Die englische Mum - Christoph T. M. Krause - E-Book

Die englische Mum E-Book

Christoph T. M Krause

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Beschreibung

Fritz erhält als sechzehnjähriger Austauschschüler Briefe von seiner englischen Gastmutter, die Fritzens Eltern unangemessen und übergriffig finden und daraufhin der Gastmutter den weiteren Kontakt verbieten. Fritz, der den Kontakt als Freundschaft auffasst, beurteilt die Lage völlig anders und fühlt sich jahrzehntelang von seinen Eltern verraten. 50 Jahre später fallen ihm die Briefe erneut in die Hände und er muss erkennen, dass selbst in den 1970er Jahren ein solcher Briefwechsel unangemessen gewesen sein könnte. Autor Krause versucht mit Hilfe einer nicht repräsentativen Befragung, eine Einschätzung Unbeteiligter zu erheben, um die Frage zu klären, wo genau oder auch nur ungefähr "der gesunde Menschen-verstand" die Grenze zwischen Unangemessenheit und Harmlosigkeit einordnet.

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Christoph T. M. Krause – Die englische Mum

Briefe an einen deutschen Sechzehnjährigen

Ein interaktiver Tatsachenbericht

Christoph T. M. Krause

Die englische Mum

Briefe an einen deutschen Sechzehnjährigen

Ein interaktiver Tatsachenbericht

© 2021 Christoph T. M. Krause

Umschlaggestaltung: Christoph T. M. Krause.

Copyright Abbildungen: Christoph T. M. Krause.

Autor Christoph T. M. Krause, Heerstr. 394a, 13593 Berlin.

Verlag + Druck: tredition GmbH, Halenreie 42, 22359 Hamburg.

978-3-347-41405-1 (Paperback)

978-3-347-41406-8 (Hardcover)

978-3-347-41407-5 (E-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig.

Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Die Rechte zur Nutzung aller in diesem Buch dargestellten Bilder und Illustrationen liegen dem Herausgeber vor.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

INHALT

 

Vorbetrachtungen.

 

Die Hintergründe.

 

Erste Einschätzungen.

 

Die Briefe. Vorbemerkungen.

 

Die Briefe.

 

Die Umfrage. Prognosen.

 

Die Umfrage.

 

Die Umfrage. Einschätzung.

 

Fritz.

 

Rainer.

 

Fritz. Fazit.

 

Epilog.

 

 

 

 

 

 

ANHANG

 

01

Einleitende Anmerkungen.

02

Organisatorische Zeichenerläuterung.

03

Versuch einer Definition: Gesunder Menschenverstand.

04

Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen:a. Die Rechtslage. Deutschland. Heute. b. Die Rechtslage. Deutschland. 1973.

05

Sexuelle Gewalt: Wer sind die Täter und Täterinnen?

06

Geschichte der 1970er. Einblicke in die Bundesrepublik Deutschland.

07

Geschichte der 1970er. Einblicke in das Vereinigte Königreich (UK).

08

„Die Pädophilen-Debatte“, am Beispiel der Partei „Die Grünen“ und der gesellschaftliche Diskussion d. 1970er Jahre.

09

Schüleraustausch: Was ist das eigentlich?

10

Rechtlicher Hinweis: Veröffentlichung von Briefen.

11

Originalkommentare im englischen Original.

12

Politische Zeitkritik. 1984. Mitschrift einer Diskussion über die Abschaffung des Sexualstrafrecht aus dem Jahre 1984.

13

Abbildungsquellen.

14

Danksagungen.

15

Nachwort eines „alten“ Weggefährten.

Dieses Buch ist meinen verstorbenen Eltern gewidmet

Vorbetrachtungen.

Unangemessenes Verhalten von Erwachsenen gegenüber Minderjährigen hat es immer schon gegeben.

Aber wo fängt dieses Missverhältnis an und wer hat das Recht und die Expertise zu beurteilen, wann die Grenze des gesetzlich und moralisch Zulässigen überschritten wird und wer kann dies „richtig“, fachkundig und angemessen beurteilen?

Sehr oft gibt es Grenzfälle und Uneindeutigkeiten.

Ein wichtiges Kriterium bei dieser Einordnung ist das entstehende bzw. bereits entstandene Leid des betroffenen Kindes oder Jugendlichen, denkt man zunächst.

Aber zum einen sind oft die äußeren Umstände in einer perfiden Verhaltensweise der Täterin bzw. des Täters verdeckt, versteckt und lassen sich im ersten Moment kaum erkennen.

Es sei denn die Betroffenen melden, auf der anderen Seite, ein Fehlverhalten oder zeigen eindeutige, deviative Verhaltensweisen, wodurch die Tat nach außen ruchbar wird.

Ist die oder der Betroffene jedoch in der jeweiligen Situation emotional, oder auch sexuell, derart involviert, also gefangen bzw. durch Angst, Gewalt oder Druck nicht in der Lage, etwas nach außen zu zeigen, wird die objektive Beurteilung von den in Frage stehenden Verhaltensweisen gegenüber beiden „Seiten“ schwierig oder sogar unmöglich.

Lernen wir ein Beispiel kennen und versuchen uns einmal selbst ein Urteil zu bilden, was angemessen ist und was nicht. Und dabei geht es an dieser Stelle nicht um wissenschaftliche oder fachkundige Beurteilungen, sondern um den berühmten „gesunden Menschenverstand“ eines bzw. mehrerer einfachen, „blutigen“ Laien.

Ein zunächst harmlos anmutender (hier nur einseitig darstellbarer) authentischer Briefwechsel einer englischen Gastmutter, gerichtet an einen 16-jährigen Austauschschüler, zeigt in unserem Beispiel dieses Spannungsverhältnis an der Grenze zum Harmlosen, „Normalen“, der jedoch gleichzeitig grenzüberschreitend und unangemessen gesehen und beurteilt werden könnte.

Die Eltern des betroffenen Schülers bewerteten diesen Briefwechsel bzw. die ihm zugrundeliegende Situation völlig anders, als ihr 16-jähriger Sohn, der als Betroffener genau das Gegenteil seiner Eltern empfand, obwohl er direktes Ziel dieses Grenzgeschehens geworden war.

Fakt ist, dass nach Aussage und Erinnerung des Betroffenen kein sexueller Missbrauch bzw. sexuelle Gewalt stattgefunden haben soll. Zumindest wird dies für den in Rede stehenden Zeitraum, im Jahre 1973, durch den Betroffenen weder beschrieben noch erinnert.

Auch im Alter von heute über 60 Jahren kann der Betroffene keinerlei sexuelle Übergriffe erinnern und das, obwohl er wegen andersgearteter Schwierigkeiten in seinem Leben viele Jahre therapeutisch begleitet wurde und dabei u.a. regressivtherapeutische, sogenannte Rückführungen, unternommen hatte, die in dieser Hinsicht zu keinerlei Ergebnissen führten.

Überdies war der Betroffene bereits im Alter von 16 Jahren eindeutig schwul geprägt, was die Möglichkeit eröffnet, dass er eine intendierte sexuelle Komponente im Verhalten der Frau nicht antizipieren konnte; es fehlte ihm die entsprechende „Antenne“, eventuell beabsichtigte Vorhaben in dieser Richtung zu erkennen oder zu erahnen.

Wie gesagt, einschränkend muss jedoch konstatiert werden, dass es eine theoretische Möglichkeit gibt, dass der betroffene Schüler, bzw. nun über 60Jährige, derartige Übergriffe nicht erinnert bzw. sublimiert hat.

Die Psychologie kennt solche Fälle, bei denen ein Betroffener ein traumatisches Erlebnis absolut verdrängt, um den Schmerz des Erlebten ertragen bzw. unterdrücken zu können.

Dies geschieht aus Eigenschutz und ist erinnerungsmäßig in absoluter Weise ausgeprägt, soll heißen, dass sich der Betroffene an vollkommen nichts erinnern kann.

Im vorliegenden Fall wird diese Möglichkeit jedoch ausgeschlossen bzw. außen vor gelassen, da es in diesem Buch darum gehen soll, wie das Verhalten der potentiellen Täterin zu bewerten ist.

Dies bedeutet, dass die vorliegende Fragestellung ausschließlich auf das Verhalten der Frau abgestellt werden soll, inwieweit es unangemessen oder sogar zweifelsfrei „in Ordnung“ erscheint.

Die Hintergründe.

Schauen wir uns unseren Betroffenen an und nennen ihn Fritz.

Fritz erzählt uns seine Geschichte, damit wir uns ein Bild seiner Familiensituation machen können:

„Ich wurde sieben Jahre nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland in eine kleine Mittelstandsfamilie hineingeboren.

Meine Eltern1 gehörten einer verlorenen Generation an, die als Jugendliche den Zweiten Weltkrieg mit anschließendem Hunger und der Erkenntnis der Gräueltaten des „Dritten Reichs“ durchleben mussten und ihrer besten Jahre beraubt worden waren.

Während ich mit 18 Jahren zum Gymnasium ging und ein sicheres und wohlhabendes Elternhaus hatte, musste mein Vater, im gleichen Alter, in den Krieg nach Frankreich und Russland ziehen. Meine Mutter hatte bereits mit 14 Jahren arbeiten müssen, da meine Oma Kriegerwitwe war und alleine drei Kinder großziehen musste.

Eine Auseinandersetzung und Aufarbeitung all der Gräuel gab es allerdings nicht. Diese Generation blieb weitestgehend sich selbst überlassen und so war die Kluft zwischen der Post-68er Generation, der ich angehörte, und meiner Elterngeneration so groß wie nie zuvor oder danach.

So hatten meine Eltern das ihnen eingeprägte Weltbild der Nationalsozialisten im Kopf, ob ihnen das bewusst war oder nicht.

Für meine Mutter kam Homosexualität nach Mord und sie sagte mir bei meinem Coming-Out mit 18 Jahren, ich wäre wohl besser als Säugling gestorben oder säße vorzugsweise im Rollstuhl, alsdas!

Dieses Wort „das“ umschrieb den Ekel und die Abneigung, die sie tief in ihrem rassistischen Weltbild verankert hatte und richtete sich ohne Erbarmen gegen ihr eigen Fleisch und Blut. Schwulsein war so unerträglich, dass es zu Hause niemals benannt wurde.

Ich wuchs mit großer Strenge auf und Verbote pflasterten meinen Weg.

Mit 18 Jahren (ich war allerdings damals noch nicht volljährig, weil die Gesetzesänderung, die das Alter von 21 auf 18 Jahren heruntersetzen würde, erst in meinem Alter von 18 ¾ ab 01.01.1975 in Kraft trat), bestanden meine Eltern darauf, dass ich schon um 21 Uhr zu Hause sein sollte und morgens legte mir meine Mutter meine Kleidung heraus, die ich an diesem Tage nach ihrem Gutdünken anziehen sollte.

Bereits mit 16 Jahren wurde mir versichert, in diesem Alter habe und dürfe man noch keine Sexualität haben, als es darum ging, dass ich eine erste Freundin hatte. Meine Eltern bekamen große Angst,ich könne ein ‚Kind mit nach Hause bringen’ (wie sie sich immer ausdrückten).

Sicher, all das ist verständlich, aber Aufklärung, Beratung und/ oder Unterstützung hatte es in diesen Fragen nie gegeben. Verbote schienen einfacher und unverfänglicher zu sein.

So holte mich mein Vater eines Sylvesterabends bzw. Neujahrsmorgens persönlich aus der Wohnung meiner Freundin Ursula heraus, die zu Sylvester, mithilfe ihrer Eltern und älteren Schwester, eine Party ausrichtete.

Ich hatte meinen Eltern bereits avisiert, dass ich dort mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit übernachten würde.

Meine Eltern verbaten mir dies jedoch und zwar deshalb, weil sie dachten, dort ginge es zu wie in „Sodom und Gomorrah“. Natürlich ignorierte ich dieses Verbot und blieb, wie angekündigt, dort.

Alle Teilnehmer der Party schliefen in Ursulas Wohnzimmer auf irgendwelchen Unterlagen; zu Orgien oder sonstigen Dingen war es in unserer Clique nie gekommen.

Man verliebte sich über Kreuz oder mal in den einen oder in die andere (oder in meinem Fall nur in den anderen), aber sexuelle Exzesse oder sonstige Gelage hatte es nie gegeben. Wir waren im Grunde kreuzbrave Jugendliche.

Um zwei Uhr nachts klingelte es also an Ursulas Tür und alle schreckten aus dem Schlaf auf. Mein Vater kam zu meiner Schlafstelle und befahl mir, sofort mitzukommen.

Brav, wie ich damals noch war, folgte ich ihm. Es war eine der peinlichsten Erlebnisse meines bisherigen Lebens.

So wuchs ich, aus heutiger Sicht, wohlbehütet, aber gleichzeitig rigide und autoritär auf, ganz, wie es meine Eltern aus dem „Dritten Reich“ gewohnt waren.

Eigene Meinungen, Entwicklungsunterstützung oder Begleitung während einer schweren Pubertätszeit waren Fremdworte in meinem Zuhause.

Letztendlich war es jedoch eine gute Schule für mich, denn im Nachhinein habe ich mir immer geschworen, niemals so repressiv zu werden, wie meine eigenen Eltern es waren oder auch sein mussten.

Dies gelang mir in meinen ersten jungen Erwachsenenjahren allerdings zunächst nicht. Erst viel später erkannte ich die Muster, die mich in die gleiche Richtung drängten, ich wiederholte eben die Strukturen, die mich als Kind geprägt hatten.

Mangelndes Selbstwertgefühl, Kontrollsucht und rigides Verhalten prägten meine ersten Beziehungen bis zu dem Punkt, als ich einmal ganz tief fiel undmich wie ein Phönix aus der Asche neu erfinden musste.

Ein weiteres Beispiel des Kontrollwahns meiner Eltern war mein Austauschaufenthalt in einer Londoner Familie gewesen.

Abb. 01

Sie hatten mir, was ich natürlich toll fand, diesen einseitigen Schüleraustauschaufenthalt in England ermöglicht (einseitig, weil es keinen Rückbesuch geben würde).

Dies war für mich als 16-Jährigen ein großes Abenteuer. Die Gasteheleute hatten drei kleine Kinder und waren selbst Anfang Dreißig.

Ich hatte gleich mit meiner Gastmutter ein tolles Einvernehmen. Wir redeten viel und unternahmen mit den Kindern gemeinsame Ausflüge.

Der Familienvater nahm mich mit zu den üblichen „Hetero-Veranstaltungen“, sei es Stockcar-Racings oder Fußballspiele.

Stockcar-Racings waren für mich völlig neu, denn so etwas gab es in „Good-Old-Germany“ nicht.

Abb. 02

Schrottautos, die sich solange in einem Stadion gegenseitig rammten, bis nur eines übrigblieb, war schon eine tolle, aber auch dekadente Show.

Meine Gastmutter weckte mich morgens, indem sie mir Tee ans Bett brachte, offenbar eine übliche Sache in England, die mir später das „Genick“ brechen sollte.

Zurück aus diesen tollen Osterferien, hatte ich mit meiner Gastmutter über Monate regen Briefverkehr.

Ich wurde dann später in einem dieser Briefe von ihr zum nächsten Weihnachtsfest eingeladen und begeistert bestellte ich ein Flugticket vor, das damals nur 99 DM kostete (heute wären das umrechnungstechnisch ca. 50 Euro, rechnet man den Wert, den diese 99 DM von damals heute effektiv hätten, ergäbe das ca. 30 Euro)2.

Normalerweise waren Flüge damals unerschwinglich teuer, so dass ein solcher Preis einer kleinen Sensation gleichkam, die ich mir sogar von meinem eigenen Taschengeld leisten konnte.

Meine Eltern gaben vor, meine Begeisterung zu teilen und so hatte ich die mir selbstverständlich erscheinende Genehmigung meiner Eltern für gegeben gehalten.

Erst als ich, da noch minderjährig, kurz vor Weihnachten das Ticket bezahlen musste und dafür die Unterschrift meiner Eltern brauchte, kamen sie mit ihrer Ablehnung heraus.

Natürlich bekäme ich keine Unterschrift, sie würden mir die Reise nicht genehmigen, denn die Gastmutter hätte an mir ein „gewisses“ Interesse bekundet, dass sich für eine Frau ihres Alters gegenüber einem 16-Jährigen nicht ziemte.

Abb. 03

Es stellte sich dann heraus, dass meine Eltern den gesamten Briefverkehr mit meiner Gastmutter heimlich, ohne ein Wort zu sagen, konfisziert und von einem Übersetzer übersetzen gelassen hatten.

Mit Rotstift hatte meine Mutter dann die Stellen angestrichen, die darauf hinweisen sollten, dass meine Gastmutter mit mir ein Verhältnis haben würde.

Ich fiel vollkommen aus allen Wolken, denn mit so etwas hatte ich mitnichten jemals gerechnet. Ich war komplett außer mir, wäre ich mutiger gewesen, wäre ich auf der Stelle abgehauen.

Ich versicherte meinen Eltern, dass dergleichen nie passiert wäre und das das alles weit hergeholt sei.

Meine Eltern waren der Auffassung, dass sie mir zwar glaubten, dass ich glauben würde, dass da keine diesbezüglichen Absichten der Dame gewesen wären, aber sie waren überzeugt, ich sei noch zu jung, um dergleichen Absichten zu erkennen und deshalb müssten sie jetzt einschreiten.

Ich bettelte darum, dass sie mir wenigstens die Freundschaft mit der Familie nicht nehmen sollten, denn meine Eltern hatten vor, wieder mit Hilfe eines Übersetzers, einen Brief an die Familie zu verfassen, indem sie zukünftig den Kontakt mit mir untersagen wollten.

Trotz aller Bettelei waren meine Eltern unerbittlich und sandten diesen Brief ab.

Natürlich bekam die Gastmutter Angst und teilte mir mit, dass sie dem Wunsch meiner Eltern entsprechen wollte.

Ich war damals am Boden zerstört und habe diesen Schock im Grunde nie ganz überwunden.“

1 Vater geboren: 1923, Mutter: 1925.

2 Zit. n. Quelle im Internet: Finanzen 100. Das Börsenportal von Focus Online. URL: https://f100-res.cloudinary.com/image/upload/s--ryQLwtVs--/w_1200/a/public/v1 jqjirosqrb0wcgco1f.jpg. Status: Sept./12, 2021.

Erste Einschätzungen.

Der erste Anschein dieser eindrücklichen Schilderung eines restriktiven Elternhauses lässt vermuten, dass die hier deutlich werdende elterliche Handhabung sexueller Zusammenhänge oder besser die Mutmaßungen derselben, zu dem Schluss führen müsste, dass die Reaktion der Eltern übertrieben gewesen sein könnte?

Dabei stellt sich andererseits die Frage, ob die elterliche Sorge, die hinter dieser Aktion steckte, angemessen und berechtigt war?

Ich würde sagen, dies träfe bei einem Kind bis zum Alter von 14 Jahren durchaus zu und wäre auch sofort nachvollziehbar.

Aber bei einem 16-Jährigen erscheint dies zumindest fragwürdig, da 16-Jährige, zumindest heute, in den meisten Fällen schon einige eigene Erfahrungen im sexuellen Bereich machen, um eine solche, zunächst uneindeutige, Situation einigermaßen objektiv einschätzen zu können.

Dies ist jedoch, und logischerweise pauschal, nicht eindeutig zu belegen, man muss hierbei naturgemäß die entwicklungspsychologische Komponente der oder des Betroffenen in die Waagschale werfen:

Wieweit ist der oder die Jugendliche gereift oder eben auch wieder nicht?

Ist eine einigermaßen objektive Einschätzung einer solchen Situation möglich oder etwa nicht?

Da 16-Jährige heute weitgehende Reife zeigen und auch bereits in bestimmten Feldern deutlich mehr Rechte haben, als Kinder bis 14 Jahren (z.B. dürfen 16-Jährige vielfach kommunal wählen und mit Einwilligung der Eltern sogar eigenständig heiraten), liegt die Vermutung nahe, dass wir hier eine differenziertere Betrachtung an den Tag legen müssen.

Ob das für die Siebziger Jahre gleichermaßen gilt, ist, populärwissenschaftlich betrachtet, nicht genau zu sagen.3

Das Argument der Betroffenenmutter, ihr Sohn sei mit 16 Jahren noch nicht reif genug, um sexuelle Anbahnungen Erwachsener zu erkennen, ist zumindest fragwürdig und unwahrscheinlich.

Die Tatsache, dass unser Jugendlicher hier, nach eigenen Angaben, bereits schwule Ansätze zeigte und von daher vielleicht eher gefährdet war, weil er die heterosexuellen Anbahnungen nicht eindeutig deuten konnte, spricht zumindest für die Erfordernis eines wohlwollenden „Daraufschauens“ der Eltern.

Zumindest kann man sagen, dass die Sorge der Eltern, in unserem Fall, dann berechtigt und sinnvoll wäre, wenn sie in kooperativer und verständnisvoller Weise geschähe und die Eltern nicht durch simple Verbote und invasive Eingriffe „das Kind in den Brunnen“ geworfen hätten.

Der Jugendliche fühlt sich nicht verstanden und rebelliert gegen die eigentlich gut gemeinte, intendierte Schaden minimierende Restriktion.

Hätten die Eltern mit Fragen und Verständnis reagiert und dem Jugendlichen Hilfsmittel oder Ratschläge zur Selbstüberprüfung an die Hand gegeben, hätte dieser sich selbst in die Lage versetzen können, das Erlebte zu hinterfragen, um damit Übergriffen vorbereitet und gewappnet entgegentreten zu können.

Diese ungeschickte, erzieherische Maßnahme führte jedoch dazu, dass sich der Betroffene zeitlebens von seinen Eltern ungerecht behandelt fühlte und erst im Alter über 60 damit erneut befasste, nachdem er das Erlebte jahrzehntelang unbearbeitet „abgelegt“ hatte.

Als er nun den ihm noch vorliegenden Schriftverkehr seiner ehemaligen Gastmutter erneut las, trat plötzlich die Fragestellung auf, entsprach das, was er jahrzehntelang abgespeichert hatte, tatsächlich den reellen Tatsachen oder nur seiner hinterlegten Erinnerung?

Abb. 04

3 „Populärwissenschaftliche Literatur zielt nicht auf Wissenschaftler, sondern auf interessierte Laien ab. Aufbau, Form, Stil und meist auch wissenschaftliches Niveau sind dementsprechend anders als bei wissenschaftlichen Publikationen….“ Zitieren von Quellen im Internet. Wikipedia.. Seite „Populärwissenschaftliche Literatur“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 24. September 2021,17:43 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Popul%C3%A4rwissenschaftli che Literatur&oldid=215860518 (Abgerufen: 26. September 2021, 18:39 utc). Permanentlink: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Popul%C3%A4rwiss enschaftliche Literatur&oldid=215860518. Dieses Zitat ist ein Auszug. Lizenz: Creative Commons Attribution/ Share Alike.

Die Briefe. Vorbemerkungen.

Das Zeugnis des Briefwechsels, das leider nur als der Teil vorliegt, der von der Gastmutter an den Schüler gerichtet wurde, ist das Medium, was heute noch, nach fast 50 Jahren, Aufschluss über die tatsächliche Gestaltung dieser „Ménage à deux“ geben kann.

Der damalige Schüler, der heute über 60 Jahre alt ist, kann trotz des Abstandes zum damaligen Geschehen und der potentiell vorliegenden „Amnesie“ in Bezug auf die tatsächliche Gestaltung dieser „Beziehung“, nicht als Zeuge im objektiven Sinne dienen.

Wie bereits erörtert, könnte er die Geschehnisse falsch erinnern, vergessen oder verdrängt haben.

Die Gastmutter ist laut Aussage des früheren Schülers heute verschollen und kann nicht befragt werden. Selbst, wenn dies doch noch möglich wäre, würde sie sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erinnern wollen bzw. eine für sie ungünstige Deutung der Angelegenheit abstreiten.

Auch deshalb werden die vorliegenden Briefe in Gänze hier abgedruckt. Vor der Veröffentlichung dieses Buches wurden die Briefe unbeteiligten Dritten vorgelegt, um ihre Einschätzung zum Geschehen einzufangen.

Bevor diese vorgestellte Befragung und ihre Ergebnisse hier gelesen werden, ist es möglich und ratsam, sich im Anhang entsprechende Hintergrundinformationen einzuholen, um sich eine Beurteilung bzw. Einschätzung zu erleichtern.

Die vorliegenden englischsprachigen Originalbriefe wurden allesamt erfasst und von einer Muttersprachlerin („Native speaker“ für Deutsch und Englisch) ins Deutsche übersetzt.

Abb. 05

Obwohl der Verfasser selbst zu einer Übersetzung in der Lage ist, zog er zum einen eine externe, unabhängige Sichtweise vor, zum anderen wurden die Besonderheiten eines Muttersprachlers bzw. einer Muttersprachlerin als förderlich erachtet.

Zusätzlich wurden alle in den Briefen erwähnten Eigennamen von Personen gegen fiktive Namen ausgetauscht und die in den Briefen erwähnten Anschriften im jeweiligen Briefkopf gelöscht, um die Anonymität der Beteiligten, auch nach fast 50 Jahren, zu wahren.

In Fällen von historischen Dokumenten gibt es zwangsläufig eine Gratwanderung zwischen der Schutzerfordernis für Autoren und Protagonisten und der Offenlegung als Quelle, denn normalerweise muss ein Dokument immer mit der Autorenschaft bzw. einer Quellenangabe gekennzeichnet und legitimiert werden.

Wird das Dokument aber selbst Zielpunkt und Inhalt einer Abhandlung, muss wiederum der Opfer- bzw. Täterschutz gewährleistet sein.

In diesem Fall ist eine Verfälschung des Dokuments in punkto Authentizität von Protagonisten- oder Ortsnamen und Autorenschaft unabdingbar, aber auch legitim.

Eine Rückverfolgungsmöglichkeit zu realen Personen und/ oder Ortsbezeichnungen muss zwingend vermieden werden, was den Schutz der Quelle sicherstellt.

Einfügungen und Anmerkungen des Autors werden im vorliegende Fall in eckigen Klammern eingefügt und nicht weiter als Verfasserergänzungen benannt.

Wichtig bei der objektiven Beurteilung der Briefe sind die Beigaben der drei Gastfamilienkinder, die, gesteuert von der Gastmutter oder nicht, Aufschluss darüber geben können, wie beliebt der Gastschüler im Allgemeinen gewesen sein könnte.

Dies ist deswegen von Belang, weil es einerseits die Möglichkeit aufzeigt, dass die Gastmutter alle Register einer unangemessenen Anbahnung gezogen haben könnte,

andererseits könnte es jedoch auch die These stärken, dass es sich bei der gesamten Herangehensweise der Gastfamilie doch nur um eine besonders ausgeprägte, „harmlose“ Gastfreundschaft handeln könnte.

Urteilen Sie selbst.

Alter der Familie:

Mutter Rose:

31 Jahre.

Vater Jack:

33 Jahre.

Erster Sohn John:

10 Jahre.

Zweiter Sohn Kevin:

05 Jahre.

Tochter Katharine:

08 Jahre.

Die Briefe.

25/2/73

[Dies ist ein erster Brief vor den Ferien, die Gastfamilie und der deutsche Austauschstudent Fritz haben sich noch nicht kennengelernt]

Lieber Fritz,

Vielen Dank für deinen Brief, den wir letzte Woche erhalten haben, die Kinder haben diese Woche Schulferien, also bin ich noch nicht zum Schreiben gekommen. Worauf freust du dich am meisten, wenn du nach England kommst?