Vasili - Christoph T. M Krause - E-Book

Vasili E-Book

Christoph T. M Krause

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Beschreibung

Christoph T. M. Krause lebt in Köln. Kurt beichtet seinem Sohn nach langer Krankheit auf dem Sterbebett sein größtes Lebensgeheimnis. Im Winterfeldzug auf dem Weg nach Russland, war Kurt als 18-Jähriger Wehrmachtsfunker an den Ermordungen ukrainischer Juden beteiligt. In einem abgelegenen ukrainischen Dorf findet er in einem Verschlag den überlebenden, ebenfalls 18-Jährigen Vasili. Die beiden verlieben sich und erleben ihr allererstes Mal. Kurt rettet Vasili daraufhin das Leben, indem er ihm die Flucht nach Schweden ermöglicht. Eine Kette menschlicher Helfer bildet sich und Vasili schafft es tatsächlich, zu überleben. Kurt erhält fälschlicherweise die Nachricht, dass Vasili auf seiner Flucht erschossen worden sei… Ein Coming-of-Age und Coming-Out-Roman über Liebe und Tod im Zweiten Weltkrieg.

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Seitenzahl: 67

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Christoph T. M. Krause

Vasili

Ich kam, um ihn zu töten ... und landete in seinen Armen

Christoph T. M. Krause

VASILI

~

Ich kam, um ihn zu töten ... und landete in seinen Armen

© 2021 Christoph T. M. Krause (Autor)

Umschlaggestaltung, Illustration: Christoph T. M. Krause.

Autor Christoph T. M. Krause, Heerstr. 394a, 13593 Berlin.

Verlag + Druck: tredition GmbH, Halenreie 42, 22359 Hamburg.

978-3-347-23108-5 (Paperback)

978-3-347-23109-2 (Hardcover)

978-3-347-23110-8 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig.

Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Die Rechte zur Nutzung aller in diesem Buch dargestellten Bilder und Illustrationen liegen dem Herausgeber vor.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

INHALT

Mein Vater -Das Geheimnis seines Lebens

Meine eigenen Anfänge

Seine Eltern, meine Großeltern

Wehrmacht

Der Entschluss

Hauptmann Idaczyk

Erstes Wiedersehen + Abschied

Verschollen

Flucht

Abschied vom Vater

Überfahrt

Lagerleben

Nachricht von Vasili

Trauernachricht

Epilog

Bildquellen

Dieses Buch ist Roland Idaczyk gewidmet

Mein Vater.Das Geheimnis seines Lebens.

Mein Vater Kurt starb an Krebs. Es war ein langer Weg und doch war er vorhersehbar gewesen.

Er war Jahrgang 1923 und bereits mit 18 Jahren in einem wahnwitzigen Weltkrieg geschickt worden, zuerst nach Frankreich und später nach Russland.

Er hatte sein ganzes späteres Leben hindurch nie von dieser Lebenserfahrung gesprochen, nur dass er Funker hinter der Front gewesen sei.

Ich, sein Sohn, hatte als Junge immer nur mehr oder weniger interessiert zugehört, war doch mein Fokus als Jugendlicher mehr darauf gerichtet, welche Schuld die Generation meiner Eltern im Dritten Reich vermeintlich auf sich geladen hatte.

Unwissend wie ich als junger Mensch war, hatte ich nicht begriffen, dass die eigentliche Tätergeneration die meiner Großeltern gewesen sein musste. Mein Vater war, wie seine ganze Generation, eher das Kanonenfutter dieser Großväter und -mütter gewesen.

Mir war das nicht klar, hätte ich aber wirklich nachgedacht oder nur die Jahreszahlen bewusst verglichen, hätte ich sehen müssen, dass sie selbst noch Jugendliche gewesen waren, die nichts für den Wahnsinn der Nationalsozialisten konnten, im Gegenteil, sie waren selbst deren Opfer.

Wie gesagt, mein Vater hatte kein einziges Mal über diese Zeit gesprochen, geschweige denn irgendwann einmal einen Psychologen aufgesucht.

Die Zeit des Krieges wurde verdrängt, es gab nach dem Krieg Wichtigeres zu tun, z.B. das Wirtschaftswunder zu befeuern oder eine Familie durchzubringen.

Später hatte sich diese Form von Vergessen für ihn gerächt. Der Krebs zerfraß seine Seele, aber auch den Körper, der aber trotz Kriegswirren und Nachkriegshunger wider Erwarten noch sehr lange funktionieren würde. Kurt würde 89 Jahre werden.

Erst auf dem Sterbebett erzählte er mir seine Geschichte, nicht so sehr über den Krieg, der in dieser Geschichte nur den Rahmen gab, sondern über sich selbst und das, was er verloren bzw. nie wieder gefunden hatte:

Das Geheimnis seines Lebens.

Ich war der einzige und erste Mensch, der hiervon erfuhr.

Nach seiner Offenbarung fiel ich in eine mentale Ohnmacht, aus der ich nur langsam wieder erwachte.

Dies ist seine Geschichte, wie er sie mir auf seinem Sterbebett erzählte.

Hoffnung

Meine eigenen Anfänge.

Mein Leben begann wohlbehütet im Nachkriegsdeutschland von Adenauer und Wirtschaftswunder.

Mein Vater hatte eine Lebensstellung und verdiente für damalige Verhältnisse, „gutes Geld“, wie man im Rheinland sagt.

Meine Mutter war schon früh mit 14 Jahren im Dritten Reich bei Kriegsbeginn 1939 in eine Lehre bei Miele gegangen und lernte im Büro Stenografie und Büroarbeit. Sie war eine von Tausenden junger Frauen, die als Schreibkraft in einer aufstrebenden Firma Arbeit und Unabhängigkeit gefunden hatten.

1951 heiratete sie meinen Vater, denn das tat man damals erst dann, wenn man ein „Auskommen“ dafür hatte.

Und so dauerte es noch 5 Jahre, bis es die Vernunft erlaubte, mit 31 Jahren ein Kind in die Welt zu setzen, was damals als Spätgeburt galt.

Während meiner Mutter immer wieder mal die kriegsbedingten Schäden an ihrer Seele anzumerken waren, war mein Vater ein liebevoller und ruhiger, zurückhaltender Mann, der in den seltensten Fällen mal laut wurde, wenn trotzdem, dann aber nur dann, wenn meine Mutter mit ihrer oft nervigen und unerbittlichen Art zu viel des „Guten“ fabriziert hatte.

Die Hintergründe all dieser Lebenswege und Schicksale begriff ich natürlich erst viel später, sehr viel später, eigentlich erst so richtig dann, als es viel zu spät war.

Ich wuchs also, ohne Ansehen aller dieser Dinge und, oberflächlich gesehen, ohne davon belastet zu sein, in einer recht wohlbehüteten und heilen Welt auf.

Problematisch wurde dies erst viel später, als ich in die Pubertät kam und sich plötzlich viele Fragen auftaten:

,Wo wart ihr, als Hitler Deutschland und die Welt in den Abgrund stürzte?’

, Was habt ihr getan oder besser nicht getan, um das alles zu verhindern?’

,Warum habt ihn den Juden nicht geholfen?’

und so weiter.

Dies ergab natürlich ausreichend Zündstoff, vor allem, weil meine Eltern dieses Thema wie der Teufel das Weihwasser scheuten.

Denn hätten sie sich tatsächlich auf ein solches Erklärungsunterfangen eingelassen bzw. hätten sie selbst noch mal an das Thema „heran“ gemusst, wären Wunden aufgebrochen und das eigene Schuldgefühl hätte eine sachliche Debatte per se unmöglich gemacht.

So wurde gestritten und abgewehrt, wurde „aufeinander eingeprügelt“, Vorwürfe gemacht und Rechtfertigungen hinausgebrüllt.

Eine tatsächliche Auseinandersetzung im konstruktiven Sinne, eine empathische Unterhaltung oder auch nur Verständnis und Verständigung waren in solch einer angespannten emotionalen Situation nicht möglich.

Und so stieg zum einen die Verbitterung auf Seiten meiner Eltern noch an und zum anderen begrenzte mein Unverständnis und die Unfähigkeit einer sachlichen Aufarbeitung meine eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten.

Das Thema wurde mehr und mehr gemieden, hinterließ deshalb auf beiden „Seiten“ einen sehr fahlen Nach- und Beigeschmack, der sich einnistete, der die weiteren Jahrzehnte bestimmte und meine Eltern und mich selbst in eine emotionale Dauerstarre versetzte.

So vergrößerte sich die Kluft noch mehr, eine Kluft, die qua Generationsunterschied bereits größer war, als bei allen späteren Generationen zusammen. Es baute sich so etwas wie eine eigene „Berliner Mauer mit Stacheldraht“ auf.

So passte unsere Familiengeschichte wie „Faust aufs Auge“ in die „bleierne“ Zeit des bundesdeutschen Nachkriegstraumas.

Dieser unserer Vater-Sohn-Beziehung immanente Abstand zwischen meinem Vater und mir blieb bis zu diesem Tag auf seinem Sterbebett erhalten, als dann plötzlich alles von ihm abfiel, was je als Barriere und Distanz aufgebaut worden war und in diesem einen „Moment“ der Öffnung und Ehrlichkeit kumulierte.

Es war ein großes Glück, dass ihm sein Sterbeprozess doch noch einige Zeit bot, seine Geschichte in Ruhe und ausführlich zu erzählen. Sein Verstand funktionierte bis zum letzten Augenblick mit der ihm eigenen scharfen Präzision und Ausdauer.

Ich brauchte viele Jahre, die Last dieses lebenslangen Schweigens, den Horror dieser großen Kluft und am Ende die Wucht der Offenbarung zu verkraften.

Es war weniger der Inhalt der Geschichte selbst, es war, wie sich herausstellte, verrückterweise die Vorwegnahme meiner eigenen Geschichte. Hätte ich gewusst, dass die Geschichte meines Vaters auf eine ganz perfide Weise meine eigene werden würde, hätte diese Kluft bereits Jahrzehnten zuvor wie eine Seifenblase zerplatzen können. Wie sagte mal jemand: .Hätte, hätte Fahrradkette’.

Die Tatsache, eine solche Geschichte auf dem Sterbebett meines Vaters zu erfahren und nie ein einziges Mal etwas von dieser Tragweite geahnt zu haben, erschütterte mich in meiner tiefsten Seele.

Ich muss zugeben, ich hatte große Probleme damit und hätte ich mir nicht die Hilfe geholt, die sich mein Vater versagen musste, wäre ich daran im wahrsten Sinne des Wortes eingegangen.

Lesen Sie nun selbst, lieber Leser, was es für unerwartete Dinge im Leben gibt. Da erscheint so etwas wie eine Pandemie, die wir heute erleiden müssen, wie „Peanuts“.

Natürlich ist das nicht wahr, eine Pandemie mit Tausenden von Toten lässt sich politisch korrekt und intellektuell betrachtet nicht mit so etwas vergleichen. Aber emotional fühlt es sich für mich so an und das sei mir bitte verziehen.

Seine Eltern, meine Großeltern.