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Dieser Band enthält folgende Romane: Das Erbe von Dunmillion Castle (Ann Murdoch) Der Magier von London (Ann Murdoch) Harzer Wölfe (Jonas Herlin) 'The Magnificent McPherson', einer der größten lebenden Magier, und seine bezaubernde Assistentin Amelia entkommen nur knapp einem feigen Mordanschlag. Steckt sein ärgster Konkurrent 'The great Barnaby' dahinter oder beginnt die Mordserie erneut, die alle dreiunddreißig Jahre "Titan's Hall" wie ein Fluch heimsucht? Jennifer McPherson, die Tochter des Magiers, versucht die Hintergründe aufzudecken...
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Seitenzahl: 370
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Romantic Thriller Spezialband 3051 - 3 Romane
Copyright
Das Erbe von Dunmillon Castle
Der Magier von London
Harzer Wölfe: Unheimlicher Thriller
Dieser Band enthält folgende Romane:
Das Erbe von Dunmillion Castle (Ann Murdoch)
Der Magier von London (Ann Murdoch)
Harzer Wölfe (Jonas Herlin)
'The Magnificent McPherson', einer der größten lebenden Magier, und seine bezaubernde Assistentin Amelia entkommen nur knapp einem feigen Mordanschlag. Steckt sein ärgster Konkurrent 'The great Barnaby' dahinter oder beginnt die Mordserie erneut, die alle dreiunddreißig Jahre „Titan’s Hall“ wie ein Fluch heimsucht? Jennifer McPherson, die Tochter des Magiers, versucht die Hintergründe aufzudecken...
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
von Ann Murdoch
Der Umfang dieses Buchs entspricht 101 Taschenbuchseiten.
Dunmillon Castle, Irland. – Diese Erbschaft hat es in sich! Nicht nur, dass sich die Erbberechtigten auf eine absurde Schnitzeljagd begeben müssen, um an den Nachlass zu gelangen, nein, für drei von ihnen kommt es noch dicker. Alistair, Liza und Dominik haben ein gefährliches Abenteuer zu bestehen, und der Butler James Herrisson scheint etwas zu verbergen. Dann mischt auch noch ein leibhaftiger Geist mit! Doch das Geheimnis, das dahintersteckt, wartet mit einer großen Überraschung auf …
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Alle Rechte vorbehalten.
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Eine weiche, milchige Gestalt stand vor Alistair, strömte eine eisige Kälte aus und einen furchterregenden Gestank. Aber es war nichts Greifbares, so sehr Alistair auch mit den Händen fuhrwerkte. Dann ertönte plötzlich so etwas wie Kettengerassel, und die milchige Gestalt vor Alistair stöhnte grauenhaft und schmerzvoll. Danach kehrte unvermittelt Stille ein. Doch als der Australier sich endlich wieder unter Kontrolle hatte, begann der Geist plötzlich zu sprechen. Die Stimme war wesenlos, wie auch das Gespenst gestaltlos war. »Du, der du gekommen bist, um das jahrhundertealte Geheimnis zu lösen, wirst deine Seele aufgeben müssen. Und du wirst gegen die Gesetze der Menschen verstoßen müssen. Aber ich warne dich: Nur wer reinen Herzens ist, kann dich besiegen und wird die Macht erhalten ...«
Der alte Mann stand im Gewölbe und sprach mit einem möglicherweise imaginären Wesen, denn es war niemand zu sehen.
»Und du wirst aufpassen, dass niemand, der nicht alle Prüfungen überstanden hat, den Schatz an sich reißt?«
»Es ist meine Bestimmung und mein Schicksal, dem zu gehorchen, der der Herr über das Schloss ist. Du hast bisher nicht viel von mir verlangt, und dafür bin ich dir dankbar. Ich werde deinen Wunsch erfüllen«, erklang es aus dem Nichts. Nur wer genau hinsah, konnte einen milchigen Schemen erkennen, der leicht herumtänzelte.
»Ich hoffe sehr für dich, mein Nachfolger wird dich endlich ganz aus dem Bann entlassen«, sagte der alte Mann.
»Wenn er die Bedingungen für meine Freilassung erfüllt. Er muss eine Frau von Herzen lieben und bereit sein, für sie alles zu geben, sogar sein Leben. Und die Frau muss ebenso denken, sonst wird alles hinfällig.«
»Ich werde dafür sorgen«, versprach der Alte. »Aber nun pass auf: Es kann sein, dass jemand dich täuschen will.«
»Niemand kann mich täuschen, denn ich sehe in die Herzen der Menschen.«
»Ich werde mich auf dich verlassen. Und so wird sich erfüllen, was geschrieben steht. Die Prophezeiung der Brannagh: Nur wer selbstlos liebt, wird ein würdiger Lord für das Schloss sein.«
»Auch du hast einmal die Prophezeiung erfüllt«, stellte der Geist fest.
»Ja, und ich habe es bitter bereut, denn die Frau war plötzlich anderer Ansicht. Ich hoffe, dass du endlich zur Ruhe kommst und dass das Schloss in gute Hände übergeht.«
»Ich werde deinen Auftrag erfüllen, und du wirst in Ruhe sterben können.«
Der alte Mann schritt die Stufen hoch, die in die Halle von Dunmillon Castle führten. Nach ihm würde es nur der rechtmäßige Erbe tun können, wobei eigentlich egal war, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handeln würde. Die Hauptsache war, dass dieser Erbe über diese Fähigkeit verfügte: ein reines Herz und ein selbstloses Wesen in der Liebe zu einem anderen Menschen.
Richard Montgomery schloss aufatmend die Tür hinter der letzten Patientin. Er war Arzt in London, hatte eine gutgehende Praxis, war aber an diesem Tag dennoch froh, dass er Mrs. Kilpatrick verabschieden konnte. Die Frau kam jede Woche mindestens einmal mit einer neuen eingebildeten Krankheit. Richard war sicher, das einzige, was ihr fehlte, war eine sinnvolle Beschäftigung, aber das würde er ihr nicht sagen. Immerhin war sie die Ehefrau eines Abgeordneten, somit mühelos in der Lage, seine horrenden Rechnungen zu bezahlen, und daher eine sprudelnde Einnahmequelle. Er verordnete ihr teure Vitaminpillen und hörte ihr zu, wenn sie ihm von ihren »furchtbaren Belastungen« erzählte, die darin gipfelten, dass sie Teegesellschaften oder Parties gab und besuchte.
Aber nun hatte Montgomery Feierabend für heute. Nachdenklich nahm er einen Brief zur Hand, der mit der Post gekommen war. Absender war ein renommiertes Notariat in Dublin, das ihn, Richard Montgomery, aufforderte, sich in einer Woche auf Dunmillon Castle in Irland einzufinden, um der Testamentseröffnung des verstorbenen Lord Brannagh beizuwohnen. Es folgte noch der Hinweis, dass ein Aufenthalt von mindestens vier Tagen erforderlich sei, Richard möge entsprechend disponieren.
Montgomery kramte in seiner Erinnerung, was er wohl mit diesem Lord zu tun hatte. War er vielleicht einmal einer seiner Patienten gewesen? Aber an diesen Namen konnte er sich nicht erinnern. Nun gut, er würde ja sehen, worum es ging. Dem Geld war er sicher nicht böse, und um etwas anderes konnte es sich bei einer Testamentseröffnung ja kaum handeln.
Zufrieden und voll freudiger Erwartung machte er für seine Sekretärin einen Vermerk, alle Termine in dem entsprechenden Zeitraum zu streichen.
Charles Henry Pembroke der Dritte war ein waschechter Texaner und das schon in der dritten Generation, wie der etwas füllige Mann mit den dicken Brillengläsern und den kräftigen Augenbrauen gern betonte. Er war Besitzer einer großen Rinderfarm, kannte keine finanziellen Sorgen und liebte es, Geschäfte per Handschlag zu bestätigen.
»Wer einen solchen Handel nicht einhält, wird auch einen schriftlichen Vertrag brechen«, verkündete er regelmäßig mit lauter Stimme.
Sein ein und alles war neben der Rinderzucht seine ebenfalls dickliche Frau Samantha, die er liebevoll »Kälbchen« nannte. In der heutigen Post nun fand er einen Brief von einem Notar aus Dublin. Auch er sollte sich auf Dunmillon Castle einfinden.
Eine gute Weile überlegte er, was das zu bedeuten hätte. Bis sein Blick in dem lichtdurchfluteten Büro auf einer sehr alten vergilbten Fotografie hängenblieb: James Arthur Pembroke, sein Ur-Ur-Ur-Großvater, der während der großen Hungersnot aus Irland ausgewandert war und sich hier in Texas angesiedelt hatte. Nach vielen Schwierigkeiten war es ihm gelungen, hier eine Farm auf die Beine zu stellen, woran allerdings seine deutschstämmige Frau nicht ganz unbeteiligt gewesen war.
Vielleicht hatte dieser Brief etwas mit diesem Vorfahr zu tun. Auf jeden Fall würde Charlie, wie er allgemein gerufen wurde, nach Irland fliegen. Geld konnte man nie genug haben, und im Übrigen betrachtete er das Ganze als Abenteuer.
»Sie sehen aus wie mein fünfter Ehemann«, gurrte Maryann Pembroke, als sie dem Mann zuprostete, der ihr an der Bar gegenübersaß.
»So?«, fragte dieser etwas gelangweilt. Er mochte die Frau nicht besonders. Sie sah zwar teuer und gepflegt aus, doch sie wirkte aufdringlich, ihre Gesten und ihr Lachen waren ihm zu laut und zu affektiert und für seinen Geschmack trank sie zu viel. Dennoch versuchte er höflich zu sein und heuchelte Interesse.
»Zum wievielten Mal sind Sie gerade verheiratet?«,
Maryann lachte triumphierend.
»Ich bin gerade zum vierten Mal geschieden.«
Der Mann verschluckte sich an seinem Drink, stand hustend auf und verließ fast fluchtartig die Bar. Maryann sah ihm etwas wehmütig hinterher. Nun gut, dann eben nicht, vielleicht ergab sich ja etwas auf dieser Testamentseröffnung, zu der sie eingeladen war. Hier in Dumfries in Schottland schien es keinen Mann mehr zu geben, der auf sie einging, so würde sie ihr Glück eben in Irland versuchen. Und wahrscheinlich kam auch noch der Glücksfall dazu, dass sie etwas erbte, wenn ihr auch nicht ganz klar war, von wem es stammen sollte. Maryann war fest entschlossen, eine Erbschaft nicht auszuschlagen. Geld konnte sie bei ihrem aufwändigen Lebensstil immer brauchen.
Dominik Sinclair rollte missmutig die Blaupausen zusammen, auf denen das Gebäude zu sehen war, das er entworfen hatte. Eigentlich war es wichtig, dass er sich um die Bauaufsicht für dieses Projekt kümmerte. Aber zwei Dinge gab es, die ein Hindernis darstellten: Zum einen war es sein Chef, der den Ruhm für dieses bahnbrechende Bauwerk selbst einheimsen wollte, zum anderen gab es da einen Brief aus Irland, in dem er zu einer Testamentseröffnung eingeladen wurde. Der Himmel mochte wissen, wer da verstorben war.
Dominik hatte keine verwandtschaftlichen Verhältnisse nach Europa, soweit er wusste. Auch wenn hier in Ontario jeder zweite eine europäische Ahnengalerie vorzuweisen hatte, wobei es niemanden störte, dass die meisten dieser Ahnen erfunden waren. Aber vielleicht würde er ja so viel erben, dass er die Arbeit in diesem verhassten Büro aufgeben konnte, in dem er stets um die Früchte seiner Arbeit gebracht wurde.
Vielleicht konnte er sich selbständig machen.
Vielleicht … sehnsüchtig floh sein Blick nach draußen, verlor sich in unendlicher Weite.
Entschlossen stand er auf, ging in das Büro seines Chefs und erklärte, dass er einige Tage Urlaub brauche. Als ihm dieser verweigert wurde, kündigte Dominik fristlos.
Es hatte am Morgen genieselt, ein feiner weicher Regen, der herunterkam wie Samt und Seide, dann aber waren die Wolken rasch verschwunden, und eine strahlende Sonne tauchte die Landschaft in Licht, ließ das wunderbare Grün der Felder und Wälder aufleuchten und den blauen Himmel noch blauer erscheinen. Auf Dunmillon Castle war die Flagge des Geschlechts auf Halbmast aufgezogen worden.
An diesem Tag sollte die Testamentseröffnung sein, exakt einen Monat nach dem plötzlichen und kaum bekannt gewordenen Ableben des letzten Lord Brannagh, der seit zwanzig Jahren sehr zurückgezogen gelebt hatte, so dass ohnehin schon jedermann der Meinung gewesen war, seine Lordschaft weile nicht mehr unter den Lebenden.
Der Notar, Kenneth Fitzpatrick, stand in der großen Bibliothek, als es an der Haustür klingelte. Er machte dem Butler James Herrisson mit den Augen ein Zeichen, dieser lächelte kurz, setzte dann eine steinerne Miene auf und schritt durch die Empfangshalle, um den ersten Gast zu begrüßen. Es handelte sich um eine junge Frau, 26 Jahre vielleicht, die ein wenig zaghaft hereinkam.
»Verzeihen Sie, bin ich hier richtig?«, fragte sie schüchtern und zog aus ihrer Handtasche einen Brief.
»Sie sind Elizabeth Pembroke aus Melbourne«, stellte der Butler fest; es klang nicht wie eine Frage.
Sie nickte, und ihr brandrotes Haar, das in ungebändigten Locken das schmale, sommersprossige Gesicht umrahmte, flog sanft auf und ab.
»Folgen Sie mir bitte«, sagte Herrisson und schritt davon, ohne ihr eine Möglichkeit zur Erwiderung zu geben. Er führte sie in die Bibliothek, wo der Notar sie begrüßen wollte, doch er kam gar nicht zu Wort.
»Ich bin sicher, dass ein Missverständnis vorliegt«, begann Liza, wie sie von ihren Freunden genannt wurde. »Und ich habe immer wieder versucht, Sie telefonisch zu erreichen. Aber Ihre Sekretärin hat darauf bestanden, dass ich kommen soll. Und Sie hatten ja auch ein Flugticket beigelegt, aber das war bestimmt hinausgeworfenes Geld, denn mich können Sie auf keinen Fall gemeint haben. Ich bin nur eine kleine Lehrerin an einer Grundschule, besitze keine Verwandten und schon gar keine in Irland. Es tut mir leid, dass Sie mit mir die Falsche benachrichtigt haben, und ich will Ihnen auch keine Schwierigkeiten machen, aber ganz sicher kann ich Ihnen nicht helfen. All das wäre nicht passiert, wenn Sie einmal ans Telefon gegangen wären. Dann hätten wir alles sofort aufklären können. Und nun will ich Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.«
Fitzpatrick, der ein ausgesprochen ruhiges und heiteres Gemüt besaß, hatte die junge Frau aussprechen lassen, nur von Zeit zu Zeit war ein amüsiertes Lächeln über seine Lippen gehuscht. Ihm gefiel es, wie Liza ihn so vehement von einem Irrtum überzeugen wollte. Doch der Notar wusste, dass sie hier völlig richtig war, und sie würde es schon noch merken.
»Sind Sie nun fertig?«, fragte er sanft.
Ein wenig erschöpft hielt die junge Frau inne und schaute ihn aus leuchtend grünen Augen an.
»Ja, das war alles«, erklärte sie.
»Mein liebes Kind«, begann Fitzpatrick. »Ich habe Ihre Rede aufmerksam verfolgt, und ich bin sicher, in kurzer Zeit werden Sie verstehen, dass gerade Sie hier richtig sind. Ersparen Sie mir im Augenblick bitte jede weitere Erklärung, das wird sich alles finden, Miss Pembroke. Und nun wollen Sie sich sicher frisch machen. James wird Ihnen Ihr Zimmer zeigen.«
Liza wusste gar nicht, wie ihr geschah, folgte dem Butler aber etwas benommen, der sie eine breite Treppe unterhalb großer, in Blei gefasster Fenster hinaufführte. Irgendwo blieb Liza wie angewurzelt stehen und starrte auf das Porträt, das an der Wand hing.
»Aber das bin ja ich – in einer anderen Zeit«, stammelte sie betroffen.
Herrisson drehte sich um, in seinen Augen lag ein wehmütiger Schimmer, was die junge Frau jedoch nicht bemerkte.
»Das ist die Großmutter Seiner Lordschaft, Seiner verstorbenen Lordschaft. Und die Ähnlichkeit ist wirklich frappierend, Madam. Darf ich nun bitten?«
Verstört folgte ihm Liza. Was ging hier vor? Weshalb hatte man sie eingeladen, und warum sah diese Frau aus alter Zeit so aus wie sie selbst?
Tief in Gedanken versunken, entging ihr so die Ankunft von Charles Henry Pembroke dem Dritten aus Texas.
»Mein lieber Mann, das ist ja ein ganz schöner Nobelschuppen, was, Kälbchen? So was fehlt uns noch auf unserer Farm, was glaubst du, wie die Millers vor Neid erblassen werden.«
Laut polternd war Charlie hereingestürmt, seine Frau Samantha im Schlepptau. Fitzpatrick hatte selbst die Tür geöffnet, da Herrisson noch oben bei Liza war. Der Notar war regelrecht erschlagen vom Auftreten des Texaners, fing sich aber gleich wieder und setzte ein freundliches Lächeln auf, weigerte sich jedoch standhaft, auch nur eine der Fragen, die Charlie wie ein Wasserfall heraussprudelte, zu beantworten.
»Es wird sich alles zu gegebener Zeit auflösen, Sir. Ich darf Sie nun in Ihre Zimmer bitten.«
James stand an der Treppe und nahm sich des Pärchens an. Fitzpatrick schickte einen hilfesuchenden Blick gen Himmel und fluchte gleichzeitig lautlos, dass dieser unmögliche Mensch seine Frau mitgebracht hatte, das war weder vorgesehen noch erwünscht. Aber nun war es geschehen, und man würde das Beste daraus machen müssen.
Als nächster kam Richard Montgomery, der die Einrichtung des Schlosses mit Kennermiene taxierte. Auch seine Fragen wurden nicht beantwortet, und so zog er sich gleichmütig auf sein Zimmer zurück.
Dann traf Dominik Sinclair ein. Seine neugierigen Blicke galten der Architektur des Schlosses, und Fitzpatrick sah förmlich, wie der Architekt im Geiste die Baupläne durchging. Auch der Kanadier stellte Fragen, wurde aber wie die anderen vertröstet.
Es folgte der Auftritt Maryanns, die in einem sündhaft teuren Kostüm erschien, mit übertriebenen Gesten und schriller Stimme verkündete, dass sie auf gar keinen Fall ohne Zofe zurechtkäme. Am Zimmer selbst hatte sie zwar nichts auszusetzen, doch das Bett fand keine Gnade vor ihren Augen. Herrisson und der Notar hatten ihre liebe Müh und Not, die Frau ein wenig zu besänftigen.
Dann standen die beiden unten in der Halle, der Notar schaute auf die Uhr und seufzte.
»Einer fehlt noch, dann könnten wir anfangen. Alistair scheint unpünktlich zu sein.«
»Es kann viele Gründe geben, die eine Verspätung bedingen. Warten wir noch ein wenig«, erwiderte der Butler.
Der zu spät kommende Alistair Montgomery hatte gute Gründe für seine Verspätung. Bis einen Tag vor dem Termin hatte er nämlich noch in Sydney im Gefängnis gesessen. Gleich nach seiner Entlassung war er dann zum Flughafen gefahren, hatte sich dort mit dem wenigen Geld, das er im Gefängnis verdient hatte, neu eingekleidet und war gleich darauf in das nächste Flugzeug nach London gestiegen. Von dort hatte er die kleine Maschine der Air Lingus genommen und erreichte Dublin eine knappe Stunde später. Mit dem letzten Geld zahlte er den Mietwagen, der ihn nach Dunmillon Castle brachte, wo er wie ein Wirbelsturm in die mittlerweile eröffnete Versammlung platzte.
»Wir haben einen bindenden Termin, und so gern ich auch noch einen Tag warten würde, wir müssen anfangen«, erklärte Fitzptrick etwas betrübt um 19 Uhr. »Also werden wir die anwesenden Erben für 20 Uhr zusammenrufen und anfangen.«
Herrisson neigte zustimmend den Kopf.
Es war früh dunkel geworden an diesem Septemberabend, und der Butler hatte überall Leuchter aufgestellt, die zusätzlich zum elektrischen Licht von der Deckenlampe eine warme, gemütliche Stimmung verbreiteten. Die geladenen Erben saßen auf unbequemen hochbeinigen Stühlen oder standen an der Anrichte, auf der sich eine gut bestückte Bar befand.
»Nun rücken Sie schon mit der Sprache heraus, Sie Paragraphenreiter«, dröhnte die Stimme von Charlie dem Dritten. »Wieviel kriegt jeder von uns? Und wer ist überhaupt der Erblasser? Ich kenne keinen Lord Brannagh. Nicht, dass ich etwas gegen eine Erbschaft habe, aber ...«
Fitzpatrick hob die Hand, und alle verstummten.
»Ich eröffne hiermit das Testament des Lord Edwyn Brannagh, Herr von Dunmillon Castle. Leider sind nicht alle Erbberechtigten ...«
Mit einem Ruck wurde die Tür aufgestoßen, ein breitschultriger Mann mit leuchtend blauen Augen und hellblondem, fast weißem Haar kam herein. Falten zerfurchten das Gesicht des vielleicht Vierzigjährigen, doch das, machte ihn eher sympathisch und anziehend.
So empfand wohl auch Maryann, die den Neuankömmling mehr als nur interessiert musterte. Liza warf ihm einen neugierigen Blick zu, doch dann wanderten ihre Augen fasziniert zu Dominik zurück, den sie bereits eine ganze Weile betrachtet hatte.
Der Kanadier sah auch unverschämt gut aus. Er mochte wohl gerade die dreißig überschritten haben, besaß braunes, naturkrauses Haar, eine lange, etwas breite Nase und seltsam grüne Augen. Es war ein fast verwischtes Grün, in dem sich noch andere Farben spiegelten, die niemand eindeutig festlegen konnte. Seine Stimme klang weich, aber bestimmt, und seine Gesten waren eindeutig, trotz der schlanken, kräftigen Hände, die sehr sanft wirkten. Die junge Frau konnte sich einfach nicht gegen das Herzklopfen wehren, das sie plötzlich befiel.
»Ich bitte, meine Verspätung zu entschuldigen, doch ich wurde aufgehalten. Hoffentlich störe ich jetzt nicht zu sehr. Habe ich etwas verpasst?«
Die Augen Alistair Montgomerys blickten von einem zum anderen, schienen jeden zu taxieren und in eine bestimmte Schublade einzuordnen. Dann ging er mit weichen, eleganten Schritten zu dem letzten freien Stuhl und blickte Fitzpatrick an. Dieser lächelte sanft und wissend.
»Da nun alle Erbberechtigten anwesend sind, können wir beginnen. Es ist mehrfach die Frage aufgeworfen worden, wer Lord Brannagh war und in welchem Verhältnis Sie alle zu ihm standen. Diese Frage ist relativ einfach zu beantworten. Ein jeder von Ihnen hat unter seinen Vorfahren jemanden, der ausgewandert ist. Und jeder dieser Auswanderer stand in unmittelbarer Verwandtschaft zu dem damals herrschenden Lord. Wenn gewünscht, werde ich für jeden von Ihnen eine entsprechende Ahnentafel erstellen. Doch nun kommen wir zu den wirklich wichtigen Dingen.«
Er nahm einen versiegelten Umschlag, erbrach das Siegel, holte einen Briefbogen heraus und begann zu lesen.
Ich, George Henry Patrick Alistair Sinclair, Lord of Brannagh, Herr von Dunmillon, bestimme hiermit im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte folgendes: Die hier heute zusammengekommenen Personen, unmittelbare Nachkommen meiner ausgewanderten Verwandten, werden innerhalb der nächsten drei Tage in Dunmillon selbst bestimmen, welchen Anteil sie an meinem Erbe haben werden. Ich habe in diesen Mauern an verschiedenen Stellen sechs verschiedene Münzen versteckt. Jede dieser Münzen bezeichnet einen bestimmten Anteil, der jetzt jedoch nicht bekanntgegeben wird, um keine Konkurrenz aufkommen zu lassen. Sie alle haben genau drei Tage für die Suche. Wer eine Münze gefunden hat, meldet sich bei Mr. Fitzpatrick und kann die restliche Zeit bis zum erneuten Zusammentreffen hier in Ruhe verbringen. Niemand darf zwei Münzen besitzen. Dass bei der Suche kein Schaden angerichtet wird, dürfte im Interesse jedes einzelnen liegen, da im Prinzip jeder von ihnen das Schloss erben könnte. Ich wünsche viel Vergnügen.
Der Notar ließ das Blatt sinken und blickte in die Gesichter der vor ihm Sitzenden. Er sah Unglauben, Verständnislosigkeit, sogar blanke Wut.
»Das ist die verrückteste Klausel, von der ich je gehört habe«, empörte sich Richard Montgomery. »Sollen wir hier im Schloss eine Schnitzeljagd veranstalten wie kleine Kinder?«
»Warum eigentlich nicht?«, warf Alistair ein.
»Wie hoch beläuft sich das Gesamtvermögen, um das wir hier spielen?«, wollte Charlie wissen.
»Sechs Millionen Pfund plus Schloss und Ländereien«, sagte der Notar.
Dominik stieß einen Pfiff aus. »Selbst, wenn ich nur zehntausend davon bekäme, würde es mir reichen, um mich selbständig zu machen«, sagte er zufrieden.
»Und ich könnte damit eine nette kleine Farm kaufen«, erklärte Liza hoffnungsvoll.
»Mein Gott, was seid ihr Kinder bescheiden«, spöttelte Maryann. »Da kostet ja ein Diamantring von mir schon mehr.«
»Aber macht ein Ring Sie auch so zufrieden wie die Arbeit, die man für sich selbst erbringt?«, wollte Liza wissen.
Verständnislos starrte Maryann die Jüngere an. »Arbeit? Bin ich denn verrückt? Ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht gearbeitet. Was soll denn daran zufrieden machen?«
Dominik zwinkerte Liza verständnisvoll zu, sie lächelte zurück und errötete leicht.
Alistair stand auf. »Ich weiß nicht, warum wir unsere Zeit mit unnützen Reden vergeuden. Lasst uns auf die Suche gehen. Auch wenn es eine Art Schnitzeljagd ist«, sagte er mit einem ironischen Unterton in Richtung Richard.
Dieser wirkte noch immer empört. »Ich weiß wirklich nicht, was dieser Unsinn soll«, murrte er.
»Sie können selbstverständlich zurücktreten, Mr. Montgomery«, warf der Notar ein. »Ihr Anteil fällt dann an denjenigen, der das Schloss bekommt.«
»So dumm bin ich nun auch wieder nicht.«
Der Raum leerte sich mit erstaunlicher Schnelligkeit. Zurück blieben Fitzpatrick und Herrisson.
»Ich fürchte, wir werden in den nächsten drei Tagen das absolute Chaos erleben«, prophezeite der Notar düster.
»Und ich glaube, es wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Es ist die beste Möglichkeit herauszufinden, wer des Erbes wirklich würdig ist.«
Fitzpatrick schüttelte missbilligend den Kopf. »Ich halte es für eine verrückte Idee. Aber nun läuft alles, und es ist ohnehin nicht mehr zu ändern.«
Liza war eigentlich schon fest entschlossen abzureisen. Die Atmosphäre in diesen Räumen behagte ihr nicht. Die anderen Erben hatten sich wie wilde Furien benommen bei der Aussicht auf so viel Geld. Sicher, auch sie würde sich über Geld freuen, um nicht mehr Tag für Tag für ihr spärliches Gehalt Kindern etwas beizubringen, was diese als absolut unnütz empfanden. Sie könnte reisen, fremde Länder kennenlernen, sich ein Haus kaufen und würde wesentlich weniger Sorgen haben als bisher. Aber wenn sie dafür so ausfallend und gierig werden musste wie die anderen, dann verzichtete sie lieber. Es gab Dinge im Leben, die mit Geld allein nicht zu kaufen waren.
Aber waren denn alle außer ihr materiell orientiert?
Nein, wohl doch nicht alle. Da war Dominik, der vielleicht auch nicht in diesen Kreis gehörte. Zumindest schien er nicht so sehr auf das Geld erpicht zu sein. Natürlich würde auch er es brauchen können, er sah schon von der Kleidung her nicht so aus, als wäre er mit großen Reichtümern gesegnet. Außerdem machte er einen sympathischen Eindruck. Und auch Alistair schien nicht zu den Hyänen zu gehören, die sich gnadenlos auf das Erbe stürzten. Dennoch, hier gehörte sie nicht her, sagte sich Liza ganz energisch. Und im nächsten Moment stand sie vor dem Schrank, in den sie ein wenig achtlos ihre Sachen hineingestopft hatte. Ursprünglich hatte sie am nächsten Morgen alles ordentlich einräumen wollen, aber das konnte sie sich nun ja schenken.
Nein, sie würde sofort packen und wieder abreisen. Für Geld machte sie sich nicht zum Affen.
Gerade nahm sie einen Pullover in die Hand, als es an der Tür klopfte. Der Butler kam unaufgefordert herein mit einem Tablett auf der Hand, auf dem sich ein Glas und eine Karaffe befanden. Als er sah, dass Liza im Begriff war zu packen, zog er in unnachahmlicher Weise die Augenbrauen hoch, stellte das Tablett auf einem Tischchen ab und schaute die junge Frau aufmerksam an.
»Hat Sie jemand beleidigt, Madam?«
Verwirrt verneinte Liza.
»Gefällt Ihnen dieses Zimmer nicht?«
»Doch, sehr gut sogar«, beteuerte sie.
»Sind Sie mit der Bedienung durch das Personal nicht zufrieden?«
»Alles ist perfekt«, erwiderte Liza schon fast verzweifelt.
»Mr. äh Harrison?«
»Herrisson«, berichtigte der Butler, »man spricht es sehr weich auf die französische Art aus.«
»Also gut, Mr. Herrisson …«
»James«, korrigierte er erneut mit einem amüsierten Lächeln. Es schien ihm Spaß zu machen, die junge Frau von einer Verlegenheit in die nächste zu stürzen, nur um zu verhindern, dass sie weiterpackte. Doch da hatte er nicht mit der Entschlossenheit der jungen Australierin gerechnet.
»Also gut, James«, begann sie erneut mit einem Unterton, der ihn warnte, sie noch einmal zu unterbrechen. Doch das amüsierte Lächeln verschwand nicht von seinem Gesicht.
»Ich finde, dass sich hier die meisten der Erben aufführen wie die Verrückten. Und da ich dieses Verhalten schon fast infantil finde, werde ich auf keinen Fall länger bleiben. Unter solchen Umständen verzichte ich auf das Erbe und reise ab!«
»Könnten Sie das Geld nicht brauchen?«
»Doch, natürlich, eher als einige von den anderen.«
»Und trotzdem wollen Sie abreisen?«
»Ich bin nicht bereit, mich mit diesen Leuten auf einen blödsinnigen Wettbewerb einzulassen. Nein danke, ich verzichte.«
Bevor James noch etwas sagen konnte, flog die Tür auf, und Dominik stürmte herein. Sein Gesicht strahlte, und seine Augen funkelten, als er begann auf Liza einzureden, ohne zu bemerken, dass sie begonnen hatte zu packen.
»Liza, was halten Sie davon, wenn wir gemeinsam auf die Suche gehen? Ich glaube nicht, dass wir beide uns so bekriegen können wie die anderen. Oder täusche ich mich? Du lieber Himmel, was tun Sie hier eigentlich?«
Er hatte den geöffneten Koffer entdeckt und die Kleidung, die sie schon eingepackt hatte.
»Ich packe«, kam kurz und bündig die Antwort.
»Warum? Wegen der anderen? Oder habe ich Ihnen etwas getan? Das würde mir sehr leid …«
»Miss Pembroke hält es für unter ihrer Würde, sich in einen Wettstreit mit den anderen Erbberechtigten einzulassen«, erwiderte James.
»Ach nein, nicht doch. Liza, Sie werden sich doch nicht von den anderen ins Bockshorn jagen lassen«, protestierte Dominik.
»Tut mir leid, aber was hier abläuft, ist nicht meine Sache. Ich werde mich nicht darauf einlassen, mich wie eine Verrückte aufzuführen und hinter versteckten Münzen oder Kobolden herzujagen«, erwiderte sie scharf.
James stand vor ihr und lächelte, als er ihr seine warmen breiten Hände auf die Schultern legte.
»Und wenn ich Ihnen sage, wo Ihre Münze liegt?«, fragte er weich.
»Was soll das?«, fragte sie bitter. »Was liegt Ihnen daran, dass ich bleibe? Und warum wollen Sie mir helfen?«
Misstrauen flackerte in ihren Augen, und ihr Gesicht hatte einen abweisenden Ausdruck angenommen. Auch Dominik schaute den Mann mit dem weißen Haar und den Lachfältchen um die ruhigen blauen Augen abwehrend an.
»Was ist das für ein Spiel, das Sie hier spielen? Ihr Privatvergnügen?«
»Es tut mir leid, dass Sie mich missverstehen. Ich meine dieses Angebot ernst«, erwiderte James ruhig. »Sie beide sind nicht wie die anderen.«
»Das können Sie laut sagen«, empörte sich Liza.
»Aber das allein kann nicht der Grund sein«, dachte Dominik laut.
Ohne sich dessen bewusst zu sein, trat er näher an die junge Frau heran und legte wie beschützend einen Arm um ihre Schultern. Der Butler lächelte herzlich, als er das Paar vor sich sah. Die beiden sahen aus wie füreinander geschaffen.
»Sehen Sie«, begann Herrisson, »ich diente Seiner Lordschaft seit sehr vielen Jahren. Und es ist mir ein unerträglicher Gedanke, dass all das Hab und Gut in raffgierige Hände fallen soll, die damit weder umgehen noch es würdigen können. Und Sie beide sind eben anders. Außerdem bin ich ein alter Mann, der gern hier im Schloss seinen Lebensabend verbringen möchte. Das bedingt jedoch ein gewisses Verständnis von Seiten des neuen Besitzers. Bei Ihnen habe ich das Gefühl, dass Sie mich nicht einfach hinauswerfen würden.«
»Das würde ich niemals tun«, rief Liza, und auch Dominik nickte bestätigend mit dem Kopf.
James machte plötzlich ein geheimnisvolles Gesicht, ging an den Kamin und hantierte dort eine Weile herum. Plötzlich schwang ein Teil der Wand zur Seite und gab eine Nische frei. Der Mann griff hinein und nahm ein Kästchen heraus. Das hielt er vor Liza hin, die es überrascht nahm. Dominik machte große Augen, als die junge Frau den Deckel aufklappte. Eine sehr alte Münze lag darin. Dass sie alt war, konnte man nicht übersehen, denn die Patina vergangener Jahrhunderte lag auf ihr.
»Das ist alles?«, fragte Dominik fast enttäuscht.
Ein verständnisvolles Lächeln huschte über das faltige Gesicht des Butlers.
»Dies ist nicht mehr als ein Zeichen, dass Ihnen etwas zusteht«, beschwichtigte er die aufkommende Erregung. »Es ist ein Sinnbild, wenn Sie so wollen. In drei Tagen wissen Sie dann mehr.«
»Und nun stehe oder sitze ich hier drei Tage herum«, seufzte Liza. »Verstehen Sie mich nicht falsch, James, ich bin Ihnen dankbar für Ihre Hilfe, aber es liegt mir nicht, tatenlos herumzusitzen.«
»Ich bin ja auch noch da«, protestierte Dominik sanft. »Sie könnten mir beim Suchen helfen.«
»Das wird nicht nötig sein«, mischte sich James noch einmal ein. »Selbstverständlich werde ich auch Ihnen die Münze aushändigen. Und im Übrigen stehen Ihnen natürlich alle Einrichtungen des Schlosses zur Verfügung einschließlich der umfangreichen Bibliothek. Außerdem gibt es in der Nähe einen kleinen, aber wohlgepflegten Golfplatz.«
»Das alles immer unter der Voraussetzung, dass die anderen Erben uns in Ruhe lassen«, erwiderte Liza ernst. »Denn es wird denen mit Sicherheit merkwürdig vorkommen, dass wir schon jetzt nicht mehr suchen müssen.«
»Das lassen Sie im Zweifelsfall meine Sorge sein«, sagte James gemessen, während hinter seinem ruhigen Äußeren tausend schelmische Fünkchen tanzten.
Alistair hatte die seltsame Eröffnung mit innerer Unruhe vernommen, auch wenn er sich nach außen hin kaum etwas anmerken ließ. Zunächst war ihm noch der Gedanke durch den Kopf geschossen, die anderen um die Münze zu bringen, doch dieses Vorgehen verbot sich nach den Klauseln im Testament von selbst.
In seinem Zimmer begann er nun ruhig zu überlegen. Im Prinzip konnte man eine Münze an unendlich vielen Stellen verbergen, doch immerhin sollte sie ja gefunden werden, und so würden die Verstecke zu entdecken sein.
Er schenkte sich aus einer Karaffe einen Whisky ein und genoss das Aroma des edlen Tropfens, bevor er trank. Sein Blick schweifte umher, ruhelos und suchend.
Mit dem Glas in der Hand ging er zum Kamin, untersuchte die Marmorumrandung, drückte und zog auf der Suche nach einem Versteck, einem Geheimgang oder was auch immer.
Doch vorerst fand er nichts.
Maryann Pembroke war zeit ihres Lebens eine berechnende Frau gewesen, sie hatte immer gewusst Vorteile voll und ganz auszunutzen. Nachdem sie sich entschlossen hatte, das Erbe auf jeden Fall anzutreten, ging sie mit einer Tatkraft zu Werke, die jeden ihrer diversen Ehemänner und Liebhaber in Erstaunen versetzt hätte. Zum ersten Mal war Maryann bereit etwas zu tun, bevor sie etwas nahm.
Aber zunächst ging sie ein wenig planlos an die Suche heran. Sie öffnete sämtliche Schreibtischschubladen in ihrem Zimmer, warf achtlos Schreibzeug und andere Utensilien auf den Boden, tastete mit den Fingern, ob sie irgendwo etwas finden könnte, fluchte vor sich hin und schaute sich dann ratlos im Zimmer um. Eine wertvolle Vase nahm sie von einem Tischchen, schüttelte sie und warf sie achtlos zu Boden, wo sie in tausend Scherben zerschellte. Aus dem Schrank zerrte sie ihre Kleidung und warf sie auf das Bett, tastete den Schrank von innen ab.
Immer noch nichts!
Wütend schlug Maryann gegen die Wand.
Wo konnte man eine Münze verstecken? Praktisch überall, nicht nur in diesem Zimmer!
Zornig zog die Frau an der Klingelschnur, bis eines der Hausmädchen auftauchte, welches völlig verschreckt auf das Chaos starrte.
»Bringen Sie dieses Durcheinander in Ordnung, und hören Sie auf so herumzuglotzen!«, befahl Maryann in scharfem Ton.
Das Mädchen knickste verstört und machte sich an die Arbeit, während Maryann aus dem Zimmer hinausstolzierte und gleich darauf im Flur ihre Blicke schweifen ließ.
»Kälbchen, das ist eine merkwürdige Sache«, rief Charles Henry Pembroke III., als er das Zimmer betrat, in dem seine Frau auf ihn gewartet hatte. Selbstverständlich hatte sie der Testamentseröffnung nicht beigewohnt.
»Hast du nun etwas geerbt oder nicht?«, fragte Samantha.
Die füllige, lebenslustige Frau saß mit einem Teller voller Konfekt auf dem Sofa und kaute eifrig. Ihr himmelblauer Blick über den vollen roten Wangen drückte sanfte Neugier und Liebe zu ihrem Mann aus.
Charlie erzählte ihr alles, und Samantha lachte glucksend.
»Ich glaube, deine Verwandten sind … nein, sie waren humorvolle Leute. Also los, suchen wir deine Münze, Charlie. Ich denke, das wird ein lustiges Abenteuer.«
»Ich glaube, irgendwie hast du recht, Kälbchen, auch wenn ich erst dachte, das sei kein Job für einen waschechten Texaner. Aber wenn ich so meine Ahnen betrachte, dann sind wir ja direkt vornehm. Auf jeden Fall können wir den Millers was erzählen. Machen wir uns also einen Spaß draus, schaden kann es ja nicht.«
Samantha stellte ihren Teller ab, gab ihrem Mann einen schallenden Kuss auf die Wange und begann sich umzusehen.
Am späten Abend saßen James Herrisson und Notar Fitzpatrick im gemütlichen Zimmer des Butlers. Beide hatten ein Glas Wein vor sich stehen, und dazwischen befand sich ein Schachbrett, auf dem wertvolle Figuren von den beiden Männern hin und hergeschoben wurden.
»Ich halte es immer noch für eine verrückte Idee«, sagte der Notar nach einer Weile. »Die Erben werden das Schloss Stein für Stein abbauen, wenn wir nicht aufpassen.«
»Nun, ich denke, ganz so schlimm wird es nicht werden, auch wenn Abigail kurz nach dem Essen Mrs. Pembroke aus Dumfries nur mit Mühe davon abhalten konnte, die Wäschekammer auszuräumen.«
»Welchen tieferen Sinn soll die Suche überhaupt erfüllen? Im Grunde ist sie doch sinnlos.«
»Ganz und gar nicht«, schmunzelte Herrisson. »Auf diese Weise lässt sich feststellen, wer so sehr hinter dem Geld her ist, dass er dafür auch über Leichen geht. Oder wer den gesunden Menschenverstand an die erste Stelle setzt wie die junge Liza aus Australien. Sie wäre mit einem bescheidenen Betrag zufrieden, um es im Leben etwas einfacher zu haben. Sie verlangt im Grunde nichts, ebenso wie Dominik aus Kanada. Die beiden wären übrigens ein schönes Paar.«
»Ach, ich glaube, dass Alistair besser zu ihr passen würde, wenn sein Vorstrafenregister nicht wäre. Aber davon abgesehen finde ich, dass er sich gut benommen hat.«
»Warten wir ab, ich bin fast sicher, dass er noch etwas im Schilde führt.«
Die beiden Männer prosteten sich zu und vertieften sich wieder in ihr Schachspiel.
Plötzlich wurde die Tür heftig aufgerissen, nachdem ein kurzes, nachlässiges Klopfen zu hören gewesen war. In der Tür stand der Hausdiener Gregory und rang nach Atem. Seine Augen blitzten vor Vergnügen, seine Wangen waren rot vor Aufregung, und er schnappte vor Lachen immer wieder nach Luft.
»Was gibt es?«, fragte James, während ein sanftes Lächeln um seine Mundwinkel spielte, als wisse er, was nun käme.
»Mrs. Maryann Pembroke«, stieß Gregory hervor. »Sie ist im Stall und untersucht die Satteltaschen.«
Das Frühstück am zweiten Morgen nach Beginn der Suche fand in Katerstimmung statt.
Liza und Dominik fanden sich schon früh ein, und beide waren bester Laune.
Richard saß bereits an dem langen Tisch im Esszimmer und starrte missmutig in seinen Kaffee. In der linken Hand hielt er eine Zigarette, an der er nervös zog.
»Guten Morgen«, grüßte Liza fröhlich.
Montgomery knurrte undeutlich etwas, das ebenso gut ein Gruß wie eine Verwünschung sein konnte. Dann hob er den Blick.
»Sie scheinen ja richtig gute Laune zu haben«, bemerkte er verstimmt.
»Dominik und ich machen heute ein Picknick«, erzählte Liza strahlend.
»So, dann wollen Sie wohl auf Ihr Erbe verzichten?«
»Aber nein, wir haben unsere Münzen gefunden«, erwiderte sie.
»Ach, wirklich, und ich war mittlerweile zu der Ansicht gekommen, dass es sich bei dieser Erbschaftsangelegenheit um einen ausgemachten Schwindel handeln muss«, erwiderte er bitter.
Liza schaute ihn aufmunternd an.
»Ich bin ganz sicher, dass Sie auch noch Ihren Teil finden werden, Sie dürfen nur nicht aufgeben«, mahnte sie sanft.
»Wer könnte diesen Augen widerstehen«, knurrte Montgomery besänftigt. Er stand auf und holte sich noch einen Kaffee. »Sie sind felsenfest von dem überzeugt, was Sie sagen, ja? Nun gut, ich werde es noch einmal versuchen.«
Er steckte sich eine neue Zigarette an und rauchte in hastigen Zügen.
Keinem der Anwesenden war aufgefallen, dass der Butler dem Gespräch aufmerksam gefolgt war. Doch als Richard Montgomery später sein Zimmer betrat, fand er einen kleinen Zettel auf dem Tisch.
Versuchen Sie es mal im Geheimfach im Schreibtisch. Ein Freund.
Wenig später war der Arzt damit beschäftigt, sämtliche Laden und Wände des Schreibtisches abzutasten, irgendwo musste ja das Geheimfach sein.
An den Worten des ominösen Freundes zu zweifeln kam ihm nicht in den Sinn.
Samantha Pembroke war bei all ihrer Fülligkeit dennoch eine gründliche und zupackende Frau. Peinlich genau hatte sie das ganze Zimmer auseinandergenommen, ohne ein Chaos wie Maryann zu hinterlassen, bevor sie sich eine neue Aufgabe stellte. Der lange Flur draußen vor den Zimmern fiel ihr ins Auge, und so begann sie, Bilder von den Wänden abzuhängen. Als auch das erfolglos blieb, nahm sie sich die dekorativen Ritterrüstungen vor.
Und hier wurde sie fündig, sehr zu ihrer eigenen Überraschung.
Charles Henry hatte sich bei der Suche nicht eingemischt, er verließ sich voll und ganz auf seine bessere Hälfte. So erstaunte es ihn nicht besonders, als Samantha mit der Münze in der Hand triumphierend ins Zimmer kam.
»Schön gemacht, Kälbchen«, sagte er nur und versetzte ihr zufrieden einen Klaps auf das Hinterteil.
»Und jetzt habe ich Hunger«, verkündete Samantha höchst befriedigt und klingelte nach dem Mädchen.
Alistair hatte ebenfalls ohne Erfolg sein Zimmer abgesucht, doch im Gegensatz zu Samantha nahm er keine Ritterrüstungen auseinander. Als Gewohnheitsverbrecher überlegte und handelte er anders, und da er davon ausging, dass der verblichene Lord Brannagh sehr wohl über sein Vorleben informiert war, nahm er auch an, dass der Tote seine Gedankengänge ganz genau darauf abgestimmt hatte.
Da in seinem Zimmer nichts weiter als zwei Geheimgänge zu finden gewesen waren, die irgendwo im Untergrund endeten, verlegte Montgomery seine Suche in die Bibliothek. Systematisch begann er die Bücher zu durchsuchen, die entweder etwas mit Verbrechen oder mit Münzen im weitesten Sinne zu tun hatten. Ohne Ungeduld durchforstete Alistair die Bibliothek, wobei ihm sehr zustatten kam, dass er nicht nur hochintelligent, sondern auch äußerst belesen war. Er fand sogar Gefallen an all den Kostbarkeiten und bedauerte es eigentlich, nicht mehr Zeit dafür zu haben. Dass er in seinem Leben nichts aus dieser Intelligenz gemacht hatte, die ihm jetzt sehr zustatten kam, war eine andere Sache.
»Nicht in meiner Küche«, ereiferte sich die wohlbeleibte, sonst gutmütige Köchin und fuchtelte erregt mit dem Schneebesen herum.
»Aber ich will doch nur ...«, begann Maryann etwas hilflos, wurde dann aber sofort wieder unterbrochen.
»Meinetwegen können Sie den Sand in der Sahara nach Ihrer vermaledeiten Münze absuchen, aber nicht hier!«, wiederholte Estelle Graham.
Sie stand seit undenklichen Zeiten in den Diensten des jeweiligen Schlossherrn, und sie verteidigte ihr Territorium unnachgiebig. Maryann hatte nicht mit so viel Widerstand gerechnet. Eigentlich hatte sie gar nicht mit Widerstand gerechnet, immerhin waren das hier doch nur Dienstboten, und so hatte sie zunächst gar nichts auf die Proteste der Köchin gegeben. Die Frau war ihr einfach nur lästig gewesen. Doch nun schob die füllige Frau sie wie eine störende Fliege hinaus, und Maryann wusste, dass sie mit ihrem vielgerühmten Charme hier nicht weiterkommen würde. Sie gab also widerstrebend nach und ging zurück in die große Halle. Dann schalt sie sich eine Närrin: Warum war sie überhaupt in die Küche gegangen? Das war genauso eine dumme Idee gewesen wie die Sache mit dem Pferdestall. Die Stallburschen hatten sich hinter ihrem Rücken schlapp gelacht, und der Stallmeister hatte sie einige Zeit herumwerkeln lassen, bis er ihr freundlich erklärte, dass sie hier ganz sicher nichts finden würde, da Seine Lordschaft niemals den Stall betreten hatte. Er erwartete seine Reitpferde stets draußen. Maryann war vor Scham puterrot angelaufen wie bei ihrem ersten Rendezvous vor undenklichen Zeiten und hatte blitzartig den Stall verlassen.
Und nun überlegte sie. Wer immer die Münze versteckt hatte, besaß Stil und Intelligenz. Ganz sicher hätte sie sich nicht vor Bediensteten demütigen lassen müssen. Ganz sicher befand sich das Versteck woanders, an einer auch für eine Dame zugänglichen Stelle. Aber wo?
Herrisson ging gerade die Treppe hinauf. Wenn es überhaupt einer wusste, dann er.
Maryann fiel es in diesem Moment nicht auf, dass auch er ein Bediensteter war. Das Verhalten des Butlers war einfach so, dass er sich wesentlich vornehmer benahm als die meisten anderen, die ebenfalls erben wollten. Allein dieser Gedanke war es, der Maryann veranlasste, mit dem Mann ein Gespräch zu beginnen.
»Herrisson, einen Augenblick bitte«, rief sie und beeilte sich, ihn auf der Treppe einzuholen.
»Madam«, sagte James gemessen und wartete.
»Hören Sie, wie lange sind Sie schon hier im Schloss?«, fragte sie atemlos.
»Mein Leben lang. Ich wurde schon hier geboren.«
»Und Sie kennen jeden Winkel und jedes Versteck, nicht wahr?«, forschte sie weiter.
»Selbstverständlich. Soweit das einem einzelnen Menschen überhaupt möglich ist, Madam.«
»Dann helfen Sie um Himmelswillen einer armen alleingelassenen Frau«, bat sie mit einem hilflosen Augenaufschlag, der die meisten Männer dahinschmelzen ließ, zumindest war es vor zwanzig Jahren so gewesen. Herrisson ließ sich jedoch nicht davon beeindrucken.
»Wobei darf ich helfen, Madam?«, fragte er mit sonorer Stimme. »Haben Sie vielleicht einen besonderen Wunsch? Ich bin sicher, die Köchin ...«
»Bloß nicht«, entfuhr es Maryann.
»Nein, nein, ich meine … ich will … ach, Herrisson, ich kann die dumme Münze nicht finden. Und ganz sicher sind Sie der einzige, der mir weiterhelfen kann. Sagen Sie mir, wo ich suchen soll. Nur ein kleiner Anhaltspunkt, bitte. Es soll Ihr Schaden nicht sein.«
Der Butler schaute die Frau fast ausdruckslos von oben bis unten an, und Maryann, die noch nie auf eine solche Art gemustert worden war, lief plötzlich knallrot an wie ein Schulmädchen, das beim Rauchen erwischt worden ist.
Verlegen senkte sie den Blick, fasste sich aber gleich wieder.
»Sehen Sie, es ist ganz einfach so, ich habe noch nie arbeiten müssen, und der einzige Sinn meines Lebens war und ist meine Schönheit. Und ich bin nicht dumm genug zu glauben, dass das immer so bleiben wird. Aber nun breche ich mir die Fingernägel ab, zerreiße Strumpfhosen und bringe meine Frisur in Unordnung. Das alles im Grunde für nichts, denn ich habe keinen Erfolg. Was soll ich noch tun?«
Hilflos stand sie vor ihm, als hätte sie ihre Seele entblößt, und zwei kleine dünne Tränen bahnten sich unbewusst einen Weg über die sorgfältig geschminkten Wangen. Herrisson räusperte sich ganz diskret.
»Ich will sehen, was ich für Sie tun kann, Madam«, sagte er dann reserviert, aber nicht unfreundlich. »Es geht selbstverständlich nicht an, dass Ihre Schönheit unter der Suche, die absolut unter Ihrer Würde ist, leidet.«
Dann ging er weiter, und Maryann fragte sich, wie seine Worte wohl gemeint waren. Ihre Doppeldeutigkeit war ihr nicht entgangen, wohl aber der Bezug.
Fitzpatrick, der Notar, hatte gerufen, und alle kamen. So zumindest lautete der erste Eindruck. Doch im Innern der meisten Anwesenden brodelte es, und der Notar wusste das auch. Dennoch benahm er sich ein wenig umständlich, als wolle er mit Bedacht die Prozedur hinauszögern.
Aufmerksam ließ er die Blicke schweifen, bevor er sich umständlich die Brille abnahm und diese sorgfältig putzte.
»Ich nehme an, jeder von Ihnen hat inzwischen eine Münze vorzuweisen«, begann er.
Sogleich nestelten verschiedene Hände an diversen Taschen und Geldbörsen.
Fitzpatrick nahm einen versiegelten Briefumschlag, erbrach das Siegel und las, dann blickte er auf.
»Jede Münze weist einen bestimmten Nennwert auf«, fuhr er fort, als habe es keine Pause gegeben. »Diese Nennwerte bezeichnen den Wert des Erbes.«
Augenblicklich wandten die Erben ihre Blicke auf die Münzen.
»Ich habe eine römische Sesterze«, sagte Alistair laut.
»Und ich einen Gulden«, ertönte Dominik Sinclairs Stimme.
»Einen echten Silberdollar, wie es sich für einen Texaner gehört«, dröhnte Charles Henry III.
Es stellte sich heraus, dass es drei antike und drei moderne Münzen gab, was einiges Unverständnis auslöste. Die antiken Münzen besaßen Alistair, Liza und Dominik; Richard, Maryann und Charlie die anderen.
»Dann werde ich jetzt vorlesen, wem welche Art von Erbe zusteht«, sagte Fitzpatrick, und augenblicklich herrschte Ruhe.
»Da nun alle Erben selbst festgelegt haben, was sie erwartet, bestimme ich hiermit Folgendes:
Die Besitzer der modernen Münzen erhalten jeweils fünfzigtausend Pfund zur freien Verfügung. Die Summe soll netto ausgezahlt werden, die darauf entfallende Erbschaftssteuer hat der Universalerbe zu tragen.«
»Und wer ist der Universalerbe?«, fragte Maryann gespannt.
»Und was ist mit den anderen Münzen?«, wollte Richard wissen.
»Dazu kommen wir gleich«, erwiderte der Notar. »Ich frage Sie drei jetzt: Sind Sie bereit, Ihr Erbe anzunehmen?«
Etwas zögernd nickten die drei. Allen war klar, dass sie schneller nie wieder an eine solche Summe kommen würden.
Der Notar vermerkte das Einverständnis auf dem Briefbogen und ließ die drei unterschreiben.
»Nun kommen wir zu den anderen Erbberechtigten«, fuhr er fort. »Sie haben es immer noch selbst in der Hand, was Sie erben werden. Seine Lordschaft bittet Sie, in das unterirdische Labyrinth des Schlosses zu gehen. Dort befindet sich an unbekannter Stelle der Schatz derer von Brannagh. Der Weg dorthin führt über unzählige Fallen und Irrgänge, außerdem gibt es angeblich noch ein Schlossgespenst, welches den Schatz bewacht. Sie drei, Miss Liza, Master Dominik und Master Alistair, werden mit allem Nötigen ausgerüstet, dann aber werden Sie auf sich allein gestellt sein. Wer den Schatz oder auch den größten Teil davon findet, erbt das Schloss, das Vermögen und auch den vererbbaren Titel derer von Brannagh. Selbstverständlich haben Sie die Möglichkeit, dieses nicht ungefährliche Abenteuer abzulehnen, aber Seine Lordschaft wollte unbedingt sichergehen, dass sein Erbe würdig ist. Wenn jemand ablehnt, erhält er oder sie nichts.«
Über die Gesichter der drei waren verschiedene Empfindungen gehuscht, Unglaube, Schrecken, Unverständnis, Ablehnung, Hoffnung, Skepsis. Aber auch die anderen drei hatten tief Luft geholt.
»Wir sollen nur fünfzigtausend kriegen, und die machen einen Spaziergang durchs Schloss und kassieren alles.«
»Möchte jemand zurücktreten? Ich übernehme das gern«, rief Charles Hemy vergnügt.
»Ruhe bitte, meine Herrschaften. Ruhe bitte«, gebot Fitzpatrick. »Keiner von Ihnen, die Sie Ihr Erbe schon angenommen haben, kann die Rolle eines anderen übernehmen.«
»Wie wollen Sie das rechtlich durchsetzen, wenn wir vor Gericht gehen und klagen«, rief Richard erzürnt.
»Es steht Ihnen frei, ein Gericht zu bemühen«, sagte der Notar gemessen, aber sichtlich verstimmt. »Nur müssen Sie dann auch damit rechnen, als erbunwürdig benannt zu werden. Sie erhalten in dem Fall keinen Penny. Und soweit ich informiert bin, hat keiner von Ihnen überhaupt mit einer Erbschaft dieser Art gerechnet. Nehmen Sie also Ihr Geld, und seien Sie zufrieden.«
Richard und Maryann warfen dem Notar bitterböse Blicke zu, hatte der Mann doch eine schmerzhafte Wahrheit ausgesprochen. Nur Charles Henry lachte über sein volles Gesicht.
»Sie hätten Texaner sein sollen, mein Lieber, Sie haben recht«, erklärte er jovial. »Ich würde nur gern das Abenteuer erleben, das ist alles. Ich bin mit meinem Teil zufrieden. Und Sie, mein liebes Kind«, fuhr er fort und drückte fest Lizas Schulter, »falls Sie es sich noch überlegen, nehmen Sie meine fünfzigtausend und ein paar Dollar mehr, und überlassen Sie mir den Spaß. Es ist lange her, dass ich mich wirklich für etwas anstrengen musste. Richtig, das letzte Mal war es, als ich mein Kälbchen beeindrucken musste, um ihr Ja-Wort zu bekommen. Aber das ist natürlich nichts gegen einen waschechten Geist. Wo habt ihr ihn überhaupt versteckt? Ich würde ihn gerne kennenlernen«, wandte er sich wieder an den Notar. »Ich würde ungern zurückfahren, ohne die Bekanntschaft eines echten Gespenstes gemacht zu haben.«
»Können wir nun bitte wieder zum Ernst der Situation zurückkommen?«, meldete sich Fitzpatrick. Die Augen von Alistair blitzten amüsiert auf, als er bemerkte, dass Lizas rechte Hand nach Dominiks Arm tastete. Die beiden schauten sich kurz an, dann senkten sich ihre Augenlider in lautlosem Einverständnis.
Das kann ja heiter werden, dachte Alistair gelassen. Mit diesen beiden verliebten Hohlköpfen werde ich auch noch fertig. Und dann gehört das Schloss mir. Lord Alistair, klingt gut. Keine schlechte Karriere für einen ehemaligen Sträfling.
»Ich nehme die Bedingungen an«, sagte er dann laut und deutlich.
»Das habe ich von Ihnen nicht anders erwartet«, bemerkte Fitzpatrick.
»Wir auch«, erklärte Dominik. »Das heißt, Miss Liza und ich.«