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Im Februar 2021 in allen Medien: "Auswanderer auf karibischer Insel überlebt Kugelhagel" "Mit Matratze gegen Pumpguns und Piraten" "Sein Hund rettete ihm das Leben" Diese Schlagzeilen zeigten jedoch nur einen kleinen Ausschnitt der wahren Abenteuer, auf die man in den Erzählungen des tragischen Helden mitgenommen wird. Ausgelöst durch die Covid-19 Pandemie war unser Erzähler bereits ein ganzes Jahr auf Speerfischen angewiesen, um seinen Hunger und den seines Hundes zu stillen. Er lernte, die natürlichen Ressourcen seiner einsamen Insel in Belize immer besser zu nutzen. Nachdem er auch noch drei Hurrikans überstand, war der Angriff der mordlüsternen Piraten fast sein Todesurteil. Trotz 21 Kugeln im Körper gab er jedoch nicht auf, um sein Leben zu kämpfen. Dank der Hilfe seines Hundes und dem Einsatz einer Matratze schaffte er das Unmögliche. Doch die eigentliche Katastrophe sollte erst beginnen. Als Augenzeuge von der Polizei mit Pumpgun und Pistole ausgestattet, versuchte unser Pazifist nun zwischen abgestürzten Narco-Flugzeugen, Kokainpaketen, angeschwemmten Leichen, Drogenkartellen, Korruption und Familienclans auf seiner Insel den ungleichen Kampf zu gewinnen. Ein finaler Showdown sollte der Tortur ein Ende bereiten.
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Seitenzahl: 257
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Gigi Gusenbauer
Christian „Gigi“ Gusenbauer wurde am 22.6.1974 in Wien geboren. Seine Mutter Ilona Gusenbauer war Spitzensportlerin und ist Trägerin des Goldenen Verdienst zeichens der Republik Österreich.
Der Autor hat zwei Geschwister, Ulla und Dieter. Er maturierte im Jahr 1993 und studierte danach in Wien Sportwissenschaften, Sportmarketing und Ernährungswissenschaften.
Nach 17 Jahren in der Pharmaindustrie wanderte er 2017 nach Belize aus, um eine solarbetriebene Öko-Lodge auf einer kleinen Insel zu errichten. Der Autor ist geschieden und hat zwei Söhne.
GIGI GUSENBAUER
21 KUGELNIMPARADIES
Neuausgabe Januar 2024
Impressum
21 Kugeln im Paradies
Neuausgabe Januar 2024
Gigi Gusenbauer
Lektorat:
Dr. Herbert Winkler, Ursula Gaßner
Coverbild:
© Ilona Gusenbauer
Digitale Nachbearbeitung Coverbild:
Noah Gusenbauer
Bildnachweis:
© Gigi Gusenbauer
Layout/Satz:
Ursula Gaßner
Inhalt
Prolog
Belize - eine Perle auf unserem Planeten
Warum Belize?
Belize im Griff der Pandemie
Mit Technik gegen die Einsamkeit
Hunger war Teil meines Lebens
Von der Pandemie in die Pleite
Drei Hurrikans in drei Monaten
Merkwürdige Dinge passieren
Mit meinen Söhnen dem Paradies ganz nahe
Der Tag vor der Katastrophe
Der Überfall
Die Notoperation
Die Bewaffnung beginnt
Ein abgestürztes Drogenflugzeug
Polizeischutz auf belizianisch
Die Gegenüberstellung
Im Zeugenschmutzprogramm
Showdown auf der Insel
Loslassen und Abschied nehmen
Eine Leiche vor der Insel
Grenzübertritt in ein neues Leben
Epilog
Prolog
In meinem Erstlingswerk „Mein Leben von vorne“ beschreibe ich das Auswandern auf eine einsame Insel in Belize und die Gründe, die dazu führten. Das Buch endet mit den Worten: Du kannst Dein Leben nicht planen.
Dieses Buch ist die Story über mein Leben in Belize, das mit viel Euphorie begann und in einer Katastrophe endete. Dass man sein Leben nicht planen kann, war mir bewusst. Wie man sich immer wieder an seine Umgebung anpassen muss, um sich über Wasser zu halten, ebenso. Wie sehr aber die Prinzipien meiner Persönlichkeit verändert werden können, das konnte ich mir nicht vorstellen.
Die Corona-Pandemie der Jahre 2020 und 2021 war hierbei nicht der Hauptgrund. Ich hatte in Österreich fast zwei Jahrzehnte mit Impfstoffen gearbeitet. Pandemien waren für mich immer zu erwartende Szenarien, die alles aus dem Gleichgewicht bringen können. Wenngleich ich mir das Ausmaß nicht vorstellen konnte.
Ebenso war mir die Möglichkeit eines Hurrikans als reale Bedrohung in Belize bewusst, wenngleich das Risiko gering war. Belize liegt südlich der sogenannten „Hurricane-Alley“. Daher wurde Belize in der Vergangenheit nur im Abstand von Jahrzehnten von schweren Wirbelstürmen heimgesucht.
Dann war da noch der Punkt mit der Kriminalität. Zum Zeitpunkt meines Auswanderns gab es im Gang-Milieu der ehemaligen Hauptstadt Belize City eine extrem hohe Mordrate. Im Süden von Belize, meiner gewählten Destination, war es stets ruhig. Trotzdem war für mich als eingefleischten Pazifisten eine Bewaffnung nach dem Prinzip „Gewalt erzeugt Gegengewalt“ keine Option.
Der Abend, an dem ich dann in meiner Blutlache lag, und meine einzige Gegenwehr gegen 45 Minuten Dauerbeschuss meine Matratze war, veränderte meine rosarote Sichtweise dramatisch. 21 Kugeln steckten in meinem Körper. Ich hatte mich bereits von meinen Kindern und deren Mutter via Internet auf der anderen Seite des Planeten verabschiedet. Ich wusste nicht, wie viele Minuten mir noch mit den brennenden Schmerzen und aufgrund des massiven Blutverlusts bleiben.
Ein Großteil der Zeit, in der ich dieses Buch geschrieben habe, lag eine scharfe Pistole mit drei vollen Magazinen neben mir. Dazu hing eine geladene Pumpgun im Waffenschrank hinter mir.
Dieses Buch nimmt den Leser auf meine einsame Insel mit. Auf eine Reise, wo man sich das Essen pandemiebedingt selbst fangen muss und mit Hurrikans zu kämpfen hat. Und als alles überstanden scheint, ein Kampf auf Leben und Tod beginnt. Ganz allein mitten im Meer gegen drei bewaffnete Piraten.
Ob diese Erlebnisse tatsächlich meine Persönlichkeit verändert haben, möge der Leser selbst entscheiden.
Belize - eine Perle auf unserem Planeten
Die Vorkommnisse und Gefahren, die ich in Belize erlebte, beschreiben nur meine individuelle Situation und Erfahrungen. Ich würde diesem Land unrecht tun, wenn ich nur die negativen Erlebnisse erzähle. Denn Belize ist ein wunderschönes Land. Es wäre ein unverzeihlicher Fehler, würde ich nicht auch beschreiben, wie ich diese unbekannte Perle in der Karibik gespürt, gerochen, gesehen und geliebt habe. Mit all ihren Naturwundern, aber auch ihrer Verletzlichkeit.
Nach Mexiko, Kuba oder in die Dominikanische Republik gibt es Direktflüge. Nach Belize kann man nicht direkt fliegen. In den meisten karibischen Destinationen war ich immer gut aufgehoben. Als Pauschalreisender buchte ich ausschließlich All-inclusive-Hotels. Die bewaffneten Sicherheitsmänner haben mich als Touristen immer schützend vom wahren karibischen Leben ferngehalten. Auch die wenigen Touren, die ich in meiner Prä-Belize-Ära unternommen habe, waren organisiert. Ich war Tourist, nicht einmal ein Reisender. In Belize wurde ich vom Outsider zum Insider, vom Fremden zum Dazugehörenden.
Belize ist für mich eines der letzten Naturwunder dieses Planeten. Mit etwa 400.000 Einwohnern, etwa so viele wie Vorarlberg, gibt es unendlich viel unbesiedeltes Land und gleichzeitig keine Großstädte. Wolkenkratzer findet man nirgends, die wenigen mehrstöckigen Gebäude enden meist bei drei Geschoßen. Belize ist keine Insel, wenngleich man sich stets wie auf einer solchen fühlt.
Alle Teile des Landes sind in wenigen Autostunden erreichbar, und keine Sehenswürdigkeit ist touristisch überlaufen. In Belize gibt es keine Züge, da keine Bahnstrecken existieren. Briefe und Postpakete werden dafür gerne einmal mit den kleinen Tropenfliegern von Tropic Air versandt, eine Lösung, die für mich völlig unbekannt war. Die wenigen Highways, die wie europäische Landstraßen aussehen, verbinden die Distrikte miteinander.
Und zu sehen gibt es unendlich viel, egal ob man den Bocawina-Nationalpark oder die Maya-Ruinen von Xunantunich besucht. Niemals wird man von Menschenmassen erdrückt. Man fühlt sich – egal welche Traumdestination man in Belize wählt – so gut wie immer privat.
An Naturwundern mangelt es Belize nicht. Ich habe das gesamte Land als Naturwunder empfunden. Wenn man an Dschungel und Höhlen interessiert ist, so finden sich diese im Südwesten des Landes. Man entwickelt in kürzester Zeit das Gefühl, mitten in einem Indiana-Jones-Film gelandet zu sein. Im Bocawina-Nationalpark kann man auch Touren ohne Führer unternehmen und Wasserfälle bestaunen. Wenn man auf mehr Abenteuer aus ist, zahlt es sich aus, einen erfahrenen Tourenführer zu buchen. Man wird dann in Höhlen und Dschungelgebiete entführt, wo man das Gefühl hat, man wäre der erste Mensch, der diese Gebiete betreten hat. Das andere Universum in Belize stellt das Karibische Meer mit den unzähligen Inseln, Cayes genannt, dar. Das Belize-Barrier-Reef ist das zweitgrößte Barriere-Riff der Welt.
Belize vereinigt unzählige Kulturen. Es gibt die Volksgruppe der Garifuna, die als ehemalige Sklaven aus Afrika entführt wurden und nach wie vor in ärmlichen Verhältnissen leben. Eine große Bevölkerungsgruppe stellen die Chinesen dar, denen so gut wie alle Supermärkte in Belize gehören. Der wohl überwiegende Bevölkerungsanteil der spanisch sprechenden Menschen aus Honduras und Guatemala drängen die dunkelhäutigen englisch und kreolisch sprechenden Belizianer nach und nach zurück. Dann gibt es noch Auswanderer aus den USA und Europa. Nicht zu vergessen ist die Parallelgesellschaft der weißen Mennoniten, die ihre Religion in geschlossenen Kommunen ausleben.
Die Temperaturen sind in Belize hoch und die Luftfeuchtigkeit meist drückend. Es gibt so gut wie keine überregulierenden Vorschriften. Es wird noch auf den gesunden Menschenverstand vertraut. Wenn du wo abstürzt, bist du eben selbst schuld, weil du zu blöd warst, die Gefahr zu erkennen.
Die von Menschen verursachten Umweltschäden sind leider auch in Belize sichtbar, ganz besonders im Bereich des angeschwemmten Plastikgerümpels. An manchen Tagen war die Verschmutzung an den Rändern meines Inselgrundstücks nur noch mit einer Schaufel in den Griff zu bekommen.
Natürlich trägt auch Belize zu dieser Verschmutzung bei, gab es doch 2021 noch immer kein wirkliches Recycling. Aus eigener Beobachtung kann ich aber bestätigen, dass der Großteil des Plastikmülls nahezu ausschließlich spanische Aufschriften hat. Die ärmere Bevölkerung in Honduras und Guatemala, die an den Flüssen lebt, verfügt über keine Müllabfuhr. Und wenn bei starken Regenfällen die Flüsse über die Ufer treten, werden massenweise Müllsäcke mitgerissen, die sonst verbrannt worden wären.
Neben dem Plastikmüll gibt es ein immer ernster werdendes Problem, das man in Europa nicht kennt. Im Jahr 2018 verwandelten sich die Strände in eine nach Schwefel stinkende Todeszone. Auf fast monströse Weise waren die Auswirkungen der Überdüngung von Feldern in Brasilien, tausende Kilometer entfernt, in der gesamten Karibik zu sehen und zu riechen. Durch die Düngemittel kam es im letzten Jahrzehnt zu einer explosionsartigen Vermehrung einer neuen Sargassum-Art vor Brasilien. Diese besondere Seegrasart, die ein wenig wie grüne bis braune Weintrauben mit Blättern aussieht, löst sich vom Boden und schwimmt in großen Feldern durch das Meer. Das „gute“ Sargassum bietet Vögeln Landeplätze zum Ausruhen und Fischen wiederum ein Versteck vor Vögeln. Aber die von Menschen verursachte Monsterversion von Sargassum, die wie ein dicker Teppich durch die Karibik schwappt, tötet alles.
Die Wasser- und Unterwasserwelt der Karibik wurde meine große Liebe. Dieses sensible Ökosystem begann ich zunehmend zu verstehen, und es begeisterte mich, wie alles miteinander verknüpft ist und interagiert. Das Meer faszinierte mich einfach immer mehr. Es war für viele Jahre mein Garten. Die Blautöne, die das Karibische Meer von Belize zu bieten hat, sind unzählbar. Dies hat mit dem sich ständig wechselnden Untergrund zu tun. Jeder Quadratmeter unter Wasser sieht anders aus. Vom weißen Sand, der durch die Ausscheidungen der Papageifische produziert wird, bis hin zu langen Unterwasser-Seegrasfeldern, die den zahmen Seekühen als Nahrung dienen.
Und dann natürlich das Barriere-Riff, das wie eine Schutzmauer den tausende Meter tiefen Ozean innerhalb weniger Meter in eine türkisblaue, ruhige und warme Idylle verwandelt. Das Gleiche gilt für die Meeresoberfläche. Während man innerhalb des Riffs Badewannenwasser genießt, bricht wenige Meter von dort entfernt der wilde Ozean in hohen Brechern gegen die Barriere. Deswegen heißt es Barriere-Riff, etwas, das mir vorher nie bewusst war, und der Grund ist, warum es in Belize keine Tsunamis gibt. Belize ist ein Land, das ein eigenes geologisches Schutzschild hat.
Wer jemals Belize mit allen Sinnen erfasst hat, wird mit Sicherheit wie ich dieses Fleckchen Erde als eines der letzten naturbelassenen Perlen auf unserer Erde bezeichnen. Wäre da nicht der Faktor Mensch, beziehungsweise einzelne Individuen, die zumindest für mich das Paradies in die Hölle verwandelt haben.
Silk Cayes, Belize Barrier Reef
Bocawina Nationalpark
Warum Belize?
Sie heißt Lea und war der Fixstern meines Lebens. Von der ersten Sekunde an war sie mein Lebensmensch. Es gab nichts, was ich nicht für sie getan hätte. Diese Liebe wurde mir psychisch und physisch zum Verhängnis. Es war der Grund, weshalb es mich nach Belize verschlagen hat.
In meinem ersten Buch „Mein Leben von vorne“ habe ich auf 341 Seiten meine Via Dolorosa beschrieben. Wer meine Talfahrt in den seelischen Minenschacht kennt, kann die folgenden Seiten überspringen. Es fällt unter das Kapitel „Was bisher geschah“. Für alle anderen soll ein kurzer Durchlauf des bisher Erlebten als Einstieg dienen.
Mein Leben vor Belize war damit erfüllt, meine Prinzessin Lea zu lieben. Wir verliebten uns in der ersten Klasse Gymnasium. Damals waren wir zehn Jahre alt. Dann verloren wir uns aus den Augen und sahen uns mit 18 Jahren wieder. Wir wurden sofort ein Paar.
Einige Jahre später heirateten wir und bekamen zwei wundervolle Söhne. Leider beruht so eine einzigartige Liebe selten dauerhaft auf Gegenseitigkeit. Zumindest für mich war es so. Ich wurde – als unsere Söhne zwei und vier Jahre alt waren – buchstäblich aus meinem Leben gerissen. Ich musste entdecken, wie Lea ein zweites Leben ohne mich führte. Diese Erkenntnis war für mich nahezu tödlich. Es folgten Suizidversuche, schwere Depressionen und ein fast letal endendes Burnout. Über die Jahre missbrauchte ich in Wellen Medikamente, Drogen und Alkohol. Ich versuchte alles, um mein Gehirn und meine Schmerzen zu betäuben.
Meine Söhne waren weiterhin mein Leben. Wann immer sie bei mir waren – und ich kämpfte all die Jahre für eine gleichteilige Betreuung – war ich topfit, und meinem fragilen Gemütszustand war kaum etwas anzumerken. Meine Kinder waren und sind einfach das Wichtigste in meinem Leben.
Elf Jahre nach der Trennung von Lea kam es zu der fundamentalen Entscheidung, Österreich zu verlassen. Ich hatte eine große Karriere in der Pharmaindustrie gemacht und mich vom Außendienstmitarbeiter zum nationalen Leiter des wissenschaftlichen Außendienstes hinaufgearbeitet. Als 2016 entschieden wurde, das Unternehmen aufzulösen, wurde mir angeboten, die Leitung des Impfstoffbereiches oder – sofern ich die geteilte Betreuung der Kinder gerichtlich abgesichert bekommen würde – auch einen Posten mit mehr Zeit für die Kinder zu übernehmen. Leider ließ sich erneut keine zufriedenstellende Einigung mit Lea in Bezug auf die Kinderbetreuung erzielen.
Damit gab es nur mehr eine Alternative. Es stand für mich „nur noch“ die Leitung des gesamten Impfstoffgeschäfts in Österreich zur Auswahl. Das bedeutete, so gut wie keine Zeit mehr für meine Kinder zu haben. Und das war keine Option für mich. Das hätte ich nicht überlebt. Mein Lebensinstinkt begann nach einem Ausweg zu suchen. Wenn ich nicht mit einem Suizid enden oder sabbernd nach einer weiteren Lungenembolie und einem Burnout in einem Rollstuhl sitzen wollte, was war es dann?
Ich versuchte zu ergründen, wo ich bisher am glücklichsten war und was mich am meisten belastet hatte. Die Bleigewichte auf meiner Seele waren die Nähe zu Lea und der ständige Kampf um die Kinderbetreuung. Am glücklichsten war ich hingegen, abgesehen von der Zeit mit meinen Kindern, stets am Wasser. Insbesondere die Urlaube in der Karibik erzeugten bei mir ein Ikarus-Feeling. Mit Menschen wollte ich so gut wie nichts mehr zu tun haben.
Die Antwort auf meine Frage, wie es weitergehen könnte, lag also auf der Hand, war allerdings völlig unrealistisch: eine Insel in der Karibik, eine Angel und am besten einen Hund an meiner Seite. Hunde sind die treuesten Seelen. Seitdem ich ein Kind war, vermisste ich den Hund meiner Großeltern.
Rein zum Spaß begab ich mich online auf die Suche nach Inseln in der Karibik. Ich berechnete den möglichen Verkaufswert meiner kreditfinanzierten Eigentumswohnung. Ich kam auf ein Budget von 180.000 Euro. Es erschien völlig verrückt, die Suchmaschine überhaupt anzuwerfen.
Zu meiner Überraschung gab es aber tatsächlich Inseln, beziehungsweise Inselgrundstücke, in der Karibik, die innerhalb meines Budgets lagen. Die Auswahl grenzte sich schnell auf Belize ein, einem Land, von dem ich nicht einmal wusste, wo es lag. In der Volksschule hieß der mittelamerikanische Staat noch British Honduras. Und irgendwann hatte ich wohl einmal eine Aussteigerserie im österreichischen Fernsehen gesehen, wo es auch um Belize ging. Das war nur mehr ganz dunkel in meiner Erinnerung, sollte aber auf kuriose Weise am Ende meiner Reise noch einmal eine Rolle spielen.
Nach nur wenigen Tagen intensiver Recherche zeichnete sich der Erwerb eines perfekten Grundstücks auf einer Insel in Belize ab. Keine Nachbarn, totale Wildnis und angeblich ein unglaubliches Korallenriff direkt davor. Es folgten mehrwöchige intensive Überprüfungen. Dann die Entscheidung. Ohne es vorher gesehen zu haben, kaufte ich das Projekt. Eigentlich verrückt. Ich hatte noch nie einen Fuß in Belize gesetzt und kaufte dort eine Insel. Es war meine Alternative zum Suizid.
Der Abschied von den Kindern und die Monate vor der Übersiedlung brachen mir das Herz. Es war verrückt, was ich tat. Für die Kinder, aber auch für mich. Der letzte Tag, das letzte Mal, als meine Kinder durch die Wohnungstüre gingen, war wie ein fürchterlicher Tod für mich. Meine Hoffnung war jedoch, wieder gesund zu werden, Freude am Leben zu bekommen und vielleicht doch wieder jemand zu sein, der sein Gehirn nicht betäuben muss.
Was soll ich sagen – es funktionierte. Innerhalb weniger Wochen nach meinem Umzug nach Belize war ich von meinen Medikamenten entwöhnt, konnte wieder schlafen und kämpfte mich durch das Projekt, meine Insel bewohnbar zu machen. Schnell stellte sich heraus, wie teuer alles war. Allein mit dem Boot zur Insel zu fahren, kostete wesentlich mehr als das bisher gewohnte Benzin für ein Auto. Mein Boot benötigte bei voller Fahrt 56 Liter pro Stunde.
Der Plan, allein auf der Insel mit einer Angel und einem Hund zu leben, wich der Idee, eine Öko-Lodge zu errichten und diese zu vermieten. Die ersten drei Jahre lebte ich hauptsächlich am Festland im malerischen kleinen Ort Placencia im Süden von Belize. Das war in acht Kilometern Entfernung zu meiner Insel. „Mitten im Meer“ baute ich mit Hilfe lokaler Arbeiter ein kleines Ferienparadies auf. Die Schwierigkeiten waren umfangreich, aber es funktionierte. Bereits nach den ersten Monaten der Fertigstellung der Lodge war ich jeden Tag mit Gästen ausgebucht.
Während Europäer mit über einem Tag Anreise rechnen müssen, erreichen US-Amerikaner in wenigen Stunden Belize. Sie stellen dementsprechend den Großteil der Touristen dar. Die kulturellen Unterschiede zwischen US-Amerikanern und Europäern erscheinen mir nach wie vor größer als zwischen Belizianern und US-Amerikanern. Manchmal war das eine ungewohnte Herausforderung. Nicht selten musste ich einem wohlhabenden und augenscheinlich bildungsfernen Industriestaatenmenschen erklären, dass Pommes frites von Kartoffeln stammen. Mein Gast verstand nicht, warum ich empfahl, frische Kartoffeln vom Markt zu kaufen und „French Fries“ selbst zuzubereiten, statt ein in Plastikfolie verpacktes und tiefgefrorenes Produkt mit auf die Insel zu nehmen. Ich verstand wiederum nicht, wie man nicht wissen konnte, dass es sich bei Pommes frites um Kartoffeln handelt. Das hat mich schon ziemlich umgehauen.
Generell hat sich mein Umweltbewusstsein über die Jahre hinweg dank des Insellebens um ein Vielfaches geschärft. In dem Fall der Kartoffeln war es aber schwierig, nicht in schallendes Lachen auszubrechen. In Summe betreute ich aber aufgrund meines Angebotes eines Insel-Abenteuer-Urlaubes überwiegend achtsame und auf Umweltbewusstsein ausgerichtete Gäste.
Dieses einmalige Urlaubserlebnis hatte aber auch seinen Preis. Sowohl für mich als auch für meine Gäste. Ich startete mit 195 US-Dollar Miete pro Nacht für die gesamte Lodge, bei einer Maximalbelegung von vier Personen. Ich verlangte stets ein Minimum von drei Nächten als untere Schwelle der Buchung. Weniger Geld war aufgrund des aufwändigen Bootstransfers und den noch umfangreicheren Reinigungsprozeduren nicht sinnvoll.
Obwohl ich den Nächtigungspreis ständig erhöhte, war es mir nicht möglich, Gewinn zu erzielen. Die Kosten, eine Insel vom Festland aus zu betreiben, besonders wenn die Gäste während ihres Aufenthaltes ungestört sein sollen, waren astronomisch. Hinzu kamen permanente Verbesserungen des Komforts, die ebenso Unsummen verschlangen. Mein Schuldenstand wuchs ständig weiter, gleichzeitig hatte ich eine Goldgrube geschaffen, wenn es mir gelingen sollte, die Fixkosten drastisch zu senken. Allein die Miete am Festland für mein kleines Apartment kostete mich 1.400 US-Dollar pro Monat. In Summe, mit den vielen Bootsfahrten und den hohen Strompreisen am Festland, hatte ich Fixkosten von 8.000 US-Dollar. Für das Jahr 2020 hob ich somit den Nächtigungspreis auf astronomische 595 US-Dollar an, war aber dennoch weiterhin auf Monate vollständig ausgebucht.
Um meinen Schuldenstand drastisch zu reduzieren und finanziell endlich etwas von der Vermietung zu haben, bedurfte es aber noch einer ganz wichtigen Anpassung meiner Fixkosten. In intensiven Beratungen mit meinen Freunden Charly aus Deutschland und Bonelli aus Österreich, die über die ersten drei Jahre bereits 350.000 Euro für mein Projekt zugeschossen hatten, beschloss ich, eine finale Rakete ins All zu schießen. Ich würde mir mein eigenes Haus auf der Insel bauen. Mit ausreichend Abstand zum Gästehaus, damit meine gut zahlenden Kunden weiterhin ungestört wären und nicht nur den Drink „Sex on the Beach“ genießen könnten.
Somit plante ich mein eigenes Haus. Das Ziel war, sämtliche Fehler vom Bau des Gästehauses zu vermeiden. Ich arbeitete von Anfang an mit den besten Arbeitern, die ich über die Jahre kennengelernt hatte. Mein eigenes Haus kostete nur einen Bruchteil von Zeit und Geld gegenüber dem, was das Gästehaus verschlungen hatte. Alles, was ich die letzten Jahre gelernt hatte, machte sich nun bezahlt. Während der Aufbau des Gästehauses neun Monate gedauert hatte, stand mein eigenes Haus, inklusive Dach und Terrasse, in sage und schreibe 19 Tagen. Effizienter zu bauen – noch dazu auf einer Insel, wo alles ohne Maschinen gemacht werden muss – ist einfach nicht möglich.
Schon beim Planen meines Hauses merzte ich alle Fehler aus, die mir beim ersten Haus unterliefen. Kleine Fenster statt großer Schiebefenster, um die kleinen lästigen Sandfliegen abzuhalten, Zwischendecken, um den Gebrauch der solarbetriebenen Klimaanlage in der Nacht effizienter zu gestalten, bis hin zur Planung möglichst kurzer Rohrverbindungen, um die Effizienz der Wasserpumpe zu steigern und einen höheren Wasserdruck zu erhalten. Details, die man ohne Inselerfahrung nicht wissen kann. Mein eigenes Haus wurde perfekt.
Ich hatte den Januar 2020 für die Bauarbeiten freigehalten, und wir waren vor der Zeit fertig. Von nun an sollte ich meine 8.000 Fixkosten auf 500 US-Dollar senken, während ich dank der bestehenden Buchungen 15.000 US-Dollar Einnahmen pro Monat gesichert hatte.
Jetzt konnte ich mit meinem Border-Collie-Mädchen Mali und einer Angel am Dock sitzen und dem Sonnenuntergang entgegenträumen. Das Märchen aus meinen Träumen war Wirklichkeit geworden.
Dass meine Idylle in Belize mir durch einen brutalen Überfall beinahe das Leben gekostet hätte, ahnte ich damals noch nicht.
Das Gästehaus im Vordergrund, das neue Haus im Hintergrund. Dock am linken Bildrand.
Belize im Griff der Pandemie
Fast zwei Jahrzehnte war ich im Pharmabereich mit dem Impfstoffwesen beschäftigt. Dadurch waren mir die Gefahren einer weltweiten Pandemie und deren Auswirkungen bekannt. Von 1999 bis 2016 nahm ich regelmäßig an Sitzungen der Sanitätsdirektionen in Österreich teil. Ich bekam mit, wie und was Ärzte, Apotheker und Politiker über bestehende Pläne im Pandemiefall diskutieren. Es wurde zum Beispiel besprochen, wie große Lebensmittel-Kühl-häuser im Notfall zu Leichenhallen umfunktioniert werden und welche Lebensmittel für die Bevölkerung vorrätig sein sollten. An die Sicherstellung von Toilettenpapier wurde damals nicht gedacht. Panikreaktionen und das Plündern von Kaufhausregalen wurde schon besprochen.
Wie man im Jahr 2020 gesehen hat, kann man menschliches Verhalten in Ausnahmesituationen nur theoretisch steuern. Vorrangig ging es bei diesen Sitzungen um die Gefahr einer Influenza-Pandemie, bei der sich herkömmliche Influenza-Viren so verändern, dass sich ihre hohe Ansteckungsgefahr mit der Letalität von Tierstämmen kombiniert.
Aber auch schon damals wurde von den Medizinern und Virologen immer wieder darauf hingewiesen, dass andere Viren zur Gefahr werden könnten. Dabei wurden Corona-Viren an oberster Stelle genannt. Die Mutationsgefahr durch SARS- und MERS-Ausbrüche war bereits bestätigt. Aufgrund meines Insiderwissens könnte ich mich als Infektionsexperten bezeichnen. Dennoch war ich nicht im Entferntesten auf das vorbereitet, was folgen sollte.
Als ich noch am Festland von Belize die ersten Meldungen aus China las, nahm ich an, die Welt würde dies ebenso schnell in den Griff bekommen, wie das bei SARS im Jahr 2000 und bei MERS im Jahr 2012 der Fall gewesen war. Das Ausmaß und die Dauer der neuen anrollenden Pandemie war nur für wenige vorstellbar. Auch für mich nicht.
Die Organisation meiner Gäste war vor dem Ausrufen der Covid-19-Pandemie durch die WHO im Februar 2020 noch nicht verändert. Mein eigenes Haus auf der Insel war zwar im Prinzip fertig, aber die Solar- und Wassertechnik konnte ich mir noch nicht leisten. Der Plan war, dies im April 2020 umzusetzen, nachdem ich wieder ausreichend Liquidität durch die Mieteinnahmen sichergestellt haben sollte.
Insofern plante ich, die ersten Wochen auf der Insel etwas spartanisch und noch ohne Küche durchzustehen. Es wäre nicht das erste Mal gewesen. Denn drei Jahre zuvor - als mein Gästehaus gebaut wurde - lebte ich für einige Wochen auf einem erhöhten Fußboden und nur einer Plane über dem Kopf. Dagegen sollte mir mein neues Haus trotz fehlender Küche wie ein Luxushotel vorkommen. Dementsprechend entspannt hatte ich bereits rechtzeitig meinen Mietvertrag auf dem Festland gekündigt.
So einfach von heute auf morgen auszuziehen und die Miete nicht mehr zu zahlen, geht natürlich auch in Belize nicht. Es wäre gegenüber meiner langjährigen Vermieterin unfair gewesen. Illegal sowieso. Ich hatte Linda, eine äußerst nette Dame aus den USA, die im Stockwerk über mir lebte, im November 2019 auf mein Ausziehen vorbereitet. Durch den Umzug auf die Insel würden nicht unbedeutende Organisationsprobleme entstehen. Allein der Berg der vielen Strand-Badetücher, der Badezimmer- und Handtücher und der Bettwäsche hatte Himalayahöhe. Diesen konnte ich in meinem Apartment jederzeit völlig stressfrei in die Waschmaschine werfen und anschließend im Wäschetrockner den duftenden und fluffigen Feinschliff geben.
Ein Wäschetrockner auf der Insel war trotz intensiver Beratungen mit meinem deutschen Technik-Guru Daniel, der auf Solartechnik spezialisiert war, nicht möglich. Er würde nicht nur die Menge der via Solarpanelen gesammelten Sonnenenergie, sondern auch die Kapazität des starken und teuren Inverters, der den Batterie-Gleichstrom in Wechselstrom umwandelt, sprengen. Dementsprechend plante ich den Bau einer Wäschekammer mit Waschmaschine unter meinem neuen Haus – allerdings ohne Wäschetrockner.
Man fragt sich natürlich, warum jemand einen Wäschetrockner verwenden will, wenn er unter der gleißenden Tropensonne lebt. Zum einen ist es mit der hohen Luftfeuchtigkeit gar nicht so einfach, Wäsche wirklich trocken zu bekommen. Zum anderen nehmen feuchte Textilien einen unangenehmen, fast sauren Geruch an. Dazu gibt es je nach Jahreszeit mehrmals täglich heftige kurze Tropenschauer, und man wäre chancenlos, unter Zeitdruck Hotelwäsche trocken zu bekommen. Und dann gibt es noch den biologischen Faktor: Die Insel, die mit Mangroven überwachsen ist, beherbergt den Großteil der Sandfliegenpopulation des Planeten. Irgendwo zwischen sieben und hundert Quadrillionen Exemplaren. Biologen mögen mich gerne korrigieren, aber erst, nachdem sie einige Tage bei Windstille im Freien verharrt haben. Und diese nahezu unsichtbaren, stechenden Biester - damit meine ich die Sandfliegen und nicht die geschätzten Biologen - will man keinesfalls in die Bettwäsche der Urlaubsgäste schmuggeln. Dennoch war ein elektrisch betriebener Wäschetrockner auf der Insel technisch nicht umsetzbar. Ein gasbetriebener Trockner kam für mich aufgrund des ökologischen Aspekts meiner Lodge nicht infrage.
Eine Waschmaschine war in der Planung jedoch fixer Bestandteil. Zunächst müsste aber mein professionelles Reinigungsteam die Wäsche auf das Festland mitnehmen, wo sie gegen Bezahlung gereinigt würde, bis ich mir die Wäschekammer leisten könnte. Meine eigenen Textilien würde ich für ein paar Wochen in einem Eimer waschen. Das sollte mir die paar Male nicht das Genick brechen. Die Betonung lag auf ein paar Male.
Das alles sollte jedoch nebensächlich sein. Denn mein erster Plan, als ich noch in meinem Büro in Europa saß, sah weder Solarpanele noch Wasserpumpen vor. In meinem Kopf gab es nur eine Strohhütte, einen Holzsteg und meinen damals noch nicht existierenden Hund.
Während auch alles andere meine wildesten Träume überstiegen hatte, war mein süßes Border-Collie-Mädchen Mali der Lotto-Jackpot. Mali hatte in direkter Nachbarschaft in Placencia ihr Zuhause. Sie bellte den ganzen Tag und nutzte jede Chance auszubrechen. Sobald sie mich mit ihren eineinhalb Jahren entdeckte, wich sie mir nicht mehr von der Seite. Relativ schnell hatten dann die Besitzer und ich beschlossen, dass es besser für Mali wäre, von mir adoptiert zu werden. In Wahrheit hatte Mali mich adoptiert.
Es war wundervoll zu sehen, wie selig sie bei mir war. Kein Bellen und kein Ausreißen mehr. Ganz im Gegenteil: Sie wollte immer und überall mit mir zusammen sein. Border Collies sind Hütehunde und benötigen eine Aufgabe. Aus Mangel an einer privaten Schafherde hatte Mali innerhalb weniger Tage gelernt, mit mir Volleyball zu spielen und Frisbees in der Luft zu fangen. Nach unseren gemeinsamen Jahren in Placencia und dem stundenlangen Spielen und Laufen am Sandstrand, sollte sie nun mit mir auf die Insel übersiedeln. Was mir natürlich Kopfzerbrechen bereitete, ob sie dort noch genügend Auslauf bekommen würde.
Aber auch diesbezüglich war ich entspannt, wusste ich inzwischen, dass für Mali nur eines zählte: das Zusammensein mit mir. Wie eingangs erwähnt, in meinem Kopf war immer dieses Bild, wo ich an einem Dock mit meiner Angel sitze und neben mir mein Hund, der mir nicht von der Seite weicht. Die Realität hatte diesen Traum bald in den Schatten gestellt.
Während ich von einem geordneten Umzug auf die Insel am 1. April 2020 ausging, wurde die Corona-Virus-Lage im Februar global gesehen immer angespannter. In Belize und auch in den USA wurde noch keine echte Bedrohung wahrgenommen. Vor allem in den USA wurde von einem „China-Virus“ gesprochen. Da war mein Neuro-Transmitter-Level bereits spürbar in Alarmzustand versetzt. Was, wenn das doch nicht unter Kontrolle gebracht werden kann? Werden eventuell sogar Flüge gestrichen? Oder könnte es sein, dass Urlauber Belize nicht mehr verlassen können? Zu diesem Zeitpunkt waren gestrichene Flüge noch völlig unvorstellbar, aber ich begann mich damit zumindest theoretisch auseinanderzusetzen.
Dann ging es Schlag auf Schlag. Ich hatte eine reizende Gästegruppe aus meinem Heimatland Österreich auf der Insel zu Gast, vier junge Leute aus dem Bundesland Kärnten. Während der wenigen Tage ihres Aufenthalts machte ich mir immer größere Sorgen, dass sie in Belize stranden könnten. Ich war dann heilfroh, als sie Mitte Februar 2020 noch gut zurück nach Österreich kamen. Dann wurde es von Gästegruppe zu Gästegruppe immer mehr ein Abwiegen, ob diese noch anreisen sollten. Mitte März zog ich die Notbremse.
Trotz all der Gedanken um das benötigte Geld für das neue Haus, konnte ich nicht mehr anders, als meinen Gästen von der Anreise abzuraten. Es wurde einfach zu unsicher, ob eine Rückreise noch gewährleistet wäre. Bald wurde dann in der Tat unser internationaler Flughafen gesperrt, alle Einreisen verboten und für Ausreisende nur noch Rückholflüge durchgeführt.
Belize war von der Außenwelt und ich von meiner alten Heimat abgeschnitten. Alle Luft-, Land- und Seegrenzen wurden dichtgemacht. Obwohl in Belize noch kein Covid-19-Fall aufgetreten war, sah sich das Land nicht in der Lage, bei einem Einschleppen des Virus die Bevölkerung mit ihren wenigen Krankenhausbetten medizinisch zu versorgen. In Belize gab es zu diesem Zeitpunkt nur sechs Intensivbetten und ein Einschleppen des Virus hätte das Gesundheitssystem völlig überlastet.
Ich hatte mir schon lange keinen Flug mehr nach Europa leisten können, da ich jeden Cent in mein Projekt steckte. Nun aber, 10.000 Kilometer von meiner Familie entfernt, war ich sozusagen gefangen. Selbst wenn ich gewollt hätte, ich hätte Belize nicht verlassen können.
Meinem Umzug auf die Insel stand nach dem völligen Ausfall des Tourismus nichts mehr im Weg. Selbst wenn mein neues Haus noch keine Küche und keine Strom- und Wasserversorgung hatte, das Gästehaus würde vermutlich für ein paar Monate leer stehen. Also packte ich meine Sachen auf den Truck und auf mein Boot, verabschiedete mich unter Tränen von meiner lieb gewonnenen Vermieterin Linda und ließ das Festland hinter mir.
Mit meinem Hund an Bord startete ich nun in ein neues Leben. Jenes Leben, das sich fünf Jahre zuvor in meinem klimatisierten Büro via Suchmaschine am Firmen-Computer schemenhaft entwickelt hatte und das in meinem Kopf noch immer romantische Bilder malte.
Mali und ich auf unserem Boot
Mit Technik gegen die Einsamkeit
Hier war ich nun. Vom Traum her genau da, wo ich sein wollte. Allein auf meiner Insel, nur mit meinem Hund und nahrungstechnisch versorgt durch Fischfang.
Auch wenn es nicht absehbar war, wann ich wieder Gäste begrüßen würde, wollte ich unbedingt in mein neues Haus umziehen. Der gesamte Platz um das Gästehaus herum war zwar viel schöner als mein Haus inmitten des Mangrovendschungels, aber Mali sollte sich nicht zu sehr an das Gästehaus gewöhnen. Sobald meine Vermietung wieder Touristen beherbergen würde, sollte mein Hundemädchen das neue Haus als unser Zuhause sehen und nicht das Gästehaus. Bisher bevorzugte Mali auf der Insel die Wassertanks des Gästehauses als ihr Versteck. Das musste ich nun ändern, wollte ich meinen Honeymoonern nicht ihre Zweisamkeit auf tierische Weise ruinieren.
Außerdem – auch wenn das Gästehaus natürlich ebenso mein Haus war – wollte ich seit dem Verlassen von Österreich endlich wieder das Gefühl haben, ein richtiges Zuhause zu haben. Die Bilder von meinen Kindern aufhängen, Löcher bohren, wo ich will, und meine wenigen Habseligkeiten unterbringen, ohne sie für die nächsten Gäste wegräumen zu müssen. Auch nicht unwichtig war, auf einem Bett zu schlafen, in dem nicht bereits hunderte Menschen ihrem Liebesglück nachgegangen waren.