich sehe ihr nach, wie sie vorsichtig den steilen Weg hinabläuft. Regen und Blätter verwandelten die Straßen in eine rutschige Herausforderung und es scheint, sie hat wenig Halt.

»Soll ich dich heimfahren?« rufe ich ihr zu und sie bleibt abrupt stehen, dreht sich wackelig um, rutscht plötzlich aus und fällt rückwärts. Ich stelle mein Motorrad schnell ab und eile zu ihr.

»Na, hör mal, musst du mich so erschrecken? Das hättest du aber auch gleich sagen können!« lacht sie laut. Ich reiche ihr die Hand und helfe ihr auf.

»Horst mein Name, Ritter ohne Furcht, aber mit viel Tadel. Bereit mein Stahlross zu besteigen?« »Ich weiß, wer du bist! Ich heiße Marga.«

Kapitel 2

„Himbeereis und klare Worte“

Haarscharf rase ich mit meinem Motorrad durch enge Kurven und mit Vollgas eine Allee entlang. Die Tachonadel ist am Anschlag! Deutlich, kann ich das frisch gemähte Gras riechen und spüre den peitschenden Fahrtwind am Körper. »Frühstück ist fertig!« War das meine Mutter gerade? Langsam öffne ich die Augen und blinzle. Ach so! Sonntag! Heftig! Wie real man träumen kann. Ich setze mich auf und überlege, was gestern Abend passierte. Ich traf Conni und mir wird sofort warm ums Herz. Die wunderschöne und superheiße Cornelia Goldmann, Tochter von Textil-Fabrikant Emil Goldmann, einer der größten Arbeitgeber unserer Region. Sie ist mein absoluter Schwarm. Ein Mädchen, nach dem man sich einfach umdrehen muss, so heiß, allein schon ihr Gang und ihr Lachen, ihre Stimme, - einfach alles an ihr.

Ich war 17, als ich sie das erste Mal an der Eisdiele sah. Meine Freunde, Rainer und Willi, radelten in die Stadt, ich kam dazu und wir saßen am Fluss, gleich neben der Milchbar und überlegten, ob noch eine vierte Portion geht. Ich sammelte das Geld der Jungs ein und ging zum Tresen, bestellte, erhielt die drei Waffeltüten und versuchte Restgeld samt Eis irgendwie mit den Händen zu halten. Hinter mir hörte ich plötzlich eine leise Stimme. »Du stehst auf meinem Fuß« und noch bevor ich mich umdrehte, rief ich barsch: »Du musst deinen Fuß nicht unter meinen stellen!«

Ich sah mich um und blickte in die schönsten, braunen Augen, die ich mir vorstellen konnte und ich glaube, mir fiel sogar die Kinnlade runter. Meine Hand mit dem Eis kippte ihr entgegen und zwei Portionen landeten zielgenau auf ihrer weißen Bluse im Ausschnitt. Instinktiv trat sie zurück und auch die letzte Kugel Himbeereis fiel ihr auf den Schuh. Ich war wie erstarrt. Meine Kumpels aber kriegten sich nicht mehr ein vor Lachen. Ich entschuldigte mich gefühlt 1000 Mal bei ihr. »Das kann nicht wahr sein! Du trittst mir erst auf den Fuß und beschmeißt mich dann auch noch mit drei Tüten Eis! Bist du deppert?«

»Bitte lass das umgehend reinigen, ich übernehme selbstverständlich die Kosten…mir tut das unendlich leid!« versuchte ich sie zu beruhigen.

»Na, das war es dann mit dem Kino! Hier meine Karte! Deine Klamotten sind ja heil geblieben. Der Film heißt “Im weißen Rößl” mit Adrian Hoven und da drüben stehen meine beiden Freundinnen, - zu denen darfst du dich die nächsten zwei Stunden setzen. Viel Spass! Ich fahre nach Hause!« zischte sie mir zu, schnappte sich ihr Rad und weg war sie. Ich langweilte mich im Kino bei dieser Kitsch-Komödie und wäre lieber in „Die Zeitmaschine“ gegangen, aber mein Plan ging auf und ich bekam die Adresse des Mädchen von den Freundinnen.

Zuhause erzählte ich meiner Mutter von der Sache und als sie den Namen hörte, meinte sie: »Das erledige ich schon. Der Vater half uns früher als Student beim Einholen der Ernte auf dem Feld. Lass nur, ich fahre vorbei!« Ich aber wollte das Mädchen wiedersehen und überzeugte meine Mutter, das selbst in Ordnung zu bringen. Am nächsten Tag radelte ich mit einem Blumenstrauß zum Haus der Goldmanns und sprach mit der Haushälterin. Sie wußte bereits Bescheid und man ließ mir ausrichten, - alles sei in Ordnung und man wünsche mir weiterhin einen guten Tag. Ich war sehr enttäuscht. Aber seit damals begegnen wir uns immer wieder, denn Conni ist Teil meines Lebens geworden und wir beide fast schon gute Freunde. Gestern Abend war ich ihr so nah wie noch nie. Aber es sollte nicht sein… Nach dem großen Stromausfall brachte ich Marga nach Hause. Sie rutschte aus, tat mir leid und ich bin zu einem hilfsbereiten Menschen erzogen worden. Sie lebt in einer der Arbeitersiedlungen der Schuhfabrik. Zum Abschied schlang sie plötzlich beide Arme um mich und gab mir einen Kuss auf die Wange. Ich war völlig überrumpelt von ihrer direkten Art.

»Ich habe dich aus Hilfsbereitschaft nach Hause gefahren und sonst wirklich keinerlei Absichten…wir kennen uns nicht mal!«

Marga sah mich lächelnd an.

»Vielleicht kennst du mich nicht, aber ich kenne dich schon lange! Gute Nacht! Träume was Schönes. Vielleicht von mir?« säuselte sie. Verwundert startete ich meine Maschine und raste in der Dunkelheit nach Hause. Meine Mutter schenkt mir Kaffee nach. »Wann bist du nach Hause gekommen?« »Als ob du das nicht genau wüßtest?« murmle ich, bereue sofort meinen Satz und weiß genau, was jetzt kommt. Sie zieht einen Stuhl heran und setzt sich zu mir. »Mein Sohn, du bist noch nicht volljährig und ich trage Verantwortung für dich und deine Schwester. Ich halte unseren Betrieb am Laufen, der uns ein gutes Leben und auch deine Hobbies finanziert. Du hast dich gegen das Gut entschieden - gegen meinen Willen! Das ist seit dem 17. Jahrhundert das erste Mal, dass ein Erbe ablehnt, den Besitz zu übernehmen und sich der Verantwortung zu stellen. Ich respektiere deine Entscheidung, aber ich erwarte, dass auch du mir respektvoll auf meine Fragen antwortest. Haben wir uns verstanden?« Ich nicke, um Ruhe zu haben und denke nur daran, dass ich endlich eine eigene Wohnung brauche. Das wird mein nächstes Projekt, aber erst muss ich zum Flugplatz und nachsehen, ob meine Unterlagen schon gekommen sind und morgen gehts in den Betrieb. Mal sehen, ob mein Meister wieder Planungsfehler machte, welche ich ausbügeln darf.

Endlich Freitag! Die Woche ist geschafft und ich habe mit den Jungs vereinbart, Nürnberg zu erobern. In unserer Heimat, im Zonenrandgebiet, wird für uns junge Leute viel zu wenig geboten. So fahren wir oft zusammen in Peters Ford 17M übers Wochenende weg. Im Radio läuft “Speedy Gonzales“ von Pat Boone, lauthals grölen wir mit. In der Großstadt angekommen, stolpern wir von einem Club zur nächsten Kneipe und vom Tanzlokal zur Bar. Ich bestelle mir einen Cuba Libre am Tresen und sehe meine Freunde fröhlich feiern. Einige Gäste verlassen die Bar und ich entdecke am Ende des Tresens ein dunkelhaariges Mädchen. Sie sitz da, ganz allein, der Kopf gestützt auf beide Arme. Sie sieht aus wie…Nein! Das ist Conni! In Jeans und gelbem Shirt sitzt sie vor einem Cocktail und starrt in ihr Glas. »Hey, das gibt es doch gar nicht! Conni! Du hier?« Sie dreht sich zu mir, hat Tränen in den Augen, wirkt nicht mal überrascht. »Was fehlt dir? Hast du Ärger?« Conni presst kurz die Lippen zusammen: »Ich bin weg von zuhause…seit fünf Tagen. Ich habe mit meinen Eltern gestritten, meine Sachen gepackt und hier oben ein Zimmer bezogen. Jetzt ist mein Geld alle und ich weiß grad nicht, wie es weiter geht. Ich will nicht mehr nach Hause. Alles engt mich ein. Ich will nach Paris! Ich bin so unglücklich! Das ist alles so furchtbar!«

Ich lege meine Hand auf ihren Arm. »Denk nach, Conni! In Paris wird dich niemand einstellen, ohne Abschluss. Du bist so weit gekommen, beende die Schule. Dir steht doch die Welt offen. Halte durch, sonst war die ganze Mühe in all den Jahren umsonst.« Sie sieht mich zornig, fast schon angriffslustig an. »Ja, na klar! Du bist immer so vernünftig. Bei dir klingt alles so unkompliziert und völlig einfach, aber kaum bin ich wieder zuhause, fühle ich mich wie im Gefängnis und kann kaum atmen. Ich lebe in einem Haus, voller Verbote! Alles scheint vorgeplant für mich. Jeder bestimmt über mein Leben, nur nicht ich! Nein! Ich bleibe hier!« Ihre Finger krallen sich am Tresen fest. Ich fasse ihre Hand, ziehe Conni sanft vom Hocker.

»Wir bringen dich nach Hause, komm…deine Eltern werden sich schon sorgen. Du rufst an und gibst Bescheid, dass alles in Ordnung ist!«

Bockig verschränkt sie die Arme. »Nein, das werde ich sicher nicht tun!« »Dann tue ich es, Conni! Ganz einfach! Raus hier! Pack deine Sachen! Wir nehmen den Zug, die Jungs sollen ihr Wochenende genießen. Bleib hier stehen! Ich sage nur kurz Bescheid.«

Ich finde Rainer in der Menge und erkläre ihm, was Sache ist. Conni steht an der Treppe. Langsam und widerwillig geht sie vor mir hinauf und öffnet die Tür. Ein winziges Zimmer mit beschlagenem Fenster, es riecht muffig, eine schlecht bezogene Matratze am Boden, Tapetenreste an den Wänden. Sie nimmt Reisetasche und Mantel und ich kann nicht anders: »Fräulein Goldmann, diese Bleibe passt so gar nicht zu Ihnen!«

Bevor sie wieder losheult, schiebe ich sie aus der Tür. »Raus hier, Conni! Bloß schnell weg!« Am Bahnhof warten wir am Gleis in die Heimat und haben sogar ein Abteil für uns alleine. Ich halte sie im Arm und bin glücklich. Ihre Hand streicht immer wieder zärtlich meinen Arm. Die Fahrt über blickt sie aus dem Fenster in die Dunkelheit, ihre Augen bewegen sich kaum und ich glaube zu wissen, was sie gerade denkt. Bestimmt ist sie froh, bei mir in Sicherheit zu sein. Ein Taxi bringt uns vom Bahnhof zu ihr nach Hause. Das Auto fährt durch das große Tor in den Innenhof, da öffnet sich bereits die Eingangstür und Connis Mutter eilt die Treppen hinab.

»Mein Liebling! Cornelia, was machst du denn? Dein Vater ist außer sich…wir kamen fast um vor Sorge! Was tust du uns an? Komm doch ins Haus! Ich gebe der Polizei Bescheid, dass du wieder hier bist.«

Conni steigt zögernd aus, nimmt ihre Tasche und dreht sich kurz zu mir um. Sie sieht mich seltsam starr und durchdringend an.

»Ich bereue zutiefst, dass ich auf deine blöde Idee hörte und mit dir in den Zug stieg. Geh mir aus den Augen! Lass mich bloß in Ruhe! Du verstehst nichts, - absolut nichts! Du hast keine Ahnung, was ich fühle und wer ich bin! Verschwinde! Ich will dich niemals mehr wiedersehen!« Mir wird eiskalt…ihr Blick ist vernichtend und trifft mich mitten ins Herz. Ich finde keine Worte, sehe sie nur an und bin wie erstarrt. Es ist, als ob mir mein Herz ganz langsam herausgerissen wird. Gerade noch diese wunderschönen Momente mit ihr, alles fühlte sich eben noch liebevoll, einig und richtig an. Und nun zieht sie mir den Boden unter den Füßen weg? Wortlos steige ich in das Taxi und sehe noch wie sich die große Tür der Villa schließt. »Wohin?« fragt mich der Fahrer.

»Zum Flugplatz nach Pirk, bitte!« »Was? Um diese Zeit? Da ist doch niemand jetzt!« Egal. Ich muss jetzt an einen Ort, der mich glücklich macht. Wenn ich sie nur sehe, weiß ich, was meine einzige große Liebe ist, - Flugzeuge…und bald werde ich es beherrschen, sie zu fliegen.

Kapitel 3

„Tom Collins und Karmann Ghia“

In Gedanken versunken, sitze ich im Bistro, - vor mir ein halbvolles Glas Bier, der Schaum ist nur noch marginal zu erkennen. Vor mehr als drei Wochen sah ich Conni das letzte Mal und ihre Worte verletzten mich zutiefst, rissen mir das Herz in einem Stück heraus. Ich war die ganze Zugfahrt über fest davon überzeugt, dass wir beide das Richtige tun, aber in ihrem Schweigen war nicht liebevolle Nähe, sondern ein aufziehender Orkan mit einem Finale aus Eisregen. Habe ich Liebeskummer? Nein! Niemals! Das ist verletzter Stolz, - nicht mehr! Oder? Die letzten Tage verbracht ich damit, die Funk-Navigation in meinen Schädel zu bekommen. Ich hatte nie große Schwierigkeiten etwas zu begreifen und lernte immer schnell, zumindest, wenn ich mich für etwas wirklich interessierte, doch jetzt sind Begriffe wie VOR, RNAV, ADF oder Deviation, Wörter, welche mir absolut nichts sagen. Während ich mich mit großer Anstrengung selbst bemitleide und zu absolut nichts motivieren kann, bekomme ich einen heftigen Knuff in die Seite. Rainer, mein bester Freund, steht neben mir und sieht mich fragend an. »Was ist denn mit dir los? Die ganzen Zeit hängst du nur noch rum, machst ein dermaßen fades Gesicht! Gehts dir immer noch um die Goldmann? Die ist doch weg. Conni ist mit ihrer Mutter nach Meran gereist. Die kriegt dort den Kopf gewaschen, damit sie wieder spurt. Die muss es ganz schön heftig krachen haben lassen in Nürnberg, sogar von Haschisch war die Rede. Und? Was hat dir dein Einsatz gebracht? Bestimmt ´ne Menge Spass, mein Freund! Sieht man dir an! Jetzt los hier! Wir hauen einen drauf! Der Schützenverein hat seit Mitte der Woche die Buden aufgebaut. Kannst uns allen ja mal wieder beweisen, wer der diesjährige Schützenkönig wird. Du öder Langweiler!« Ich lege dem Wirt Geld auf den Tresen und stehe extra langsam, wie in Zeitlupe, auf.

»Okay! Und nur weil du so ein unsensibler Trottel bist, nehme ich dich in meinem Auto mit…steht vor der Tür.« Rainer reisst die Augen auf.

»Ne, nicht wirklich? Hast du dir den Karmann Ghia doch gekauft? Ich glaube es nicht! Die Karre vor der Tür gehört dir?«

Als wir die Treppen zur Strasse hinunter gehen, haut mir Rainer von hinten auf den Rücken. »So ein vollkommener Idiot! Fährt das heißeste Auto in der Stadt und jammert wegen einer durchgeknallten Tussi? Mann, - Horsti, wir sind jung und können alles haben! Sieh dich mal um!«

Ich wollte aber sie und keine andere, denke ich, starte den Motor und stelle das Radio an. Die Rolling Stones geben „Time Is On My Side“ zum Besten und haben so Recht. Wir parken am Festplatz und ich schließe mein Dach, vorsichtshalber; mein Kumpel Willi hatte in seinem Käfer Cabrio schon eine leere Bierflasche und Zigarettenkippen liegen.

Eine Gruppe Mädchen schlendert über den Platz und wir pfeifen ihnen hinterher. Rainer bugsiert mich zur Schießbude. »Da geht’s lang, Bürschchen!« Ich bin ein recht guter Schütze, habe es aber nie gezeigt bekommen, Naturtalent vermutlich. Ich war nie beim Bund, habe mich bisher erfolgreich gedrückt, außerdem kennt meine Mutter entsprechende Hebel samt Ordonnanzen beim Kreiswehrersatzamt und somit bin ich immer noch als „unabkömmlich“ tituliert, was hoffentlich so bleibt. Kimme, Korn, Luft kurz anhalten, Abzug, fertig. Ich ballere alle Plastikröhrchen weg. Der Budenbesitzer überreicht mir einen Kuschelbären, den ich einem kleinen, blonden Mädchen schenke. Sie macht große Augen und drückt das Spielzeug ans Herz, flüstert leise »Dankeschön« und sieht mich mit strahlenden Kinderaugen an.

Inzwischen versucht mein Freund sein Glück und bekommt ein Päckchen Trillerpfeifen überreicht. »Der Lauf war verzogen, miese Qualität von Knarre war das!« schimpft er lautstark. Wir gehen zu den Zielscheiben des Schützenvereins und ich lade das Luftgewehr. 10 Schuss ins Schwarze, dann habe ich 100 Punkte und einen guten Start vorgelegt. So der Anspruch, mal schauen, wie es heute so läuft, ich sehe das gelassen.

Erste Scheibe, 20 Meter Entfernung. Ich bin heute sehr gut, brauche annähernd keine Zeit zum langen Fixieren des Ziels. Final vor dem letzten Schuss, spüre ich nahe neben mir eine Person herantreten, der Holzbohlen unter mir bewegt sich. »Den versemmelst du, du Anfänger!« Ich drücke den Abzug und das Ding geht in die Sechs. Neben mir steht Marga und lacht aus vollem Halse. »Sag mal, musste das sein? Sowas gehört sich nun wirklich nicht! Das ist unsportlich und absolut fies!« Ich bin richtig sauer und lege mein Gewehr auf den Tisch vor mir ab. »Na, wenn du dich so leichtfertig ablenken läßt? Selbst schuld. Ich zeige dir mal, wie man das macht! Los, geh zur Seite!«

»Jaja, heute nicht! Ich bin mit Freunden hier und ganz ehrlich, deine Nummer gerade, war sowas von daneben. Lass mich bitte in Ruhe!«

»Ach schau! So einer bist du? Ich fordere dich heraus und du kneifst? Das hätte ich nun wirklich nicht von dir gedacht! Ich habe dich noch als Gentleman verteidigt, bei mir im Büro. Dann stimmt es ja, was die Mädchen von dir erzählen. Wenn es dir zu verbindlich wird, gehst du der Sache aus dem Weg! Du Feigling!«

Ich drehe mich von ihr weg, nehme die Waffe wieder in die Hand und lade Diabolos.

»Okay! Dann lass uns schauen, ob es dieses Mal eine Schützenkönigin wird.«

Die Vereinsmitglieder, in ihrer Festtags Tracht, verfolgen unseren Wettbewerb mit sachkundigen Kommentaren und ich kann nicht glauben, wie gut sie schießt. Sie trifft alle bisherigen Ziele auf hoher Punktzahl, lädt schnell nach und konzentriert sich ausgezeichnet. Warum kann die das? Mein Freund Rainer kommt nach einiger Zeit im Festzelt mit ein Paar Bratwürsten zurück und flüstert mir so nebenbei schmatzend ins Ohr.

»Was ist hier los? Erklärt die dir, wie das geht? Oder was?« »Hau ab jetzt! Rainer, verzieh dich! Ich muss mich konzentrieren!«