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Der Herausgeber führt seit 1998 sein eigenes erfolgreiches Hundedienstleistungsunternehmen. Aus seinem reichen Erfahrungsschatz bei der Beobachtung von Hunden der eigenen Familie und der Ausführ- und Herbergshunde im Alltag seines Geschäfts erwuchs die Frage, warum sowohl der Hund als auch (sein) Mensch, und beide gemeinsam, RITUALE entwickeln? Krause sammelt zahlreiche Beispiele aus dem Leben anderer Hundeliebhaber und schafft einen spannenden Erzählbogen einer Jahrtausende alten Symbiose zwischen Hund und Mensch. Dabei zeigt er, dass schon in der Antike Hunde einen hohen Stellenwert im täglichen Leben der Menschen hatten. Im Mittelalter zeigen sich allerdings auch die Schattenseiten des Zusammenlebens von Hund und Mensch und Krause stellt diese anhand von skurrilen Beispielen vor. Dies nicht, um zu schockieren, aber den ein oder anderen Zeitgenossen vielleicht doch in seinem eigenen Tun zum Umdenken zu bewegen. Rituale zwischen Hund und Mensch stellen sich dabei als starkes Bindeglied und integratives Band heraus, die immer schon den uralten Bund zwischen unseren doch so unterschiedlichen Spezies bestärkt haben.
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Seitenzahl: 151
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Christoph T. M. Krause –
Rituale - Symbiose zwischen Hund und Mensch
Christoph T. M. Krause
RITUALE
… Symbiose zwischen Hund und Mensch
©2020 Christoph T. M. Krause (Hrsg.)
Umschlaggestaltung, Illustration: Christoph T. M. Krause.
Weitere Mitwirkende: Co-Autoren, siehe Quellenangaben.
Herausgeber Christoph T. M. Krause, Heerstr. 394a, 13593 Berlin.
Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 42, 22359 Hamburg.
Hardcover: ISBN: 978-3-347-11178-3
Paperback: ISBN: 978-3-347-09408-6
e-Book: ISBN: 978-3-347-09409-3
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.
INHALT
E. Einleitung
01. Vorbetrachtungen
Krause, Christoph T. M. (Hrsg.). 2020. Köln. (Nachfolgend: Krause. 2020).
02. Rituale - Eine Differenzierung
Krause. 2020. Köln.
03. Die Geschichte der Symbiose zwischen Hund und Mensch. Hunde in der antiken Welt [Dogs in the Ancient World]
Mark, Joshua J.: Ancient History Encyclopedia. 2020. USA, New York.
I. Regulationsrituale
01. Die Kraft von Ritualen
Immler, Karin. 2020. EU, A, Obertrum am See.
02. Morgenroutine mit Hund
Henn, Maximilian. 2020. Frechen.
03. Wer erzieht hier wen?
Himmelberg, Sabine. 2020. Köln.
04. Schreibtisch- + Schwimmkekse
Tierphysiotherapeutische Praxis „Wasserfall“ Köln: Inhaberin Pouillon, Christiane. 2020. Köln.
05. Eine Therapiehündin baut Brücken….
Giesen, Elisabeth. 2020. Köln.
II. Integrationsrituale
01. Zwei plus eins - Das Oberkasseler Doppelgrab und seine Beigabe
Krause. 2020.
02. Hähnchen und Leberwurst – Die Kraft der Worte
Krause. 2020.
03. Blind und taub – Der ganze Tag ein Ritual
Peikert, Ute. 2020. Köln.
04. Gestern und morgens – Das eine bestimmt das andere
Krause. 2020.
05. Sprache und Gesten – Das Verstehen ganzer Sätze
Krause. 2020.
06. Sein Name war Lux
Krause, Werner. 2020. Köln.
07. Sowaswien Schäferhund
Treder, Sigmund und Renate. 2020. Berlin.
III. Exploitationsrituale
Dieser Bereich enthält Schilderungen von Gewalt und Misshandlungen an Hunden, die sensible Leser irritieren könnten!
01. Vorwort zu Exploitationsritualen
02. Hundekämpfe [Dog Fighting]
Nach einem gleichnamigen Wikipedia-Artikel. 2020. Krause. 2020: Übersetzung und Korrekturfassung.
03. Hunde im Kriegswesen [Dogs in Warfare]
Nach einem gleichnamigen Wikipedia-Artikel. 2020. Krause. 2020: Übersetzung und Korrekturfassung.
04. Sexuelle Gewalt
Krause. 2020.
05. Das Hundetragen im Mittelalter
Krause. 2020.
06. Das Hundedrehen in Bulgarien
Krause, 2020.
IV. Nachweise und Schluss
01. Quellenangaben
02. Literaturhinweise
03. Bildquellen
04. Epilog
05. Wie der Hund zum Menschen kam
Eine Weisheit nordamerikanischer Ureinwohner
Dieses Buch ist Tina, Mickey, Beauty und Roxy gewidmet
E. Einleitung
E. Einleitung –01. Vorbetrachtungen
Hrsg. Christoph T. M. Krause
Wir denken, Rituale sind etwas zutiefst Menschliches; sind sie doch Wegbereiter für gesellschaftliche Strukturen und ein Stärkungselement von Gemeinschaft.
Rituale geben Verhaltenskodices und einheitliche Muster vor, die für uns Menschen Vorbild geben und zur Nachahmung anregen. Dies stärkt ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Gruppeneinheit, der Familie und/oder des Stammes.
Auch in einem Staat wie Deutschland gibt es sie, sogar von hochoffizieller Art, denken wir nur an die Erinnerungskultur zu unserer Vergangenheit. Wir erinnern und mahnen am Tag des Holocausts, wir gedenken dem Ende des Zweiten Weltkrieges oder freuen uns ob der deutschen Wiedervereinigung. Das weckt Gefühle und mahnt für die Zukunft.
Manche Rituale sind Jahrhunderte alt oder sogar noch älter, manche sind relativ neu, manche erscheinen zwanghaft und seelenlos, andere erzeugen Trauer oder Wut oder aber auch Freude und Glück.
Es gibt rein persönliche Rituale, aber auch Gemeinschaftsrituale übergeordneter Einheiten, ob von Kirche, Staat oder einer Union, wie der EU.
Rituale bieten Ersatzhandlungen an, entkoppeln das Individuum von der Verantwortung im Großen, übernehmen übergeordnete Anforderungen und machen sie erlebbar im Kleinen, im Individuellen.
Das Wichtige dabei ist, dass die soziale Übereinheit, die Gruppe, der Stamm, die Gesellschaft, gestärkt wird. Der Einzelne wird als Teil des Ganzen in die Pflicht genommen, wird optisch und rituell Teil des Ganzen.
Rituale bieten jedoch auch Aufmerksamkeit in alle Richtungen. Das Gemeinwesen bietet ein Forum für Gegenseitiges, Gemeinsames und schafft Verbindung und Zusammengehörigkeit, jenseits aller evtl. vorhandenen Konflikte, Verschiedenheiten oder Uneinigkeiten.
Denken wir zurück an die Anfänge der Menschheit, so war die Gemeinschaft in der Gruppe oft existentiell wichtig für die Jagd, mithin für das Überleben. Ohne Zusammenhalt und gemeinsame Identität waren diese Prämissen nicht möglich.
Rituale bieten auch Sicherheitsgefühl. Alleine ist man schwächer, als in der Gruppe und gemeinsame Rituale geben mehr Kraft und Mut, als wenn Anforderungen des Alltags alleine durchgefochten werden.
Rituale wurden oft als Kernverhalten des Menschen angesehen. Doch auch unser Hund kennt Rituale. Im Grunde treffen die meisten Prinzipien des Rituals auch und gerade auf den Hund zu. Der Hund lebt, wie sein Vorfahr, im „Rudel“, wenn auch seit Tausenden von Jahren im gemeinsamen Mischrudel mit dem Menschen.
Abb. 02
Interessant dabei ist, dass die Ritualisierung an dieser Stelle zwei Spezies umfasst, die, für sich genommen, jeweils beide, Rituale zum Überleben im archaischen Sinne brauchen und ihre jeweilige Gemeinschaftskultur darauf aufbauen.
Der Hund bzw. Wolf braucht die Gemeinschaft im jeweiligen Rudel zum Überleben, um Nahrung zu erbeuten und Kraft und Stärke auf der Jagd zu gewährleisten. Eine Jagd als Überlebensgrundlage erfordert gemeinschaftliche Organisation, Hierarchie und Teamwork, um gemeinsam Beute zu erlegen.
Das allererste Ritual zwischen Wolf (später Hund) und Mensch beginnt vor Tausenden von Jahren. Der Mensch sitzt am Lagerfeuer und verzehrt die mit Stammesbrüdern gemeinsam erjagte Beute (die weiblichen Menschen dieser Zeit blieben in der Höhle oder später in dörflichen Ansiedlungen. Ob diese Sichtweise der Geschlechtertrennung tatsächlich und generell in dieser Weise zutrifft, bleibt zumindest fragwürdig).
Der Wolf kommt zum Lagerfeuer, weil er neugierig ist, aber auch die Nahrung wittert. Er bettelt sozusagen, wie heute oft unser Hund am Tisch. Der Mensch sieht in die Augen des Wolfes und erkennt sich selbst wieder, denn die Augen des Wolfes ähneln sehr denen des Menschen.
Der entscheidende evolutionäre Moment geschieht genau an dieser Stelle: Der Mensch teilt seine Beute, ohne erkennbaren logischen Grund und wider aller Erwartungen, mit dem Wolf. Der Grundstein des Rituals zwischen Hund und Mensch ist gelegt; das Urritual ist geboren, Nahrung wird freiwillig und ohne äußeren Zwang freiwillig geteilt. Dies ist ein (r)evolutionärer Akt erster Güte, ein starkes Band der Gemeinsamkeit findet seine Geburtsstunde.
Aus dem „Joint Venture“ der Vorzeit wird ein ewiges Band. Der Wolf erkennt, in der Beziehung zum Menschen wird die Nahrungssuche unproblematischer und sogar erleichtert. Es ist für ihn sicherer, in der Nähe des Menschen zu sein, weil dieser den Bären oder andere Räuber für ihn mit abwehrt.
Der Wolf revanchiert sich, er fängt an, die Wohn- und Jagdbereiche des Menschen abzusichern. Er vertreibt Fressfeinde und kann nun sowohl Seinesgleichen besser absichern als auch den Menschen schützen. Im Gegenzug gewährt der Mensch Unterschlupf, Wärme am Lagerfeuer und eben Nahrung.
Das alles geschieht ohne Zwang und dringende Erfordernis und aus der Sicht des Menschen betrachtet ohne „Vertrag“ und vorab festgelegte Bedingungen, es passiert einfach.
Welches intelligente Lebewesen würde dieses Traumangebot einer Zusammenarbeit (heute nennt man das Win-Win-Situation) nicht erkennen und nutzen?! Dieses Joint Venture dauert nun schon Jahrtausende an, eine Erfolgsgeschichte der einzigartigen Art; es gibt nichts Vergleichbares auf der Welt. Zwei grundverschiedene und doch sehr ähnliche Spezies verbünden sich zu einem Jahrtausende alten Bund.
Unser Joint Venture mit dem Nachfahren des Wolfes, dem Hund, ist nicht nur einzigartig, es ist der Urknall des Rituals. Zwei Ritualerfordernisse zweier Spezies verbanden sich im Laufe der Jahrtausende zum stärksten „Ritual“ der Menschheitsund Hundegeschichte, einer fast symbiotischen Gemeinschaft.
Manchmal werden Rituale anders, eher negativ, verstanden, sie haben aber nichts oder wenig mit Riten gemein, die oft Vorschriften oder Regularien beabsichtigen. Diese Einschätzung wäre in manchen Bereichen durchaus berechtigt, jedoch nur bedingt in unserem Kontext.
In diesem Buch liegt der tendenzielle Schwerpunkt auf jener Art von Ritualen, die unwillkürlich und ohne Zwang oder Vorgabe entstehen. Manchmal entwickeln sie sich spielerisch und en passant. Vielleicht könnte man sie auch Gewohnheiten nennen. Auf jeden Fall führen Sie zu einer starken Bindung im Falle der Hund-Mensch-Beziehung und fördern diese.
Aus unserem eigenen Erleben:
Wir hatten eine sehr schlaue Hündin, die nichts mehr als Rituale liebte. Wir brauchten nur „Wäsche“ zu sagen und schon machte sie sich auf den Weg in unsere Schlafzimmer. Sie fing mit dem ersten Zimmer an und sammelte die dort auf dem Boden abgelegte Schmutzwäsche, z.B. eine Unterhose, ein und ging damit ins nächste Zimmer, um die bereits in ihrem Maul befindliche Hose dort kurz abzulegen.
Dann packte sie die dort liegende weitere Unterhose und nahm die vorher aus dem ersten Zimmer gerade abgelegte erneut auf. Dann lief sie mit beiden Hosen, stolz wie „Oskar, in diesem Falle Bju mit Namen, mit uns zusammen zum Wäschekorb am anderen Ende des Hauses und legte beide Hosen dort endgültig ab.
Zum Hineingeben in den Wäschekorb reichte es dann jedoch nicht; diese Aufgabe erschien ihr eher die Unsere zu sein.
Was war dies bereits für eine gedankliche Leistung in sich, entwickelte sich dieser Vorgang zu einem täglichen Ritual, das manchmal sogar ohne Aufforderung, quasi wie von selbst, angegangen wurde.
Ein weiteres Ritual dieser Hündin war es, wenn einer von uns vom Einkaufen mit dem Auto kam, schellte derjenige an der Haustüre. Bju kam sofort angelaufen, preschte zum Auto vor und wartete wie selbstverständlich darauf, vom Fahrer ein Teil des Einkaufs (das sich dazu eignete) ins Maul gegeben zu bekommen. Stolz brachte sie dieses Teil, lassen wir es eine Porreestange sein, ins Haus, um es in der Küche dem zuhause Gebliebenen zu übergeben.
Hier sieht man deutlich, welche Funktion Rituale haben können: Sie stärken das Gemeinschaftsgefühl, das Miteinander und die „gemeinsamen Aufgaben“. Sie sind stark verbindend und mitnichten zwanghaft. Und vor allem machen sie allen Beteiligten meistens großen Spaß und wenn es nur ein Leckerchenritual zum Einschlafen ist,
was so geht:
Wie zu Weihnachten, wird die Schlafzimmertür verschlossen und im Zimmer ein Leckerchen versteckt. Dann geht die Türe, wie am Heiligen Abend, zur Bescherung auf und das Leckerchen darf fleißig gesucht werden.
Dabei werden zunächst alle bisher genutzten Verstecke abgecheckt, es wird sich aber in Windeseile dem aktuellen Leckerbissen genähert, um es schließlich mit großer Empathie zu verdrücken.“
Bei diesem und vielen anderen ähnlichen Ritualen wird deutlich, wie sehr Erinnerungsvermögen, Ausschlussverfahren und Geruchssinn beim Hund Zusammenwirken. Ohne dieses Ritual gibt es bei uns keine Nachtruhe. Punkt.
Fragen wir später im Buch andere Hundeliebhaber, welche Rituale sie beobachten bei unserem größten, besten und ältesten Freund, den wir Menschen auf diesem Planeten haben:
unseren
Hund….1
Ritual1:
Ich bin beleidigt, ich will etwas haben und bekomme es nicht.
E. Einleitung -02. Rituale - Eine Differenzierung
Hrsg. Christoph T. M. Krause
„Rituale sind mehr als eine bloße Abfolge von Symbolen oder symbolischen Handlungen. Rituale unterscheiden sich von zwanghaften Handlungen, die in der Wiederholung des Gleichen bestehen und der , Versicherung' und Bestätigung dienen, wesentlich dadurch, dass sie einen Transitus darstellen, einen Übergang von einem Zustand in einen anderen, der die Menschen und/oder die Gemeinschaft beziehungsweise Gesellschaft verändert.“1
Übertragen auf den Hund, unterscheiden wir folglich zwischen verschiedenen Arten von Ritualen:
I. Regulationsrituale
Regulationsrituale sind Verhaltensweisen, die der Mensch dem Hund auferlegt, um ihn zu trainieren oder in eine familiär- bzw. menschengesellschaftskonforme Verhaltensweise zu bringen, die bisweilen eine Art Zwangscharakter entwickeln können.
II. Integrationsrituale
Integrationsrituale bilden Verhaltensmuster ab, die aus sich selbst heraus entstehen, weil sie dem Zusammengehörigkeitsgefühl, der Gemeinsamkeit oder der Bindung zwischen Frauchen/Herrchen und Hund entspringen.
III. Exploitationsrituale
Exploitationsrituale folgen ganz eigenen Regeln. Sie werden eingesetzt, um den Hund auszubeuten, ihn zu unterwerfen, als Mittel der Bestrafung und zur Aggression Dritten gegenüber einzusetzen oder schlimmstenfalls, ihn als sadistisches Opfer zu missbrauchen.
ad I.
Die erste Variante, Regulationsrituale, sind Mittel zum Zweck und haben naturgemäß ihre Berechtigung und Erfordernis. Sie bilden die Beziehung zwischen Hund und Mensch erst aus, strukturieren Verhaltensmuster und stehen oft am Anfang eines Welpenlebens oder einer neuen Hund-/Mensch-Beziehung. Sie können anstrengend für beide Seiten sein, dauern oft lange an und müssen ständig wiederholt werden.
Der Hund neigt ja, ebenso wie sein Mensch, zu strukturellem und zum „Es-muss-immer-alles-gleich-ablaufen-Verhalten“. Eigentlich ungewöhnlich, ist der Hund doch ursprünglich als Wolf ein Tier der Wildnis, welches sich jeden Tag überlebenstechnisch „durchschlagen“ muss, um zu überleben. In der Wildnis entstehen jeden Tag neue Herausforderungen, neue Situationen, in denen er nach Beute sucht, um sein Rudel am Überleben zu halten.
Wie kann es sein, dass der Nachfolger des Wolfes, der zivilisatorisch eingebundene Hund, Rituale und immer gleiche Abläufe präferiert? Ist das ein Verhalten, dass er etwa vom Menschen übernommen hat, um Sicherheit und Gemeinschaft sicherzustellen?
ad II.
Die zweite Variation, Integrationsrituale, sind Verhaltensweisen, die aus sich selbst erwachsen, die einfach so (zumindest wirkt es so), spielerisch und aus dem Spaß heraus entstehen. Scheinbar haben sie keinen Zweck, sind nicht regulativ intendiert, vor allem sind sie freiwillig.
Unsere Hündin liebt es z.B., im Wald Versteckspiele zu zelebrieren. Sie hat ein stark hütehundartiges Bedürfnis, das „Rudel“ Zusammenhalten bzw. -zutreiben. Alle Menschen, die zu ihr gehören, sind ständig im Blick. Wehe, einer bleibt zurück oder geht eines anderen Weges. Undenkbar, das zu erdulden! Die Gründe, warum das so ist, stehen auf einem anderen Blatt (bzw. mehreren Blättern), sind an dieser Stelle jedoch zweitrangig, zumindest für die Einordnung ihres Verhaltens.
Aus Roxys Verhalten sind immer wiederkehrende Versteckrituale entstanden:
Einer aus unserem „Rudel“ versucht, einen Moment abzupassen, in dem Roxy nicht genau hinsieht; sie schnuppert gerade an einem Grashalm oder ist mit anderen „Lesetätigkeiten “ beschäftigt.
Wenn man es dann schafft, einen Baum zu erwischen, der in der Nähe und dick genug ist, um dahinter gänzlich zu verschwinden, ist es in 90 % der Fälle fast sicher, dass sie direkt weiß, wo dieses Versteck ist.
Sie erkennt, es muss ein Baum sein, der in der Nähe des zuletzt gesichteten Aufenthaltspunktes liegt (logisches Denken, Punkt 1), sie weiß aber auch, der Baum muss dick genug sein, sich als Mensch dahinter zu verstecken (logisches Denken, Punkt 2).
Dann kann es nur noch dieser und jener Baum sein. Man kann also direkt beobachten, wie sie quasi die Umgebung scannt, wie sie kombiniert und dann blitzschnell zuschnappt (natürlich im übertragenden Sinne).
Wenn sie den sich Versteckenden dann „erwischt“ hat, zeigt sie deutliche Zeichen von Freude (wir würden lachen). Sie springt herum, wie ein junges Reh (sie ist 14 !), kommt freudig auf den sich Versteckenden zu, um dann wie im Fluge umzudrehen und da weiterzumachen, wo wir alle vorher waren.
An diesem realen Beispiel können wir deutlich den Unterschied zwischen Regulations- und Integrationsritualen erkennen. Hier ist nichts Regulatives vorhanden, geschweige denn vonnöten. Hier ist es ein Spiel, allerdings mit ernsthaftem Hintergrund.
Ein Hütehund muss sich so verhalten, Rudel müssen zusammengehalten werden. Der Zusammenhalt ist überlebenswichtig, der Verlust eines Rudelteils ist gefährlich für das ganze Rudel, es sei denn ein Mitglied ist krank und zu schwach, das wird dann oft zurückgelassen.
Hier kommt der Hund dem Menschen, zumindest scheinbar, sehr nah. Familie oder Familienverband oder, denken wir weiter, Gesellschaften und Stämme, werden beschützt und zusammengehalten. Nur beim Menschen ist es inzwischen so, dass der Schwache und Kranke mitgenommen und nicht zurückgelassen oder ausgesondert wird. Hoffnung für unsere Spezies, aber das war ja bekanntlich ein langer Weg!
Noch bis in die Siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurden Homosexuelle ausgegrenzt und teilweise weggesperrt, das hat sich heute in gesellschaftliche Respektanz und rechtliche Gleichstellung gewandelt.
An dieser Stelle gibt es natürlich auch fließende Übergänge zwischen der Regulation und der Integration beim Hund. Manchmal ist es das eine vor dem anderen, manchmal fließen beide Prinzipien jedoch auch ineinander.
Ein Versteckspiel, wie weiter oben beschrieben, kann regulativ eingesetzt werden (mit Hilfe der integrativen Komponente), um Verhaltensmuster einzuüben und die Richtung vorzugeben. Im Falle des Versteckspiels könnte diese „Übung“ ein Einschwören auf die Rolle des Hundes als Aufpasser sein. Oder es könnte gedacht sein, ihn zu beschäftigen, ihm Aufgaben zu stellen, um die Nähe zur Gruppe zu gewährleisten, Aufmerksamkeit zu erzeugen, um den Hund zu binden, damit er nicht streunt oder jagt.
Wir haben hier also zwei verschiedene Prinzipien, die jedoch korrelieren, sich gegenseitig ergänzen können und die doch grundverschieden sind.
Aber so ist es bei Menschengesellschaften genauso. Der Mensch braucht Regularien (Gesetze oder Vorschriften), die jedoch gleichzeitig gemeinschaftsbildend wirken, weil sie den Einzelnen vor anderen und die Gemeinschaft vor Auflösungserscheinungen und Gefahren bewahrt.
Wie ähnlich wir uns doch letztlich sind. Hund und Mensch haben vieles gemeinsam und sind doch sehr unterschiedlich. Das ist das Geheimnis des Erfolgs einer symbiotisch anmutenden Gemeinschaft und Freundschaft.
Und doch gibt es deutliche evolutionäre Unterschiede und diese gilt es, verstehen und anwenden zu lernen, um unserem besten Freund und letztlich uns selbst gerecht zu werden.
ad III.
Eine üble Variante sind Exploitationsrituale. Menschen beuten den Hund aus, um ihn zu missbrauchen, zu quälen oder einfach nur für dritte Zwecke einzusetzen, die dem Hund schaden.
Im Mittelalter gibt es hierfür ein krudes Beispiel:
Als Äquivalent zur Todesstrafe wurde das „Hundetragen“ eingesetzt. Delinquenten mussten einen Hund tragen, damit sollte ihre Ehre verletzt werden (siehe Artikel unter 111.05, S. 104, „Hundetragen“ im Mittelalter).
Oder man denke an Hundekämpfe, bei denen Hunde zur Unterhaltung gegeneinander aufgehetzt und zu Tode gequält werden (siehe Artikel unter III.02, S. 80, „Hundekämpfe“).
Man kann hier also sehen, wie unterschiedlich Rituale im menschlichen Zusammenhang, aber insbesondere in Bezug auf den Hund einwirken. Wie sollte es auch anders sein. Da der Hund mit dem Menschen sehr eng zusammenlebt, bieten sich vielfältige Zusammenhänge, wo auch der Hund von des Menschen Stärken und Schwächen betroffen ist. Je enger die Bindung zum Menschen, desto größer die potentiellen Schnittstellen bzw. Querverbindungen.
„Mitgehangen, mitgefangen“, sagt der Volksmund und so sind die vielfältigen Rituale des Menschen Teil dieser Symbiose, im Guten, wie im Schlechten.
Ritual1:
Ich bin so süß und kann kein Wässerchen trüben.
E. Einleitung –03. Dogs in the Ancient World [Hunde in der antiken Welt]
Joshua J. Mark. Übersetzt von: Hrsg. Christoph T. M. Krause