Geister Fantasy Dreierband 1021 - Jonas Herlin - E-Book

Geister Fantasy Dreierband 1021 E-Book

Jonas Herlin

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Beschreibung

Dieses Buch enthält folgende Romane: Im Visier des Unheimlichen (Jan Gardemann/Joan Garner) Norderneyer Hexenkabinett (Jonas Herlin) Das Haus des lebendigen Todes (Arthur Leo Zagat) Ein toter Landwirt, der offenbar gegen alle Naturgesetze von einer lebensgroßen Wachspuppe umgebracht wurde, bringt die Hamburger Reporterin Sandra Düpree auf die Fährte von Dr. Dunckel, einem Verbrecher mit der Wandlungsfähigkeit eines Chamäleons. Die Spur führt nach Norderney, wo eine mysteriöse Gräfin auf ihrem ererbten Besitz eigenartige Dinge tut…

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Jonas Herlin, Arthur Leo Zagat, Jan Gardemann, Joan Garner

Geister Fantasy Dreierband 1021

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Inhaltsverzeichnis

Geister Fantasy Dreierband 1021

Copyright

Joan Garner 2: Im Visier des Unheimlichen: Romantic Thriller

Norderneyer Hexenkabinett

Das Haus des lebendigen Todes

Geister Fantasy Dreierband 1021

Jonas Herlin, Arthur Leo Zagat, Jan Gardemann, Joan Garner

Dieses Buch enthält folgende Romane:

Im Visier des Unheimlichen (Jan Gardemann/Joan Garner)

Norderneyer Hexenkabinett (Jonas Herlin)

Das Haus des lebendigen Todes (Arthur Leo Zagat)

Ein toter Landwirt, der offenbar gegen alle Naturgesetze von einer lebensgroßen Wachspuppe umgebracht wurde, bringt die Hamburger Reporterin Sandra Düpree auf die Fährte von Dr. Dunckel, einem Verbrecher mit der Wandlungsfähigkeit eines Chamäleons. Die Spur führt nach Norderney, wo eine mysteriöse Gräfin auf ihrem ererbten Besitz eigenartige Dinge tut…

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

COVER A.PANADERO

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Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Joan Garner 2: Im Visier des Unheimlichen: Romantic Thriller

Jan Gardemann schrieb als Joan Garner

Jetzt hatte der Hai mich gesehen. Er stieß zu mir herab, riß das Maul auf und wollte zuschnappen.
Aber in diesem Augenblick hatte ich das Messer endlich in der Hand. Ich stieß mich vom Untergrund ab und schnellte zur Seite weg. Das Maul des Hais verfehlte mich nur um Haaresbreite.
Ich wollte mit dem Messer nachsetzen. Aber die Schwanzflosse erwischte mich und wirbelte mich durchs Wasser. Für einen Augenblick wußte ich nicht mehr, wo oben und unten war. Das Messer hatte ich bei dem Schlag verloren. Ich ruderte verzweifelt mit den Armen, um mich wieder in eine stabile Lage zu bringen. Rasch orientierte ich mich. Aber viel Zeit blieb mir nicht, denn der Hai setzte zum nächsten Angriff an. Plötzlich war er vor mir. Ein weißgraues Ungetüm, das sein schreckliches Maul zum todbringenden Biß aufgesperrt hatte. Panisch ruderte ich mit den Beinen. Aber es hatte keinen Sinn. Mit meinen unkontrollierten Bewegungen stachelte ich den Hai nur noch mehr an. Das Maul schoß auf mich zu. In Erwartung des schmerzhaften und tödlichen Bisses schloß ich die Augen…
Ich lag auf dem Deck unserer kleinen Segeljacht und genoß die Sonne. Nur mit einem Bikini bekleidet, spürte ich, wie die wohltuende Wärme der Maisonne meinen Körper durchdrang.
Das leise Plätschern der Wellen, die gegen den Rumpf der Jacht schlugen, hatten zusätzlich eine beruhigende Wirkung auf mich. Und das sanfte Schaukeln machte die Entspannung erst perfekt. Selten in meinem Leben hatte ich mich so wohl gefühlt wie in den letzten Wochen. Und das lag nicht nur allein daran, daß ich seit drei Wochen auf einer kleinen und gemütlichen Segeljacht die spanische und französische Mittelmeerküste bereiste. Der wahre Grund meines Glücks saß in diesem Moment auf dem Dach des Kajütenaufbaus unter einem Sonnensegel und hieß Erik Henderson. Auf seinen Knien lag ein Stapel weißes Papier, das momentan seine ungeteilte Aufmerksamkeit genoß. Mit einem Bleistift machte er dann und wann Eintragungen oder strich etwas durch. Jetzt griff er nach einem Glas und nippte von dem Orangensaft, den er immer während seiner Arbeit trank.
Erik schrieb an einem neuen Drehbuch für seinen zweiten Film. Sein erster Film sollte in einer Woche bei den Filmfestspielen in Cannes vorgeführt werden. Erik erhoffte sich, daß sein Werk dadurch internationale Anerkennung fand.
Für schwedische Filmemacher war dies nicht immer ganz einfach. Aber Erik war mit Herz und Seele in seine Arbeit verliebt. Was für mich allerdings kein Grund zur Eifersucht war. Denn noch mehr als seine Arbeit liebte er mich.
Vor drei Wochen hatten Erik und ich in Stockholm geheiratet. Gleich am darauffolgenden Tag setzten wir uns in ein Flugzeug und flogen bis nach Valencia. In der spanischen Hafenstadt wartete eine kleine Segeljacht auf uns – ein Hochzeitsgeschenk von Eriks Vater. Sie trug den Namen KATTEGAT, so wie auch das kleine Binnenmeer zwischen
Jütland und Schweden genannt wurde. Es war ein schönes kleines Boot. Nicht zu vergleichen mit den aufgemotzten Jachten, die die meiste Zeit über in irgendwelchen Häfen lagen und von den Besitzern außer zu Vorzeigezwecken wenig genutzt wurden.
Die KATTEGAT war ein unscheinbares Boot. Der hellblaue Anstrich ließ es auf dem schimmernden Wasser kaum auffallen
– was wiederum für meine Arbeit sehr von Bedeutung war. Ich studierte Meeresbiologie. Und ähnlich wie Erik, so wollte auch ich unsere Hochzeitsreise mit meinen beruflichen Interessen verbinden. Und ein Boot, das die Meeresbewohner allein durch seine schreienden Farben verscheuchte, war für mich von geringem Nutzen.
Die KATTEGAT verfügte über einen Mast und eine kleine, aber gemütliche Kajüte, in der Erik und ich bereits sehr romantische Nächte verlebt hatten. Vielleicht mußte Erik in diesem Moment auch an diese Nächte denken, denn plötzlich sah er von seinem Manuskript auf und schaute mich verliebt an.
»Du scheinst nicht recht zum Arbeiten aufgelegt zu sein«, bemerkte er schmunzelnd.
»Die Meeresbewohner werden noch einen Tag auf meine Anwesenheit verzichten müssen«, erwiderte ich und erhob mich langsam.
»Ich möchte kein Fisch sein«, sagte Erik. »Denn ich könnte keinen Tag auf deine Anwesenheit verzichten.« Er musterte mich fröhlich mit seinen wachen, aufmerksamen Augen. Sie strahlten in einem Blau, das selbst dem wolkenlosen Himmel Konkurrenz machen konnte.
Ich trat auf Erik zu und legte ihm lächelnd die Hand um den Nacken. »Einen Fisch hätte ich auch nicht geheiratet«, erwiderte ich und näherte mich ganz langsam seinen Lippen.
»Ein rein wissenschaftliches Interesse hätte nur einen dürftigen Grund für eine Hochzeit abgegeben«, fügte ich hinzu.
Erik entzog sich mir in gespielter Zurückhaltung. Aber ich ließ ihn nicht los. »Aus welchem Grund hast du mich sonst geheiratet?« fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Aus reinem Selbsterhaltungstrieb«, sagte ich. Und flüsternd fuhr ich fort: »Auch ich kann keinen Tag auf deine Anwesenheit verzichten. Denn ich liebe dich. Und ohne dich wäre ich bloß ein Fisch ohne Wasser.«
Erik zog mich zu sich und gab mir einen leidenschaftlichen Kuß…
Eine Stunde später stand ich mit einem Fernglas an der Reling und betrachtete das Meer und die Küste. Erik hatte sich unterdessen in die Kajüte zurückgezogen und bereitete dort eine kleine Mahlzeit für uns zu.
Schon gestern hatten wir zwanzig Kilometer östlich von Toulon die Segel eingeholt und Anker geworfen. Dieser Küstenabschnitt der Côte d’Azur war für eine Meeresbiologin von besonderem Interesse. Der Küste vorgelagert befanden sich drei Inseln. Die mittlere und kleinste von ihnen hieß Ile de Port Cros und war schon vor langer Zeit zum Naturschutzgebiet erklärt worden. Ihr galt mein spezielles Interesse. Denn der Status des Naturschutzgebietes beschränkte sich nicht nur auf die Insel, sondern wurde auch auf eine Zone von sechshundert Metern um die Insel herum ausgedehnt. Aufgrund dieser Besonderheit hatten sich viele seltene Fischarten bei der Insel angesiedelt. Auf der Insel selbst war Tourismus nur zu bestimmten Tageszeiten zugelassen. Die etwa zwanzig ständigen Bewohner der Insel mußten strenge Auflagen erfüllen. Ich hatte hier also Gelegenheit, Meerestiere zu beobachten, die anderswo schon
lange ausgestorben waren – für eine junge Meeresbiologin fast eine kleine Sensation.
Aber heute wollte ich mich erst darauf beschränken, das Gebiet mit dem Fernglas zu beobachten. Zwar hatte ich von der französischen Regierung eine Erlaubnis bekommen, in dem Naturschutzgebiet zu tauchen, aber zuvor wollte ich mir von der allgemeinen Lage ein Bild machen.
Ich wurde in meinen Bemühungen auch bald belohnt. Denn plötzlich bemerkte ich, wie sich die Wasseroberfläche an einer Stelle sonderbar kräuselte. Ich wußte natürlich, was dieses Phänomen zu bedeuten hatte. Trotzdem schlug mein Herz schneller, als ich den Schwarm fliegender Fische sah, der plötzlich aus dem Wasser brach und über die seichten Wellen dahinglitt.
Ich stellte das Fernglas schärfer und verfolgte den glitzernden Fischschwarm eine Weile. Ganz deutlich konnte ich erkennen, wie die Fische ihre zu Flügeln ausgewachsenen Brustflossen ausgebreitet hatten und mit der Schwanzflosse das Wasser peitschten und sich so einige Sekunden über Wasser halten konnten. Fliegende Fische gehörten zwar nicht zu den seltenen Fischarten, aber da sie sehr scheu waren, bekam man sie nicht oft zu sehen.
Dann sanken die Fische plötzlich ins Wasser zurück und waren verschwunden. Ein Küstenabschnitt der Insel Port Cros erschien plötzlich in meinem Fernglas. Die fliegenden Fische waren der kleinen Insel so nahe gekommen, daß ich die steinige Küste plötzlich im Visier hatte. Oben auf der Klippe befand sich eine weiße Villa. Eins jener Häuser, die die wenigen Bewohner der Insel beherbergten.
Bei dieser Villa mußte es sich jedoch um das Haus eines sehr reichen Mannes handeln. Es war im mauretanischen Stil erbaut worden und verfügte über mehrere terrassenförmig angelegte Stockwerke. Dachgärten mit üppiger Vegetation fügten sich in
das Bild ebenso ein wie die großen Panoramafenster, die zum Meer hinauswiesen.
Ich war von diesem märchenhaften Anblick so fasziniert, daß ich mit dem Fernglas eine Weile auf dem prunkvollen Bauwerk verweilte. Ich entdeckte sogar einen Park, der sich an das Haus anschloß und wo langbeinige Flamingos eine Rast eingelegt hatten.
Ich überlegte, wie schön es wäre, wenn dieses Modell von Naturschutz, wo Mensch und Natur so harmonisch nebeneinander existieren konnten, Schule machen würde.
Doch in diesem Augenblick bemerkte ich eine Bewegung hinter einem der Fenster. Da bei diesem Fenster die Vorhänge beiseitegezogen waren, konnte ich die beiden Gestalten in dem Haus deutlich erkennen. Ich wollte das Fernglas schon in eine andere Richtung lenken, da ich nicht vorhatte, ungefragt in die Intimsphäre anderer Menschen einzudringen. Doch plötzlich stutzte ich. Die beiden Gestalten schienen miteinander zu ringen.
Erschrocken drehte ich an der Einstellung des Fernglases und konnte die Personen schließlich genauer erkennen. Es handelte sich um einen Mann und eine Frau. Der Mann hatte seine Hände um den Hals der Frau gelegt. Die Frau jedoch trommelte mit ihren Fäusten gegen die Brust des Mannes, ohne dabei etwas auszurichten. Schließlich wurde ihr Widerstand schwächer. Die Arme sanken erschlafft herunter und baumelten an den Seiten herab. Der Mann aber drückte immer erbarmungsloser zu. Die Knie der Frau gaben nach. Ihr Kreuz bog sich auf unnatürliche Art durch. Schlaff wie eine Marionette hing sie in den Händen des Mannes, der ihren Hals immer noch umklammert hielt. Doch schließlich ließ er die Frau los, und sie fiel zu Boden, wo sie regungslos liegenblieb.
Ich atmete heftig, als hätte der Mann auch mir die Luft abgedrückt – so verängstigt war ich. Mein Herz schlug wie
wild, und der Pulsschlag rauschte mir in den Ohren. Ich war unfähig, das Fernglas aus der Hand zu legen. Wie gebannt starrte ich den Mörder durch das Fernglas an.
Der Mann blieb einen Augenblick neben der Toten stehen.
Dann wandte er sich plötzlich um und trat an das Fenster.
Ich erschrak zu Tode. Denn der Mann schaute genau in meine Richtung. Natürlich konnte er mich mit dem bloßen Auge nicht sehen. Dafür war ich zu weit von ihm entfernt. Sogar mir war es nicht möglich, mit Hilfe des Fernglases sein Gesicht zu erkennen. Aber wenn er genau hinschaute, konnte er die KATTEGAT auf dem Meer sehen.
Der Mann legte plötzlich eine Hand über die Augen, um sie gegen das Sonnenlicht abzuschirmen. Er späht genau in meine Richtung, dachte ich und fühlte, wie mir das Blut in den Adern zu Eis erstarrte.
Aber es kam noch viel schlimmer. Für einen Augenblick verschwand der Mann. Aber nur, um kurz darauf ebenfalls mit einem Fernglas bewaffnet wieder zu erscheinen. Ich stieß einen spitzen Schrei aus, als ich beobachtete, wie er das Fernglas genau auf mich richtete.
Erschrocken riß ich das Fernglas von den Augen. In diesem Augenblick erschien Erik und streckte seinen Kopf aus dem Kajütenaufgang. Besorgt schaute er mich an.
»Hast du gerade eine Monsterkrake gesehen?« fragte er. »Du siehst ja kreidebleich im Gesicht aus. Und was hatte der Schrei zu bedeuten?«
Ich sah Erik einen Moment lang sprachlos an. Ich wollte etwas sagen. Aber meine Lippen zitterten, und ich war unfähig, auch nur einen Laut hervorzubringen.
Sofort war Erik bei mir. Er schloß mich in die Arme und strich mir beruhigend übers Haar.
»Was ist los mit dir?« fragte er mit ernster Stimme und sah mich mit wachen blauen Augen forschend an.
»Ich… ich habe gerade gesehen, wie ein Mann eine Frau ermordete«, brachte ich endlich hervor. Die Tränen schossen mir in die Augen. Ich konnte es nicht mehr verhindern. Laut schluchzend warf ich mich an Eriks Brust.
»Beruhige dich«, flüsterte Erik und streichelte mir über den Rücken. »Wo hat sich der Mord denn abgespielt?«
Ich hob meinen zitternden Arm und gab Erik das Fernglas.
»Auf Port Cros steht eine mauretanische Villa«, erklärte ich mit zittriger Stimme. »Ich hatte gerade fliegende Fische beobachtet, als ich zufällig Zeuge des Mordes wurde.«
Erik ergriff das Fernglas und setzte es mit einer Hand an die Augen.
Der andere Arm lag noch um meine Schultern. Ich fühlte, wie etwas von Eriks Kraft und Ruhe auf mich überströmte und beruhigte mich wieder. Schließlich gab ich Erik genaue Anweisungen, wo genau sich die Villa befand. Schließlich hatte er sie gefunden.
»Ich kann nichts sehen«, sagte er mit angespannter Stimme.
»Überall sind die Vorhänge zugezogen.«
»Aber eben waren sie noch offen«, beharrte ich und nahm ihm das Fernglas wieder aus der Hand. Ich setzte es an meine Augen und suchte die Villa ab.
Aber ich mußte feststellen, daß Erik recht hatte. Es gab kein Fenster, in das man hätte hineinsehen können. Überall hingen Vorhänge vor.
»Er muß die Vorhänge zugezogen haben«, sagte ich nachdenklich. »Vorhin waren sie jedenfalls noch offen. Denn nachdem der Mann die Frau erwürgt hatte, trat er ans Fenster.
Ich bin mir sicher, daß der Mörder uns bemerkt hat. Er hat sogar selbst ein Fernglas geholt und ganz eindeutig in unsere Richtung gesehen.«
Erik sah mich mit gerunzelter Stirn an. »Und du bist dir hundertprozentig sicher?« fragte er. »Du hast wirklich gesehen, wie der Kerl die Frau getötet hat?«
Ich nickte eifrig. »Ja«, stieß ich hervor. »Es war schrecklich.
Was sollen wir denn jetzt tun?«
»Wir werden natürlich die Küstenwache verständigen«, entschied Erik. »Wenn sich in dem Haus wirklich ein Mörder aufhält, muß er sofort gestellt werden.«
Mit diesen Worten wandte sich Erik von mir ab und verschwand wieder in der Kajüte. Ich hörte, wie er sich an dem kleinen Funkgerät zu schaffen machte. Und während Erik mit der Küstenwache sprach, suchte ich mit dem Fernglas noch einmal die Villa ab.
Aber nichts Verdächtiges regte sich dort. Unschuldig und verträumt lag der weiße Gebäudekomplex da. Die Flamingos erhoben sich in diesem Augenblick aus dem Park, ließen sich mit ausgebreiteten Schwingen zum Meer hinabgleiten und steuerten das Festland an, wo bei den ausgedienten Salzsalinen bei Hyeres eine ganze Kolonie von diesen wunderschönen Vögeln lebte.
Bei dem Anblick der dahinschwebenden Vögel mußte ich unwillkürlich an die Frau denken, die vor wenigen Minuten ihr Leben lassen mußte. Tränen sammelten sich in meinen Augen und machten die Sicht durch das Fernglas verschwommen.
Wieder eine Stunde später erreichte uns das Motorboot der Küstenwache. Erik hatte unsere Position durchgegeben und versichert, daß wir dort für Fragen zur Verfügung stehen würden.
Das Motorboot legte längsseits der KATTEGAT an. Zwei Polizeibeamte vertäuten die beiden Boote miteinander.
Schließlich wurden wir zum Polizeiboot hinübergebeten. Erik
half mir dabei, weil ich immer noch ein unsicheres Gefühl in den Knien spürte.
In der Kajüte erwartete uns ein beleibter Herr, den ich auf Ende Fünfzig schätzte. Er saß an einem einfachen Holztisch und las einen Bericht. Als wir eintraten, schaute er kurz auf und deutete mit einem Kopfnicken auf zwei Stühle, die ihm gegenüber standen.
Ich fühlte, wie mich eine eigenartige Erregung ergriff. Mich drängte es zu wissen, ob der Mörder gefaßt und die Frau vielleicht noch gerettet werden konnte.
Aber der dickleibige Polizist hatte offenbar vor, mich auf die Folter zu spannen. Ich betrachtete sein gelichtetes, dunkles Haar und seine braunen unsteten Augen, die den Bericht überflogen.
Ich hielt das Schweigen schließlich nicht mehr länger aus.
»Haben Sie den Mörder fassen können?« platzte es aus mir heraus.
Der Polizist blickte auf und sah mich ruhig und überlegend an. »Es gibt keine Tote«, sagte er seelenruhig. »Es gibt auch keinen Mörder. Die Villa ist leer. Ihr Besitzer hält sich zur Zeit in Cannes auf, wo er die Filmfestspiele mit vorbereitet.«
Seine Worte trafen mich wie eine kalte, nasse Woge. Ich schnappte nach Luft und wollte zu einer Erwiderung ansetzen.
Aber Erik legte mir die Hand auf den Arm und bedeutete mir, ich solle ihm das Reden überlassen. Da ich immer noch unter Schock stand, ließ ich ihn gewähren.
»Soll das heißen, daß Sie in der Villa keine Anzeichen entdeckt haben, daß dort ein Mord stattgefunden haben könnte?« fragte Erik vorsichtig.
Der Polizist nickte bedächtig. »Kein einziges.« Dann erhob er sich, vergrub seine Hände in den Taschen seiner ausgebeulten Hose und sah Erik und mich streng an.
»Eigentlich müßte ich Sie wegen Irreführung der Polizei anklagen«, sagte er mit gleichbleibend ruhiger Stimme.
»Aufgrund Ihrer Anschuldigungen sind meine Leute in die Villa eingedrungen. Sie konnten jedoch nichts Verdächtiges feststellen. Nicht einmal eine Spur, die auf Einbruch oder dergleichen schließen lassen könnte. Monsieur und Madame Tyras, denen die Villa gehört, befinden sich in Cannes. Sie kommen also weder als Täter noch als Opfer in Frage. Einen Einbruch hat es auch nicht gegeben. So daß auszuschließen ist, daß ein Fremder den Mord in der Villa beging.« Der Polizist stemmte nun seine Fäuste auf die Tischplatte, beugte sich zu mir herab und sah mich mit seinen braunen Augen lauernd an.
»Sie müssen sich also geirrt haben, als Sie glaubten, einen Mord beobachtet zu haben.«
Entrüstet erhob ich mich. »Ich habe mich nicht geirrt«, entgegnete ich und schüttelte Eriks Hand ab, der schon wieder versuchte, mich zu beruhigen. »Ich habe den Mord mit eigenen Augen gesehen. Und der Mörder hat dies sogar bemerkt.
Wahrscheinlich hat er schnell alle Spuren beseitigt.«
Der Polizist ließ sich von mir nicht aus der Ruhe bringen.
»Meine Leute haben die ganze Villa auf den Kopf gestellt. Sie können mir glauben, daß wir solche Meldungen nicht auf die leichte Schulter nehmen.«
»Sie glauben mir also nicht«, stellte ich resigniert fest und mußte wieder mit den Tränen kämpfen.
Mein Gegenüber zuckte nur mit den Schultern. »Ich glaube nur das, was sich beweisen läßt«, erklärte er in seiner ruhigen Art. »Und nun zeigen Sie mir einmal, wie Sie den Mord beobachtet haben.«
Etwas umständlich folgte uns der beleibte Polizist in unser Boot. »Ich vergaß ganz, mich vorzustellen«, sagte er, während seine beiden Untergebenen ihm dabei halfen, über die Reling zu klettern. »Ich bin Inspektor Grimoud von der Französischen
Mordkommission. Ich habe schon viele Mordfälle untersucht.
Aber einer, der vom Meer aus beobachtet wurde, ist mir während meiner ganzen Laufbahn noch nicht untergekommen.«
Ich zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. Schließlich hatte ich es mir nicht ausgesucht, Zeugin eines Mordes zu werden. Und nun wurde dieser Mord auch noch in Zweifel gezogen.
Die nächste halbe Stunde verbrachte ich damit, dem Inspektor der Mordkommission bis ins kleinste Detail zu schildern, wie ich den Mord beobachtet und wie er sich abgespielt hatte. Sogar die fliegenden Fische und die Flamingos durfte ich dabei nicht auslassen.
Als ich Grimoud jedoch das genaue Aussehen von Opfer und Täter beschreiben sollte, mußte ich eingestehen, daß ich dazu nicht in der Lage war. Zwar konnte ich durch das Fernglas erkennen, daß es sich um Mann und Frau handelte. Aber die Entfernung war doch zu groß gewesen, um das Gesicht oder andere Körpermerkmale genau beschreiben zu können.
Grimoud wirkte daher sehr unzufrieden, als er unser Boot wieder verließ.
»Ihre Beschreibung könnte auf fast jeden Menschen zutreffen, der relativ groß und von weißer Hautfarbe ist«, sagte er zum Abschluß, ehe er wieder in seiner Kajüte verschwand.
Und diesmal klang seine Stimme das erstemal mürrisch und unzufrieden.
Erik war sehr einfühlsam und verständnisvoll. Den Rest des Tages widmete er ganz allein mir. Er hatte zauberhaft gekocht und noch irgendwo eine Flasche Rotwein ausgegraben. Als wir gemeinsam auf Deck saßen, wo Erik für uns den lisch gedeckt hatte, schickte sich die Sonne gerade an, rotglühend im Meer zu versinken.
Ich hatte mich unterdessen von dem Schrecken erholt.
Trotzdem ließen mir die Worte von Inspektor Grimoud keine Ruhe. Ständig mußte ich daran denken, daß es keinen einzigen Anhaltspunkt für einen Mord gegeben hatte.
Habe ich die Vorgänge in der Villa vielleicht nur falsch gedeutet? fragte ich mich. Aber ich mußte diese Frage verneinen. Was ich gesehen hatte, war eindeutig ein Mord gewesen. Nur daß es eben kein Anzeichen dafür gab, daß sich überhaupt jemand zur fraglichen Zeit in der Villa aufgehalten hatte.
Verzweifelt schüttelte ich den Kopf. Hatte ich mir den ganzen Vorfall nur eingebildet? Hatte mich eine Spiegelung auf dem Fensterglas genarrt und mir einen Kampf um Leben und Tod vorgegaukelt?
Plötzlich spürte ich Eriks Hand auf der meinen. Ich blinzelte verwirrt und wischte meine Gedanken fort. Unsicher lächelte ich meinen jungen Gemahl an.
»Ich glaube dir«, sagte Erik einfühlsam und zeigte einmal mehr, daß er meine Gefühle und Gedanken recht gut durchschaute. »Grimoud wird sicherlich noch einen Hinweis entdecken. Er machte nicht den Eindruck, als würde er deine Anschuldigungen auf die leichte Schulter nehmen. Wenn in der Villa ein Mord stattgefunden hat, wird Grimoud den Mörder finden. Davon bin ich fest überzeugt.«
Ich lächelte meinen Mann dankbar an. Es tat gut zu wissen, daß ich mit meinen Gedanken und Gefühlen nicht allein dastand. Schließlich versuchte ich mich auf das wunderbare Essen zu konzentrieren. Und Erik gelang es mit seinem Charme, daß ich das schreckliche Erlebnis für einige Stunden vergaß.
Am nächsten Morgen holte ich meine Taucherausrüstung aus dem Gepäck und bereitete alles für einen Tauchgang vor. Erik assistierte mir dabei. Half mir, in den engen Taucheranzug zu steigen und die schweren Sauerstoffflaschen auf den Rücken zu schnallen. Er bestand darauf, daß ich ein Messer mitnahm, und überprüfte die wasserdichte Kamera, mit der ich die seltenen Fische fotografieren wollte.
Bevor ich die Taucherbrille aufsetzte, drückte er mir noch einen Kuß auf die Lippen und wünschte mir viel Erfolg. Dann ließ ich mich ins Wasser fallen.
Die See war ruhig, und es herrschten günstige Wetterbedingungen. Daher war das Wasser sehr klar und erlaubte eine weite Sicht. Ich kam schnell voran und hatte die unterseeischen Ausläufer der Insel rasch erreicht. Zwischen den Felsen tummelte sich ein buntes und vielfältiges Leben, wie es nur an wenigen europäischen Küsten noch anzutreffen war. Ich entdeckte unzählige Hummer und Langusten, die sich zwischen den Spalten des Felsgesteins versteckt hielten. Sie zu jagen, war streng verboten und wäre mir auch nicht in den Sinn gekommen. Seeigel, Seegurken und Seesterne lagen friedlich auf dem Meeresgrund. Und stellenweise war das Gestein von Wasserpflanzen und Korallen überwuchert.
Ich löste die Unterwasserkamera von meinem Gürtel und schoß ein paar Aufnahmen. Es gelang mir sogar, ein paar seltene Fische vor das Objektiv zu bekommen. Sie nisteten in Höhlen und Spalten und jagten Plankton und Algen hinterher.
Die paradiesischen Zustände dieses einmaligen Naturschutzgebietes unter Wasser faszinierten mich so sehr, daß ich ganz die Gefahren vergaß, die im Meer auf einen arglosen Taucher lauern konnten. Natürlich war ich als Meeresbiologin über diese Gefahren informiert. Und es gab einfache Verhaltensmaßregeln, die ein Risiko von vornherein ausschlossen.
Als ich den weißschillernden Hai bemerkte, der sich mir von der Insel kommend näherte, war es fast schon zu spät. Immer wieder hatte ich mich umgeschaut, um keine unliebsame Überraschung zu erleben, wenn sich mir ein gefährliches Tier vom offenen Meer näherte. Dieser Hai aber mußte sich irgendwo in der Nähe der Insel aufgehalten haben – für ein Raubtier, das das flache Wasser und die Nähe von Menschen scheute, ein ungewöhnliches Verhalten. Aber dieser Hai, der in schlängelnden, kraftvollen Bewegungen direkt auf mich zukam, bildete offenbar eine Ausnahme.
Mein erster Impuls war, so schnell wie möglich zum Boot zurückzuschwimmen und mein Heil in der Flucht zu suchen.
Aber eine Flucht war genau das Falscheste, was ich jetzt tun konnte. Der Hai würde erst recht auf mich aufmerksam werden und mir nachsetzen. Also verhielt ich mich ruhig und ließ den Menschenhai auf mich zukommen. Ich wußte, daß der Ruf des sogenannten weißen Hais schlechter war, als es sich in der Realität wirklich verhielt. Haie griffen Menschen nicht so ohne weiteres an.
Auf dieses Wissen vertraute ich, als ich reglos im Wasser schwebend der mächtigen Gestalt des Fisches entgegenblickte.
Seine Schwanzflosse ruderte durchs Wasser. Die gefährlich wirkende Rückenflosse war aufgestellt. Das Maul halb geöffnet, so daß ich die nadelspitzen Zähne deutlich sehen konnte. Ein Schwarm Mondfische, die ich gerade fotografieren wollte, ergriff die Flucht und suchte in einer Felsspalte Zuflucht vor dem Mörder.
Aber der Hai schien sich für die Fische nicht zu interessieren.
Ohne sich ablenken zu lassen, schoß er geradewegs auf mich zu. Plötzlich riß er sein Maul weit auf und entblößte seine spitzen Zähne.
In diesem Moment begriff ich, daß der Hai wirklich eine Gefahr für mich darstellte. Ich konnte mir sein Verhalten nicht erklären. Aber offenbar hatte er es auf mich abgesehen.
Im nächsten Augenblick hatte der Hai mich erreicht.
Instinktiv duckte ich mich und riß die Kamera schützend in die Höhe. Ich spürte die Strömung, als der Hai knapp über mich hinwegfegte. Sein Maul schnappte nach der Kamera und riß sie mir aus der Hand.
Entsetzt wandte ich mich um und beobachtete, wie der Hai sich hin und her warf, als wollte er das Opfer zerreißen, das er in seinem Maul trug. Rasch sah ich mich nach einem Versteck um. Ich mußte mich in Sicherheit bringen, ehe der Hai bemerkte, daß es nichts Lebendes war, was er da zwischen den Zähnen hatte.
Ich tauchte in die Tiefe und erreichte eine Fläche aus hohem Seegras.
Ich preßte meinen Körper auf den rauhen Felsgrund und hielt den Atem an, damit die aufsteigenden Luftblasen mich nicht verrieten. Das Seegras war lang, und die Strömung trieb die Halme über meinen Körper, die mich halb verdeckten.
Der Hai hatte inzwischen seinen Irrtum bemerkt. Er hatte die Kamera ausgespuckt, die jetzt nur noch ein Klumpen verformten Metalls war. Langsam und sich seiner Beute gewiß, wandte er sich um und schwamm den Grund ab.
Haie verfügen über einen ausgezeichneten Geruchssinn. Ich durfte nicht darauf hoffen, daß ich in meinem Versteck sicher war. Zumal ich nicht ewig die Luft anhalten konnte.
Irgendwann würden die aufsteigenden Blasen meiner Atemluft mich verraten.
Aber der Hai hatte offenbar schon Witterung aufgenommen.
Plötzlich schnellte er herum und hielt direkt auf mich zu.
Voller Panik griff ich nach dem Tauchermesser, das sich oberhalb meines Fußknöchels befand. Aber die Angst machte
meine Bewegungen fahrig. Verzweifelt versuchte ich die Sicherung zu lösen, die verhindern sollte, daß das Messer während des Tauchens aus dem Futteral glitt.
Jetzt hatte der Hai mich gesehen. Er stieß zu mir herab, riß das Maul auf und wollte zuschnappen. Aber in diesem Augenblick hatte ich das Messer endlich in der Hand. Ich stieß mich vom Untergrund ab und schnellte zur Seite weg. Das Maul des Hais verfehlte mich nur um Haaresbreite. Ich wollte mit dem Messer nachsetzen. Aber die Schwanzflosse erwischte mich und wirbelte mich durchs Wasser.
Für einen Augenblick wußte ich nicht mehr, wo oben und unten war. Das Messer hatte ich bei dem Schlag verloren. Ich ruderte verzweifelt mit den Armen, um mich wieder in eine stabile Lage zu bringen. Rasch orientierte ich mich. Aber viel Zeit blieb mir nicht, denn der Hai setzte zum nächsten Angriff an.
Plötzlich war er vor mir. Ein weißgraues Ungetüm, das sein schreckliches Maul zum todbringenden Biß aufgesperrt hatte.
Panisch ruderte ich mit den Beinen. Aber es hatte keinen Sinn. Mit meinen unkontrollierten Bewegungen stachelte ich den Hai nur noch mehr an. Das Maul schoß auf mich zu. Und in Erwartung des schmerzhaften und tödlichen Bisses schloß ich die Augen.
Aber der Schmerz blieb aus.
Irritiert öffnete ich die Augen wieder. Über mir befand sich der Hai, der sich mit wildpeitschender Schwanzflosse wütend hin und her warf. Dann sah ich den hauchdünnen Blutfaden, der sich von seiner Brustflosse wie ein Nebelstreifen absonderte. Ein Harpunenpfeil hatte die Flosse durchbohrt!
Ich schaute nach oben. Im gleißenden Sonnenlicht, das von der Wasseroberfläche reflektiert wurde, erkannte ich eine dunkle Gestalt. Ein Mann ohne Taucheranzug und Taucherflossen, der im blendenden Sonnenlicht wie ein
Scherenschnitt wirkte. In den Händen hielt er eine Harpune.
Und war gerade damit beschäftigt, einen neuen Pfeil einzulegen.
Erik! durchfuhr es mich, als ich den Mann erkannte. Doch im nächsten Augenblick schoß der Hai auch schon auf Erik zu.
Wenn ich gekonnt hätte, ich hätte in dieser Sekunde laut aufgeschrien. Aber das Mundstück zwischen meinen Lippen hinderte mich daran. Hilflos mußte ich mit ansehen, wie der Hai wütend auf meinen Geliebten zustrebte. Er hatte Erik fast erreicht. Aber da war es Erik endlich gelungen, den zweiten Pfeil einzuspannen. Er legte an und drückte ab.
Erik war kein besonders guter Schütze. Wahrscheinlich stand er unter demselben Druck wie ich. Auf jeden Fall verfehlte der Pfeil den Hai nur knapp. Aber Erik hatte Glück im Unglück.
Denn der Pfeil hatte den Kopf des Hais gestreift und ihn am linken Auge verletzt.
Das Her bäumte sich auf, schnellte orientierungslos durchs Wasser. Schließlich schoß es auf den Meeresgrund zu und bewegte sich sichtlich angeschlagen die unterseeischen Ausläufer der Insel hinauf.
Nur eine Sekunde wunderte ich mich über das sonderbare Verhalten des Hais, der, anstatt sein Heil im offenen Meer zu suchen, wieder auf die Insel zuschwamm.
Aber dann wurden diese Überlegungen ausgelöscht. Erik!
war der einzige Gedanke, der in meinem Bewußtsein noch Raum hatte. Wir mußten uns in Sicherheit bringen, ehe der Hai zurückkehrte.
Rasch setzte ich mich in Bewegung und hielt auf Erik zu.
Gemeinsam erreichten wir die Wasseroberfläche. In der Nähe trieb das kleine Ruderboot, das immer mit dem Kiel nach oben auf dem Deck der KATTEGAT geruht hatte.
Erik hatte es zu Wasser gelassen, und es stellte nun unsere letzte Rettung dar.
Ich ergriff Eriks Arm und schwamm mit Hilfe der Schwimmflossen so schnell ich konnte zum Ruderboot. Dabei saß mir die Angst im Nacken und spornte mich dazu an, die letzten Kraftreserven aus meinem Körper herauszuholen.
Dann hatten wir es geschafft. Erik zog sich als erster über den Bootsrand. Dann ergriffen seine starken Arme meinen Körper und zogen mich in die Höhe.
Keine Sekunde zu früh. Denn schon näherte sich die bedrohlich wirkende Rückenflosse, die spitz aus dem Wasser herausragte und eine Kette von Bläschen und Schaum hinter sich herzog.
Der Hai war zurückgekehrt!
Gebannt hielt ich den Atem an. Rechnete jeden Augenblick damit, daß der Hai das kleine Boot kenterte. Aber Erik drosch mit dem Ruder wie verrückt auf das Wasser ein und schlug den Hai damit erneut in die Flucht. Dann machte sich Erik daran, uns mit kräftigen Ruderzügen zur KATTEGAT
zurückzubringen.
Mir kam es fast wie eine Ewigkeit vor, bis wir die Segeljacht endlich erreicht hatten. Aber der Hai griff uns nicht noch einmal an. Offenbar hatte er die Nase voll und es vorgezogen, sich zurückzuziehen.
Als wir endlich an Deck standen, sahen Erik und ich uns ganz außer Atem in die Augen. Wir wußten beide, daß wir nur knapp dem Tod entronnen waren.
»Als ich die Rückenflosse des Hais an der Wasseroberfläche sah, habe ich sofort reagiert«, erklärte Erik, als er wieder zu Atem gekommen war. »Ich ließ das Beiboot zu Wasser und ruderte wie verrückt. Und als ich sah, wie sich das Wasser wegen eures Kampfes aufwühlte, fürchtete ich schon, ich würde zu spät kommen…«
Ich legte ihm einen Finger auf die Lippen. »Es ist ja noch einmal gutgegangen«, sagte ich sanft. »Du hast mir das Leben gerettet!«
Schließlich fielen wir uns in die Arme und klammerten uns wie Ertrinkende fest aneinander…
Am darauffolgenden Tag lichteten wir die Anker und setzten die Segel. Bis nach Cannes, unserem nächsten Reiseziel, waren es noch sechzig Kilometer. Ich hatte auf der Abreise bestanden, obwohl Erik Einwände dagegen erhoben hatte. Er befürchtete, daß ich meinen Entschluß zu voreilig traf und ihn hinterher bereuen würde. Schließlich hatte ich mich schon seit geraumer Zeit auf die Tauchgänge in dem Naturschutzgebiet gefreut. Aber der Mord und der Angriff des Haifisches hatten mir den Aufenthalt bei Port Cros gründlich verdorben. Ich versicherte Erik mehrmals, daß es mir mit der Abreise ernst sei.
»Außerdem ist die Insel Port Cros nicht die einzige Sehenswürdigkeit, die sich einer angehenden Meeresbiologin an der Côte d’Azur anbietet«, erklärte ich. »Wir können später immer noch zu den Inseln zurückkehren. Aber im Moment ist mir der Aufenthalt in diesem kleinen Paradies mehr als verleidet.«
Schließlich hatte Erik eingesehen, daß mich nichts in dieser Gegend halten würde. Er gab zu, daß er es selbst für sehr bedenklich hielt, in Anbetracht des gefräßigen Haifisches, der in diesen Gewässern sein Unwesen trieb, mich zu weiteren Tauchgängen zu ermutigen.
Also stachen wir wieder in See. Der Wind war nur mäßig, und so benötigten wir fast zwei Tage, bis wir endlich den Hafen von Cannes erreichten.
Es war nicht einfach, in dem überfüllten Hafen noch einen Liegeplatz für die KATTEGAT zu finden. Die bevorstehenden Filmfestspiele hatten schon viele Neugierige angelockt. Große Motorjachten und teuer anmutende Segeljachten lagen hier dicht bei dicht. Aber schließlich gelang es uns doch noch, einen Liegeplatz zu ergattern. Zwar mußten wir einen stolzen Preis dafür bezahlen, aber wir hatten genügend Geld von Eriks Eltern erhalten, so daß uns die Kosten nicht in die Knie zwangen.
Eriks Vater hatte darauf bestanden, daß wir unsere Flitterwochen in einem der besten und bekanntesten Hotels von Cannes verbrachten. Zu diesem Zweck hatte er uns im Negress ein Zimmer mit Doppelbett vorbestellen lassen. Im Negress verkehrten angesehene Regisseure und Schauspieler, Filmproduzenten und Autoren. Und Eriks Vater hatte keine Kosten und Mühen gescheut, um seinem Sohn und seiner jungen Braut dort ein Zimmer zu besorgen.
Erik sah sich ein wenig unbehaglich in dem Foyer des luxuriösen Hotels um. Die Rezeption bestand aus goldgeädertem Marmor. Von der hohen Decke hingen schwere Kronleuchter. Die Sitzgarnituren, die um die niedrigen Mahagonitische gruppiert waren, waren mit feinem, handschuhweichem Leder bezogen.
Der Herr an der Rezeption war ein wenig verwirrt, weil wir zwei Tage eher angereist waren, als es die Buchung vorgab.
Aber es stellte sich heraus, daß unser Zimmer nicht belegt war und wir es jetzt schon beziehen konnten.
»Ich glaube, mein Vater hat es mal wieder gut mit uns gemeint«, kommentierte Erik. »Ein einfacheres, schlichtes Hotel hätte es auch getan. Noch bin ich nicht der berühmte Regisseur und Drehbuchautor, als den mein Vater mich gerne sehen würde. Und es ist überhaupt die Frage, ob ich je so bekannt werde wie Chabrol oder Steven Spielberg.«
Ich hakte mich bei ihm unter und lächelte ihn aufmunternd an. »Man fährt eben nur einmal in die Flitterwochen«, dämpfte ich seine Bedenken. »Sicherlich hat dein Vater uns auch unter diesem Aspekt dieses prunkvolle Hotel ausgesucht. Und daß du nicht so berühmt bist wie die beiden Männer, die du eben aufgezählt hast, darüber bin ich recht froh. Ich glaube kaum, daß du noch Zeit für mich hättest, wenn du ständig an irgendwelchen Drehorten wärst.«
Erik schaute zu mir herab und lächelte. »Wahrscheinlich hast du recht. Laß uns diesen Aufenthalt in Cannes genießen. Das nächste Mal, wenn wir hier sind, um einen Film von mir vorzustellen, müssen wir vielleicht am Strand schlafen, weil wir uns kein Hotel leisten können.«
Bei diesem Gedanken mußte ich unwillkürlich lächeln. Ich hatte Vertrauen in Erik und seine Arbeit als Filmemacher.
Sicher würde er es nicht zu solchem Ruhm wie einige seiner amerikanischen Kollegen bringen. Aber am Hungertuch brauchte er trotzdem nicht zu nagen. Außerdem hatte eine Meeresbiologin auch kein schlechtes Einkommen.
Während wir uns über dieses Thema noch länger unterhielten, führte uns ein livrierter Hotelpage zu unserem Zimmer im dritten Stock.
Staunend hielt ich den Atem an, als der Page die Tür zu unserem Zimmer öffnete und sich ein großer, pompöser Raum dahinter auftat.
Ein rundes, großes Bett mit Seidenüberzug befand sich in der Mitte des Raumes. Eine Wandseite wurde ganz von einem verspiegelten Schrank ausgefüllt. Auf der gegenüberliegenden Seite befand sich eine Tür, die in das mit Marmor ausgelegte Badezimmer führte. Daneben befand sich eine kleine Zimmerbar.
Am schönsten aber war der Ausblick, der sich aus den hohen, bogenförmigen Fenstern darbot. Von hier aus konnten wir den
Hafen und das Meer sehen. Ein kleiner, halbrunder Balkon lud dazu ein, aus sicherer Entfernung das rege Straßenleben von Cannes zu betrachten.
»Wunderschön«, gab ich meiner Begeisterung Ausdruck.
Erik gab dem Pagen ein Trinkgeld und wies ihn an, unsere Koffer vor den verspiegelten Schrank abzustellen. Als der Page gegangen war, trat Erik von hinten an mich heran und umarmte mich. Gemeinsam sahen wir still aus dem Fenster und genossen die Nähe des anderen.
»Ich habe Hunger«, gestand ich nach einer Weile.
»Dann laß uns in das Restaurant des Hotels gehen«, schlug Erik vor. »Dann können wir uns auch gleich ein Bild davon machen, mit wem wir alles unter einem Dach wohnen.«
An dem Glitzern in seinen blauen Augen konnte ich ablesen, daß er sich die ganze Zeit schon auf diesen Augenblick gefreut hatte.
Ich löste mich von Erik und verschwand im Badezimmer, um mich für den Auftritt im Restaurant zurechtzumachen. Cannes verwandelte sich zur Zeit der Filmfestspiele in einen überdimensionalen Laufsteg. Dementsprechend fiel auch die Wahl meiner Garderobe aus, als ich in Stockholm meine Koffer für die Flitterwochen packte.
»Du siehst einfach umwerfend aus«, lobte mich Erik, als ich fertig war. Ich hatte ein langes schwarzes Kleid angezogen, dessen Oberteil mit Straßsteinen reich verziert war. Meine blonden Haare, die ich elegant hochgesteckt hatte, wurden durch den schwarzen Stoff und die glitzernden Steine noch zusätzlich hervorgehoben.
Stolz auf seine schöne Frau, umschlang Erik meine Hüfte und trat mit mir hinaus auf den Flur. Erik trug einen grauen luftigen Anzug aus Leinen. Wir waren beide sehr glücklich.
Aber kaum hatten wir den Flur betreten, da wurde die Zimmertür schräg gegenüber geöffnet, und ein älteres Paar trat heraus.
Als ich den Mann und die Frau sah, setzte mein Herzschlag für einen Augenblick aus. Ich hielt plötzlich in meiner Bewegung inne und starrte die Fremden an.
Die beiden hatten eine erschreckende Ähnlichkeit mit dem Paar, das ich in der mauretanischen Villa auf Port Cros gesehen hatte. Nur daß der gesetzt wirkende Mann mit dem graumelierten Haar seine schlanke, hochgewachsene Begleiterin untergehakt hatte und ungezwungen mit ihr sprach.
Diese Frau hätte eigentlich tot sein müssen. Erwürgt von dem Mann, an dessen Seite sie sich nun befand.
Erik, der spürte, daß irgend etwas mit mir nicht stimmte, sah mich besorgt an. Auch dem älteren Paar schien aufgefallen zu sein, daß ich sie aus weit aufgerissenen Augen angestarrt hatte.
Der Mann sah mich stirnrunzelnd an. Blickte dann auf die Nummer unseres Zimmers und nickte kaum merklich. Er löste sich von seiner Partnerin und ging auf uns zu.
»Madame und Monsieur Henderson, wenn ich mich nicht täusche«, sagte er ohne erkennbare Regung.
Erik sah den Mann verwundert an. »Das ist richtig«, bestätigte er. »Kennen wir uns?«
»Wohl kaum«, ließ sich der Mann abschätzig vernehmen.
»Die Polizei hat mich heute aufgesucht. Ich muß zugeben, es war schwer für die Beamten, mich zu finden. Die Vorbereitungen für die Filmfestspiele sind sehr zeitraubend.
Die verschiedenen Kinos müssen ihr Programm erstellen. Ich bin also viel unterwegs. Aber die Herren von der Polizei konnten mich schließlich doch noch ausfindig machen. Sie erzählten mir, jemand habe beobachtet, wie in meiner Villa ein Mord geschehen sei. Ich war natürlich schockiert. Aber es hat sich wohl herausgestellt, daß die Zeugin«, und hierbei sah er
mich durchdringend an, »sich offenbar geirrt hatte. Es wurde weder eine Leiche noch der Mörder gefunden.«
»Dann sind Sie Monsieur Tyras«, bemerkte Erik, der die Zusammenhänge langsamer begriff als ich.
»Etienne Tyras«, stellte der Mann sich vor. Und während er auf die Frau im Hintergrund deutete, sagte er: »Und das ist meine Frau Mona. Von der Polizei erfuhren wir, daß Sie ebenfalls in diesem Hotel wohnen werden. Ich brannte daher schon darauf, diejenigen kennenzulernen, die glauben, in meiner Villa gingen Mörder ein und aus.«
Ich hätte in diesem Augenblick vor Scham im Boden versinken mögen. Aber trotzdem hielt ich meinen Kopf aufrecht und sah mein Gegenüber fest an. Ich hatte den Mord wirklich gesehen. Und für einen Augenblick hatte ich sogar geglaubt, in dem Ehepaar Tyras Opfer und Täter vor mir zu sehen.
»Sie müssen entschuldigen«, sagte Erik in diesem Augenblick. »Es lag gewiß nicht in unserer Absicht, Sie in Schwierigkeiten zu bringen. Aber meine Frau ist sich sicher, daß sie diesen Mord wirklich gesehen hat. Sie an meiner Stelle hätten genauso gehandelt. Es war einfach meine Pflicht, die Polizei zu verständigen.«
Etienne Tyras sah Erik aus zusammengekniffenen Augen an.
Aber dann entspannten sich seine Gesichtszüge, und ein Lächeln huschte über seine schmalen Lippen.
»Da muß ich Ihnen natürlich zustimmen«, sagte er, wobei kein Vorwurf mehr in seiner Stimme mitschwang. »Frauen können sehr eigenwillig sein. Ich selbst kann davon auch ein Lied singen.« Verstohlen blickte er dabei zu seiner Frau, die immer noch im Hintergrund stand und sich uninteressiert von uns abgewandt hatte.
»Es ist manchmal besser, sich dem Willen der Frau zu beugen. Und besonders dann, wenn sie glauben, etwas gesehen zu haben, was ihre leicht erregbaren Gemüter erhitzt.«
Erik an meiner Seite wurde unruhig. Ich spürte, daß er weder mir noch Etienne Tyras zu nahe treten wollte und es daher vorzog zu schweigen. Mir allerdings war die Art, wie Tyras über Frauen sprach, sehr zuwider. Aber bevor ich einen Einwand erheben konnte, wandte sich Tyras direkt an mich.
»Wie wäre es, wenn wir diesen kleinen Vorfall, der uns notgedrungen miteinander bekannt gemacht hat, vergessen. Ich lade Sie zu einer Party auf meiner Jacht ein.« Tyras wandte sich wieder an Erik. »Ich habe gehört, Sie sind Filmemacher aus Schweden und werden in Cannes Ihr Debüt vorführen. Auf der Party werden auch einige Größen der Filmindustrie anwesend sein. Es dürfte für Sie nicht von Schaden sein, sich bei ihnen bekannt zu machen.«
»Sie sind sehr zuvorkommend«, sagte Erik zurückhaltend.
Etienne Tyras zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Junge Talente müssen gefördert werden«, behauptete er. »Mein Schiff heißt NACHTPERLE. Um zwanzig Uhr beginnt die Party.«
Mit diesen Worten wandte er sich um und kehrte zu seiner Frau zurück. Erik und ich blieben noch eine Weile stehen. Die Einladung kam für uns sehr überraschend. Mit gemischten Gefühlen sah ich dem Ehepaar Tyras nach. In meinen Augen waren die beiden sehr undurchsichtige Gestalten.
»Sonderbarer Mensch«, flüsterte Erik, als die beiden um eine Korridorbiegung verschwunden waren. Aber dann schüttelte er seine Beklemmungen ab und lächelte mich fröhlich an.
»Besser hätte unser Einstieg in Cannes gar nicht laufen können«, sagte er schmunzelnd. »Jetzt haben wir sogar schon eine Einladung zu einer Party, auf der wichtige Leute vertreten sind. Wenn das kein glücklicher Zufall ist.«
Ich war froh, daß Erik der ganzen Sache nur eine positive Seite abgewinnen konnte. Ich konnte ein gewisses mulmiges Gefühl jedoch nicht abschütteln. Die Ähnlichkeit des Ehepaars Tyras mit den beiden Menschen, die ich in der Villa beobachtet hatte, verwirrte mich. Ich konnte mir die Vorfälle einfach nicht erklären.
Aber schließlich folgte ich Erik in den pompösen Speisesaal.
Und in Anbetracht all des Glamours vergaß ich den kleinen Zwischenfall rasch wieder.
Um acht Uhr abends begaben wir uns zum Hafen. Die Stadt leuchtete in bunten Farben. Die Straßen waren geschmückt, und überall hingen Vorankündigungen auf die Programme der verschiedenen Kinos. Jeder Winkel der Stadt schien von hektischer Aktivität erfüllt. Cannes bereitete sich auf das große Filmfestspiel vor!
Mit einem kleinen Motorboottaxi ließen wir uns zur NACHTPERLE übersetzen, die einen Kilometer vom Hafen entfernt Anker gelichtet hatte. Schon als wir uns der großen Jacht näherten, waren die Geräusche eines ausgelassenen Festes zu vernehmen. Bunte Girlanden, Leuchtketten und Lametta glänzten im Licht der Deckbeleuchtung. Männer in schwarzen Anzügen und Frauen in Galakostümen waren zu sehen.
Erik und ich sahen uns einen Augenblick stumm an. »Dann wollen wir uns mal in das Getümmel stürzen«, sagte Erik, der eigentlich nicht viel für solche Veranstaltungen übrig hatte.
Aber diese Partys gehörten zum Filmgeschäft nun einmal dazu.
Das Taxiboot legte längsseits an, und wir erklommen die NACHTPERLE über eine Metalltreppe, die extra für diesen Zweck angebracht worden war.