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Sein Leben im badischen Dorf hinter sich lassen und ein neues in New York aufbauen ... Wie funktioniert das? Wie fühlt sich das an? "100 Tage hier & 100 Tage dort" vermittelt lebendig die damit verbundenen Herausforderungen und das Auf und Ab der Gefühle. Ein Buch sowohl für alle, die mit so einem Abenteuer liebäugeln, als auch für jene, die darüber nur den Kopf schütteln können.
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Seitenzahl: 182
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Team Tagebuch
Idee und Konzeption:
Paula Hanel
Lektorat und Korrektorat:
Maren Giering-Desler, www.textbeet.de
Jana Stahl, www.diewortratgeberin.de
Illustrationen:
Melanie Groger, www.melanie-groger.com
Fotos:
Paula und Stephanie Hanel, Richard Zinken, Michael Völker
Satz und Cover-Gestaltung:
Christine Kern, www.kern-geschaeft.de
Liebsten Dank an Euch!
100 Tage hier
Woche 1 | Tag 1
Tag 2
Tag 3
Tag 4
Tag 5
Tag 6
Tag 7
Woche 2 | Tag 8
Tag 9
Tag 10
Tag 11
Tag 12
Tag 13
Tag 14
Woche 3 | Tag 15
Tag 16
Tag 17
Tag 18
Tag 19
Tag 20
Tag 21
Woche 4 | Tag 22
Tag 23
Tag 24
Tag 25
Tag 26
Tag 27
Tag 28
Woche 5 | Tag 29
Tag 30
Tag 31
Tag 32
Tag 33
Tag 34
Tag 35
Woche 6 | Tag 36
Tag 37
Tag 38
Tag 39
Tag 40
Tag 41
Tag 42
Woche 7 | Tag 43
Tag 44
Tag 45
Tag 46
Tag 47
Tag 48
Tag 49
Woche 8 | Tag 50
Tag 51
Tag 52
Tag 53
Tag 54
Tag 55
Tag 56
Woche 9 | Tag 57
Tag 58
Tag 59
Tag 60
Tag 61
Tag 62
Tag 63
Woche 10 | Tag 64
Tag 65
Tag 66
Tag 67
Tag 68
Tag 69
Tag 70
Woche 11 | Tag 71
Tag 72
Tag 73
Tag 74
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Woche 12 | Tag 78
Tag 79
Tag 80
Tag 81
Tag 82
Tag 83
Tag 84
Woche 13 | Tag 85
Tag 86
Tag 87
Tag 88
Tag 89
Tag 90
Tag 91
Woche 14 | Tag 92
Tag 93
Tag 94
Tag 95
Tag 96
Tag 97
Tag 98
Woche 15 | Tag 99
Tag 100
100 Tage dort
Woche 1 | Tag 1
Tag 2
Tag 3
Tag 4
Tag 5
Tag 6
Tag 7
Woche 2 | Tag 8
Tag 9
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Tag 66
Tag 67
Tag 68
Tag 69
Tag 70
11. Woche | Tag 71
Tag 72
Tag 73
Tag 74
Tag 75
Tag 76
Tag 77
12. Woche | Tag 78
Tag 79
Tag 80
Tag 81
Tag 82
Tag 83
Tag 84
13. Woche | Tag 85
Tag 86
Tag 87
Tag 88
Tag 89
Tag 90
Tag 91
14. Woche | Tag 92
Tag 93
Tag 94
Tag 95
Tag 96
Tag 97
Tag 98
Tag 99
Tag 100
Wow, jetzt wird’s ernst: noch 100 Tage, um unser Haus zu verkaufen, es komplett leerzuräumen, eine neue Wohnung in NYC zu finden und eine Schule für Paula.
Das Arbeitsvisum lässt auf sich warten, das Abschiednehmen ist aber schon sehr präsent. Gespräche mit Nachbarn und Freunden fast jeden Tag.
Heute prompt Streit: Was soll mit dem Herd passieren? Wie albern. Und vorhersehbar. In einer Blechkiste die Hochzeitsgratulationen gefunden. Das damals gewünschte und gefundene Klavier steht auch zum Verkauf.
Arzttermine machen. Auch so eine „Auslands-Vorbereitung". Heute schon mal Blut abzapfen lassen.
Außerdem versucht, das Auto der Werkstatt anzudienen. Noch keine Reaktion. Jedenfalls muss es repariert werden und durch den TÜV kommen, damit Nick es fahren kann, während wir in Amerika sind.
Noch so eine Sache, an die ich nicht jeden Tag denken darf: Er kommt nicht mit! Und wird erst ganz knapp davor 18. Und wohnt dann schon fast ein Jahr nicht mehr bei uns. Das zieht im Mama-Bauch.
Heute war Kisten-Tag. Gleich als erste Tat am Morgen etliche Alu-Boxen bestellt. So ist das, wenn einem nur Papier-Sachen am Herzen liegen und sie gut gelagert werden sollen.
Tagebücher, Briefe, Zeichnungen, Fotoalben. Ich las nächte- und wochenlang die alten Briefe und versuchte, sie halbwegs zu Bündeln zusammenzufassen.
Nachdem ich fast aufgegeben hätte, doch durchhielt und endlich alles glücklich verpackt war, kamen prompt drei weitere Behälter aus einem Einbauschrank zum Vorschein. Hm.
Aber die erste Box ist eine Schatzkiste geworden – alle Briefe, Karten und Gratulationen zu den verschiedenen Anlässen sehen wunderschön aus zusammen. Ich denke an die, die sich so viel Mühe mit Post für mich gemacht haben. Danke. Ihr kennt mich gut.
Heute Vormittag noch mal richtig viel Freude und Mut von der Ärztin zugesprochen bekommen, die nichts zu beanstanden hatte und dafür viel Gefallen am Nach-Amerika-Gehen fand. Sie hat ein braunes und ein blaues Auge und ist super sympathisch.
Heute die beiden renovierten Holzkisten bepackt und den Schrank abgeräumt. Da begann die Stimmung schon wieder zu kippen. Los, schmeiß jetzt wirklich auch mal etwas weg, musste ich mich selbst antreiben.
Außerdem der Frust, wenn man ein Eckchen geschafft hat und dann den Blick schweifen lässt. Es scheint weiter unmöglich, muss aber.
Morgen werden die Boxen geliefert, am Dienstag das Auto abgeschleppt und wir haben endlich die Zusage, dass unser von der Brückenbaustelle demolierter Vorgarten wieder in einen Zustand versetzt wird, der diese Bezeichnung verdient. Und das auch nur dank nachbarschaftlicher Hilfe, sprich einem Brief an die Gemeinde, dass es doch nicht anginge, wie wir nun hingehalten würden, nachdem wir so entgegenkommend waren.
Leider stirbt die Kiefer ab, die ich so gerne gerettet hätte. Ich hasse diese Dilettanten. Gegen die Absprache ohne Wurzelballen rausgerissen und über Nacht herumliegen lassen – das war ein scheußliches Gefühl der Ohnmacht.
Heute heldinnenhaft Lack abgeschliffen, drei Draht-Aufsätze verschlissen und dann fett schwarz lackiert. Nun fehlt nur noch eine Platte und dann ist der in München geerbte Bistro-Tisch New-York-fein.
Richard und Nick haben sich mit Holzsägen, Abschleifen und Einölen beschäftigt und diese Möbel kommen auf die Mühle. Die in Zukunft Nicks „Versteck“ im Hunsrücker Wald wird.
Und ja: Sogar die Auffahrt wurde frei, Kies aufgeschüttet und alles abgespritzt. Wer jetzt denkt, irgendetwas würde dadurch zu aufgeräumt oder gar spießig aussehen bei uns, hat sich ganz arg getäuscht. Wir können nur leichteren Herzens unser „Anwesen“ betreten – das für andere Menschen sicher noch hinreichend verwunschen aussieht.
PS: Ich habe meinen Papierhasen Gold angesprüht.
Alles doof. Paula nach Übernachtung mit Freundinnen im Eimer, Nick frustriert wegen Fußball – KSC Drittligist – Richard permanent übermüdet.
Alle schliefen tagsüber und gegessen wurde irgendwann zwischendrin. Mit den handwerklichen Arbeiten gut weitergekommen, aber auf Dauer war die miese Stimmung ansteckend. Und das obwohl ich beim Holz-Kuh-Abschleifen und Herrichten so schön von einem kleinen Laden vor mich hingeträumt hatte, zu dem die Leute die kaputten Spielsachen ihrer Kinder bringen können, nette gebrauchte Sammelstücke von mir kaufen und ich, während nichts los ist, in Ruhe restauriere.
Und mich erinnerte, dass mein erster ernsthafter Berufswunsch auf dem Gymnasium Restauratorin war, ich aber fürchtete, nicht genug Geduld dafür zu haben. Was ich nicht bedachte – die Ruhe kommt in dem Fall während des Arbeitens. Holz in den Händen zu halten und daran zu arbeiten fühlt sich unbezahlbar gut an.
Ganz lange draußen gesessen, Kaminofen an, alle Lichter im Baum und verstreute Windlichter auf den Tischen angezündet und mit Nick über Wein im Speziellen und die Welt im Allgemeinen geplaudert. Zuvor friedliches Abendessen zu viert bei untergehender Sonne.
Heute Fahrt zu Nicks Weingut nach Kitzingen. Auto ist schon beladen mit Nicks vermischten Habseligkeiten. Allmählich werde ich ein bisschen verrückt, mit all dem Kleinkram, der nicht weniger wird. Hoffentlich können wir das Weinberg-Lamm sehen.
Lämmchen gesehen – aber nur, weil Nick sich zwischen den Bock und uns gestellt hat. Der kleine Gehörnte passt echt gut auf und greift sofort an. Nettes Kaffeetrinken und noch mal Mut zugesprochen bekommen. Ratschlag aus eigener Erfahrung der Gastgeberin: Nimm mit, was sich gut für Dich anfühlt, und vergiss alle anderen Überlegungen. Noch bin ich nicht ganz so weit und grüble weiter, wer was gebrauchen könnte und wie ich die Dinge mit den richtigen Menschen zusammenbringe. Aber ein wenig leichter ist mir.
Allerdings jede Nacht nervige Träume, an die ich mich dummerweise auch noch genau erinnern kann. Heute sollen die Alu-Boxen tatsächlich kommen. Fahrer hatte behauptet, unsere Straße sei zu schmal und fuhr beim letzten Lieferversuch gar nicht erst rein. Chef versprach am Telefon, einen kleineren Wagen zu schicken. Muss dringend Firmen recherchieren, die Container beladen und verschiffen. Wir sollen drei Angebote einreichen. Immer noch kein Visum, aber wir brauchen es bis allerspätestens im Juni, wenn wir wegen Wohnungssuche und Schulanmeldung rüberfliegen.
In drei Wochen feiert Paula ihre Konfirmation. Wir haben ungefähr 25 Gäste. Einatmen, ausatmen, verdrängen ...
Oh je – vollkommen in zwei alten Tagebüchern versunken. Wollte eigentlich nur Paula eins geben, in dem ich ihr Alter hatte, aber da gab es keins mehr.
Dafür aber die zwei, als ich 19 und dann endlich glücklich 20 war. Das 19er Jahr ist ein Albtraum. Schreiben konnte ich auch noch nicht, obwohl es mir ungeheuer wichtig war. Wie gut, dass ich damals nicht aufgegeben habe – in jeder Hinsicht.
Schade, dass mir nicht auffiel, dass ich besser zeichnen konnte ... Heute sehr nett mit meiner Ex-Kollegin, mit der ich gleich in zwei Dauerprojekten zusammengearbeitet habe, telefoniert – gegenseitig Mut gemacht und neue Ideen in die Gedankengebäude der jeweils anderen gebracht. Und jetzt schnell schlafen!
Weiter Tagebücher sortiert und mich gefragt, wieso die Menschwerdung nur so viel Zeit braucht – wie gut, dass ich nicht meine Mutter war, ich hätte mir echt Sorgen um mich gemacht.
Gekocht und mich mit meiner vergnügten Tochter unterhalten. Schule lief ausnahmsweise gut! Trab, trab, trab mit Lissy und dann aufs Rad und meine Freundin im neuen Café am Ort getroffen. Nett geplaudert und später im Schokolädchen eine Süßigkeit für jeden Gast bei der Konfirmation bestellt – gibt’s mit Schildchen, auf dem der Ortsname steht.
Außerdem erste Skizze für die Zeichnung, die sich Paula gewünscht hat. Soll jeder Gast bei der Feier ausgedruckt dazu bekommen, weil ja schon die schriftliche Einladung aus Zeitnot entfiel. Ist natürlich eine knifflige Angelegenheit, das Bild so zu zeichnen, dass es ihr gefällt ...
Schlechte Laune, weil ich ständig von dem abgehalten wurde, was ich am liebsten gemacht hätte. Aber Oliven-Frühstück im Naturkost-Laden bekommen und Salat-Tag gemacht.
Mit Salat-Tag habe ich früher mal einen Freund von Nick geschockt, der spontan zum Mittagessen kam. Das bedeutet nämlich, dass ich alle möglichen Zutaten vorbereite und mitsamt Gewürzen, Essig, Öl und frischer Zitrone auf den Tisch packe und jeder sich seinen Traumsalat zusammenstellt. Tatsächlich wusste der Arme überhaupt nicht, wie das geht, sich einen Salat anmachen.
Außerdem die Zeichnung für die Konfirmation geschafft – aber erst, nachdem mein Mann unsere Tochter überzeugen konnte, dass sie gut getroffen ist. Vorher ziemlich geschwitzt und viel gezeichnet.
Erschöpft zum Lesekreis aufgebrochen und mir ausnahmsweise ein Glas Wein gegönnt. Und jede Menge gefuttert. Die Buchvorstellungen sind uns diesmal allen gut gelungen, fand ich.
Viel zu erledigen. Noch müde und nicht wirklich sortiert Einkäufe, Hundespaziergang und Makler-Gespräch abgespult. Nach dem Makler-Termin hatte Richard Muffensausen. Ist ein Wahnsinn, das Haus herzugeben, keine Frage. Aber wenn überhaupt, dann jetzt.
Nachmittags konnten wir beide an einer Führung durch die Gewölbekeller im Dorf teilnehmen, weil gleich zwei Freundinnen von uns jeweils eine Karte übrighatten. War seltsam, so etwas Verwurzelndes zu machen, wenn man sich doch gerade im Abschiednehmen befindet. Und so ging es auch gleich weiter. Die neuen Nachbarn hatten auf Kaffee und Kuchen zum Kennenlernen eingeladen. Das war doppelt seltsam – zum einen weil wir das Haus ja von früher kennen und nun in neuer Ausgestaltung überaus sympathisch wiederfinden durften, zum anderen, weil wir ja selbst schon auf dem Sprung sind und nun natürlich an unseren Beginn hier erinnert wurden. Aber auch wenn ich schlecht drauf war: Das Beisammensein mit den Nachbarn hat zuversichtlich gestimmt und wir finden hoffentlich nette Hauskäufer, damit das hier wieder rund wird.
Abends noch eine Entdeckung gemacht: Kurt, der in meinem Tagebuch vorkommt und von dem ich eine kleine Zeichnung aufhob, ist tatsächlich Künstler geworden. Seine Werke finden sich im Netz. Manches ist reinster Kitsch, aber können tut er’s, keine Frage. Er lebt in Brooklyn Heights. Mal sehen, ob ich mich melde bei ihm.
Sagenhaft schlechte Laune. Trotzdem guten langen Hundespaziergang mit Richard gemacht und dabei sogar etwas rumgeblödelt. Haushalt kann ich aber gar nicht mehr sehen. Nur noch ruhigen Gemütes, wenn ich mich in meine Sachen versenken kann.
Momentan sind die Bilder dran. Ich hatte nicht mehr in Erinnerung, dass ich wirklich auch so zwischen 13 und 15 viel gemalt habe und immer wieder ernsthaft versuchte, zeichnen zu lernen. Da war sicher meine Mutter das Vorbild. Jedenfalls stehen auch hier beispielsweise gelungene Karikaturen neben schwer romantischen Bildchen, genauso wie in den späteren Tagebüchern: Schwulst neben bissigen Bemerkungen und Einsicht in die eigenen Schwächen.
Die schönste Überraschung war ein Bild, das mein Vater gemalt und das deshalb Seltenheitswert hat, weil er sich das nicht zugestand, obwohl er es konnte. Schließlich hat er ja Hubschrauber-Designs entworfen, als es noch keine CAD-Programme gab. In die hat er sich erst in seinen letzten Lebensjahren eingearbeitet und kam mit entsetzlich müden Augen nach Hause.
Ich glaub, ich habe so schlechte Laune, weil ich überfordert bin, all das, was da wieder zutage gefördert wird, mit meiner Gegenwart in Einklang zu bringen.
Heute meiner Kollegin am Telefon versucht zu erklären, warum ich mich bei allen Treffen im Dorf so seltsam fühle. Es ist ein bisschen wie „Gespenst“ sein – schon mit dabei, aber nicht mehr mit eingeplant. Da und doch weg. Heute kam der Rollrasen. Wunderbar, dass es endlich wieder grün ist vor unserer Haustüre. Weniger wunderbar, wie kalt es ist und dabei auch noch regnet. Bereite mich auf die Erweiterte Vorstandssitzung meines Vereins vor, und das ist aufwendiger als erhofft. Habe jedenfalls meinen Rechenschaftsbericht noch nicht fertig. Richard muss heute Abend mit amerikanischen Kollegen in der Stadt essen gehen. Paula hat sich mit der Sportlehrerin verkracht und lässt prinzipiell gerne ihre Meinung 'raus. Nick ist nun staatlich anerkannter Stapler-Fahrer. Lakonischer Tag.
Unser Haus steht im Internet zum Verkauf! Großer Schritt.
Erfahren haben wir das, weil prompt eine Frau an der Tür klingelte, die uns schon mal persönlich sagen wollte, dass sich ihre Tochter dafür interessiert und sie sich beim Makler gemeldet haben. Der Satz „Sie erinnern sich doch sicher noch an mich“, wird mir gerade immer unsympathischer. Und nun muss ich den Gedanken verdrängen, dass sich das halbe Dorf die Fotos ansieht, nur um herauszubekommen, wie wir eingerichtet sind, nicht, weil sie das Haus kaufen wollen. Selbst beim Maibaum-Aufstellen war es laut Nick wohl ein Thema.
Alle kennen das Haus noch unter dem Namen des Erbauers und das letzte Gerücht war, dass wir es schon verkauft hätten und niemandem etwas gesagt haben. Schön, wenn das auch schon das Spannendste ist, was es momentan zu ratschen gibt. Nick meinte, das Haus sei der absolute Selbstläufer.
Ich erinnere mich gerade, was für eine verwunschene Bruchbude es war und wie beeindruckt sich unser Nachbar nach unserer eigenverantwortlichen Kernsanierung äußerte. Da waren wir natürlich sehr stolz. Es hat eine Menge Fantasie dazugehört. Um nicht zu sagen Wahnwitz. So manch ein Handwerker und Privatmensch meinte ja, sie verstünden gar nicht, wieso wir so viel in einen alten Kasten investieren, anstatt neu zu bauen. Uns ging es immer nur um genau dieses Fleckchen hier, und nun ziehen wir weiter und finden wieder einen guten Ort. Bitte. Und Basta. Und ein bisschen verwunschen ist es immer noch, unser Haus ...
Am Freitag sind die ersten beiden Besichtigungstermine, und als vorhin schon ein junges Paar mit Kind und Hund ums Haus schlich, sind wir mal hin und haben das Gespräch gesucht. Sehr sympathisch – vor allem, weil sie durchblicken ließen, dass ihnen auch die Einrichtung und unser Stil total gefallen haben auf den Fotos. Seltsamerweise war das fast das Beste an diesem Tag, außer dem „mit geschlossenen Augen auf Holzstuhl sitzen im Garten bei Sonnenschein“ natürlich!
Heute Vormittag Telefon-Marathon in Sachen Netzwerk und weil meine Kollegin Stress mit ihren Auftraggebern hat. Das war echt geballt. Und ich unterschiedlich zufrieden mit den Ergebnissen. Bin müde.
Mit Übelkeit und starken Kopfschmerzen aufgewacht und mir fest vorgenommen, heute ein bisschen langsamer zu machen, was unterschiedlich gut geklappt hat. Der Belastungspegel ist jetzt deutlich zu hoch: Kurz vor der Erweiterten Vorstandssitzung laufend neue Informationen und permanente Gespräche, dazu die Konfirmationsvorbereitungen und der Hausverkauf.
Ich muss arg aufpassen, nicht urplötzlich in Tränen auszubrechen. Vor allem, wenn dann die ganze Familie da ist und es sich – außer um Paula – wahrscheinlich im Handumdrehen wieder nur um das Haus und unsere Zukunft drehen wird. Richard ist arbeitsmäßig mehr als angespannt, aber es ist ja auch eine Zumutung, den Job von hier aus zu machen, finde ich. Er sagt dann immer, dass er dafür aber auch schon so wie dort bezahlt wird, aber darum geht es doch gar nicht. Für mich ist das ein sehr schwacher Trost in Anbetracht seiner gesundheitlichen Belastung. Aber wie immer in Stresszeiten rede ich gegen Wände.
Überhaupt: Ich rede mir ein Loch in den Bauch, höre stundenlang zu, versuche Dinge und Leute zusammenzubringen und Ideen zu entwickeln, für Hinweise an mich offen zu sein, die Wünsche von Paula zu kanalisieren, meine Laune wohltemperiert zu halten – halbwegs – und dann gibt es doch wieder Streit. Wenn auch nur kleinere Explosionen allerseits.
Das Paar gestern am Zaun, das war, wie uns selbst anzusehen, nur aus 15 Jahre älteren Augen – Zeitenblende. Da ging etwas tief. Es wird richtig schwierig werden, wenn diese netten Leute das Geld nicht aufbringen können und andere zahlen wollen, die aber eben nicht unsere Wunsch-Kandidaten sind. Das klingt banal, aber das Geld muss uns eigentlich unseren Neuanfang nach New York sichern und gleichzeitig ist uns leider überhaupt nicht egal, was aus diesem kleinen Paradies hier wird.
Wir hätten ja damals auch keine Chance gehabt, wenn uns nicht eben dieser Makler den Zuschlag gegeben hätte, obwohl uns andere überboten haben. Dafür werde ich ihm ein Leben lang dankbar sein. Auch wenn wir hier natürlich eine brutale Drecksarbeit hatten, das Haus nach seinem Dornröschenschlaf wieder bewohnbar zu machen. Ich glaube, ich werde diese Szene nie vergessen. Es ist unheimlich seltsam lebendig zu sehen, was gleichzeitig vergangen ist. Mir fehlen eigentlich noch die Worte dafür.
Friseurin hatte Spaß am Schneiden und hat kaum was übrig gelassen. „Das ist eine Gel-Frisur“, meinte sie und ich habe schon ein wenig geschluckt. Kam aber gut an und ich kann jetzt mit Nick im Partner-Look gehen.
Danach ging’s gleich zum Zug und, in Frankfurt angekommen, ins typisch hessische Lokal. Abendessen mit diplomatischer Sitzplatzverteilung, da es verschiedene Animositäten gab. Ich habe es mir ziemlich gut gehen lassen und extra leckeren Hugo (ja, sorry, ich trinke so etwas), Spargel mit Grüner Soße und Eis mit Erdbeeren gegessen.
Leider nachts die blöden Nackenwirbel verlegen und mich ziemlich beherrschen müssen, nicht panisch zu werden vor Schmerz. Aber auch das ließ sich meistern.
Schöner Veranstaltungsraum, bin froh: Hier lässt es sich aushalten. Nach improvisiertem Frühstück auf Papptellern und mit jeder Menge junger Leute geht’s an die konzentrierte Arbeit. Erste große Hürde: mein eigener Rechenschaftsbericht. Macht dann aber sogar ein wenig Spaß. Ob der Workshop am Nachmittag wohl gelingt?
Ja, tut er! Wir erarbeiten in kleinen Gruppen die erfolgreichen Strategien hinter besonders gelungenen Projekten. Coachin ist sehr erleichtert, wahrscheinlich ging es ihr wie mir in Köln – was, wenn die Frauen nicht mitmachen? Haben wir aber. For sure.
Ich schwänze abends die Stadtführung und rede ausführlich mit einer Kollegin, während Regen auf das Glasdach prasselt und auch mal ein Blitz zuckt. Und lese Branchenpresse. Langes Reden mit meiner Vorstandskollegin, nachdem sie eigentlich das Licht schon ausgemacht hat und wir hätten schlafen sollen, aber einfach noch viel zu viel in den Köpfen spukte. Sozusagen gemischtes Selbstgespräch. Ich weiß gar nicht, wann ich so etwa zuletzt hatte. Musste an Skilager und alte Schulfreundinnenzeiten denken.