Strippen statt sticken! - Tatjana Kruse - E-Book

Strippen statt sticken! E-Book

Tatjana Kruse

0,0

Beschreibung

Swinging in Schwäbisch Hall: Siggi Seifferhelds schlüpfrigster Fall. Eine Tote im Swingerclub und ein Schriftsteller in Nöten Seifferhelds Freund und Ex-Polizeikollege Dombrowski (der von der Sitte!) hat Sorgen. Sein Neffe ist nämlich in einen alles andere als sittlichen Fall verwickelt: Der Schriftsteller weilt gerade dank des Comburg-Stipendium im schönen Schwäbisch Hall. Weil man aber nicht immer nur arbeiten kann, sondern auch etwas Abwechslung und Inspiration braucht, hat Dominik Dombrowski einen privaten Swingerclub aufgesucht - rein aus Recherchegründen, versteht sich. Hüstel. Dort verbringt er einen sehr vergnüglichen Abend mit einer jungen Frau. Doch als er mitten in der Nacht in einem der Nebenzimmer aufwacht, liegt die Frau erdrosselt neben ihm. Der Dombrowski-Neffe gerät unter Verdacht - und Siggi, nach kompromittierenden Vor-dem-Swingerclub-Fotos, erst ins Visier der Lokalpresse und dann in jenes seiner geliebten Marianne. Gestatten: Siggi Seifferheld, Kommissar im Unruhestand Kennst du ihn schon, den Schwäbisch Haller Schnüffler? Nein? Dann dürfen wir vorstellen: Eigentlich ist der charmante Ex-Polizist Frührentner, aber wie soll man im Ruhestand Ruhe geben, wenn dauernd, ja wirklich ständig, etwas passiert, bei dem es seine Schnüffelfähigkeiten braucht? Unter uns: So ganz unrecht ist dem Siggi und seinem treuen Gefährten Onis (Hovawart-Rüde und somit ebenfalls Schnüffler) etwas gepflegt-spektakuläre Ermittler-Action gar nicht, auch wenn beide nicht mehr die Jüngsten sind. Siggi liebt zwar seine Herzdame Marianne, seine Männersticker-Radio-Kolumne und die Kolleginnen und Kollegen von Stammtisch "Mord zwo" sehr, aber er hat eben auch einen Hang zum Nervenkitzel. Da trifft es sich gut, dass ihm das Verbrechen quasi an den Fersen klebt … Zu Risiken und Nebenwirkungen … fragen Sie die lustigste Autorin, seit es Kriminalromane gibt! Tatjana Kruse, ungekrönte Königin der Krimödie, schafft pro Seite mehr Anschläge auf das Zwerchfell als manch zweistündiger Kabarettauftritt – Lachmuskelkater vorprogrammiert! Ihr Krimis enthalten eine derart hohe Pointen-Konzentration, dass sie eigentlich rezeptpflichtig sein müssten. Vorsicht: Kann bei täglicher Lektüre zu Lachfalten, anhaltender Heiterkeit und allgemeinem Seriositätsverlust führen. Außer Reichweite von Langweilern aufbewahren!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 221

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit




Dieser Roman spielt zwar in einer realen Stadt, nämlich Schwäbisch Hall, aber alle Personen sind frei erfunden, und der Plot ist fiktiv. Allerdings gab es tatsächlich einmal einen Hovawart namens Onis, und das ist auch gut so.

Tatjana Kruse

Strippen statt sticken!

Kommissar Seifferheld ermittelt

Tatjana KruseStrippen statt sticken!

Prolog

Heute.

Heute werde ich es tun.

Ich werde sie umbringen.

Mein Plan ist genial.

Mehr als genial.

Es ist der perfekte Mord!

Niemand wird mir etwas nachweisen können.

Niemand!

 

(irres Kichern und ab)

(gleich darauf zurück, leise restkichernd)

Okay, wo habe ich gleich wieder meine Brille hingelegt?

Tag eins

Dienstag

Polizeibericht Schwäbisch Hall

Ein Vandale warf Sonntagnacht gegen 23 Uhr 55 zwei Bierflaschen gegen eine Verglasung und den Fensterrahmen eines Wohnhauses am Gänsberg. Dadurch verursachte er einen Sachschaden von insgesamt 2000 Euro. Da es sich um zwei vor dem Einschlag noch volle Bierflaschen der Haller Löwenbrauerei handelte, ist es nicht nur ein Akt grober Sachbeschädigung, sondern auch barbarischer Blasphemie. Hinweise zum derzeit noch unbekannten Straftäter nimmt das Polizeirevier Schwäbisch Hall entgegen.

So geht Liebe heute …

„Eure Ehe ist nicht mehr zu retten“, erklärte der Paartherapeut und klappte sein Notizbuch zu. Er sah erst Marianne, dann Siegfried an. „Aus. Vorbei. Finito. Ich empfehle die Scheidung.“

„Wie bitte?“

Die Seifferhelds riefen es unisono. Und beide gleichermaßen fassungslos.

Onis, der neben der ledernen Klientencouch ein Nickerchen machte, schnaufte und hob den schweren Hundeschädel. Seifferheld tätschelte ihn automatisch hinter den Hovawart-Ohren. Es war ein Keine-Sorge-Frauchen-und-Herrchen-trennen-sich-auf-gar-keinen-Fall-Tätscheln.

„Das ist doch absurd!“, rief Marianne mitärgerlich gerunzelter Stirn. Und dabei runzelte sie sonst nie die Stirn, weil sie einem rigiden Anti-Falten-Konzept folgte. Mit Erfolg – ihre Stirn war so glatt wie ein Babypopo, obwohl sie sich mit Riesenschritten dem Rentenalter näherte.

„Für diesen Unsinn zahlen wir auch noch!“, brummte Seifferheld. Kein Schwabe, sondern Hohenloher, aber trotzdem sparsam. Solange man sein Geld nicht selber drucken konnte, würde er es ganz sicher nicht mit beiden Händen wie Konfetti in die Menge werfen.

„Aha!“ Doktor Madsen, ein durchtrainierter Mittvierziger mit Designer-Brille, lächelte und klappte sein Notizbuch wieder auf. „Ihr glaubt also doch noch beide an eure Beziehung!“

„Natürlich! Deswegen kommen wir doch zur Paarberatung. Weil wir uns eine gemeinsame Zukunft wünschen. Sie soll nur besser werden.“ Marianne trug ihre Haare an diesem Tag offen. Bei ihren wilden, mittlerweile grauen Locken war es ein schmaler Grat zwischen der süßen Wuschelfrisur eines Kuschelhäschens und dem Medusa-Kopf einer bösen Waldhexe. Im Moment musste man nicht lange rätseln, wen sie verkörperte.

Seifferheld, der in der Tiefe seines Herzens glaubte, dass alles gut war, so wie es war, hatte nach unzähligen teuren Therapiestunden immerhin gelernt, das „es soll besser werden“ seiner Frau nicht zu kommentieren – weder mit Worten noch mit einem Brummen. Er presste nur die Lippen zusammen.

Sie hatten diesen Termin nicht abgesagt, obwohl Marianne am späten Vormittag zusammen mit Irmgard zum jährlichen Frauen-Cup des baden-württembergischen Boule, Boccia und Pétanque Verbands in den Schwarzwald reiste. So wichtig war ihnen beiden ihre Partnerschaft.

Die frisch erblühte Liebe Mariannes zum Boule Spielen war übrigens einer der Punkte, warum sie – wenn überhaupt – professionelle Hilfe für ihre Ehe brauchten, fand Seifferheld. Seit Marianne Mitglied bei den Bouletten geworden war, der rein weiblichen Boule-Truppe von Siegfriedsälterer Schwester Irmgard, hatte er das Gefühl, zu Hause, in seinem Allerheiligsten, gegen eine geballte Frauenfront antreten zu müssen. Es hatte ihm deutlich besser gefallen, als Irmi und Marianne sich noch bekriegt hatten. Außerdem vermisste er seine Tochter Susanne, die ihren Arbeitsaufenthalt in Peking verlängert hatte. Sogar ihren Ehemann Olaf, den Physiotherapeuten, der seinerzeit eigentlich in Seifferhelds Haus gekommen war, um dessen berufsunfallte Hüfte zu massieren, aber stattdessen seine Tochter geschwängert hatte.

Und ja, er vermisste auch seine wilde Nichte Karina und ihre Familie. Karina, die sich früher schon mal nackt an das Geländer der großen Freitreppe von St. Michael in Schwäbisch Hall gekettet hatte, um gegen Pelztierzüchtung zu protestieren, und mittlerweile für das Klima an die Rathaustüren klebte. Immerhin angezogen und in Frankfurt, wo sie mit Mann und Kindern hingezogen war.

In dem bunten Wimmelbild aus mehreren Generationen an Seifferhelds war seine Existenz eine friedlichere gewesen. Siggi seufzte.

Mariannes Beweggründe waren logischerweise andere. Was sie jetzt auch formulierte: „Nur, weil mein Mann sich regelmäßig Appetit bei anderen Frauen holt“ – sie malte bei „Appetit“ Gänsefüßchen in die Luft –, „muss ich meine Beziehung nicht gleich in den Wind schreiben. Ich bin wertebewusst – mir bedeutet die Ehe noch etwas! Verliebtheit und eine rosarote Friede-Freude-Eierkuchen-Mentalität ist etwas für Teenager, Erwachsene haben echte Partnerschaften, an denen man mitunter auch arbeiten muss.“

Seifferheld schob die Unterlippe vor. Er würde sich hüten, etwas zu sagen, aber diesen letzten Satz hatte sie eins zu eins aus dem Buch Unsere Liebe ist erwachsen, einem unsäglichen 50-Seiten-Pamphlet aus der Feder von Michael Madsen, ihrem Therapeuten. Man bekam es zu Beginn der Paartherapie in die Hand gedrückt. Immerhin kostenlos. Nachdem Marianne es ausgelesen hatte, benützte Seifferheld es dazu, es unter den wackeligen Ohrensessel im Schlafzimmer zu legen, auf dem er beim Sticken am liebsten saß.

Madsen schenkte Marianne ein Lächeln, das Siggi aus seiner Zeit mit Onis in der Hundeschule kannte:

Mit einem solchen Lächeln bedachte man die Kleinen, wenn sie etwas richtig gemacht hatten. Und hier wie dort gab es hinterher ein Leckerli.

„Eine Praline?“, bot Madsen an und hielt ihr die Glasschale mit Pralinen aus der Conditorei Hammel entgegen. Auch ohne seine jahrzehntelang geschulte Ermittlernase hätte Siggi bemerkt, dass Madsen immer dann eine Praline anbot, wenn man aus seinem Buch zitierte. Mit dieser Masche hatte er Marianne – die Süßem niemals abgeneigt war, was man auch an ihren verführerischen Rundungen sah – schon voll konditioniert.

Madsen wandte sich an Siegfried. „Siggi, was sagst du dazu?“

Nicht nur die Dauerflirtunterstellung, auch dieses aufgezwungene Duzen ging ihm auf den Sack.

Seifferheld verbot seinem Unmut, sich zu verbalisieren.

Nichts zu sagen funktionierte aber auch nicht, denn es kochte in ihm hoch.

Das tat es zu Hause übrigens nie. Zu keinem Zeitpunkt war er gegenüber Marianne jemals laut geworden. Nur hier, in den durchgestylten Praxisräumen ihres Therapeuten Madsen, ging es gelegentlich mit ihm durch. Weil er nicht schon wieder wie ein Dampfkochtopf explodieren wollte, brummte er verhalten: „Ich hole mir nicht regelmäßig Appetit!“ Eine Aussage, die er zum gefühlt hunderttausendsten Mal tätigte.

Seine Frau holte tief Luft und öffnete den Mund.

„Marianne“, warf Michael rasch ein: „Du hast die Grundregel der guten Kommunikation vergessen.“ Er lächelte und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.

Seifferheld hielt Madsen – ein geborener Haller, trotz des dänischen Namens – für einen ausgemachten Laffen. Undercut, Man-Bun und immer hochmodisch gekleidet, wie der neuesten Ausgabe des GQ-Magazins entsprungen – und war der überhaupt schon volljährig? Seifferheld brummte. Seit er die 60 überschritten hatte, schien ihm alles unter 40 im Kindergartenalter. Was konnte so ein geschniegelter Bubi wie Madsen schon über das Leben und die Liebe wissen?

Marianne trieben solche Bedenken offensichtlich nicht um. Sie erwiderte Madsens Lächeln mit hohem Strahlfaktor.

„Du hast natürlich recht, Michael.“ Sie drehte sich zu ihrem Mann. „Siegfried, ich empfinde es so, als ob du dir regelmäßig bei anderen Frauen Appetit holst. Das tut mir weh und vermittelt mir das Gefühl, dass ich dir nicht genüge.“

Madsen nickte stolz.

Seifferheld sah aus dem Fenster. Aus dem er im Übrigen am liebsten gesprungen wäre. Die Praxis lag in der Zollhüttengasse, und gegenüber sah man den Aushang seines Lieblingskinos, des Lichtspieltheaters. Es lief gerade eine tragikomische Hollywoodschmonzette. Nicht zum ersten Mal quälte Siegfried das Gefühl, selbst in einer solchen mitzuspielen. Die Frage lautete: War er der wettergegerbte Held, der seine Herzensfrau in der letzten Kameraeinstellung des Films in die Arme schließen würde und bis ans Ende seiner Tage glücklich mit ihr lebte? Oder war er das rostige Auslaufmodell, das ausgemustert werden würde, damit Marianne mit dem jugendlichen Recken auf einem weißen Schimmel in den Sonnenuntergang über Hohenlohe reiten konnte?

In Schwäbisch Hall, das mittig in der idyllischen Landschaft zwischen Stuttgart und Nürnberg liegt, kam es zwar nicht oft vor, dassältere Frauen sich mit einem deutlich jüngeren Mann verpaarten, dessen Mutter sie sein hätten sein können, aber es wäre nicht das erste Mal gewesen. Zwei recht prominente Witwen hatten sich in letzter Zeit je einen jugendlich anmutenden Gespielen gesucht, was monatelang Stadtgespräch gewesen war, aber mittlerweile zum Alltag gehörte. Würde Marianne sich in diese Statistik einreihen, obwohl sie keine Witwe war? Rein optisch gab dieser virile Wikingerverschnitt Madsen deutlich mehr her als ihr zwar bestens erhaltener, aber nun doch in die Jahre gekommener Ehemann.

Seifferheld drehte sich zu Marianne. „Zwischen Gunda und mir war absolut rein gar nichts! Sie hat nur meine Biografie schreiben wollen und mir im Zuge dessen geholfen, einen Mörder zu überführen. Das war schon alles. Und du warst zu der Zeit ja nicht da.“

„Soll das ein Vorwurf sein?“ Mariannes üppige Locken entwickelten plötzlich ein Eigenleben und ringelten sich, als wären es wirklich die Schlangen auf dem Haupt der Medusa. Ein eindeutiges Zeichen, dass sie gleich explodieren und womöglich mit etwas werfen würde.

„Siegfried“, warf Michael rasch ein und schob die Pralinenglasschale in Sicherheit. „Wir wollten doch auf unsere Formulierungen achten. Immer beim ‚ich‘ bleiben!“

Marianne ließ ihrem Mann keine Zeit für eine verbale Kurskorrektur. „Ich musste Erbstreitigkeiten mit meiner Familie regeln, das weißt du genau! Bei dir klingt es so, als hätte ich dich aus selbstsüchtigen Gründen hilflos mit einem Mörder alleingelassen, und …“

„Marianne …“, hob Michael an, aber im Gegensatz zu einem Seifferheld ließ sich eine Seifferheld-Cramlowski nicht unterbrechen. In ihren Adern floss südländisches Blut! Nun gut, österreichisches Blut, aber Österreich lag ja schließlich südlicher als Schwäbisch Hall, und das merkte man.

„… und davon, dass meine Verwandten mich ausgezahlt haben und wir uns davon ein schnuckeliges kleines Ferienhäuschen kaufen konnten, profitierst du schließlich auch – oder willst du das etwa leugnen?“

„Ich leugne gar nichts …“

„AHA!“ Marianne sah zu Madsen. „Er leugnet nicht!“

Onis fiepte leise, wie immer, wenn sich Herrchen und Frauchen lautstark stritten.

„Das wird mir langsam zu albern!“ Seifferhelds Augenbrauen trafen sich mittig über seiner Nase. So ging das seit zwei Jahren. Seit der Pandemie. Und dass der Hort seiner mentalen Gesundheit – will heißen, seine Männerkochkursgruppe – auseinandergebrochen war, machte es nicht besser. Ihm fehlte der Ausgleich. Der männliche Gegenpol.

„Wenn wir nicht über das reden, was uns quält, wird es schwerer und schwerer und zieht uns in die Tiefe.“ „Das sehe ich anders“, bockte Seifferheld.

„Ich sehe, dass du das anders siehst!“, fauchte Marianne.

„Jedenfalls werden wir uns nicht scheiden lassen!“, sagte Seifferheld zu Madsen. Mit Finalität in der Stimme.

„Nein, natürlich nicht, auf gar keinen Fall!“, gab Marianne ihm recht.

„Schön, dann wäre das geklärt.“ Seifferheld sah auf seine Armbanduhr. „Die Stunde ist auch gleich um.

Wär’s das dann?“

Onis spürte, dass sein Herrchen aufstehen wollte, und erhob sich schnaufend. In seinem Alter gab man auch als Hund beim Aufstehen Geräusche von sich. Bei Vierbeinernächzen ja auch mehr Gelenke als bei Zweibeinern. Anschließend nahm Onis seine Leine ins Maul – er führte sich gern selbst – und schlappte zur schallgedämmten Polstertür, wo er stehen blieb und auffordernd über seine Schulter sah.

„Ich darf sagen, es war wieder eine sehr erfolgreiche Sitzung.“ Madsen lächelte breit. „Wir machen großartige Fortschritte!“

Marianne und Seifferheld hoben in einem Synchron-Akt der Verwunderung die Augenbrauen. Ihre gezupft, seine buschig.

„Aber natürlich, großartige Fortschritte!“, wiederholte Madsen. „Zu Beginn unserer Zusammenarbeit standen zwei fette potentielle Dealbreaker im Raum – ein untreuer Ehemann und eine desinteressierte Ehefrau. Aber jetzt sind wir an dem Punkt, wo wir die Probleme eingeräumt haben und uns ganz eindeutig zu der Beziehung bekennen.“

Seifferheld nervte dieses „uns“, und er fand zudem, dass das nach zwei Jahren Paarberatung ein etwas arg dürftiges Ergebnis war, aber er schwieg.

Madsen setzte die ernste Miene auf, mit der er sie immer zu verabschieden pflegte. Seinen Sigmund Freud-Blick, wie Seifferheld ihn insgeheim nannte. Manchmal kraulte sich Madsen dabei auch bedeutungsvoll die Bartstoppeln.

„Marianne, du musst akzeptieren, dass du einen Lebenspartner hast, der auf andere Frauen attraktiv wirkt.“

Idiot!, dachte Seifferheld, weil Madsen so klang, als könnte er persönlich das zwar nicht glauben, aber als Hypothese wollte er das mal so stehen lassen.

„Das weckt deine eigenen Unsicherheiten als Frau.“ Madsen schürzte die Lippen. „Könnte sich Siegfried im Umgang mit anderen Frauen distanzierter verhalten? Ja, natürlich, das könnte er!“

„Ich habe niemals …“ Mit einer anderen Frau etwas gehabt!, wollte Siegfried ausrufen, aber Madsen hielt ihm die aufgestellte Hand entgegen.

„Lasst mich ausreden! Du, Siegfried, fühlst dich von deiner Frau vernachlässigt. Sie hat neue Hobbys. Vielleicht hast du gehofft, sie würde dein Hobby teilen und ihr könntet Seite an Seite sticken, aber nein, Marianne hat sich für das Hobby deiner Schwester entschieden. Sie spielt Boule. Das weckt deine Urangst, verlassen zu werden.“

Siggi schnaubte. Das mit der Urangst war gequirlter Psychokram-Unsinn, aber ja, er hatte sich schon irgendwie zusammen mit Marianne am Stickrahmen gesehen, Seite an Seite stickend.

Madsen stand auf. Das tat er zum Ende der Stunde immer. Damit er von oben herab die Erkenntnisse der vergangenen 45 Minuten verkünden konnte. Und um ihnen Hausaufgaben zu geben.

„Ihr habt zugelassen, dass euch eure Ängste auseinanderdividiert haben. Aber Furcht darf immer nur ein Hinweisschild auf eine Gefahr sein, nie der Antrieb unseres Tuns. Meine heutige Aufgabe für euch: Schaut euren Ängsten ins Auge. Ich möchte euch auffordern, bis zu unserer nächsten Sitzung etwas zusammen zu unternehmen. Etwas Neues. Etwas, das ihr noch nie zusammen gemacht habt. Das muss nichts Weltbewegendes sein, aber doch etwas, das euch beiden Freude macht und es euch gleichzeitig ermöglicht, gemeinsam

Neuland zu betreten.“

„Hm“, zögerte Marianne. „Wie beispielsweise gemeinsam sporteln?“

Sie sah zweifelnd zu Seifferhelds Hüfte, in der seit einem Banküberfall eine nicht herausoperierbare Kugel steckte, weswegen er auf eine Gehhilfe angewiesen war und den aktiven Dienst in der Mordkommission hatte aufgeben müssen.

„Oder Malen nach Zahlen?“, lästerte Seifferheld.

Madsen faltete die Hände wie zum Gebet. „Wir haben in den letzten Sitzungen schon festgestellt, dass euch der Umstand, dass ihr euch innerlich voneinander entfernt habt, auchäußerlich zu einer gewissen

Distanz führt.“

Siegfried verschränkte demonstrativ die Arme.

Marianne sah zu Boden. Sie hatte im Eifer des Gefechts vor einigen Monaten ausgeplaudert, dass es im Seifferheld’schen Schlafzimmer nicht mehr so oft zur Sache ging wie zu Beginn ihrer Ehe. Genauer gesagt, bei weitem nicht mehr so oft. Quasi nur noch sehr selten. Mit einem langgestreckten e im sehr. Was Seifferheld und Marianne insgeheim vollkommen normal fanden. Beide waren große Kuschler vor dem Herrn, was für sie eine absolut ausreichende Menge des Bindungshormons Oxytocin ausschüttete. Das Leben war für sie keine Kaninchenwiese, auf der man sich wie ein unermüdliches Duracell-Häschen ins Grab rammeln musste.

Aber Madsen hatte ihre „Sexualität auf Sparflamme“ schon wiederholt zum „Problem“ hochstilisiert und dabei immer Gänsefüßchen in die Luft gemalt. Seifferheld hasste das. Er glaubte dem kursierenden Gerücht, dass Michael Madsen selbst einäußerst reges Horizontalleben führte. Nie mit Patienten oder Patientinnen, versteht sich, aber mit so gut wie allen, die nicht in seine Praxis kamen. In einer Kleinstadt blieb eben nichts geheim.

„Und deswegen gebe ich euch heute die Hausaufgabe …“ – Madsen breitete die Arme aus, wie Moses es nach seiner Plauderei mit dem Allerhöchsten auf dem Berge Sinai getan hätte, hätte er nicht zwei Steinplatten in den Armen gehalten –, „… bis zu unserer nächsten Sitzung am kommenden Dienstag sexuell etwas

Neues auszuprobieren!“

Seifferheld protestierte. „Meine Frau ist bis Montagmittag auf einem Boule-Turnier.“ Das „Ätsch!“ dachte er sich dazu.

Madsen ließ sich davon nicht beeindrucken. Er zuckte nicht mal mit den Wimpern. „Na, dann weiß ich ja, was es wird“, sagte er fröhlich und grinste. „Telefonsex!“

WhatsApp

Seifferheld Familiengruppe

Irmi, Siggi, Marianne, Helmerich, Susanne, Olaf, Karina, Fela, Olga

 

 

Irmgard

Wird das heute noch was mit euch? Ich sitze hier auf gepackten Koffern! Diese Seelenklempnerei bringt doch nichts und kostet nur Geld.

Marianne

Sind fertig und schon auf dem Weg nach Hause!

Siegfried

Das ist keine Seelenklempnerei, sondern eine Ehebratung.

Siegfried

Beratung. Sch…autokorrektur

Karina

ich find’s soooo toll, dass ihr euch in eurem alter noch um eure ehe bemüht. weiter so!

Irmgard

Geht auf dem Heimweg beim Bäcker vorbei und bringt Brezeln für unterwegs mit.

Marianne

Machen wir!

Siegfried

Dann dauert’s aber noch länger.

Olaf

Guten Abend aus Peking! Hier das neueste Foto von Ola-Sanne heute beim Tai Chi im Park. Wenn sie die Seniorengruppe bei der fernöstlichen Gymnastik sieht, läuft sie immer hin und macht mit. Sie spricht schon fließend Chinesisch. Siggi, machst du regelmäßig die Übungen für deine Hüfte, die ich dir gegeben habe? Tai Chi wäre auch was für dich! In Hall gibt’s bestimmt eine Trainingsgruppe dafür. Susanne lässt grüßen.

Karina

soooo süß! ola-sanne, nicht onkel siggis hüfte. hier noch ein foto von meinen beiden rackern beim outdoorwandern mit der kita-gruppe.

Siegfried

Gibt’s auch Indoorwandern?

Irmgard

SIEGFRIED!!! BREZELN!!!

Partir, c’est mourir un peu (Pfarrer Helmerich ausgenommen – der stirbt nicht zum Abschied, der flatuliert)

„Ich liebe dich.“

Das war etwas, was Siegfried Seifferheld, gestandener Ex-Kommissar der Mordkommission, wenn auch mittlerweile in Berufsunfähigkeitsvorruhestandsrente und seitdem bekennender Männer-Sticker, nicht oft sagte.

Er hatte den Tantra-Sex-Flyer, den ihm Madsen beim Verlassen der Praxis in die Hand gedrückt hatte, längst zwischen Café Ableitner und Zuhause – nach einem Schlenker über die Mauerstraße auf dem Weg zur Bäckerei Gräter – im öffentlichen Mülleimer auf der Henkersbrücke entsorgt. Vielleicht bereute er das jetzt ein wenig, denn nun drückte er seiner Frau einen nachgerade leidenschaftlich zu nennenden Abschiedskuss auf die Lippen. Mitten auf der Unteren Herrngasse zu Schwäbisch Hall. Vor den Augen einer vorbeiflanierenden Touristengruppe und von Frau Hoppe von gegenüber, die wie immer als lebende Überwachungskamera auf einem Kissen abgestützt aus ihrem Fenster schaute.

„Siegfried!“, hauchte Marianne ebenso hingerissen wie überrascht.

Sie hatte eben ihr Auto vom Stellplatz im Parkhaus Schiedgraben geholt, um die Koffer einzuladen – und nun überkam sie die Erkenntnis, dass sie fast eine Woche ohne ihren Liebsten auskommen musste. Ohne sein leises Summen, wenn er am Stickrahmen seinem Hobby frönte, ohne sein „Lecker!“, wenn er wie ein Verhungernder ihren Kaiserschmarrn in sich hineinschaufelte, ohne sein nächtliches Grizzlybär-Schnarchen. Die Eifersucht hätte nicht ständig an ihr genagt, wenn ihr Mann nicht so ein Guter gewesen wäre. Marianne wusste, dass er weder zu verbalen noch zu haptischen Liebesbeweisen neigte, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Umso mehr zählte dieser Moment. Und das, obwohl sie ihn zu einer Paartherapie zwang, die seiner Meinung nach totaler Overkill für winzige Kieselsteinchen auf dem Weg zum Glück war. Aber Marianne hasste nun mal Steinchen im Schuh.

Vor lauter Liebe – und ein bisschen schlechtem Gewissen – saugte sie sich noch leidenschaftlicher am Mund ihres Mannes fest, wie eine Schiffshalter-Makrele an einem Mantarochen.

Hovawart Onis wollte an diesem Moment der Innigkeit von Frauchen und Herrchen teilhaben und sich eigentlich auf die Hinterbeine erheben, damit er die Vorderbeine in liebevoller Umärmelung um seine Zweibeiner schlingen konnte. Weil das aber in seinem fortgeschrittenen Hundealter nicht mehr ganz so leicht ging, entschied er sich dann doch dafür, sich einfach zwischen die Beine der beiden zu quetschen und heftig mit dem Hinterteil zu wackeln.

Ein vorbeischlenderndes, sehr junges Backpacker-Pärchen schoss fasziniert Handyfotos von dem Sandwich aus zwei knutschenden Greisen mit Hunde-Füllung. Junge Menschen denken ja oft, Sex sei im Alter kein Thema mehr. Dabei ging es durchaus noch – es sah halt nur nicht mehr so gut aus. Egal, man konnte ja im Schlafzimmer das Licht dimmen.

Allerdings nicht hier in der Gasse an einem Dienstagmittag. Hier waren die dralle Wuchtbrumme mit den grauen Locken und der hagere Windjackenträger mit Gehstock im hellen Tageslicht deutlich zu sehen. Die Backpacker freuten sich – das würde ihrem daily Tik-Tok-Beitrag einen feinen, einsekündigen human factor verleihen.

Frau Hoppe von gegenüber schenkte sich beglückt heißen Pfefferminztee aus ihrer Thermoskanne nach. Die Nachbarn beim Busseln – so ließ sie sich das gefallen! Deutlich unterhaltsamer als das Mittagsmagazin im Öffentlich-Rechtlichen.

Seifferheld und Marianne gefiel das auch. Als sie sich nach einer kleinen Ewigkeit des Glücks voneinander lösten, sahen sie sich liebevoll in die Augen.

Auch wenn die unseligen Sitzungen bei Madsen sie der Lösung ihrer Probleme noch keinen Millimeter näher gebracht hatten, wurde ihnen dadurch jedes Mal wieder neu klar, was sie aneinander hatten. Trotz der Probleme. Miteinander glücklich zu sein hieß schließlich nicht, dass man ständig wie auf Droge fröhlich Musical-Songs schmetternd und Händchen haltend durch den Alltag tanzte. Füreinander da zu sein und an der Beziehung arbeiten zu wollen war der größte Liebesbeweis.

„Hört mit dieser Knutscherei auf, wir müssen los!“, herrschte Irmi, die sich in der offenen Haustür materialisiert hatte. „Siegfried, hilf mir mit den Koffern, die sind schwer! Helmerich hat Rücken und kann nicht.“

Marianne schob ihren Mann in den Hausflur der Unteren Herrngasse 6b, eines stattlichen Fachwerkgebäudes, in dem seit über 500 Jahren die Familie Seifferheld residierte, dann öffnete sie den Kofferraum des Familienwagens.

Irmgard stand mit verschränkten Armen auf dem Pflaster der Gasse und koordinierte die Aktivitäten mit strengem Blick. Siggis Schwester wirkte auf andere Menschen oft schroff. Womöglich, weil sie es auch war. Dahinter steckte aber keine böse Absicht und schon gar kein böser Charakter. Sie hatte jahrzehntelang auf privates Glück verzichtet, um den Eltern das Haus zu führen und später die Eltern zu pflegen. Da siegte irgendwann die Effizienz über gesellschaftliche Nettigkeitsgepflogenheiten. Dass sie mit über 60 die Liebe gefunden und den hiesigen Pfarrer geheiratet hatte, kam einem Wunder gleich. Für sie selbst und für alle, die sie kannten.

Seifferheld schlappte zu den zwei altmodischen Riesenkoffern im Flur, von den Eltern geerbt und noch ohne Rollen. Mariannes windschnittiger Carryon-Rollkoffer nahm sich daneben wie ein Zwerg aus. Marianne hatte neben dem Boule-Spielen ein weiteres Hobby gefunden: minimalistisch leben. Sie reiste gern „leicht“. Also, sie reiste leicht ab. Zurück kam sie dann mit gefühlt 100 Tüten und Taschen, in denen ihre Unterwegskäufe steckten.

Siggi – der Olafs Hüftgymnastik seltenst, wenn überhaupt, durchführte – beugte sich ächzend nach vorn, um den ersten der beiden Koffer seiner Schwester anzuheben. Völlig aussichtslos.

Marianne kam angelaufen und schob ihren Mann beiseite. „Lass mich das machen.“ Sie lüpfte das schwere Teil nahezu mühelos hoch. Seifferheld hatte keine Ahnung, woher Marianne ihre Muskelkraft hatte. Vom Boulespielen? Österreichische Kraft-Gene? Aber er war Manns genug, sie gewähren zu lassen. Er folgte ihr zum Wagen.

Irmgard schlüpfte in ihren staubgrauen Reisemantel, den sie über dem Arm getragen hatte. „Vergiss nicht, dass Olga morgen Geburtstag hat, Siegfried! Ich habe dir den Umschlag mit der Glückwunschkarte und der kleinen Überraschung für sie auf den Küchentisch gelegt.“ Sie schaute nach oben zu den Fenstern im ersten Stock, wo sie und ihr Mann während der Pandemie ihre Zelte aufgeschlagen und seitdem nicht wieder abgebaut hatten. Mit ihrer üblichen Nebelhornstimme brüllte sie: „HELMERICH!“

Ihr Gatte, der pensionierte Pfarrer Helmerich Hölderlein, eilte so flugs die knarzenden Holzstufen herunter, wie es ihm sein Hexenschussrücken gerade noch erlaubte. Man konnte meinen, er hätte am Treppenkopf nur darauf gewartet, dass sein holdes Weib mit den Fingern schnippte. Ihm lag nach wie vor viel daran, seine Irmi jederzeit glücklich zu machen. Während Siegfried mit Marianne schon ein zweites Eheglück gefunden hatte, waren Irmi und Helmerich noch jungfräulich gewesen, als sie mit Mitte 60 in den Hafen der Ehe einliefen. Vermutlich nicht wirklich jungfräulich, aber eben Ehe-unerfahren und noch mit der Begeisterung von Erstverheirateten bei der Sache. Auch wenn man das Irmi, die hinter ihrem Rücken gern „Die Admiralin“ genannt wurde, nicht so deutlich anmerkte wie Helmerich.

Irmgard ging ihrem Mann entgegen. „Helmerich, ich erkläre dir jetzt, wo dein Essen für die nächsten Tage ist. Du musst es nur aufwärmen.“ Onis lief den beiden nach, weil er mit untrüglichem Hunde-Instinkt wusste, dass sie auf dem Weg in die Küche waren, und er sich die Chance auf einen Wurstzipfel nicht entgehen lassen wollte.

Siggi wunderte sich – nicht zum ersten Mal und gesichert auch nicht zum letzten Mal in seinem Leben – über die mangelnde Logik des weiblichen Geschlechts: Erst konnte es Irmi gar nicht schnell genug gehen, und nun hatte sie offenbar alle Zeit der Welt, um ihrem Gatten zu erklären, wie er sich vor dem Hungertod bewahren konnte.

Siggi war klar, dass Irmi nur Portionen für Helmerich vorbereitet hatte. Seine Schwester glaubte zwar an die Devise „Liebe geht durch den Magen“, aber ihrer Meinung nach galt das nur für Ehegattenliebe, Bruderliebe fiel nicht darunter. Wenn es nach Irmi ging, war Marianne dafür verantwortlich, für sein weibliches Wohl zu sorgen. Und falls sie das versäumte, konnte er wegen ihr ruhig verhungern. Marianne kochte aber nicht gern auf Vorrat, nur fürs Gleich-selber-Essen. Aber Siggi hatte ohnehin vor, während seiner Zeit als Strohwitwer die heimische Gastronomie zu unterstützen und jeden Tag essen zu gehen.

Marianne wuchtete derweil Irmis tonnenschweres Gepäck die beiden Steinstufen der Eingangstreppe hinunter – Irmi misstraute der Hotellerie und hatte neben Bekleidung und Hygieneartikeln natürlich auch Bettzeug und Dosen mit Fertiggerichten dabei – und versuchte sich im Kofferraum-Tetris, genussvoll angefeuert von Frau Hoppe, die „mehr links“ und „mehr rechts“ rief. Wahllos, weil sie von oben gar keinen Einblick ins Wageninnere hatte und nur den Hintern von Marianne sah, der sich wie ein Wackeldackel hin und her bewegte.

Siggi humpelte zur Haustür, lehnte sich gegen die Steinmauer des historischen Gebäudes und betrachtete genussvoll den Wackeldackelhintern. Aus gänzlich anderen Gründen als Frau Hoppe.

Seine Gehhilfe fiel um, aber die brauchte er nicht – die Mauer bot ihm Halt. Er hatte sein ganzes Leben im Seifferheld-Haus verbracht, erst mit seinen Eltern und seiner Schwester, irgendwann kamen seine erste Frau und die gemeinsame Tochter Susanne dazu, dann starben die Eltern und seine Frau. Nach dem fatalen Banküberfall erwachte das Haus zu neuem Leben – Irmi versorgte ihren Bruder, Physiotherapeut Olaf massierte ihn, Tochter Susanne verdiente das Geld, Nichte Karina sorgte für Leben in der Bude. Dann verliebten sich Olaf und Susanne, Karina fand in Fotograf Fela ihren Seelenpartner, Irmi heiratete den Pfarrer und Siggi fand ein zweites Glück mit Marianne. Im Grunde sollte er der Kugel in seiner Hüfte dankbar sein – ohne sie wäre all das nicht passiert.

Das Beste war, dass die anderen nacheinander alle auszogen und er das knarzende, alte Gemäuer ganz für sich und seine Marianne und seinen Onis hatte. Glorreiche drei Jahre lang. Dann kam die Pandemie.