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Richard ist im Rheinland, weit weg von Mauer und deutscher Teilung, aufgewachsen und bundesrepublikanisch geprägt. Er hat "drüben" keine Verwandte oder Freunde. Trotzdem wühlt ihn der Irrsinn dieser unnatürlichen Mauer und die Teilung Deutschlands von Kindheit an, tief in seinem Inneren, auf. Sobald er erwachsen ist, macht er sich auf den Weg, den anderen Teil Deutschlands, den Arbeiter- und Bauernstaat DDR, kennenzulernen. Er erlebt auf seinem Weg viele skurrilen Abenteuer und muss erkennen, dass seine Reise in diese andere, ihm völlig fremde Welt auch eine Reise in seine eigenes Unbekanntes ist. Die rigide Gesellschaftsform der DDR beginnt seine eigene Enge und verdrängten Schuldgefühle an die Oberfläche zu spülen. Als die Mauer fällt, fallen auch seine Schranken und ein bisher unbekanntes, neues "Land" bricht aus ihm heraus.
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Seitenzahl: 53
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Christoph T. M. Krause – 10316
Tage einer Mauer
Ein Schicksalsroman
Christoph T. M. Krause
10316
Tage einer Mauer
Ein Schicksalsroman
© 2021 Christoph T. M. Krause
Umschlaggestaltung: Christoph T. M. Krause.
Copyright Abbildungen: Christoph T. M. Krause.
Autor Christoph T. M. Krause, Heerstr. 394a, 13593 Berlin.
Verlag + Druck: tredition GmbH, Halenreie 42, 22359 Hamburg.
978-3-347-38216-9 (Paperback)
978-3-347-38217-6 (Hardcover)
978-3-347-38218-3 (E-Book)
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Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Die Rechte zur Nutzung aller in diesem Buch dargestellten Bilder und Illustrationen liegen dem Herausgeber vor.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
INHALT
Prolog
„Wir sind besetzt!“
Intermezzo: Das Lied der Deutschen
„Die bauen eine Mauer!“
Intermezzo: Die Mauer – Teil 1
„Wir haben einen Fernseher!“
Hauptstadt!
Intermezzo: Die Mauer – Teil 2
Das Tor – Teil 1
Der Tag – Teil 1
Gewöhnung
Et ess nu, wie et ess(Es ist nun, wie es ist)
Intermezzo: Das Tor – Teil 2
Sehnsucht
Frontstadt
Intermezzo: Der Tag - Teil 2
Insellage
Intermezzo: Nationalhymne der DDR
Ost-Berlin
Alexanderplatz
Bürger
Altersheim
Erkenntnisse
Bruchstücke
Schockmomente
Vorboten
Epilog
Dieses Buch ist den Maueropfern gewidmet
Prolog.
Über die Mauer, die in Deutschland Menschen, Familien und Gemeinsamkeiten aus Ost und West 10.316 Tage trennte, wurde viel geschrieben, auch über die Gefühle und Schicksale der Betroffenen.
Was erfahren wir über die Gedanken und Emotionen der scheinbar Unbeteiligten, der Menschen, die keinerlei Beziehungen, Verwandtschaft oder Freunde hüben oder drüben hatten?
Was fühlten diese Deutschen, für die die Mauer weit weg war, waren sie tatsächlich so unbeteiligt und entrückt, wie sie dachten?
Wir lernen ein Schicksal kennen, das zeigt, dass es nicht so einfach ist, unbeteiligt zu sein, insbesondere dann nicht, wenn unser Protagonist feststellt, dass es doch Verbindungen und Reflektionen gibt, die ihn höchstpersönlich betreffen.
So lernt Richard, indem er in den Spiegel der deutschen Geschichte blickt, die Rückprojektionen der Mauer und der deutschen Teilung in seiner Seele kennen und findet, scheinbar durch Zufall, die Wahrheit über seine Herkunft heraus.
„Wir sind besetzt!“
Ich wurde sechs Jahre vor „ihr“ geboren.
Die Mauer war eine „sie“, obwohl die, die sie bauten, meistens „ers“ waren.
Ich wusste weder etwas von ihr, noch hatte ich eine Ahnung, warum es sie gab. Niemand erklärte es mir. In meiner Familie sprach man nicht darüber.
Meine Eltern ignorierten Politik und Geschichte. Beide Dinge waren für sie in meiner damaligen Kindersprache: “Pfui, bah!“, denn sie hatten ihnen nur Unheil gebracht.
Ihr Vaterland war nicht mehr das Land, was es vor dem großen Krieg war. Ich erfuhr nur, dass „wir“ ihn verloren hatten, aber nicht warum. Nun wären wir besetzt, da gab es Länder, die „durften das“.
„Warum dürfen die das?“ fragte ich meinen Vater einmal beim Baden.
„Weil wir den Krieg verloren haben und diejenigen, die den Krieg gewonnen haben, dürfen das.“
Von Befreiung und Erleichterung, dass der Krieg vorbei war, sagte er nichts. Ich wusste aber auch noch nicht, was Krieg war. Ich fragte auch nicht, da ich instinktiv spürte, dass es unangebracht war, zu fragen.
„Was hast du denn im Krieg gemacht?“, war meine neugierige Frage.
„Meist saßen wir Soldaten am Lagerfeuer und haben gemeinsam gesungen, es war eine schöne Zeit der Kameradschaft.“, log mein Vater und ich wusste, dass er log.
Instinktiv wusste ich, Weiterfragen lohnte sich nicht, er würde nicht mehr davon erzählen.
Intermezzo: Das Lied der Deutschen
Deutsche, Deutsche überall,
überall auf der ganzen Welt,
wenn sie stets mit Mütz’ und Socken,
brüderlich zusammen hocken.
Von der Schweiz bis an die Memel,
von der Etsch bis an den Belt,
Deutsche, Deutsche überall,
überall auf der ganzen Welt.
Deutsche Frauen, deutsche Autos,
deutsches Bier und deutscher Rang,
sollen in der Welt behalten,
ihren alten schönen Klang.
Uns zu edler Tat begeistern,
unser ganzes Leben lang,
deutsche Frauen, deutsche Treue,
deutscher Wein und deutscher Sang.
Einiglich mit Macht und Schlauheit,
für das deutsche Hinterland,
danach lasst uns alle rufen,
einheitlich mit Mut und Hand.
Einigkeit und Recht und Freiheit,
sind des Geldes Unterpfand,
blüh im Glanze dieses Geldes,
blühe, deutsches Vaterland!
„Die bauen eine Mauer!“
Die Kinder schrien es auf der Straße herum.
Erst dachte ich, sie meinten das zerbombte Haus von Gegenüber. Dort spielten sie immer Räuber und Gendarm.
Ich durfte nie mitspielen. Meine Mutter verbot es. Es sei zu gefährlich. Warum und wieso es gefährlich war, erklärte sie nicht.
So schaute ich von unserem Wohnzimmerfenster zu, wie sie spielten. Dieses Abenteuer wurde mir verwehrt.
Wo aber war die Mauer, die sie nun neu bauten? Vielleicht fingen sie im Keller an, dort die Mauer zu bauen?
Ich sah nichts und als ich sie irgendwann mal auf der Straße fragte, ob die Mauer fertig sei, sagten sie, noch nicht, sie hätte noch Löcher und viele würden noch durchschlüpfen.
In meiner Fantasie waren es die Kinder der Straße, die schnell noch durchliefen, bevor dieser Zugang zum Trümmerhaus versperrt sein würde.
Das alte Trümmergrundstück war meine kleine Welt. Mehr hatte ich noch nicht gesehen, was anders war.
Ansonsten war die Straße normal, sie hatte Häuser diesseits und jenseits, sie hatte Lampen, die nachts brannten. Und einmal im Jahr gab es einen Sankt-Martinszug, der durch sie durchlief.
Das mit der Mauer war mir ein Rätsel. Nie bekam ich sie zu Gesicht.
Aber meine Eltern sprachen von ihr. Wie unglaublich diese Mauer wäre und viele würden noch versuchen, durch sie durchzuschlüpfen!
Ich verstand die Welt noch nicht so gut. Diese Mauer schien alle verrückt zu machen.
Intermezzo: Die Mauer – Teil 1
Lange trenntest du stark zwischen Ost und West
solltest schützen, ja abtrennen den kleinen Rest
musstest Tote ertragen
sahst Panzer auffahren
dann kam das Volk mit aller Macht
spürtest Spechte, in jener Nacht
die Steine fielen
sie kamen von drüben
lange standst du kalt zwischen Land und Land
solltest Trennung erzeugen, mit deiner Wand
musstest einsam ergrollen
sahst Panzer vorrollen
nun bist du weg, nach all der Zeit
nur an Eastside stehst du noch bereit