7 Unheimliche Romantic Thriller August 2023 - Jonas Herlin - E-Book

7 Unheimliche Romantic Thriller August 2023 E-Book

Jonas Herlin

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Romantic Thriller Ann Murdoch: Bilder für die Ewigkeit Carol East: Das verwunschene Haus Carol East: Geliebte Hexe Carol East: Annikas Schatten Carol East: Das Geheimnis der blinden Seherin Carol East: Die Braut des Geisterpiraten Jonas Herlin: Unheimlicher Nordsturm Romane um Liebe, die dem Unheimlichen widersteht... Es herrschte Windstille auf dem offenen Meer, und dennoch fegten Nebelfetzen vorbei, wie von unsichtbaren Verfolgern gejagt. Sara Perres beobachtete sie verwirrt. Sie schüttelte ihr üppiges Blondhaar zurück, weil eine Strähne drohte, ihr ein wenig die Sicht zu nehmen, und blies die Wangen auf. Das sah ja gerade so aus, als würde es nicht mit rechten Dingen zugehen: Was trieb die Nebelfetzen eigentlich an? Und es wurden immer mehr. Dabei wuchsen sie heran, quirlten in sich, als hätten sie ein gespenstisches Eigenleben, veränderten ständig ihre Form. Sara schaute nach rechts, von wo sie kamen, diese Nebelfetzen, die beinahe zu so etwas wie Nebelkreaturen geworden waren. Aber sie konnte zunächst nichts Bedeutsames erkennen. Irgendwo in der Ferne schien ihr Ursprung zu sein. So jedenfalls ihr erster Eindruck. Aber als sie länger in diese Richtung schaute, erkannte sie einen regelrechten Nebelberg, der allmählich aus dem Meer heranwuchs. Auf einmal stockte ihr der Atem. Sie begann endlich zu begreifen: Nein, nicht die Nebelgebilde bewegten sich, sondern in Wahrheit... das Schiff, auf dem sie stand.

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Carol East, Ann Murdoch, Jonas Herlin

7 Unheimliche Romantic Thriller August 2023

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Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

Inhaltsverzeichnis

7 Unheimliche Romantic Thriller August 2023

Copyright

Bilder für die Ewigkeit

Das verwunschene Haus

Geliebte Hexe

Annikas Schatten

Das Geheimnis der blinden Seherin

Die Braut des Geisterpiraten

​Unheimlicher Nordsturm:

7 Unheimliche Romantic Thriller August 2023

Carol East, Ann Murdoch, Jonas Herlin

Dieser Band enthält folgende Romantic Thriller

Ann Murdoch: Bilder für die Ewigkeit

Carol East: Das verwunschene Haus

Carol East: Geliebte Hexe

Carol East: Annikas Schatten

Carol East: Das Geheimnis der blinden Seherin

Carol East: Die Braut des Geisterpiraten

Jonas Herlin: Unheimlicher Nordsturm

Romane um Liebe, die dem Unheimlichen widersteht...

Es herrschte Windstille auf dem offenen Meer, und dennoch fegten Nebelfetzen vorbei, wie von unsichtbaren Verfolgern gejagt.

Sara Perres beobachtete sie verwirrt. Sie schüttelte ihr üppiges Blondhaar zurück, weil eine Strähne drohte, ihr ein wenig die Sicht zu nehmen, und blies die Wangen auf. Das sah ja gerade so aus, als würde es nicht mit rechten Dingen zugehen: Was trieb die Nebelfetzen eigentlich an? Und es wurden immer mehr. Dabei wuchsen sie heran, quirlten in sich, als hätten sie ein gespenstisches Eigenleben, veränderten ständig ihre Form.

Sara schaute nach rechts, von wo sie kamen, diese Nebelfetzen, die beinahe zu so etwas wie Nebelkreaturen geworden waren. Aber sie konnte zunächst nichts Bedeutsames erkennen. Irgendwo in der Ferne schien ihr Ursprung zu sein. So jedenfalls ihr erster Eindruck. Aber als sie länger in diese Richtung schaute, erkannte sie einen regelrechten Nebelberg, der allmählich aus dem Meer heranwuchs.

Auf einmal stockte ihr der Atem. Sie begann endlich zu begreifen: Nein, nicht die Nebelgebilde bewegten sich, sondern in Wahrheit... das Schiff, auf dem sie stand.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

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COVER A.PANADERO

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

Bilder für die Ewigkeit

von Ann Murdoch

Der Umfang dieses Buchs entspricht 106 Taschenbuchseiten.

In die Galerie der jungen und hübschen Simone Frank ist eingebrochen worden. Wertvolle Kunstwerke wurden gestohlen. Damit nicht genug, haben die dreisten Diebe Chaos und Zerstörung angerichtet. Die Versicherung schließt nicht aus, dass Simone Frank den Diebstahl selbst in Auftrag gegeben hat, um die Versicherungssumme zu kassieren. Empört versucht die Galeristin den Diebstahl selbst aufzuklären und gerät dabei in eine lebensbedrohliche Situation.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch

© by Author

© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

[email protected]

1

„Nein, Dr. Schubert, ich bin durchaus nicht der Meinung, dass Sie etwas von meiner Arbeit verstehen und mir in dieser Beziehung Vorschriften machen können. Und ganz bestimmt können Sie nicht beurteilen, wie meine Angestellten zu beurteilen sind.“ Simone Frank blitzte ihr Gegenüber an, und Dr. Victor Schubert musste zugeben, dass diese junge Frau ein beachtliches Temperament besaß. Ihre braunen, schulterlangen Haare flogen, als sie unwillig den Kopf schüttelte, und ihre schönen braunen Augen sprühten.

„Aber Sie werden doch zugeben, dass der Verdacht nahe liegt, jemand hier aus dem Hause...“

„... könnte etwas mit dem Diebstahl zu tun haben? Das ist doch einfach absurd – und ich weigere mich, einen solchen Gedanken auch nur in Betracht zu ziehen.“

Erregt lief Simone auf und ab, quer durch das Durcheinander, welches die Diebe in der Nacht angerichtet hatten. Simone Frank führte eine kleine, aber gut angesehene Galerie in der Innenstadt von Frankfurt. Die Ausstellungen waren mit Werken namhafter Künstler bestückt, die Preise hoch, aber nicht überzogen – und die Alarmanlage war vom Besten, was man auf dem Markt bekommen konnte. Dennoch hatte sie nicht ausgereicht, in der Nacht war eingebrochen worden, und einige sehr wertvolle Exponate waren verschwunden.

Die Polizei hatte ihre Arbeit gleich aufgenommen. Hier im Büro von Simone war die Spurensicherung schon fertig. Die junge Frau hatte auch sogleich die Versicherung benachrichtigt, und von dort hatte man sofort jemanden geschickt, um den Schaden zu begutachten. Eben Dr. Victor Schubert.

Skeptisch und kritisch war er durch die Räume gelaufen, hatte eifrig mitgeschrieben, und hatte sich auch nicht von den abweisenden Blicken der Beamten einschüchtern lassen, die sich in ihrer Arbeit gestört fühlten.

Jetzt saß er in einem Sessel im Büro von Simone und stellte haarsträubende Theorien auf. Die erste war, dass die Alarmanlage nicht in Ordnung gewesen war. Doch Simone hatte ihm die Police seiner Versicherung vorlegt, in der haarklein alles beschrieben und berechnet war. Außerdem hatte die Polizei bestätigt, dass diese Anlage dem neuesten Standard entsprach und auch ordnungsgemäß eingeschaltet war. Dann kam der Mann auf die Idee, dass Simone vielleicht ihre Arbeit hier nicht richtig machte; waren vielleicht zu viele, zu teure Exponate hier? Hatte sie vielleicht jemanden in die Sicherheitsmaßnahmen eingeweiht, den es nichts anging? Und hatte sie wirklich alle Sicherungen eingeschaltet, bevor sie die Galerie am Abend verlassen hatte? Konnte sie ihren Angestellten wirklich trauen?

Die junge, hübsche Frau war ungehalten geworden. Musste sie sich wirklich von diesem Mann verdächtigen lassen? Dabei machte er auf den ersten Blick einen freundlichen, sympathischen Eindruck. Sollte er sich nun etwa als Ekel erweisen?

Den Vogel schoss er dann jedoch mit seiner Bemerkung ab, dass eventuell einer der Angestellten etwas mit dem Diebstahl zu tun haben könnte. Es gab hier nur zwei Angestellte, Maria und François, und für beide würde Simone ihre Hände ins Feuer legen. Undenkbar, dass einer von ihnen....

Victor lächelte Simone jetzt beruhigend und entschuldigend an. „Verzeihen Sie bitte, dass meine Fragen so klingen, als wäre ich das Misstrauen in Person, Frau Frank. Das richtet sich weder gegen Sie, noch gegen Ihre Angestellten persönlich. Bei den Summen, um die es hier geht, ist es jedoch natürlich, dass wir jede Möglichkeit in Betracht ziehen müssen.“

„Auch unschuldige Leute zu verdächtigen?“, fragte sie ironisch.

Er zuckte die Schultern. „Die Erfahrung hat uns gelehrt, gerade in unserem Beruf, nicht den offensichtlichen Eindrücken zu vertrauen. Und natürlich auch nicht dem einfach ausgesprochenen Wort. Die Polizei wird das Alibi jedes einzelnen überprüfen.“

„Das soll sie gerne tun. Und dann, wenn sich herausgestellt hat, dass wir alle wirklich unschuldig sind“, Simones Stimme war spitz geworden, „dann erwarte ich von Ihnen eine Entschuldigung, Herr Doktor Schubert.“

Er beugte sich in seinem Sessel leicht vor, und die junge Frau konnte ein amüsiertes Funkeln in den leuchtend blauen Augen sehen. „Das werde ich mit dem größten Vergnügen tun. Ich versichere Ihnen nochmals, dass diese Fragen nichts Persönliches sind. Wir müssen – ich muss diese Fragen stellen.“

Simone verzog ein wenig das Gesicht. Wahrscheinlich hatte der Mann recht und tat nur seine Pflicht, vielleicht war sie zu empfindlich. Aber sie wurde auch nicht jeden Tag bestohlen, mit dieser Situation musste sie auch erst einmal fertig werden.

„Ihre Gesellschaft versichert fast alles“, versuchte sie nun einen lahmen Scherz. „Nur die Versicherung gegen die Versicherung gibt es noch nicht. Wollen wir hoffen, dass die Polizei Erfolg hat und die Bilder und Skulpturen rasch wieder auftauchen. Einige davon sind einfach unersetzlich.“

„Frau Frank, in Ihrer Stellung lernt man einige – nun ja, sagen wir, seltsame Leute kennen.“

„Sie meinen, heimliche Sammler? Diejenigen, die auch für unverkäufliche Bilder zahlen und diese dann nur noch im Keller betrachten?“

Er nickte. Simone spielte gedankenverloren mit einem Brieföffner. „Glauben Sie bitte nicht, dass diese Leute sich einfach zu erkennen geben. Natürlich habe ich so etwas bei dem einen oder anderen schon vermutet. Aber mit Bestimmtheit kann ich das nicht sagen. Eine solche Beschuldigung würde ich auch nicht leichtfertig aussprechen.“

„Das habe ich auch nicht von Ihnen verlangt.“

„Dann verstehe ich wohl Ihre Fragestellung nicht ganz.“

Die Blicke der beiden Menschen kreuzten sich wie zwei Klingen, obwohl sie sich durchaus sympathisch waren, hatte es doch den Anschein, als würden Feuer und Wasser aufeinanderprallen. Ihre Meinungen waren gegensätzlich, ohne dass einer hätte sagen können, warum das so war.

Victor stand auf und reichte Simone die Hand. „Unsere Gesellschaft beschäftigt eigene Detektive. Bei einem Diebstahl dieser Größenordnung ist es Vorschrift, dass sich einer unserer eigenen Leute der Sache annimmt. Ich werde Ihnen Herrn Gregor Friesen vorbeischicken – er arbeitet natürlich in enger Zusammenarbeit mit der Polizei. Ich möchte Sie bitten, ihn nach Kräften zu unterstützen.“

Simone seufzte. „Das will ich gern tun. Mir ist auch daran gelegen, die Sache schnell aufzuklären. Aber glauben Sie wirklich, dass Ihr Herr Friesen etwas erreicht?“

Dr. Schubert zog die Augenbrauen ein wenig in die Höhe. „Selbst wenn er keinen Erfolg haben sollte, wollen wir doch alles tun, um den Fall aufzuklären. Das liegt doch auch in Ihrem Interesse, wie Sie gerade betonten.“

„Warum habe ich eigentlich immer noch das Gefühl, dass Sie meinen Mitarbeitern etwas unterstellen wollen?“ fragte Simone spröde.

„Sie müssen sich täuschen, Frau Frank. Ich unterstelle nie etwas.“ Er ging hinaus, und Simone zog einen Flunsch. „So ein arroganter Angeber“, murmelte sie vor sich hin.

2

„Du kannst dir nicht vorstellen, was für ein Widerling das ist“, schimpfte Simone Frank noch zwei Stunden später. Mittlerweile waren Maria und François eingetroffen. Die beiden arbeiteten normalerweise täglich für einige Stunden hier, doch jetzt war es sinnvoll, dass sie anwesend waren und mithalfen das Chaos aufzuräumen, welches die Diebe hinterlassen hatten. Wahllos hatten sie das Büro verwüstet, einige weniger wertvolle Skulpturen zertrümmert, und im Übrigen Wände und Boden mit einer ekligen Flüssigkeit verschmiert. Die Polizei war mittlerweile fertig mit der Spurensicherung und hatte die Räume freigegeben. Im Lauf des Tages würden dann noch einige der Künstler kommen, die von dem Diebstahl und auch dem Vandalismus betroffen waren. Eine Menge Arbeit wartete auf Simone, und sie wäre dankbar gewesen, wenn ihr all das erspart geblieben wäre.

Maria, eine tüchtige Frau mittleren Alters mit mütterlichen Gefühlen für die 28jährige Simone, machte sich erst einmal daran, frischen Kaffee zu kochen. Dabei hörte sie aufmerksam zu, was Simone zu berichten hatte.

„Stell dir nur einmal vor, Maria, der verdächtigt uns, dieser aufgeblasene Fatzke.“ Ihre Stimme vibrierte vor Erregung. „Als ob wir verrückt genug wären, uns selbst zu bestehlen. Ist das nicht völlig irrsinnig?“

„Nein, eigentlich gar nicht so sehr“, stellte Maria nüchtern fest. „Ich würde ihn eher für verrückt halten, wenn er diese Möglichkeit nicht auch in Betracht ziehen würde. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand in unserer Branche so etwas tut. Und das weißt du genau. Ich hoffe, du hast ihn nicht zu sehr vor den Kopf gestoßen“, setzte die ältere Frau mit einem Lächeln hinzu.

„Na ja, ich habe ihm schon deutlich erklärt, dass diese Idee völlig absurd ist“, erwiderte Simone.

„Ist er nett?“

„Maria! Kannst du denn eigentlich an gar nichts anderes denken als mich unter die Haube zu kriegen?“, empörte sich die junge Frau.

Maria nickte. „Es täte dir aber gut. Du arbeitest zuviel und brauchst ab und zu mal etwas Abwechslung.“

„Mit diesem Mann? Niemals“, behauptete Simone voller Überzeugung.

„Meinst du mich? Das betrübt mich dann aber wirklich“, mischte sich in diesem Augenblick François ein. Es handelte sich dabei um einen Kunststudenten aus Frankreich, der Deutsch jedoch so gut wie seine Muttersprache beherrschte, wenn auch mit einem leichten, sehr angenehmen Akzent. „Du liebst mich also gar nicht“, klagte er gespielt traurig, und Simone musste unwillkürlich lachen. François war absolut nicht ihr Typ; selbst wenn sie wirklich auf der Suche nach einem Mann gewesen wäre, hätte sie keinen Funken Interesse für ihn aufgebracht.

Er trug schulterlange, wirre Locken, sprach meist lebhaft mit Händen und Füßen und liebte lange Diskussionen über unnütze Themen. Außerdem war er ein Zauberer am Computer, bisher hatte er noch jeden Fehler gefunden, der sich irgendwo eingeschlichen hatte. Privat bevorzugte er eher lässige Kleidung, doch hier in der Galerie war er stets äußerst korrekt angezogen.

„Ich liebe dich wie einen Bruder“, versicherte Simone jetzt ernsthaft, und er verzog das Gesicht.

„Das habe ich schon befürchtet. Weißt du, dass mein Bruder mich als Kind ständig verprügelt hat? Eine schöne Liebe ist das.“

„Na, vielleicht hattest du es ja auch verdient“, schmunzelte Maria und amüsierte sich über die unglückliche Miene des jungen Mannes.

„Man hat auch nirgends Unterstützung zu erwarten“, protestierte er nicht ganz ernsthaft.

„Oh, ich denke schon. Immerhin bin ich zu Ihrer Unterstützung da“, meldete sich eine fremde Stimme, und ein Mann trat in das Büro.

Maria strahlte ihn an. Wer auch immer er sein mochte, er sah umwerfend gut aus, und seine Stimme klang männlich fest und doch sanft.

„Kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte Simone etwas abweisend. „Sie müssen entschuldigen, wir haben heute nicht geöffnet. Leider ist hier in der Nacht eingebrochen worden.“

„Deswegen bin ich ja hier. Mein Name ist Gregor Friesen. Ich bin Detektiv bei der Versicherung.“ Er streckte mit einem strahlenden Lächeln die Hand aus.

„Ach ja, Dr. Schubert hat Sie angekündigt“, meinte Simone etwas lahm und griff nur zögernd nach der Hand. Schade, endlich fand sie mal einen Mann etwas interessant, dann entpuppte er sich als Abgesandter desjenigen, den sie nun überhaupt nicht ausstehen konnte. Aber vielleicht sah sie das auch nur zu eng. Sie schenkte Gregor ein sparsames Lächeln und drückte nur nachlässig die Hand. Dann aber war es, als habe eine elektrische Ladung sie berührt. Verwirrt hielt die junge Frau inne und blickte in das sympathische Gesicht des Mannes.

„Wenn ich Ihnen also helfen kann – ich meine, Sie werden doch sicher einige Fragen haben – und, oh – mögen Sie einen Kaffee? Er ist gerade frisch aufgebrüht.“ Die Verwirrung in Simone war so offensichtlich, dass Maria François leicht anstieß und ihm ein Zeichen machte. Die beiden verschwanden aus dem Büro und grinsten sich an wie Verschwörer.

Simone versuchte ihrer Verwirrung Herr zu werden und beschäftigte sich lange damit den Kaffee einzugießen.

„Ich nehme an, Sie haben tatsächlich eine Menge Fragen“, sagte sie schließlich, als sie sich hinter dem Schreibtisch regelrecht in Sicherheit gebracht hatte.

„Nicht so viele, wie Sie vielleicht denken“, erwiderte Gregor. „Ich habe die Unterlagen über Ihre Galerie sorgfältig gelesen, außerdem das erste Protokoll der Polizei. Um es gleich kurz auf den Punkt zu bringen, hier liegt ein klassischer Einbruchdiebstahl vor. Allerdings scheint es mir bedenklich, dass die Alarmanlage relativ mühelos ausgeschaltet werden konnte. Das könnte darauf hindeuten, dass sich jemand damit auskannte – zumindest das Prinzip dieser Anlage kannte.“

„Also wollen Sie auch darauf hinaus, dass es einer von uns war? Ich versichere Ihnen, dass...“

„Nein, nicht unbedingt“, unterbrach Gregor die angefangene Verteidigung.

Irritiert hielt Simone inne, und er grinste sie fröhlich an. „Ich unterstelle zunächst einmal gar nichts. Ich sammle Fakten.“

Sie atmete unwillkürlich auf.

„Erzählen Sie mir von Ihrer Galerie“, bat Gregor. „Den normalen Tagesablauf, Ihre Kunden und Lieferanten...“

Sie lachte auf. „Lieferanten klingt gut. Nur werden sich die meisten Künstler diesen Ausdruck verbitten.“

„Ja, ich habe schon gehört, dass Künstler eine ganz besondere Art von Menschen sind.“

Die beiden jungen Leute verstanden sich auf Anhieb. Aus der anfänglich noch zögernden Erzählung von Simone wurde ein angeregtes Gespräch, und beide waren nicht einmal darüber verwundert, dass zur Mittagszeit noch längst nicht alles besprochen war. So beschlossen sie, irgendwo gemeinsam etwas essen zu gehen.

Maria und François beobachten das Ganze mit Vergnügen. Sie räumten auf und putzten, damit am nächsten Tag die Galerie wieder geöffnet werden konnte.

Gregor blieb auch am Nachmittag, als einige der Maler und Bildhauer kamen, um über die Verluste zu jammern. Simone kümmerte sich intensiv um die Künstler, doch bisher gab es keine große Hoffnung, dass etwas von den verschwundenen Exponaten wieder auftauchen könnte.

3

„Dreister Diebstahl in Galerie!“, brüllte die Schlagzeile auf der Titelseite der Zeitung.

Simone blieb wie angewurzelt stehen und überflog den Text unter der Schlagzeile. Die Aufregung in ihrer Galerie hatte sich wieder etwas gelegt, und auch die Zeitung hatte nur kurz darüber berichtet. Aber hier ging es um einen weiteren Einbruch. Die Diebe hatten einige sehr wertvolle Gemälde erbeutet, mehr noch als bei Simone – aber die Vorgehensweise war die gleiche. Was die Ganoven nicht interessierte, oder was ihnen minderwertig erschien, zerstörten sie. War da vielleicht eine gut organisierte Bande am Werk, die es auf ganz besondere Stücke abgesehen hatte? Der Verdacht lag nah, weil auch dieser zweite Einbruch das gleiche Muster zeigte.

Vom Büro aus rief Simone bei der Polizei, Kommissar Gehlen, an, der den Fall bearbeitete. Doch auf eine Diskussion über die Möglichkeit einer organisierten Bande wollte der Beamte sich nicht einlassen; ziemlich schroff erklärte er, dass die Ermittlungen andauerten und sie Bescheid bekäme, wenn sich etwas Neues ergab. Simone möge sich gedulden.

Sie war enttäuscht. Aber vielleicht hatte Gehlen auch recht, sie reimte sich da wahrscheinlich etwas zusammen. Wenn sie nicht gerade einen Beweis für eine organisierte Bande hatte, war es besser, wenn sie schwieg.

Aber die ganze Sache ging ihr natürlich nicht aus dem Kopf.

Es hatte sich in den letzten Tagen ergeben, dass Gregor mittags kam und die beiden die Pause gemeinsam verbrachten. Für Simone war es, als habe der Blitz eingeschlagen. Nie hätte sie gedacht, dass sie einen Mann finden könnte, der so auf ihrer Wellenlänge war. Sie konnten gemeinsam über die gleichen Themen reden und lachen. Simone musste keine Bedenken haben, ein falsches Wort zu sagen. Schließlich war Gregor vertrauenswürdig, er kannte jede Einzelheit hier in der Galerie, und auch viele andere Kollegen von Simone und deren Geschäfte. Sie konnten vergleichen und diskutieren, und die junge Frau fühlte sich glücklich.

Gregor bemühte sich vorsichtig um sie, und häufig fühlte sie, wie ihr Herz einen kleinen Sprung machte, wenn der junge Mann auftauchte.

Gestern am Abend hatten sie dann endlich ihre erste richtige Verabredung gehabt. Ein wunderschöner Abend.

Als Gregor an diesem Mittag durch die Tür trat und ihr ein fröhliches Lächeln schenkte, war die junge Frau noch nicht ganz bei der Sache.

„Hast du von diesem neuen Diebstahl gehört?“, fragte Simone, und Gregor nickte grimmig. „Das soll ich wohl. Immerhin ist auch das ein Kunde von uns, und ich werde diese Sache ebenfalls bearbeiten.“

Simone hob den Kopf, ihre Augen blitzten triumphierend auf. „Also glaubst du auch, dass es sich um eine organisierte Bande handeln könnte?“

„Was? Wie kommst du denn auf diese Idee? Nein, Simone, das halte ich für sehr weit hergeholt.“ Er bemühte sich, sie von dieser Idee abzubringen.

„Aber war der Ablauf denn nicht der gleiche wie hier?“

Gregor lachte auf und zog sie an sich. „Ach, du hast die Zeitungen überflogen. Ich gebe zu, es gibt gewisse Ähnlichkeiten, aber nichts, was auf eine Bande schließen lässt. – Können wir das Thema nun beenden? Beim Essen über die Arbeit zu reden, schlägt mir auf den Magen“, grinste er.

Simone war enttäuscht. Warum glaubte ihr denn niemand? Oder bildete sie sich doch nur etwas ein? Es hatte sicher keinen Zweck, noch länger auf diesem Thema zu beharren, so gab sie nach.

Doch zum Essen sollten die zwei an diesem Tag nicht kommen, denn gerade als sie gehen wollten, betrat Dr. Victor Schubert das Geschäft. Er runzelte die Stirn.

„Haben Sie eine Verbindung zwischen der Rosen-Galerie und dieser hier entdeckt?“, erkundigte er sich.

Es wäre für Gregor einfach gewesen, hätte er zugestimmt und eine Notlüge benutzt. Angesichts der Tatsache, dass Simone Gregors Vorgesetzten unerträglich arrogant fand, hätte sie auch Verständnis dafür gehabt. Doch der Detektiv schüttelte den Kopf.

„Nein, Dr. Schubert, ich nutze meine Mittagspause, um mit Frau Frank essen zu gehen. Aber das halte ich für eine reine Privatangelegenheit.“

„Finden Sie nicht, dass Sie da in einen Interessenkonflikt geraten, Herr Friesen?“, fragte Victor kalt.

„Wollen Sie damit sagen, dass Sie mich noch immer verdächtigen, meine eigene Galerie ausgeräumt zu haben?“ Simone war empört, was erlaubte sich dieser Mann jetzt schon wieder?

„Nicht nur Ihre eigene“, entgegnete er anzüglich, und Simone schnappte nach Luft. „Herr Friesen, es trifft sich eigentlich gut, dass Sie gerade hier sind. Gehen wir doch in Ihr Büro, Frau Frank, dort spricht es sich besser.“

In Simone kochte es, aber wenn sie den Kerl jetzt hinauswarf, dann konnte er ihr sicher eine Menge Schwierigkeiten bereiten.

Er schloss sorgfältig die Tür und fixierte Simone dann mit einem undefinierbaren Blick. „Ich sehe gewisse Parallelen zwischen dem Einbruch in der Rosen-Galerie und der hiesigen. Der oder die Täter kannten sich gut aus, man wusste, wie die Alarmanlage abgeschaltet wurde – und es wurden wiederum nur die wertvollen Objekte gestohlen.“

„Ich habe ebenfalls diese Übereinstimmungen bemerkt und sogar schon Kommissar Gehlen angerufen.“

Schubert nickte. „Falls Sie schuldig sind, war das ein ausgesprochen kluger Schachzug.“

„Finden Sie nicht, dass Sie ohne Beweise sehr weit gehen mit Ihren Anschuldigungen?“, wandte jetzt Gregor ein.

„Nein. Aber ich finde, dass Sie sehr weit gehen mit einer persönlichen Beziehung zu einer Frau, die noch nicht völlig vom Verdacht frei ist“, konterte der andere.

Simone stand auf, sie hatte endgültig genug von diesem Gespräch. „Und ich finde, Dr. Schubert, dass Sie genug von meiner und Ihrer Zeit verschwendet haben. Wenn Sie mich anklagen wollen, dann bitte. Ich werde gern über alles Rechenschaft ablegen – vor der Polizei. Und nun darf ich Sie bitten zu gehen.“

Victor setzte ein undurchdringliches Lächeln auf. „Ich kann Ihre Empörung verstehen, in jedem Fall, Frau Frank. Aber ich bitte Sie nochmals, dies alles nicht persönlich zu nehmen. Aufgrund der Tatsachen kann ich gar nicht anders handeln.“

„Ich nehme es aber nun mal sehr persönlich, wenn ich eines Verbrechens beschuldigt werde, direkt oder indirekt. Ich werde mich bei Ihrem Vorgesetzten beschweren, Dr. Schubert.“

Er blickte sie traurig an. „Das steht Ihnen selbstverständlich frei.“ Er ging mit einer angedeuteten Verbeugung hinaus und ließ eine wütende Simone zurück.

4

Es war dunkel in dem Raum, eine alte Lagerhalle, die demnächst abgerissen werden sollte, um Platz zu machen für ein modernes Bürogebäude. Jetzt jedoch bot die Halle den idealen Platz, um hier ein Treffen zu veranstalten, bei dem die Polizei sicher hellhörig geworden wäre – hätte sie davon gewusst.

Sechs Leute trafen sich hier im Halbdunkel, ein jeder von ihnen trug eine Mütze, die das Gesicht bis auf schmale Augenschlitze verbarg. Irgendwo tropfte Wasser, ein Aggregat summte, obwohl es hier eigentlich keinen Strom mehr geben sollte.

Die Stimme, die jetzt aus der Dunkelheit sprach, klang hohl und unnatürlich, offensichtlich wollte die Person nicht erkannt werden.

„Die beiden letzten Einbrüche haben bestens geklappt“, lobte die Person, von der nicht einmal festzustellen war, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. „Ich werde auch weiterhin die Pläne und die Codes liefern, um die Alarmanlagen auszuschalten. Hier ist eine Liste der nächsten Galerien, die uns freundlicherweise ihr Inventar zur Verfügung stellen werden.“

Leises Gelächter klang auf, dann hob sich eine Hand. „In den Zeitungen wird schon spekuliert, dass es sich um eine Bande handelt. Werden die Galerien sich nicht zusätzlich absichern? Dann könnten wir nicht mehr so einfach hinein.“

„Sollte das passieren, werde ich euch Bescheid geben.“

„Woher wollen Sie davon wissen?“

Eine peinliche Stille entstand, diese Frage wäre besser nicht gestellt worden.

„Entschuldigung“, murmelte die Stimme des Fragenden.

Der Anführer, wenn es denn ein Mann war, fuhr fort. „Ich werde euch jeweils einen Tag vor dem Einbruch Bescheid geben – mit einer Liste, welche Objekte wir benötigen. Im Übrigen könnt ihr weiter so verfahren wie bisher. Damit dürfte alles geklärt sein. Oder hat jemand sein Geld nicht bekommen?“

Einhelliges Kopfschütteln, offensichtlich waren alle zufrieden.

„Aber die Polizei ist doch nicht dumm. Früher oder später werden sie uns auf die Schliche kommen.“ Der Skeptiker hielt nicht inne.

„Unwahrscheinlich. Die Polizei könnt ihr ruhig mir überlassen, sie wird auf eine falsche Fährte gelockt.“

„Und wenn nicht?“

„Wenn es Ihnen nicht passt, wie ich plane, wird es wohl besser sein, dass Sie auf der Stelle gehen.“ Die Stimme klang plötzlich eiskalt, selbst durch die Verfremdung war das mühelos zu erkennen. „Ich kann keine Leute gebrauchen, die durch Unruhe Gefahr in meine Pläne bringen. Alle übrigen können gehen, ich setze mich mit Ihnen in Verbindung, wie gehabt. – Aber Sie bleiben bitte, ich werde Sie auszahlen, danach werden wir nichts mehr miteinander zu tun haben.“

„So war das nun auch wieder nicht gemeint. Entschuldigen Sie. Bisher habe ich immer gut bei Ihnen verdient. Und ich wollte doch nur meine Bedenken äußern, weil ich nicht geschnappt werden möchte. Aber ich will dieses gute Einkommen nicht verlieren.“ Panik und Entsetzen breitete sich plötzlich in dem Mann aus, als er erkannte, dass er mit seinen Bemerkungen selbst dafür gesorgt hatte, dass er sich von diesem guten Verdienst abschnitt.

„Tut mir leid“, kam die kalte, ablehnende Antwort. „Wer einmal an mir zweifelt, den kann ich nicht mehr gebrauchen. Wie sollte ich Ihnen jemals wieder vertrauen?“

Die vier anderen Männer zögerten noch mit dem Aufbruch, aber sie konnten sehen, dass der Anführer ungehalten war.

„Ist noch etwas?“, wollte er schroff wissen.

„Nein, nein“, beeilten sich die Männer zu versichern. Gleich darauf verschwanden sie, und nur der Skeptiker und der Chef blieben zurück.

Der unbekannte Anführer nahm aus einer Aktentasche ein Bündel Geldscheine und lachte kurz, aber bitter auf, als er bemerkte, dass sein Gegenüber zurückzuckte.

„Haben Sie wirklich geglaubt, ich wollte Ihnen jetzt etwas tun? Ich habe gesagt, ich zahle Sie aus. Jeder bekommt bei mir das, was er verdient.“ Der Mann griff mit großer Erleichterung nach dem Geld. In diesem Augenblick zog der Anführer ein langes Messer mit scharfer Klinge hervor und stach es zielsicher in das Herz des anderen. Mit Zufriedenheit nahm er die Geldscheine wieder an sich. „Ich sagte doch, jeder bekommt das, was er verdient. Und Verräter oder Zweifler verdienen den Tod.“

Er ließ die Leiche hier liegen, wahrscheinlich würde niemand in den nächsten drei Jahren sie finden; vorher gab es bestimmt keine neue Genehmigung für den Bau. Kopfschüttelnd ging der Mann davon. Wie konnte nur jemand glauben, seine Anweisungen in Frage stellen zu dürfen?

5

„Müssen wir jetzt eigentlich über jeden unserer Schritte Rechenschaft ablegen?“, erkundigte sich Maria etwas boshaft. Die Galerie sah wieder aus wie neu, es gab andere Gemälde und Skulpturen, eine Reinigungsfirma hatte die Verschmutzung gründlich gereinigt und alles wieder in den ursprünglichen Zustand zurückgebracht, selbst die Wände waren frisch gestrichen. Nichts erinnerte mehr an den dreisten Einbruch.

Maria hatte mit Freude festgestellt, dass Simone und Gregor sich gut verstanden. Aber dann hatte ja dieser unsägliche Dr. Schubert auftauchen müssen. Seitdem herrschte eine gespannte Stimmung, was sicher auch daran lag, dass Simone sich verdächtigt fühlte. Als wäre die junge Frau zu einem solchen Verbrechen fähig.

„Es wäre sicher besser, wenn wir einen Zeugen in der Nähe hätten, für alles was wir tun“, meinte Simone auf die Frage von Maria nicht ganz ernsthaft. „Sonst haben wir beim nächsten Einbruch kein Alibi.“

„Du rechnest also damit, dass es weitere Einbrüche geben wird?“

„Ich fürchte, ja. Das geht zu einfach. Die haben wahrscheinlich bei uns und bei Alfred Rosen Erfolg gehabt, und vielleicht waren die auch vorher schon tätig. Von den gestohlenen Gegenständen ist nichts wieder aufgetaucht – wie die Polizei sagt, auch nicht in den dunklen Kanälen. Also haben die Diebe sichere Abnehmer. Warum also sollten sie aufhören? Aber ich muss Dr. Schubert recht geben – es muss jemand dazu gehören, der genau Bescheid weiß. Nur, ich bin es nicht“, setzte sie trocken hinzu.

„Kannst das auch beweisen?“, erkundigte sich François ironisch.

„Aber ja“, grinste Simone. „Ich kenne Alfred Rosen nur flüchtig, und ich war niemals in seiner Galerie. Wie also hätte ich wissen sollen, wie seine Sicherungen funktionieren?“

„Du kannst noch so viel reden“, seufzte Maria, „wenn man dir nicht glauben will, dann wird man immer einen Grund finden, warum alles ganz anders ist. – Aber wird es nicht langsam Zeit, dass du dich umziehst?“

Simone war eingeladen zu einer Vernissage in einer anderen Galerie. Eigentlich hatte sie keine große Lust dazu. Der ausstellende Künstler entsprach nicht ganz ihrem Geschmack. Und doch hatte sie sich dazu entschlossen, weil sie hoffte, dort ein paar Gerüchte aufzuschnappen und vielleicht auch ein paar Fragen zu stellen.

„Denkt bitte daran, den Alarm einzustellen...“

Maria lachte laut auf. „Wir vergessen ganz sicher nichts, Simone. Und nun beeile dich. Es ist gut, dass du mal wieder unter Leute gehst. Wir sollten auch mal wieder selbst eine Vernissage verunstalten. Denk’ mal darüber nach. Und nun verschwinde endlich.“

Von soviel mütterlicher Fürsorge überwältigt lachte die junge Frau noch einmal auf und nahm die ältere Freundin kurz in die Arme. „Du bist ein Schatz, ich danke dir, dass es dich gibt.“

Simone fuhr eilig nach Hause und machte sich fein.

6

„Sie sehen ausgesprochen reizend aus.“

Simone war überrascht. Etwas abseits stand sie in der Menschenmenge mit einem Glas Sekt in der Hand und betrachtete die ausgestellten Bilder. Moderne Künstler konnten durchaus interessant sein, doch was sie hier sah, würde sie selbst ihren Kunden nicht empfehlen. Dilettantisch war das Wort, das ihr dazu einfiel. Aber das würde sie nicht laut sagen. So etwas konnte man im kleinen vertrauten Kreis aussprechen, und auch nur zu ausgewählten Leuten.

Nun, hier würde sie wohl kaum jemand nach ihrer Meinung fragen, sie war eher als Konkurrentin eingeladen worden, aber diese Ausstellung empfand sie nicht als Konkurrenz. So war sie sehr überrascht, eine bekannte Stimme zu vernehmen, die ihr jetzt das Kompliment machte.

Langsam drehte sich Simone um. „Danke, Dr. Schubert. Interessieren Sie sich für moderne Kunst?“

Er zuckte die Schultern. „Etwa genau so sehr wie Sie.“

„Wie soll ich das verstehen?“ Simone ging einige Schritte weiter zum nächsten Bild, ein Geklecksel in verschiedenen Grautönen. Wer eine melancholische Phantasie besaß, konnte eine Art Weltuntergangsstimmung in das Bild interpretieren.

„Ein mutiges Gemälde, nicht wahr“, stellte Victor ironisch fest und legte den Kopf schief, als könnte er es so besser erkennen. „Frau Frank – Simone, Sie sind doch nicht hier, um sich diese – diese Scheußlichkeiten anzusehen? Da haben wir doch beide einen besseren Geschmack. Sie wollen etwas erfahren, Fragen stellen, Gerüchte hören, was auch immer.“

„Natürlich. Sie haben mich ertappt. Ich bereite den nächsten Diebstahl vor.“

„Sie können gar nicht stehlen, Sie könnten nie etwas tun, was sich mit Ihrem Gewissen nicht verträgt.“

„Ach nein? Ihre Verdächtigungen gegen mich sagen aber doch etwas anderes.“

Er lachte auf, und Simone bemerkte zum erstenmal, dass er wie ein großer Junge aussehen konnte, wenn er unbeschwert lachte.

„Ich habe meine Arbeit getan, da haben persönliche Gefühle und Meinungen nichts zu suchen.“

„Ist das nicht ein bisschen unlogisch?“ Die junge Frau konnte sich einen etwas spitzen Tonfall nicht verkneifen.

„Ganz bestimmt sogar“, bestätigte er ernsthaft. „Aber weil ich ähnlich denke wie Sie, bin ich auch hier. In dieser Galerie trifft man die Gegensätze aus der Szene. Seriöse Leute wie Sie – und die anderen. Kommen Sie, Simone, wir mischen uns etwas unter die Leute und halten Augen und Ohren offen.“

„Moment noch, Dr. Schubert....“

„Victor, bitte.“

„Gut, Victor. Es scheint, als wären wir zwei diejenigen, die an die Möglichkeit einer organisierten Bande glauben. Gregor tut es jedenfalls nicht.“

„Ja, und das wundert mich doch etwas. Er ist ein fähiger Mann, der eine hohe Erfolgsquote hat. Und jetzt plötzlich sieht er das nicht, was sich förmlich aufdrängt. Entweder hat er schon eine heiße Spur, die er nicht verraten will – oder er täuscht sich. Die letzte Möglichkeit, die es noch gäbe, halte ich für absurd.“

„Wollen Sie ihn jetzt auch verdächtigen?“ Simone schaute ihn spöttisch an, hatte dieser Mann nichts anderes zu tun als durch die Gegend zu laufen und jedermann für einen Verbrecher zu halten?

„Sie haben eine furchtbar schlechte Meinung von mir, Simone. Was kann ich tun, um das zu ändern?“

„Besorgen Sie mir etwas zu essen. Ich sterbe vor Hunger“, seufzte sie.

Victor verschwand und kam gleich darauf mit einem Teller zurück, auf dem sich kleine Kanapees befanden – nur etwas für den hohlen Zahn, wie die junge Frau befand.

Die beiden setzten sich auf ein weiches Polster und lauschten den Gesprächen der Menschen ringsum. Das meiste war oberflächliches Gerede, es drehte sich um die „großartigen“ Gemälde hier, einen neu entdeckten Bildhauer, eingebildete und echte Krankheiten, und die ewigen Klagen über Agenten und Galerien.

Simone zog eine Flunsch. Hatten die Leute denn sonst keine Sorgen? Zwei schrecklich aufgedonnerte Frauen ließen sich lautstark darüber aus, dass für bestimmte Maler zuviel Geld verlangt wurde, außerdem sei die Galeristin hier modisch völlig daneben.

Victor betrachtete Simone anerkennend. „Sie können wirklich nicht gemeint sein. Und so, wie diese Damen aussehen, sollten sie vielleicht selbst mal in den Spiegel blicken. Simone, Sie sehen so schrecklich normal und hübsch aus, Sie sind hier fehl am Platz.“

Die junge Frau trug ein gut geschnittenes Kostüm aus dunkelblauer Wildseide mit einer goldfarbenen Bluse. Die Farben kontrastierten gut mit ihrem braunen Haar, Simone sah umwerfend aus.

„Ich glaube, ich habe genug“, bemerkte sie schließlich. „Das war wohl eher ein verlorener Abend, ich werde gehen.“

„Halt, warten Sie“, bat Victor rasch. „Würden Sie mir die Freude machen, mit mir noch etwas trinken zu gehen? Oder besser noch, etwas Ordentliches essen? Ich kenne in der Nähe ein kleines Bistro. Und nachdem wir schon fast einen Waffenstillstand geschlossen haben... bitte“, setzte er hinzu und schaute sie treuherzig an.

Simone zögerte, doch dann gab sie sich einen Ruck. „Warum eigentlich nicht? Alles ist besser als das hier.“

Victor strahlte sie an. „Danke.“

7

„Ich habe gar nicht gewusst, dass ein so gemütliches Lokal hier ist.“ Simone war angenehm überrascht. Das Bistro war keines dieser lauten, grellen, aufdringlichen Lokale, wie sie im Vergnügungsviertel Sachsenhausen häufig anzutreffen waren. Und es gehörte auch nicht zu denen, die Touristen in eine Kostenfalle lockten, indem die Preise verschleiert wurden. Gedämpfte Musik, aufmerksames Personal und eine geschmackvolle Einrichtung ließen den Gast sich wohl fühlen.

„Schön, dass es Ihnen gefällt.“ Victor blieb zurückhaltend, obwohl er sich sehr darüber freute, dass Simone ihn begleitete. Er wusste nicht recht, was er davon zu halten hatte, dass Gregor Friesen sich so sehr um die junge Frau bemühte. Bestand zwischen den beiden eine Beziehung, oder wollte der Detektiv ganz einfach nur herausfinden, ob Simone wirklich nichts mit dem Diebstahl zu tun hatte?

„Erzählen Sie mir von sich“, bat er. „Wie kommt es, dass eine Frau wie Sie in diesem harten Geschäft arbeitet? Soweit ich weiß, ist der Kunstmarkt heiß umkämpft. Es kann nicht einfach für Sie sein.“

Sie lachte. „Kunst hat etwas mit Mode zu tun, Victor. Und eine gut geführte Galerie kann die Mode beeinflussen. Das hat mein Vater mich gelehrt. Von ihm habe ich die Galerie übernommen.“

„Kann man davon wirklich leben? Ich stelle mir das schwierig vor.“

„Es ist nicht einfach, da haben Sie recht“, gab sie zu. „Doch wir haben ein Stammpublikum, und ich lasse mich nicht gern auf Experimente ein.“

Plötzlich hielten beide irritiert inne. Am Nebentisch, durch eine Wand aus undurchsichtigem Glas getrennt, hatten einige Leute Platz genommen, die sich ungerührt über ein brisantes Thema unterhielten. Mit angehaltenem Atem lauschte Simone, sah, dass Victor es ebenso hielt, und beide bedauerten, dass sie die Stimmen nicht erkannten.

„Ich kann Ihnen fast alles besorgen“, sagte die eine Stimme. „Teilweise muss ich allerdings mehr als den vollen Listenpreis verlangen. Dafür müssen Sie mir versichern, dass die Exponate nie wieder auftauchen.“

„Ich bin Sammler, das wissen Sie. Was ich einmal besitze, gebe ich ungern wieder her. Aber wer garantiert mir, dass Sie mich anschließend nicht erpressen?“

„Sie wurden von einem meiner Kunden an mich verwiesen. Ich lebe davon, dass meine Kunden zufrieden sind, nur dann bekomme ich auch weitere Aufträge. Glauben Sie mir, ich habe nicht vor, jemanden zu erpressen. Das würde mir selbst das Geschäft zerstören. Es könnte außerdem demjenigen schließlich einmal zuviel werden. Nein, ich schätze eine ordentliche Geschäftsbeziehung mit Vorteilen für beide Seiten. Sie sagen mir, was Sie haben wollen, und ich besorge es. Allerdings werde ich kein Museum bestehlen, da ist mir das Risiko zu groß. Die feinen spezialisierten Galerien sind es, die uns Freude bereiten.“

„Woher bekommen Sie Ihre Informationen?“

Ein leises Lachen erklang. „Ich habe jemanden, der mir alles liefert, was ich wissen muss. Es ist ein Kinderspiel.“

Simone hatte das Gefühl platzen zu müssen, um ihrem Zorn Luft zu machen. Da hatten sie also durch einen reinen Zufall den Mittelsmann gefunden, der offensichtlich dafür verantwortlich war, dass man auch ihre Galerie bestohlen hatte. Sie wollte aufstehen und sich diesen Kerl packen. Aber Victor hielt sie mit eisernem Griff fest und schüttelte energisch den Kopf.

„Der Mann allein reicht uns nicht. Wir müssen auch den Informanten und die Hintermänner haben“, murmelte er ihr zu.

„Und wie wollen Sie die bekommen? Fragen Sie den Kerl gleich einfach nach den Namen?“

Beide versuchten am Nebentisch etwas zu erkennen, doch die Glaswand war undurchdringlich und bot nicht mehr als eine Silhouette.

Victor schüttelte wieder mit dem Kopf. „Sie sollten sich jetzt darüber besser gar keine Gedanken mehr machen. Überlassen Sie das ruhig mir. Aus diesem Grund werde ich Sie auch gleich verlassen. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber ich werde unauffällig den Mann verfolgen. Versprechen Sie mir, dass Sie selbst gleich mit einem Taxi nach Hause fahren? Ich möchte mir keine Sorgen um Sie machen müssen. Bitte, Simone, überlassen Sie die Sache mir, ich weiß, was ich zu tun habe.“

Sie war noch immer wütend, aber wahrscheinlich hatte er recht. Was konnte sie schon tun? Und Victor schien wirklich genau zu wissen, was er unternehmen musste. Zögernd nickte sie also.

„Aber Sie melden sich und geben mir Bescheid“, beharrte sie im Gegenzug.

Victor blickte sie nachdenklich an. „Eigentlich sollte ich das nicht tun – Firmengeheimnis.“ Er grinste schief. „Aber ich verspreche es, Simone. Ich halte Sie auf dem Laufenden.“ Spontan griff er nach ihrer Hand und küsste die Innenfläche. Simone fühlte einen heißen Strom durch ihren Arm fließen, aber im nächsten Moment war der Mann schon aufgestanden und verhielt sich korrekt wie immer. Hatte sie sich diesen Augenblick nur eingebildet?

Victor zahlte die Rechnung direkt am Tresen und verließ das Bistro. Simone blieb noch sitzen. Sie erhoffte, selbst einen Blick auf die beiden unbekannten Männer werfen zu können. Selbst wenn sie keinen davon erkannte, so würde sie sich doch die Gesichter einprägen, um sie nie wieder zu vergessen.

Das Gespräch zwischen den beiden war so leise geworden, dass kein Wort mehr zu verstehen war. Aber die Gelegenheit sie anzusehen kam schneller, als die junge Frau gedacht hatte.

Einer der Männer verhieß jetzt den Tisch, Simone hatte das untrügliche Gefühl, es handelte sich dabei um den Ganoven; der andere Mann blieb noch sitzen.

Es mochte ein verrückter Einfall sein, und Victor wäre damit sicher auch nicht einverstanden – aber im Kopf der Frau formte sich ein Plan. Sie stand auf, als wollte auch sie gehen. Wie zufällig fiel ihre Handtasche herunter, und der gesamte Inhalt verstreute sich großzügig über den Nachbartisch und den Boden.

„Oh, Verzeihung“, murmelte sie zerknirscht und begann hastig alles wieder aufzusammeln.

Der Mann half ihr höflich, doch seine Miene wirkte abweisend – und Simone schluckte plötzlich schwer. Dieses Gesicht kannte sie. Welcher Galerist kannte es auch eigentlich nicht?

Es handelte sich um Frederic Schüttfelder, einen immens reichen, etwas exzentrischen Industriellen, der einen extravaganten Geschmack besaß. Persönlich waren sich die beiden nie begegnet, Schüttfelder bezog die meisten seiner Käufe nur über zwei bestimmte Galerien; Simone und ihr Geschäft waren zu klein für ihn.

„Vielen Dank für Ihre Hilfe, es war sehr ungeschickt von mir. Verzeihen Sie bitte die Störung.“ Simone senkte den Kopf und tat verlegen.

„Nicht der Rede wert.“

Schüttfelder mochte Ende fünfzig sein. Sein Gesicht war von Falten durchzogen, und seine Augen wirkten farblos und kalt. Er lächelte nicht, als er Simone jetzt ihre Tasche zurückgab. Sie murmelte noch etwas und verschwand.

Wer sich mit diesem Mann anlegen wollte, würde es nicht leicht haben. Schüttfelder galt im Geschäftsleben als knallhart, er kannte keine Rücksicht, wenn er ein Ziel durchsetzen wollte. Und ausgerechnet dieser Mann hatte jetzt vor, sich durch Diebstahl quasi beliefern zu lassen, um seiner Leidenschaft zu frönen.

Es lief Simone eiskalt den Rücken herunter, wenn sie daran dachte, dass der Sammler als unersättlich bekannt war. Es würde bestimmt noch eine Menge Diebstähle geben, wenn nicht schnell etwas unternommen wurde. Aber ganz sicher nicht mehr an diesem Abend.

Simone stieg wie versprochen in ein Taxi und fuhr nach Hause, wo sie ungeduldig noch auf eine Nachricht von Victor wartete. Doch an diesem Abend meldete sich Dr. Schubert nicht mehr. Die junge Frau überlegte kurz, ihn selbst daheim anzurufen, seine Privatnummer stand auf der Visitenkarte, die er ihr schon zu Anfang überreicht hatte. Aber vielleicht würde ein solcher Anruf aufdringlich wirken, oder der Mann machte sich völlig falsche Gedanken dazu.

Nein, da war es sicher besser bis zum nächsten Tag abzuwarten und ihn dann in seinem Büro anzurufen, wenn er sich bis dahin nicht gemeldet hatte. Ein wenig enttäuscht war sie aber schon.

Hätte Simone jedoch gewusst, was Victor gerade erlebte, hätte sie wohl angefangen, sich große Sorgen zu machen.

8

Eigentlich war es gar nicht seine Aufgabe. Victor Schubert war studierter Jurist, er arbeitete seit mehr als fünf Jahren für die Versicherung und war in seiner Funktion als Abteilungsleiter ausgesprochen zufrieden. Er hatte sich um die Schadensabwicklung – speziell für Geschäftskunden – zu kümmern und hatte im Verlauf seiner Tätigkeit schon eine Menge unglaublicher Fälle erlebt. Doch er fühlte, dass er hier einer ganz großen Sache auf der Spur war. Nun, groß traf schon das richtige Wort. Die Versicherungssumme einer einzigen Galerie bewegte sich schon in ziemlicher Höhe, er hatte also schon im Interesse seiner Gesellschaft dafür zu sorgen, dass eine schnelle Aufklärung stattfand. Natürlich war das nicht direkt seine Aufgabe, dafür gab es schließlich die Detektive, so wie Gregor Friesen. Aber der war nun einmal nicht hier, und ihn zu verständigen wäre nicht nur umständlich, sondern würde auch viel zu lange dauern. Dabei irritierte es ihn immer noch, dass in diesem Fall Gregor offensichtlich ganz anders dachte als er selbst. War der Mann vielleicht überfordert? Darüber würde Victor sich in den nächsten Tagen ernsthafte Gedanken machen müssen, wenn der Detektiv weiter auf der Stelle trat.

Diese Überlegungen schob der Anwalt jetzt beiseite. Er hatte sich draußen auf der Straße in einem Hauseingang verborgen und beobachtete gespannt das Bistro. Er wollte den Mann verfolgen, der als erster das Lokal verließ. Nach allem, was er bisher überhaupt gelernt hatte, würde es vermutlich der Anbieter des Diebstahls sein, der damit sicherstellen wollte, dass er sich unauffällig entfernen konnte.

Die Geduld von Victor wurde nicht lange strapaziert, wenige Minuten nach ihm selbst verließ der Fremde das Lokal. Er schien sich sicher zu fühlen, denn er schaute sich nicht einmal um, schlug zielstrebig den Weg zur Innenstadt ein und bewegte sich mit raschen Schritten. Nur einmal verhielt er vor einem Schaufenster, um die dort ausgestellten Uhren zu betrachten.

Victor war ausgesprochen froh, dass der Mann nicht in ein Taxi oder die Straßenbahn stieg, da wäre die Verfolgung fast unmöglich geworden. Ihm fiel nicht auf, dass der Fremde es förmlich darauf anlegte, dass Victor ihn nicht aus den Augen verlor.

Der Fremde ging in Richtung Bahnhofsviertel, wo auch jetzt am Abend noch immer reger Betrieb herrschte. Unter dem eigentlichen Bahnhofsgelände befand sich neben einem Verteiler für S- und U-Bahn eine riesige Halle, in der auch zahlreiche Geschäfte untergebracht waren, wie auch Lokale und Spielhallen.

Auch hier herrschte lebhaftes Treiben. Fast wäre der Mann spurlos verschwunden, doch Victor sah ihn dann in einer Kneipe verschwinden. Er blieb unauffällig stehen und studierte eifrig die Fahrplanauskunft, während seine Augen die Gaststätte weiter beobachteten. Irgendwann musste der Mann doch auch wieder herauskommen. Wenn er ihn weiter verfolgte, würde er früher oder später hoffentlich eine Adresse herausfinden.

So dachte der Anwalt, bis er plötzlich von drei unbekannten Männern eingekreist war. Keiner von denen wirkte vertrauenswürdig. Ihre Blicke waren feindselig, und sie drängten Victor beiseite. Selbst wenn er sportlich und durchtrainiert gewesen wäre, hätte er gegen drei Männer kaum eine Chance gehabt. Aber Sport war ohnehin nicht seine Sache, und so bekam er es nun doch mit der Angst zu tun. Hatte er sich doch so auffällig verhalten, dass der Fremde die Verfolgung bemerkt hatte?

Victors Augen schweiften umher. Normalerweise gab es hier unten eine Menge Sicherheitspersonal, das Bahnhofsgelände galt als gut geschützt. Doch an diesem Abend schienen alle Ausgang zu haben, niemand war zu sehen, der Victor hätte helfen können.

„Was wollen Sie von mir?“, fragte er also gezwungen ruhig. „Meine Brieftasche? Nun, hier ist sie. Ich werde mich wohl kaum dagegen wehren können, wenn Sie mich auszurauben versuchen.“ Victor war ziemlich sicher, dass es diesen Kerlen weniger um seine Brieftasche ging. Aber vielleicht konnte er so etwas Zeit herausschinden, in der vielleicht doch noch Hilfe auftauchen würde.

Einer der Männer lachte dreckig auf, würdigte aber die Brieftasche, die ihm entgegengehalten wurde, mit keinem Blick.

„Wir haben einen Freund. Und dieser Freund fühlt sich im Augenblick belästigt. Sie haben ihn verfolgt, und das mag er gar nicht.“

Victor wollte unwillkürlich zurückweichen. Der Mundgeruch dieses Mannes hätte einen Vampir vor Neid erblassen lassen können.

„Ich verstehe Sie nicht“, stieß er scheinbar verständnislos hervor.

„Nein? Wirklich nicht?“ Das Gesicht des Fremden näherte sich noch mehr, und der Anwalt musste plötzlich mit Brechreiz kämpfen.

„Ich sag’s mal ganz einfach, du feiner Fatzke. Halt dich weg von unserem Freund. Es könnte dir sonst leid tun.“

„Ist gut, ich verstehe. Wenn Sie meinen, dann werde ich jetzt besser gehen.“

Victor machte Anstalten sich zu entfernen. Die Kerle lachten auf. Er bewegte sich vorsichtig zur Seite, jederzeit darauf gefasst, dass sie ihn doch noch angreifen würden. Und schließlich bekam er auch einen heftigen Schlag in den Rücken, der ihn taumeln ließ. Im nächsten Moment lag er am Boden. Ein stark riechender Fuß in einem schmutzigen Schuh stellte sich auf seine Brust, dass er kaum noch atmen konnte.

„Wir haben uns doch jetzt verstanden?“

„Ja, sicher“, keuchte Victor.

Plötzlich wurden die drei ungeheuer hilfsbereit. Sie zogen ihn vom Boden hoch, klopften sein Jackett ab und redeten freundschaftlich auf ihn ein.

Eine Gruppe vom Wachdienst war aufgetaucht. Sie warfen Victor argwöhnische Blicke zu. Er passte nun wirklich nicht zu diesen Kerlen.

„Werden Sie belästigt? Können wir Ihnen helfen?“, fragte einer von ihnen.

Victor sah den warnenden Blick aus den Augen seiner Angreifer. „Nein, vielen Dank, ich war gestürzt, und diese Herren waren so freundlich, mir ihre Hilfe anzubieten.“

Jetzt aber nichts wie weg, dachte der Anwalt. Mit raschen Schritten lief er davon, während die Angst ihn jetzt voll im Griff hatte. Du lieber Himmel, was hätte nicht alles passieren können? Er hatte noch einmal ungeheuerliches Glück gehabt.

Erst als er daheim die Tür hinter sich schloss und sich schwer atmend von innen dagegen lehnte, kehrte die klare Überlegung zurück. Mehr denn je war er davon überzeugt, dass sich hier eine dreiste Diebesbande am Werk befand. Es zeigte ihm aber auch, dass er sich vermutlich in Gefahr befand. Die Kerle hatten durchaus den Eindruck gemacht, als wären sie auch bereit handfestere Argumente ins Spiel zu bringen. Und wenn er schon nicht bemerkt hatte, wie der Verfolgte den Spieß herumdrehte, dann musste er jetzt davon ausgehen, dass diese Leute mehr über ihn wussten, als ihm lieb sein konnte.

Todmüde ließ Victor sich ins Bett fallen, aber der Schlaf wollte lange nicht kommen.

9

Die drei Gestalten waren dunkel gekleidet und hoben sich kaum von der dunklen Hauswand ab. Einer von ihnen holte einen kleinen Werkzeug-Kasten hervor und begann, an einem Verteiler zu hantieren. Das alles geschah praktisch lautlos, während die beiden anderen mit dem Dunkel der Nacht verschmolzen.

Sie befanden sich hier auf dem Innenhof eines Häuserblocks, von allen vier Seiten von Gebäuden umgeben. Irgendwo in einem der oberen Stockwerke der fünfgeschossigen Häuser brannte noch Licht, und zwei Menschen stritten dort bei offenem Fenster miteinander. In der Nachbarschaft schlug ein Hund an, doch das alles betraf die dunklen Gestalten nicht.

Der Mann mit dem Werkzeug war jetzt offensichtlich fertig, denn er machte den beiden anderen ein Zeichen. Im dünnen Strahl einer kleinen Taschenlampe fingerte jetzt einer an einem Türschloss, und gleich darauf huschten die drei in ein Haus hinein. Auch hier dauerte es nur kurze Zeit, in der wieder an einem Stromverteiler gearbeitet wurde, dann schien der Weg frei.

Die Hintertür einer Galerie wurde geöffnet – und kein Alarm erklang. Die Beleuchtung im Schaufenster war gedämpft und schimmerte blau. Das reichte aus, um die Gestalten sehen zu lassen, was für sie wichtig war. Zielsicher nahmen sie Bilder von den Wänden, wickelten diese in mitgebrachte Tücher, und verfuhren mit zwei Skulpturen ebenso. Einer der Männer lachte leise.

„Es ist kaum zu glauben, welch ein Schrott manchmal unter dem Begriff Kunst angeboten wird.“ Mit einem Messer zerschnitt er eine Leinwand, auf der eine Unzahl bunter Farbkleckse ein verwirrendes Muster bildete. Ein seltsames Gebilde aus Ton wurde zu Boden geworfen, und zu guter Letzt verwüsteten die drei Gestalten das Büro und schütteten eine widerlich riechende Flüssigkeit in allen Räumen aus. Dann schauten sie sich um, sie schienen zufrieden mit ihrem Werk.

Zwei von ihnen brachten eilig die gestohlenen Objekte zu einem Auto, in dem ein vierter Mann wartete – der letzte aber brachte die Alarmanlage wieder in den ursprünglichen Zustand. Auf den ersten Blick wirkte alles, als wäre niemals jemand hier gewesen. Das Chaos zeigte sich erst beim Betreten der Räume.

10

„Guten Morgen.“ Gregor lächelte fröhlich, als er in das Büro von Simone trat. „Überraschung!“ Er holte hinter dem Rücken einen Blumenstrauß hervor und reichte ihn der jungen Frau.

„Habe ich heute Geburtstag?“, wunderte sich Simone. „Und wieso bist du nicht bei deiner Arbeit?“

Er legte sein Gesicht in betrübte Falten. „Von dort komme ich gerade. Und ich bin hier, weil ich für zwei oder drei Tage Abschied nehmen muss.“

„Du fährst weg?“

Der Schalk schwand aus seiner Stimme, Gregor wurde ernst.

„Du kannst es ja noch gar nicht wissen. Aber auch in Hamburg und Berlin sind Diebstähle vorgekommen – auf die gleiche Art ausgeführt wie hier in Frankfurt. Ich fahre hin, um mir das näher anzusehen.“

„Dann glaubst jetzt doch endlich an eine Bande?“

Er zuckte die Schultern. „Es ist jedenfalls nicht mehr von der Hand zu weisen.“

„Dann hör mal zu, was ich gestern Abend mit Dr. Schubert erlebt habe.“

Gregor zog irritiert die Augenbrauen hoch. „Mit Dr. Schubert? Habt ihr jetzt gemeinsame Interessen?“

„Quatsch“, lachte Simone. „Wir haben uns zufällig auf einer Vernissage getroffen.“ Sie berichtete, was sie erlebt hatte und wies auch darauf hin, dass Frederic Schüttfelder einen etwas seltsamen Ruf in der Branche genoss. Von den Abenteuern, die Victor erlebt hatte, wusste sie noch nichts. Doch er hatte Gregor gegenüber Andeutungen gemacht, und nun zählte der Detektiv eins und eins zusammen. Das Ergebnis gefiel ihm gar nicht.

„Ich glaube fast, da habt ihr zwei durch Zufall in ein Wespennest gestochen. Allerdings hat Dr. Schubert mir gegenüber nichts davon erwähnt, dass du in seiner Begleitung warst.“

„Genau das war ja der Zufall. Es war derart langweilig auf der Vernissage, dass wir noch ein Glas zusammen trinken wollten. Dabei habe ich dann auch festgestellt, dass er gar nicht so schlimm ist, wie er tut. – Aber du bist doch nicht etwa eifersüchtig?“

Gregor grinste schief. „Das weiß ich noch nicht. Aber ich will trotzdem, dass du mich in guter Erinnerung behältst.“

Simone stand auf und drückte Gregor einen schon fast schwesterlichen Kuss auf die Wange. Erstaunt stellte sie fest, dass sie bei Gregor nicht dieses Kribbeln im Körper verspürte wie am Abend vorher, als Victor sie berührt hatte.

„Komm heile zurück“, gab sie ihm mit auf den Weg. Gleich darauf war er verschwunden. Simone griff zum Telefon. Jetzt wollte sie unbedingt mehr wissen über das, was Victor Schubert am Abend erlebt hatte.

11

„Wir benehmen uns wie zwei Verschwörer“, meinte Simone und lachte dann etwas auf.

Sie und Victor hatten sich am Mainufer getroffen und spazierten nun langsam und unauffällig, wie viele andere auch, die Wege entlang.

„Das sind wir auch fast. Simone, ich bin mir sicher, dass jemand von innen heraus Informationen weitergibt. Wer das sein soll, kann ich noch nicht sagen.“

„Und so wagen Sie es schon gar nicht mehr, über dieses Thema von Ihrem Büro aus zu sprechen? Himmel, Victor, das ist so verrückt, dass man es kaum glauben sollte. Ich habe immer gedacht, solche Situationen kommen nur in schlechten Filmen vor.“

„Wie der Held in einem solchen schlechten Film fühle ich mich auch“, gestand er. „Und ich bin einigermaßen unglücklich, dass Sie ebenfalls in diese Sache hinein gezogen wurden. Nach dem, was mir gestern Abend passiert ist, halte ich es für möglich, dass es gefährlich werden könnte. Ich würde es mir niemals verzeihen, sollte Ihnen etwas passieren.“

„Finden Sie nicht, dass Sie jetzt etwas übertreiben, Victor?“

Er blieb stehen und schaute ihr tief in die Augen. „Haben Sie mir nicht gerade erst jetzt erzählt, dass Frederic Schüttfelder zu den Menschen gehört, die keine Skrupel kennen?“

„Das heißt aber doch nicht, dass er jemandem körperlich etwas antun würde“, widersprach Simone. Aber ihre Stimme klang jetzt doch etwas unsicherer. Victor spürte, dass sie tief in ihrem Innern Angst bekam. Das lag nun auch nicht in seiner Absicht. Hatte er selbst nicht auch etwas übertrieben?

„Ach, kommen Sie, Simone, wahrscheinlich sehen wir beide Gespenster. Lassen Sie uns einen Kaffee trinken gehen, der wird uns die Grillen schon aus dem Kopf vertreiben.“ Er lächelte sie aufmunternd an, doch ein Rest von Unbehagen blieb.

„Haben Sie Gregor eigentlich ausführlich von unserem Abenteuer erzählt?“, erkundigte sich Victor dann später.

„Sicher. Warum auch nicht? Ich denke, in gewisser Weise ist er mit betroffen. Immerhin soll er den Fall – oder die Fälle – aufklären.“ Simone war ganz ohne Arg, aber Victor runzelte die Stirn. „Es mag Ihnen seltsam vorkommen, aber ich möchte Sie bitten, in Zukunft auch Gregor gegenüber zu schweigen.“

„Seien Sie mir nicht böse, Victor, aber das grenzt jetzt doch schon an Verfolgungswahn. Warum verdächtigen Sie jetzt ausgerechnet Ihren eigenen Mitarbeiter?“

„Ich verdächtige niemanden. Ich will nur vorsichtig sein.“

Sie schüttelte unwillig den Kopf. „Jetzt muss ich mal auf die gleiche Art zurückgeben. Wer sagt mir denn, dass nicht Sie selbst es sind, der dahintersteckt? Sie haben bisher keine Beweise geliefert – nur viel geredet. Und das könnte doch nun ein außerordentlich geschickter Schachzug von Ihnen sein.“

Verblüfft hielt er inne und schaute sie an, doch dann zeigte sich ein fröhliches Lächeln in seiner Miene. „Gut kombiniert, Watson. – Aber da kommen wir dann doch zum springenden Punkt. Wollte ich wirklich von einer möglichen Schuld meinerseits ablenken, wäre ich doch längst bei der Polizei gewesen und hätte die Beamten darauf hingewiesen, dass Gregor und Sie ständig zusammen stecken. Also planen Sie bestimmt schon den nächsten Coup...“

Jetzt lachte Simone hell auf. „Ist gut, ich glaube Ihnen, dass Sie unschuldig sind. Ihre Beweisführung ist sagenhaft.“

Beide hielten plötzlich inne – eine Spannung hatte sich zwischen ihnen aufgebaut, die sie in dieser Form noch nie erlebt hatten. Aber keiner bewegte sich, und der Moment ging vorüber. Bedauern lag im Blick von Victor, doch er wusste, es wäre der falsche Augenblick gewesen, um Gefühle aufflammen zu lassen.

„Simone, bitte, noch einmal, versprechen Sie mir, dass Sie auch Gregor gegenüber schweigen. Was nur zwischen uns bleibt, kann nicht weitergetragen werden.“

Simone lachte nervös auf. „Dazu fällt mir ein, dass ein kluger Mensch einmal gesagt hat: drei Leute können ein Geheimnis bewahren, wenn zwei davon tot sind. Klingt das nicht zynisch?“

„So sehr, dass etwas Wahres darin steckt. Aber ich will nicht, dass Sie sich damit belasten. – Wie ist es nun mit Kaffee?“

Victor war gut darin, ein Thema zu wechseln und Simone von diesen düsteren Gedanken abzulenken.

12

In den nächsten Tagen geschah dann absolut gar nichts, keine neuen Einbrüche, keine Anrufe von Victor – und auch Gregor schien auf der Stelle zu treten, denn er meldete sich nur einmal kurz, um Simone mitzuteilen, dass seine Rückkehr sich noch weiter verzögerte. Alles ging wieder seinen gewohnten Gang.

Simone stritt sich auf die übliche übertriebene Art mit ihren Künstlern, begutachtete Bilder und Skulpturen und ging wieder so in ihrer Arbeit auf, dass sie die Vorfälle der letzten Zeit fast aus ihren Gedanken verdrängte.

Maria jammerte der verpassten Chance hinterher, für Simone einen gescheiten Mann zu finden, und François bereitete sich auf eine Zwischenprüfung für sein Studium vor. Kurzum, alles hatte sich fast normalisiert. Wenn jetzt auch noch diese unheimliche Serie von Einbrüchen geklärt wäre und die Versicherung den Schaden zahlen würde, dann wäre alles endlich wieder in Ordnung.

Bis zu dem Tag, da Simone nach einem ermüdenden Gespräch mit zwei Malern in ihr Büro ging, um die heutige Post durchzusehen. Rechnungen, Angebote, Einladungen – das übliche. Bis auf einen Umschlag ohne Absender.

Verwundert öffnete sie ihn und hielt gleich darauf ein seltsames Schreiben in der Hand.

„Sie sollten sich nicht weiter um die Diebstähle kümmern. Es würde Ihnen schlecht bekommen.“

Der Brief war aus einem Computer ausgedruckt und anonym. Simone schüttelte den Kopf. So ein Unsinn. Sie hatte sich doch gar nicht weiter darum gekümmert. Und es war ihr auch fast egal, ob Gregor oder die Polizei jetzt etwas herausfanden.

Allerdings empfand sie diesen Brief als Frechheit und als einen persönlichen Angriff. Wer auch immer dahintersteckte, wusste vielleicht, dass sie Frederic Schüttfelder erkannt hatte. War es Victor vielleicht gelungen, etwas mehr herauszufinden, was jetzt plötzlich auf sie zurückschlug?

Entschlossen griff sie zum Telefon und rief den Anwalt an.

„Wir treffen uns in einer Stunde im Palmengarten. Bitte, Simone, zu niemandem ein Wort.“

Er legte auf, und sie stand etwas verdutzt da. Was hatte diese Geheimniskrämerei schon wieder zu bedeuten? Sie war verärgert. Konnte dieser Mann denn nicht einmal eine vernünftige Antwort auf eine klare Frage geben? Nun ja, wenn sie mehr wissen wollte, musste sie wohl oder übel in den Palmengarten.

Wie ein zufälliger Besucher stand Victor Schubert vor einer Gruppe von exotischen Pflanzen und studierte diese förmlich. Kein Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen, als er jetzt Simone auf sich zukommen sah.

„Hat man Sie verfolgt?“

Simone blitzte den Mann empört an. „So langsam glaube ich wirklich, dass Sie unter einer besonderen Art von Verfolgungswahn leiden, Victor. Was soll das? Warum sollte mich jemand verfolgen? Himmel, ich habe niemandem etwas getan. Und dieser anonyme Brief regt mich nur deswegen auf, weil ich mit der ganzen Geschichte doch nichts weiter zu tun habe, als dass ich selbst auch nur ein Opfer bin.“

„Falsch“, sagte Victor und strich sich müde über die Stirn.

Die junge Frau betrachtete ihr Gegenüber jetzt zum erstenmal prüfend. Die Haut im Gesicht war grau, Falten hatten sich auf der Stirn eingegraben, und um die roten Augen lagen schwarze Ringe. Was hatte diesen Mann innerhalb weniger Tage so erschöpft? Er sah aus, als brauchte er einen längeren Urlaub – oder wenigstens vierundzwanzig Stunden Schlaf am Stück.

„Was ist passiert?“, fragte Simone mit plötzlicher Erkenntnis. Unwillkürlich zog sie die Schultern zusammen, sie hatte das ungute Gefühl einer nahenden Katastrophe, die jeden Augenblick über ihr zusammenschlagen konnte.

Victor machte einen schwachen Versuch zu lächeln. „Kommen Sie, begleiten Sie mich ein Stück. Es mag ein Fehler sein, aber Sie scheinen mir ebenso betroffen wie ich selbst und andere. Daher sehe ich keinen Grund, Ihnen gegenüber zu schweigen.“

Das ungute Gefühl in Simone verstärkte sich noch. Langsam gingen die beiden weiter. Für einen zufälligen Beobachter wirkten sie fast wie ein zerstrittenes Liebespaar, das sich zu einer Aussprache traf.

„Haben Sie den Brief dabei?“, fragte Victor.

„Ja, hier in der Tasche.“ Simone machte Anstalten ihn heraus zu holen, doch der Mann schüttelte den Kopf. Unvermittelt zog er Simone in die Arme und flüsterte dicht an ihrem Ohr. „Bitte machen Sie mit. Ich will prüfen, ob wir beobachtet werden.“

„Victor, Sie übertreiben“, protestierte sie, hielt sich aber an seine Anweisungen.

„Sie werden gleich verstehen.“ Mit einem Lächeln nahm er ihre Hand und zog die Frau mit sich, in einen kleinen Seitenweg hinein. Hier, zwischen dichten Gewächsen hielt Victor an.

„Verzeihen Sie, so langsam müssen Sie mich wirklich für übergeschnappt halten. Aber ich habe gute Gründe.“

„Ich höre“, sagte sie etwas spröde.

„Ich hatte gehofft, Sie ganz aus der Sache heraushalten zu können. Aber dazu ist es wohl zu spät. Sehen Sie – in den letzten zehn Tagen sind drei neue Einbruchdiebstähle gemeldet worden. Die Polizei ist jetzt klug genug, diese Vorfälle nicht mehr an die Presse weiter zu geben. Aber alle diese Fälle betrafen meine Versicherung. Ein immenser Schaden, wie Sie sich vorstellen können. Der letzte Vorfall fand vorige Nacht statt, und nun gibt es ernsthafte Komplikationen. Ein Wachmann, der auf seiner Runde etwas zu früh dran war, wurde erschossen. Und seitdem ist auch Gregor nicht mehr zu erreichen. Er hatte ein Handy dabei, dessen Nummer nur zwei Leuten bekannt war – einer davon war ich. Aber Gregor geht nicht ans Gerät, obwohl ununterbrochen versucht wird, eine Verbindung herzustellen.“

Simone hatte betroffen und ungläubig zugehört. „Ist das jetzt für Sie ein Beweis, dass Gregor etwas mit der Bande zu tun hat?“, fragte sie tonlos.

Victor schüttelte den Kopf. „Nicht unbedingt. Er erzählte mir, dass er auf einer heißen Spur sei. Es kann ebensogut sein, dass man ihn selbst entdeckt hat. Sein Schweigen kann viele Gründe haben – aber mir fällt nicht einer ein, der beruhigend wäre.“

Jetzt war Simone zutiefst erschreckt. „Soll das heißen, dass man auch ihn vielleicht ermordet hat?“

„Ich weiß es nicht, Simone, ich weiß es wirklich nicht. Die ganze Geschichte ist völlig verworren. Und wir, dass heißt, meine Vorgesetzten und ich, müssen noch immer davon ausgehen, dass ein Insider an der Sache beteiligt ist. Dafür spricht, dass nur Galerien betroffen sind, die sich bei uns versichert haben und deren Alarmsysteme auch in unseren Unterlagen dokumentiert sind. Zum anderen – nun, das Verschwinden von Gregor wirft eine Menge Fragen auf. Entweder gehört er zu der Bande und hat die wichtigen Informationen beliefert, oder er wurde enttarnt und befindet sich in Gefahr.“

„Dass er ganz einfach vergessen haben könnte, das Handy aufzuladen, oder dass er dazu keine Gelegenheit hatte, ist eher unwahrscheinlich?“, fragte Simone sachlich nach.

„Es ehrt Sie, dass Sie grundsätzlich an die Unschuld von Gregor glauben.“

„Und Sie tun das nicht?“

„Nicht so ganz“, gestand Victor. „Der Zeitpunkt des Mordes und das Verschwinden des Mannes sind mir etwas zu auffällig. Ich persönlich halte es für möglich, dass Gregor so lange unbedenklich mitgemacht hat, wie alles glatt lief und niemand verletzt wurde. Jetzt aber schlägt sein Gewissen, und er steckt mittendrin. Es wird nicht leicht sein für ihn, diesen Teufelskreis wieder zu verlassen.“

„Das ist eine kühne Unterstellung. Und doch muss auch ich sagen, dass an dieser Theorie etwas dran sein könnte. – Bleibt aber immer noch die Frage, was ich damit zu tun habe, dass man mir einen Drohbriefe schickt.“

„Auch da sehe ich zwei Möglichkeiten“, gestand Victor und grinste ein wenig schief, während Simone empört nach Luft schnappte.

„Wenn Sie so oft zwei Möglichkeiten sehen, Victor, dann frage ich mich doch, wie Sie durchs Leben kommen. Kaffee oder Tee zum Frühstück? Butter oder Margarine? Marmelade oder Schinken?“ Der unverhohlene Spott in der Stimme der Frau traf Victor tief.

„Ist es verwerflich, alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen?“, fragte er traurig.

„Nein, sicher nicht. Aber Ihre Betrachtungen sind teilweise sehr abstrakt. Wird wohl daran liegen, dass Sie Anwalt sind. Die haben es raus, ein Thema bis zum Letzten zu zerreden.“

„Haben Sie denn so schlechte Erfahrungen mit Anwälten gemacht? Schade, und ich hatte gehofft, ich könnte einen guten Eindruck auf Sie machen.“ Er sagte das so betrübt, dass Simone nun doch leise lachen musste.

„Schon gut, für einen Anwalt sind Sie eigentlich ganz akzeptabel. – Aber lassen Sie uns beim Thema bleiben.“

„Es ist erstaunlich, wie sachlich Sie immer wieder werden können“, bemerkte er.

„Hätte es denn viel Sinn, wenn ich jetzt in Hysterie oder Panik verfalle?“, gab sie spöttisch zurück.

„Nun gut, der Brief. Er könnte von Gregor stammen und eine ernst gemeinte Aufforderung sein. Oder es ist wirklich eine Drohung.“

„Von Schüttfelder?“

„Möglich, aber wenig wahrscheinlich. Kannten Sie beide sich?“

„Nicht persönlich. Es ist natürlich möglich, dass mein Name ihm nicht unbekannt ist.“

„Und Sie waren ja so geschickt, Ihre Handtasche vor seinen Augen auszuschütten. Er hat vielleicht Ihren Namen auf den Papieren gesehen?“

An diese Möglichkeit hatte Simone noch gar nicht gedacht, und so ganz war das auch nicht von der Hand zu weisen. „Das kann ich nicht ausschließen“, seufzte sie betrübt. „Aber ich halte es für unwahrscheinlich. Denn selbst wenn er meinen Namen erkannt hat, ich habe doch nun wirklich nichts mit der Sache zu tun. Nein, der Brief muss von jemand anders sein.“

Victor nickte und nahm sie tröstend in den Arm, eine so selbstverständliche Geste, dass Simone nichts dagegen hatte.

„Und wie soll das nun weitergehen? Was tun wir als nächstes?“

„Wir?“, wiederholte er mit gerunzelter Stirn.

„Natürlich wir. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ich jetzt nach Hause fahre und in der Zeitung verfolge, wie es weitergeht – oder auch nicht. Bisher hatte ich nichts damit zu tun, aber jemand hat mich ins kalte Wasser geschubst. Jetzt will ich schwimmen.“

Victor lachte kurz auf. „Sie sind süß, wirklich. Und ihre Wortwahl ist einfach köstlich. Aber ich habe Ihnen schon einmal gesagt, ich könnte es mir niemals verzeihen, sollte Ihnen etwas zustoßen.“

„Da habe ich ja wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden. Und wenn Sie jetzt glauben, Sie könnten mich einfach kaltstellen, dann lassen Sie sich gesagt sein, dass...“ Simone hatte sich in Rage geredet. Ihre Augen blitzten, ihre Wangen waren leicht gerötet, und sie sah so entzückend aus, dass Victor sie auf eine etwas ungewöhnliche Art unterbrach. Er küsste sie. Wie eine Explosion war es zwischen den beiden, und als sie sich voneinander lösten, blickten sie sich erstaunt an.

„Entschuldige“, murmelte Victor, nicht im Geringsten verlegen. „Ich wollte dich jetzt eigentlich nicht so überrumpeln.“

„Schon gut.“ Simone rang um ihre Fassung. Was war das nur zwischen ihnen beiden? So etwas hatte sie noch nie erlebt.

Der Mann wurde gleich darauf wieder sachlich. „Du solltest dich jetzt ganz einfach still verhalten. Tu einfach gar nichts. Ich werde alle Verbindungen spielen lassen, um Gregor zu finden, und um vor allem Dingen die ganze Sache schnell aufzuklären. Ich glaube, dass die Bande jetzt einen großen Fehler gemacht hat. Sie werden jetzt wirklich gejagt.“