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Acht Menschen retteten sich einst auf der Arche vor der Sintflut. Acht Richtungen hat die Windrose, acht Speichen das Rad der Fortuna. Acht Autoren schreiben ihren ersten gemeinsamen Roman in acht Tagen. Warum verschanzen sich acht Krimiautorinnen und -autoren acht lange Tage in einem einsamen Haus unweit der polnischen Grenze? Weil sie sich hier im KRIMI-CAMP an etwas noch nie Dagewesenes heranwagen: gemeinsam werden sie sich ihren mörderischen Phantasien hingeben und einen Kriminalroman verfassen. In diesem Autoren-Oktett finden sich illustre Namen der deutschen Krimiszene: Tatjana Kruse, Carsten-Sebastian Henn, Sabine Trinkaus, Kathrin Heinrichs, Sandra Lüpkes, Peter Godazgar, Jürgen Kehrer und Ralf Kramp. Ab August kann man online live dabei sein, wenn sich im KRIMI-CAMP die Leichen stapeln. Was glauben Sie, wie viele es sein werden?
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Seitenzahl: 361
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Peter Godazgar, Kathrin Heinrichs, Carsten S. Henn,Jürgen Kehrer, Ralf Kramp, Tatjana Kruse,Sandra Lüpkes und Sabine Trinkaus
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Peter Godazgar, Kathrin Heinrichs,Carsten S. Henn, Jürgen Kehrer,Ralf Kramp, Tatjana Kruse, Sandra Lüpkesund Sabine Trinkaus
Originalausgabe© 2013 KBV Verlags- und Mediengesellschaft mbH, Hillesheimwww.kbv-verlag.deE-Mail: [email protected]: 0 65 93 - 998 96-0Fax: 0 65 93 - 998 96-20Umschlaggestaltung: Ralf Krampunter Verwendung von: © Giuseppe Porzani · www.fotolia.deRedaktion: Volker Maria Neumann, KölnDruck: Aalexx Buchproduktion GmbH, GroßburgwedelPrinted in GermanyPrint-ISBN 978-3-942446-91-4E-Book-ISBN 978-3-95441-150-4
Vorab
Acht
Achtung Baby!
Angelacht
Wie Achterbahnfahren
Erster Verdacht
Schmacht
Bei näherer Betrachtung
Achtung Umnachtung
Ausgelacht
Münster bei Nacht
Die Wacht am Meer
Achtzehnuhrglocken
Beachtliches Tempo
Wolle hat was mitgebracht
Angemacht
Achtsam tiefergelegt
Jetzt mal sachte
Böse erwacht
Machtwechsel
Wie Schmuck am Nachthemd
Kerzen zum Nachtisch
Achtlos
Jetzt wird der Schluss gemacht
Weitergedacht
Die haben’s gemacht:
Im äußersten Winkel der Uckermark, in einem winzigen Nest nur wenige Kilometer von der polnischen Grenze entfernt, steht eine prachtvoll renovierte Villa. Die Heimat ist fern, die Internetverbindung instabil, das Telefonnetz löchrig wie ein zerschossener Fluchtwagen. Genauso hatten wir es uns vorgestellt, genauso sollte es sein. Keine lockenden Vergnügungen in erreichbarer Nähe, kein Sightseeing, keine Feinschmeckerlokale – nur wir, das Haus und unser kühner Plan.
Wir sind Krimiautoren. Jeder von uns hat bereits eine stattliche Anzahl von Morden auf dem Kerbholz. Zusammen haben wir etwas mehr als hundert Kriminalromane verfasst. Multipliziert mit einem Leichenaufkommen von durchschnittlich drei pro Buch entsteht eine beachtliche Zahl, und ergänzt man dann noch das, was in unseren unzähligen Kurzkrimis so anfällt, wird die ganze Brutalität unseres bisherigen Schaffens nur allzu deutlich.
Was würde geschehen, wenn wir uns zusammenfänden, um unsere geballte kriminelle Energie zu bündeln – so fragten wir uns eines Tages. Könnte das gelingen? Ein einziger Roman, verfasst von acht experimentierfreudigen Autoren, in nur acht Tagen, mit dem Titel … na, nennen wir das Projekt mal »8«. Wir haben es getan.
Wir waren in unser Refugium gereist, ohne ein noch so dürftiges Konzept im Koffer zu haben. Fest stand nur der Titel, und fest stand auch, dass wir das Experiment am Ende möglicherweise als gescheitert würden erklären müssen. Aber schon beim ersten Brainstorming im Kaminzimmer wurden die Bruchstücke unserer Geschichte erkennbar. Und in den folgenden Tagen befeuerte ein kollektiver Dauerschreibrausch unseren Ehrgeiz.
Am Ende waren wir um eine großartige Erfahrung reicher. Wir waren uns selbst allabendlich beim Vortrag des Tagespensums die schärfsten Kritiker, wir haben viel voneinander gelernt und sind an der enormen Aufgabe gewachsen, unsere unterschiedlichen Schreibstile einander brauchbar anzupassen. Das alles – so viel steht unumstößlich fest – konnte nur gelingen, weil uns diese eine Zahl vorangetrieben hat. Lernen Sie sie auf den folgenden Seiten kennen!
Peter Godazgar, Kathrin Heinrichs,Carsten Sebastian Henn, Jürgen Kehrer, Ralf Kramp,Tatjana Kruse, Sandra Lüpkes und Sabine Trinkaus
Der Geruch ist betäubend. Eine süße, schwere Wolke, die an Schmeißfliegen denken lässt. Ich weiß nicht, ob das meine Übelkeit verursacht, oder ob es am Sekt liegt – dieser süßen, viel zu teuren Brühe, die ich vorhin hastig hinuntergestürzt habe, um die Angst zu überspielen.
Ich schlucke Gedanken und Brechreiz weg. Es spielt keine Rolle. Heute Abend ist alles egal.
Ich will nicht hier sein. An diesem Ort, an dem ich mich noch fremder fühle als überall sonst. Aber was ich will, zählt nicht mehr. Sie wollte, dass ich komme. Hat das passende Ambiente gewählt, um ihren Sieg zu feiern. Sich zu weiden an dem, was aus mir geworden ist. Ich tue, was sie will. Ich habe mich lange gewehrt. Jetzt weiß ich, dass es sinnlos ist. Der Kampf ist verloren. Den kläglichen Rest gebe ich ihr gern. Kaufe damit den Keim der Hoffnung, dass sie dann endlich genug hat.
Sie ist ganz in der Nähe. Ich höre ihre Stimme, aber ich verstehe nicht, was sie sagt, weil die dicke, stinkende Frau neben mir schrill kichert. Ein Mann betatscht ihren fleischigen Rücken, zieht dann weitere Jetons aus der Tasche und legt sie an den Platz, auf den sie gackernd zeigt. Verschleudert achtlos das, von dem alle hier offenbar im Überfluss haben. Die satten, selbstzufriedenen Ignoranten.
Als ich vorhin an den Tisch trat, haben sie mich misstrauisch beäugt. Jeder sieht, dass ich nicht passe, sogar die Großkotze hier, die von sich selbst besoffenen ist.
Es dauert nicht lange. Ein paar Minuten, dann nehmen sie mich nicht mehr zur Kenntnis. Das ist immer so. Früher oder später werde ich unsichtbar.
Das ist die Quelle. Ich habe lange geglaubt, dass es die Schuld ist, die sie auf sich geladen haben. Aber Schuld kann man vergeben. Schuld nährt nicht den Hass, der in mir gärt. Es ist die Beiläufigkeit, mit der sie in mein Leben eingegriffen, mich ein ums andere Mal aus dem Gleis gehoben und in die falsche Richtung katapultiert haben. Das hat die Wunden gerissen, die nicht heilen. Sie haben mir all das angetan und ein paar Minuten, Stunden, Tage danach vergessen, dass ich überhaupt da bin.
Ich weiß das seit jener Nacht, in der ich alles verstanden habe. Auch, dass sie letztlich nicht verantwortlich sind für das, was passiert ist. Sie steckt dahinter. Sie war es die ganze Zeit. Sie stellt die Weichen und sorgt dafür, dass es niemals besser wird. Sie hat von Anfang an verhindert, dass ich eine Chance bekomme.
Ich betrachtet die Jetons, die vor mir am Rande des Tisches liegen. Mehr Geld, als ich erwartet habe. Geld, das ich so dringend gebraucht hätte in den letzten Monaten. Aber der Schnösel in der Bank hat es mir vorenthalten. Sparvertrag, hat er gesagt, festgelegt, da könne man nichts machen, das tue ihm wirklich leid. Jetzt kann man etwas machen, aber jetzt ist es zu spät. Jetzt könnte ich davon höchstens ein paar Monate Aufschub kaufen. Die nächste Demütigung hinauszögern. Aber früher oder später muss ich doch hingehen. Zur Agentur für Arbeit, die alles hat, nur keine Arbeit. Nicht vermittelbar, werden sie mein Scheitern nennen, werden mich in die Reihe der Versager schicken, die dankbar sein müssen für die Krumen, die man ihnen zuwirft. Ob ich es morgen tue oder in ein paar Monaten spielt keine Rolle. Mir schien es sinnvoller, ihren Anweisungen zu folgen. Ich werde ihr dieses letzte Opfer bringen, bunte Jetons auf ihren Altar legen. Ich werde ihr all das Plastik in den gierigen Schlund stopfen, zusehen, wie sie es zerkaut und ausspuckt, so wie alles, was in meinem Leben je von Wert war. Vielleicht ist sie dann zufrieden. Vielleicht stimmt das Opfer sie milde. Vielleicht lässt sie dann endlich von mir ab.
Der Croupier sagt etwas. Hände schieben Jetons über grünen Filz. Jetzt kann er sie sehen.
Die Acht.
Eine Zahl, denken die Ignoranten. Alle hier halten sie einfach für eine Ziffer, ein abstraktes Konstrukt, auf das die Welt sich geeinigt hat. Ich weiß es besser. Sie hat sich mir offenbart, hat mir ihre Macht wieder und wieder gezeigt. Es hat eine Weile gedauert, aber in jener Nacht habe ich alles verstanden.
Ich sehe sie an, sie erwidert meinen Blick hämisch und kalt. Eine Schlange, die sich fortwährend neu erschafft, unendliche Qual und Demütigung, nur sie weiß, wo alles beginnt und endet. Sie ist so viel mehr als Zahl, ist Fluch, ist Geißel, mein Dämon und mein Untergang.
Ich hasse es, wenn sie mich auslacht. So wie jetzt.
Meine Hände schieben trotzdem, geben ihr alles. Ich ergebe mich, sagen die bunten Jetons, ich gebe auf.
Ihr spöttisches Lachen übertönt fast den Croupier, nichts geht mehr, sagt er, ahnt nicht, wie recht er hat. Das Rad beginnt zu kreisen, die Kugel wird geworfen, sucht klackernd ihren Platz.
Ich schließe die Augen. Warte auf den Moment. Das letzte Scheitern, von dem ich hoffe, dass es Befreiung birgt. Klackern und Sirren, Suchen und Finden, Sekunden, in denen die Kugel alles bestimmt. Jetzt ist es ganz still. Für eine Sekunde scheint die ganze Welt zu verstummen. Dann bricht die Hölle los.
Die Umstehenden kreischen, Hände klopfen auf meinen Rücken. Die stinkende Frau fällt mir um den Hals. Ich rieche Alkohol und Schweiß. Sie küsst mich auf die Wange. Ich schiebe sie weg, angewidert, überfordert, Kaskaden geheuchelter Freude, durchsetzt von Neid und Unverständnis. Worte prasseln unverständlich auf mein Trommelfell.
Ich kann sie nicht verstehen, ich kann auch nichts sagen. Ich kann nur auf das Rad starren. Auf sie, die Acht, die die Kugel an sich genommen hat.
Der Croupier schiebt mit seinem langen Stab buntes Plastik über den Tisch, schiebt alles zu mir, Berge von Jetons. Zwei Männer in Anzügen tauchen auf, schirmen mich diskret ab. Sie sind höflich, ihr Lächeln ist falsch. Sie fragen, ob ich weiterspielen möchte, mich einen Moment zurückziehen vielleicht.
Ich ignoriere sie. Konzentriere mich auf sie, die Acht, die zum ersten Mal ohne Häme lächelt. Es ist an der Zeit, sagt sie. Wir ändern die Regeln. Jetzt bist du an der Reihe, sagt sie. Jetzt spiele ich auf deiner Seite. Schau sie dir an, die Idioten. Sie denken, du hast mich gewählt.
Aber wir beide wissen, dass es umgekehrt ist.
Vertrau mir.
Ihre Stimme ist süß und schmeichelnd. Vertrau mir und ich mache alles wieder gut. Deine Zeit ist gekommen. Jetzt ist deine Zeit endlich gekommen.
Ich habe dich erwählt, sagt sie.
Die Aufregung um mich herum ist einer gespannten Stille gewichen. Alle starren mich an. Ich bin am Zug. Auf einmal kommt es auf mich an.
Ich lege die Hände auf die Jetons. Zögere nur eine Sekunde. Ich höre sie raunen. »Nein«, haucht die Dicke, »wollen Sie wirklich …«
Ich beachte sie nicht. Schiebe alles zurück.
Ich nehme die Acht beim Wort.
Nichts geht mehr. Das Rad setzt sich in Bewegung. Nichts geht mehr.
Erneut schließe ich die Augen.
Die Frage war jeden Morgen um fünf Uhr die gleiche: Weckte ihn sein Funkwecker mit einem der besten Hits aus den achtziger, neunziger, nuller Jahren und von heute – oder sein verfressener Kater, der ihn hungrig in den Fuß biss. Heute war erfreulicherweise der Wecker schneller. U2 spielten Achtung Baby, der richtige Song. Es versprach ein guter Tag zu werden.
Andy wuchtete sich aus seinem ausladenden Bett – und wurde von seinem Kater in die Zehen gebissen.
»Morgen, Lamprecht. Willste lieber was Nahrhaftes?«
Bevor sich der Fünf-Kilo-Kater entscheiden konnte, ob Füße nahrhaft genug waren, ging Andreas in die Küche und öffnete eine Dose Sheba Thunfisch, deren Inhalt weitaus besser aussah als die drei Tage alten, kalten Ravioli, die er selbst löffelte. Direkt aus der Dose. Danach schlurfte er ins neongelb gekachelte Bad, putzte sich die Zähne, duschte sich – und bemerkte erst an der Wohnungstür, dass er vergessen hatte, sich zu rasieren. Egal, er arbeitete beim Radio, da fiel das keinem auf. Genauso wenig wie seine schluffigen Jeans oder der ausgebeulte Kapuzen-Sweater. Alles vielleicht ein bisschen zu jugendlich für einen Mann über vierzig, aber er würde niemals Anzug tragen, das hatte er sich geschworen.
Es war noch nicht viel los in Köln-Sülz. Die Pizzeria, die direkt unter seiner Wohnung lag und in der er niemals essen würde, weil er unfreiwillig Einblick in den Küchenhof des Gründerzeithauses hatte, war abgedunkelt und verriegelt. Er ging die zwanzig Meter hinüber zur Bahnhaltestelle am Gürtel, wo jeden Morgen dieselben Nasen warteten. Er lehnte sich gegen den Stromkasten und nickte ihnen zu. Geredet hatte er noch mit keinem von denen. Wenn man damit erst einmal anfing, musste man sich immer nebeneinandersetzen, und Andy wollte nichts anderes als seine Ruhe.
Quatschen musste er gleich eh noch genug. Bei Powerradio KKN. Köln Kult News von sechs bis neun Uhr. Super Laune und Spitzenmusik. Direkt gegenüber der Haltestelle war die Plakatwand großflächig tapeziert, das Bild zeigte einen lachenden Andy in Bermudashorts, der in einem Rettungsreifen in einer riesigen Tasse Kaffee trieb. Saudämliches Plakat. Hatte sich die neue Chefredakteurin einfallen lassen. Und nun musste er jeden Morgen, wenn er aus dem Haus trat, seiner eigenen Visage begegnen.
Seit fünfzehn Jahren war er bei dem Laden, er war die Stimme des Senders, er war der Star. Die Straßenbahn hielt am Mediapark, Andy ging Richtung Hochhaus Nummer 7, vorbei am Teich mit den Tretbooten, ein paar Tauben aufscheuchend, die sich auf dem Platz versammelt hatten. Die Strecke legte er wie in Trance und halb schlafend zurück, den Aufzugknopf der elften Etage drückte er, ohne hinschauen zu müssen. Er mochte die Ruhe des Morgens, keine Hektik, vor allem da ihm der Abend gestern im immer noch in den Knochen steckte – und zum Großteil in der Leber.
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