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Nach ihrem Zusammenbruch nimmt Sam, Hauptdarstellerin der Regency-Soap »Silver Lines«, eine Auszeit auf der Isle of Skye. Dort trifft sie den geheimnisvollen Autor Rory und lässt sich unter falschem Namen auf einen Flirt mit ihm ein – in dem Glauben, ihn nie wiederzusehen. Zurück am Filmset steht Sam mehr denn je unter Druck: Vor allem Showrunner Dave macht ihr das Leben zur Hölle. Als plötzlich seine Vertretung beim Dreh auftaucht, fällt Sam aus allen Wolken: Es ist Rory. Er führt insgeheim im Writers’ Room die Feder, während Dave die Lorbeeren einheimst. Die Anziehung ist ungebrochen, und beide erkennen, dass sie gemeinsam ein Statement gegen die Oberflächlichkeit der Branche setzen könnten – aber für jeden von ihnen steht nicht nur beruflich viel auf dem Spiel. Und hat eine Beziehung, die auf Lügen aufbaut, überhaupt eine Chance? Band 2 der romantischen Silver-Lines-Dilogie ist als Printausgabe und Hörbuch bei SAGA Egmont erhältlich sowie als eBook bei dotbooks.
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Über dieses Buch:
Nach ihrem Zusammenbruch nimmt Sam, Hauptdarstellerin der Regency-Soap »Silver Lines«, eine Auszeit auf der Isle of Skye. Dort trifft sie den geheimnisvollen Autor Rory und lässt sich unter falschem Namen auf einen Flirt mit ihm ein – in dem Glauben, ihn nie wiederzusehen.
Zurück am Filmset steht Sam mehr denn je unter Druck: Vor allem Showrunner Dave macht ihr das Leben zur Hölle. Als plötzlich seine Vertretung beim Dreh auftaucht, fällt Sam aus allen Wolken: Es ist Rory. Er führt insgeheim im Writers’ Room die Feder, während Dave die Lorbeeren einheimst. Die Anziehung ist ungebrochen, und beide erkennen, dass sie gemeinsam ein Statement gegen die Oberflächlichkeit der Branche setzen könnten – aber für jeden von ihnen steht nicht nur beruflich viel auf dem Spiel. Und hat eine Beziehung, die auf Lügen aufbaut, überhaupt eine Chance?
»A Beautiful Scandal« erscheint außerdem als Hörbuch und Printausgabe bei SAGA Egmont, www.sagaegmont.com/germany.
Über die Autorin:
Ria Radtke sieht im Schreiben die Magie unserer Zeit. Dieser Zauber geht auch von ihren erfolgreichen Fantasy- und Liebesromanen aus.
Die Website der Autorin: riahellichten.de/
Die Autorin bei Facebook: Riahellichtenautorin/
Die Autorin auf Instagram: ria_schreibt/
Bei dotbooks erscheinen außerdem ihre Romane »Spirit Dolls«, »Matching Souls« und »A Beautiful Flaw« als eBook.
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eBook-Ausgabe Dezember 2024
Copyright © der Originalausgabe 2024 Ria Radtke und SAGA Egmont
Copyright © der eBook-Ausgabe 2024 dotbooks GmbH, München
Dieses Buch wurde vermittelt von der Literaturagentur erzähl:perspektive, München (www.erzaehlperspektive.de).
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Paulina Ochnio unter Verwendung von Shutterstock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fe)
ISBN 978-3-98952-423-1
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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!
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Ria Radtke
A Beautiful Scandal
Roman – Silver Lines 2
dotbooks.
Tillandsia.
Sie blüht selbst mit den Wurzeln im Wind.
Für alle, die sich selbst zweite Chancen geben.
Nach jedem Cliffhanger kommt ein spannendes neues Kapitel.
♥
Dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte zu folgenden Themen: Verlust von nahestehenden Menschen, Angststörung, Alkoholmissbrauch, körperlicher und psychischer Missbrauch, Suizid.
Bitte lies dieses Buch nicht, wenn du dich derzeit nicht in der richtigen psychischen Verfassung siehst.
Half Light – BANNERS
Girl – SYML
Only Love Can Hurt Like This – Paloma Faith
Fuel on the Fire – Bear’s Den
Love Is Weird – Julia Michaels
Work of Art – Benson Boone
Someone Like You – Noah Kahan
Damage Gets Done – Hozier
Golden Hour – JVKE
I Got to Live – Sam Fischer
Hell Froze Over – Kodaline
No Judgement – Niall Horan
Palace – Matthew and the Atlas
Winner – Conan Gray
Manchmal, wenn ich es nicht mehr aushalte, stelle ich mir vor, ich wäre nur eine Figur in einer Geschichte.
SAM
Jesus war fast sechs Wochen lang in der Wüste, mir stehen immerhin nur drei bevor.
Außerdem wird es mir hier an Wasser nicht mangeln. Es regnet seit Stunden; das Erste, was mir an Skye aufgefallen ist, war der Matsch, und jetzt versinke ich schon auf dem Weg vom Taxi zur Haustür des Hotels knöcheltief darin. R.I.P, meine geliebten Fendi-Designer-Sneaker aus weißem Leder. Vielleicht hätte ich auf Vic hören und die Wanderstiefel einpacken sollen, die Granny mir gefühlt vor Jahrzehnten zum Geburtstag geschenkt hat – oder zumindest am nächsten Shoppingcenter anhalten und mir eine vernünftige Ausrüstung zulegen. Aber irgendwie hätte es sich falsch angefühlt, gleich an meinem ersten Tag hier alles abzustreifen, was zu der »alten Sam« gehört. Selbst wenn ein großer Teil von mir sie verabscheut, weiß ich nicht, wer ich ohne sie wäre.
Abgesehen davon bin ich froh, nach den vergangenen Wochen, die ich in verschiedenen Rehakliniken verbracht habe, überhaupt wieder Schuhe tragen zu können und nicht nur Badelatschen. Jetzt kommt mir der Versuch, zumindest ein bisschen Glamour in meine Auszeit im Nirgendwo hinüberzuretten, ziemlich erbärmlich vor. Man könnte auch sagen, es war eine vollkommen hirnrissige Idee, denn bereits in Glen Coe setzten sturzbachartige Regenfälle ein und die Landschaft unter Wasser.
Mit zusammengebissenen Zähnen steige ich die wenigen Stufen zur blau gestrichenen Haustür der Myrtle Lodge hinauf – Treppen sind dank meiner Beinverletzung immer noch eine Qual. Nicht nur wegen der Schmerzen, sondern auch weil ich selbst hier, fernab der roten Teppiche, nicht möchte, dass jemand etwas von meinem Unfall mitbekommt. Ich schäme mich. Für das Humpeln, für den Unfall, für die Steine, die ich Sam und den Menschen, die mir wichtig sind, in den Weg gelegt habe. Für mich selbst. Für alles eigentlich. Ob sich das jemals ändern wird?
Ich atme tief durch, bis der Schmerz nachlässt, und werfe einen Blick über die Schulter zurück zum Fahrer, der gerade Anstalten macht, mein Gepäck auszuladen. »Wir warten auf einen Trolley«, sage ich schärfer als beabsichtigt und frage mich, wie überhaupt jemand auf die Idee kommen kann, einen Koffer auf dem morastigen Untergrund abstellen zu wollen. Die Schotterpiste, die anstelle einer Straße zur Lodge hinaufführt, ist kurz davor, vollends davonzuschwimmen, und der Wind peitscht mir Regentropfen ins Gesicht, zusammen mit dem modrigen Geruch nach Algen und feuchter Erde.
Die Lodge ist zwar idyllisch gelegen, mit Blick über den Hafen von Portree, doch ich bezweifle, dass ich hier in den kommenden Wochen alle Annehmlichkeiten meines Londoner Lebens genießen werde. Das aus Lehm und Bruchstein gemauerte Gebäude wirkt mit seinen hölzernen Sprossenfenstern und den schmalen Gauben im schiefergedeckten Dach ein bisschen aus der Zeit gefallen und nicht wie ein hipper Geheimtipp, auch wenn Patty mir versichert hat, dass hier regelmäßig wichtige Politiker und CEOs diverser Weltkonzerne absteigen, um in der unberührten Landschaft der Insel unerkannt Kraft zu tanken.
Statt einer elektrischen Klingel hängt neben der Tür ein Glockenzug. Kaum dass ich ihn betätigt habe, öffnet mir eine Frau um die fünfzig mit braungrau melierten Haaren und vollen Wangen, die fast ein bisschen zu gut hierher passt. »Oh! Sie müssen Rosie sein, ich bin Bess MacKinnon, aber bitte sagen Sie einfach Bess. Wir haben Sie schon erwartet, ich hoffe, der Flug war angenehm? Bitte, kommen Sie doch herein. Soll ich jemanden schicken, der sich um das Gepäck kümmert?«
»Das wäre sehr nett«, bringe ich verblüfft über so viel Freundlichkeit hervor. Ich bin es gewohnt, dass die Menschen mich mit falscher, aufgesetzter Höflichkeit behandeln, förmlich den Boden unter meinen Füßen küssen, aber Bess’ Lächeln strahlt aufrichtige Wärme aus. Sie erinnert mich ein bisschen an Martha, als sie jünger war. Eilig verdränge ich den Gedanken.
Wahrscheinlich ist es nur der fremde Name, der mich irritiert, denn wenn ich mich in den kommenden Wochen tatsächlich erholen möchte, ist es besser, wenn ich als Rosie Robertson und nicht als Sam Haigh in der Lodge einchecke. Zwar hab ich das Gefühl, dass die Uhren auf Skye langsamer laufen, aber man kann nie vorsichtig genug sein – in nächster Zeit möchte ich weder Autogramme schreiben noch für Fotos mit Fans posieren. Und vor allem will ich nicht mit Reportern sprechen, die gefühlt eine Million Fragen zu meiner Zukunft und noch mehr zu meiner Vergangenheit haben dürften. Ich folge Bess ins Foyer und lasse die Tür hinter mir zufallen, in der Hoffnung, dass der Taxifahrer tatsächlich auf einen Hotelmitarbeiter wartet, statt mein Gepäck einfach in den Schlamm zu wuchten und wegzufahren.
Das Erdgeschoss ist in gedeckten Tönen eingerichtet. Es gibt einen offenen Kamin, in dem ein sterbendes Feuer knistert, und eine karierte Sitzgruppe vor dem Rezeptionstresen aus glänzend poliertem, dunklem Holz.
Mit durchdringender Stimme ruft Bess jetzt nach einem John, der gleich darauf die Wendeltreppe herunterkommt. Er hat schütteres schlohweißes Haar, das elegant nach hinten geföhnt ist, und trägt ein grünes Hemd zu Cordhosen samt Hosenträgern. Offenbar sind die Inhaber der Lodge auf genauso liebenswürdige Weise aus der Zeit gefallen wie der ganze Ort. »Ja, Liebes?«
»Wärst du so gut und würdest Miss Robertsons Gepäck auf das blaue Zimmer bringen?«
Verdutzt sehe ich von John zu Bess und wieder zurück. Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, auch wenn ich noch nicht genau weiß, was. Aber was ich weiß, ist, dass ich den freundlichen alten Herren, der um die siebzig sein muss, auf keinen Fall meine drei Vuitton-Koffer die Treppe hochschleppen lassen werde. Ein Todesfall steht nicht auf der Bucket-List der Dinge, die ich an meinem ersten Tag auf Skye erleben möchte, und mein letzter Erste-Hilfe-Kurs ist auch schon eine Weile her. »Ist schon gut«, stammle ich hastig, doch Bess wirft mir über den Rand ihrer Lesebrille hinweg einen wissenden Blick zu.
Ein ungutes Gefühl überkommt mich zusammen mit dem Gedanken, ob sie vielleicht bemerkt haben könnte, dass ich noch ein wenig humple, um das rechte Bein zu schonen. Dabei drängt sich mir auch die Überlegung auf, was wohl meine Ärzte zu der Idee sagen würden, dass ich mein circa fünfzig Pfund schweres Gepäck selbst trage.
Bess schüttelt lächelnd den Kopf. »Aber er besteht darauf: Mein Mann bringt seit vierzig Jahren das Gepäck der Gäste persönlich auf die Zimmer. Es würde ihn kränken, wenn Sie ablehnen.« Sie dreht sich nach John um. »Nicht wahr, Liebling?«
Doch bevor John etwas erwidern kann – und auch bevor ich mir weitere verzweifelte Argumente aus dem Ärmel schütteln kann, weshalb John mein Gepäck nicht tragen sollte, und zwar ohne ihn zu kränken, wird die Tür hinter mir geöffnet und jemand kommt herein. Ich stehe mit dem Rücken zum Eingang und erkenne lediglich am schweren Schritt, dass er genauso bepackt ist, wie ich es gleich sein werde. Oder John, so ganz ist mir noch nicht klar, wer als Sieger aus diesem Gefecht hervorgehen wird.
Ich drehe mich um und erblicke einen dunkelhaarigen, breitschultrigen, viel zu attraktiven Mann. Mit seinem Flanellhemd und der Trekkinghose ist er definitiv besser auf das Wetter hier vorbereitet als ich. Er zieht etwas hinter sich her, nämlich … meine Koffer.
»Hallo, Rory. Komm doch herein. Das ist Rosie, sie ist gerade angekommen.« Bess wendet sich wieder zu mir und erklärt: »Rory ist einer unserer Stammgäste. Er ist Schriftsteller.« Sie schmunzelt. »Eigentlich gehört er schon zur Familie, deshalb hat er auch einen Schlüssel. Und die anderen beiden lernen Sie bestimmt auch bald kennen.«
Irgendwo in meinem Hinterkopf taucht die Frage auf, was das heißen soll, die anderen beiden. Gibt es im ganzen Hotel etwa nur vier Gäste, mich eingeschlossen? Ob das die Privatsphäre ist, von der Patty gesprochen hat? Andererseits hätte ich mir das wohl denken können, als ich bei meiner Ankunft vor einem schlichten Landhaus statt eines Wolkenkratzers stand. Meine Nackenhaare stellen sich auf und ich versuche erfolglos, mich zu beruhigen, indem ich mir einrede, dass Patty mir dieses Hotel nicht empfohlen hätte, wenn ich hier nicht auch finden könnte, was ich suche: Ruhe, Erholung und Anonymität. Vor allem Anonymität.
Als ich meine Fassung wiedergefunden habe, nicke ich Rory zu. Unsere Blicke kreuzen sich flüchtig. Irgendwie kommt er mir bekannt vor – oder aber er hat schlicht ein Allerweltsgesicht. Ein Allerweltsgesicht, das man in Heimwerker-Werbespots oder Unterwäsche-Kampagnen sehen könnte, spottet die Stimme in meinem Kopf, die sich immer besonders witzig fühlt, wenn ich unsicher oder nervös bin. Als ich genauer hinsehe, fällt mir auf, dass sich eine feine Narbe von der Stirn bis zu seiner rechten Augenbraue zieht. Vielleicht also doch kein Allerweltsgesicht. Woher er wohl …?
So viel zu der Anonymität, die du dir gewünscht hast, Ms Nosy.
»Hallo, Rosie«, sagt Rory, der seine Fassung schneller wiederfindet als ich, und streckt mir die Hand hin. »Schön, dich kennenzulernen. Du wirst dich hier bestimmt wohlfühlen – und fünf Pfund zunehmen, wenn ich ein Anhaltspunkt bin. Bess’ selbst gebackene Oatcakes sind unschlagbar, genau wie ihr Vogelbeergelee.«
»Er übertreibt«, widerspricht Bess, während sich ein verräterischer rötlicher Schimmer auf ihre Wangen legt. So charmant es ist, dass sie errötet, ich hätte ihr am liebsten zugestimmt: Dank meines Berufs erkenne ich es sofort, wenn jemand spielt. Und dieser Rory liefert eine Show ab, warum auch immer. Im Gegensatz zu dem herzlichen Willkommen von Bess und John wirkt seine Freundlichkeit aufgesetzt, als würde er etwas verbergen. Genau wie ich.
Wie aus dem Nichts kommt mir der Gedanke, dass Vic den Menschen niemals mit so viel Misstrauen begegnen würde, also warum kann ich das nicht ablegen, Berufskrankheit hin oder her? Vielleicht ist dieser Rory einfach etwas unbeholfen, socially awkward, was weiß ich. Jedenfalls sollte ich ihn nicht verurteilen, ohne ihn überhaupt zu kennen.
Ich verkneife mir einen Kommentar und sehe hilflos mit an, wie Rory Bess fragt, auf welches Zimmer er die Koffer bringen soll. Wenn ich ihm jetzt noch das Gepäck abnehme und die Treppe hinaufhumple, wird für alle offensichtlich sein, dass meine Verletzung noch nicht auskuriert ist.
»Das blaue«, antwortet sie und ich ertappe mich dabei, Rory absurderweise darum zu beneiden, dass er ein Stammgast ist. Denn irgendwie sorgt die Vertrautheit zwischen ihm und den Inhabern der Lodge dafür, dass ich mich wie ein Eindringling fühle. Das bist du ja auch, flüstert mein Gewissen. Du gehörst nicht hierher in diese heile Welt. Du bist hier lediglich für drei Wochen zu Besuch und danach wirst du in dein lautes, hektisches, anstrengendes Leben zurückkehren, das du dir gewünscht hast. So sehr, dass du fast alles dafür aufgegeben hast, schon vergessen?
Ich schlucke und sehe Rory stumm nach, der jetzt mit meinen Koffern die Treppe hinaufsteigt. Für einen Moment wünsche ich mir, er wäre mehr als ein Fremder. Ein Freund, also jemand, der diesen Gefallen mir zuliebe tut. Nicht aus reiner Höflichkeit. Ich stelle mir vor, seine Jeans wäre zerrissen, sein Haar ein wenig länger und statt des verwegenen Dreitagebarts liefe er mit albernen Koteletten durch die Gegend. Kopfschüttelnd rufe ich mich zur Besinnung. Dieses Kapitel meines Lebens ist ein für alle Mal abgeschlossen.
So abgeschlossen, wie es eben sein kann, wenn deine Schwester den Mann datet, an den du dein Herz verloren hast. Aber auch wenn es noch wehtut, Vic und Lex zusammen zu sehen, gönne ich ihnen ihr Glück. Und ich weiß: Bei unangenehmen Situationen führt der kürzeste Weg immer mittendurch. Auch wenn ich mich selten an diese Maxime halte.
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, ob Sie vielleicht gar nicht diesen Mann lieben, sondern eher das Gefühl, verliebt zu sein?
Dr. Heneghans Worte geistern mal wieder durch meinen Kopf. Ich weiß, dass sie recht hat. Es geht nicht um Lex. Doch die Einsamkeit ist mindestens genauso schmerzhaft.
Höflich bedanke ich mich bei Bess und John und folge Rory zu meinem Zimmer, das seinem Namen alle Ehre macht: Vorhänge, Teppich, Sofabezug und Bettwäsche, selbst die blühenden Salbeistängel in der Vase auf dem Schreibtisch, überall begegnet mir die schottische Nationalfarbe Blau. Nur die Landschaftsgemälde an den Wänden, vermutlich Ansichten der Insel, bilden mit ihren intensiven Grüntönen einen Kontrast. Eines hängt direkt neben der Tür: In der rechten unteren Ecke glaube ich MacKinnon zu lesen.
»Danke für die Hilfe mit dem Gepäck«, sage ich und lasse mich auf die Bettkante sinken. Die Reise hat mich mehr erschöpft, als ich gedacht hätte.
»Gern geschehen.«
Rory mustert mich einen Wimpernschlag zu lange und ich frage mich, warum. Ob er mich erkannt hat? Jetzt bloß nicht rot werden. Panik macht sich in mir breit, dabei weiß ich, dass ich übertreibe. Wahrscheinlich sieht er einfach nur eine Frau aus der Stadt vor sich, die für diese Gegend und dieses Wetter völlig ungeeignete Kleidung eingepackt hat.
Er ringt sich noch ein Lächeln ab, was ihn sichtlich Mühe kostet, dann dreht er sich um und verschwindet ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer. Erst als die Tür hinter Rory zufällt, realisiere ich, dass ich jetzt wirklich allein bin. Mehr noch: dass ich die nächsten drei Wochen allein sein werde. Das fühlt sich befreiend an – und gleichzeitig scheinen bei diesem Gedanken die Wände meines durchaus großzügig geschnittenen Zimmers ein Stück näher zu rücken. Ich könnte jetzt einen Drink gebrauchen, ob es hier wohl eine Minibar gibt?
Nein, ermahne ich mich selbst. Ein Drink ist das Letzte, was du jetzt brauchst.
Stattdessen ziehe ich mein Handy aus der Manteltasche und rufe über die Schnellwahltaste Charlottes Kontakt auf. In der noch fremden Umgebung fühle ich mich so fehl am Platz, so haltlos, dass ich das Gefühl habe, etwas Wichtiges vergessen zu haben. Mich kurz bei meiner persönlichen Assistentin zu vergewissern, dass das nicht der Fall ist, wird mich beruhigen.
»Charlie?«, setze ich an, als sie sich meldet. Normalerweise spreche ich sie nie mit ihrem Spitznamen an – Spitznamen sind für Freunde und Familie reserviert, und mein Verhältnis zu Charlotte ist ein rein berufliches. Aber jetzt ist es mir herausgerutscht, vielleicht, weil ich hier auf Skye plötzlich nicht mehr Sam Haigh bin, sondern nur noch irgendwer. Beziehungsweise Rosie Robertson. Eine Tatsache, die ich beruhigend und beängstigend zugleich finde.
Ich glaube, Charlotte am anderen Ende der Leitung schmunzeln zu hören. Oder vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. »Ich bin gerade mitten im Nirgendwo angekommen. Wie ist es in London, gibt es etwas Neues?« So eine dämliche Frage. Ich beiße mir auf die Lippe. »Ähm … Drehbuchentwürfe vielleicht?« Mein Gott, ich klinge wie ein Workaholic, der keine Verantwortung abgeben kann. Du bist ein Workaholic, der keine Verantwortung abgeben kann.
»Hier ist alles beim Alten. Die finale Drehfassung habe ich noch nicht – du weißt ja, wie das läuft. Ich denke, bis zu deiner Rückkehr sollte sie vorliegen.«
»Hmm.« Ich zwinge mich, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr es mir unter den Nägeln brennt, endlich das Shooting Script in den Händen zu halten. Nicht nur, weil ich meinen Text lernen muss – das nimmt nur ein paar Tage und ebenso viele durchwachte Nächte in Anspruch, in denen ich mich ein Dutzend Mal selbst verfluchen und es letztendlich trotzdem schaffen werde. Sondern weil ich mir nicht vorstellen kann, dass irgendetwas Gutes dabei herauskommt: Am Ende der ersten Staffel hat meine Figur, Clarence, Viscountess of Cornbury, ihre große Liebe zum zweiten Mal verloren, und zwar endgültig. William ist tot, Lex wird nur noch seine eigene Beerdigung abdrehen. Welche glückliche Wendung sollte das Schicksal der Frau im Anschluss daran noch nehmen?
Sprechen wir immer noch von deiner Figur?
Nein, ich will die zweite Staffel einfach nur hinter mich bringen. Und wenn ich noch einen einzigen spitzenbesetzten Fächer oder ein paar Opernhandschuhe sehe, muss ich mich leider übergeben. Aber glücklicherweise wird mir das wohl zumindest für die nächsten drei Wochen erspart bleiben.
»Ich halte dich auf dem Laufenden, wenn es etwas Neues gibt«, sagt Charlotte.
»Danke dir.« Nachdenklich zwirble ich eine der rot getönten Haarsträhnen um meinen Zeigefinger. Ich trage immer noch Clarence' Haarfarbe statt meinem Dunkelblond. Ich will etwas sagen, irgendwas, nur damit sie nicht auflegt. Ab morgen hat meine Assistentin vierzehn Tage frei. In dieser Zeit sollte ich sie nur in Notfällen kontaktieren. Leider sind die Situationen, die als Notfall durchgehen, laut ihrem Arbeitsvertrag ziemlich eng gefasst. Schon beim Gedanken daran droht die Einsamkeit mir die Luft zum Atmen zu rauben. Also ringe ich mich schließlich dazu durch, die eine Frage zu stellen, von der ich weiß, dass sie im Moment absolut tabu ist. Dass sie tabu sein sollte, weil ich mich damit ohnehin nur selbst zerfleische.
»Was macht die Presse?«
Charlotte zögert einen Moment – lange genug, um mich realisieren zu lassen, dass sie darauf lieber nicht antworten würde. Und dass mir die Antwort nicht gefallen wird.
»Das Übliche, wie immer.« Es ist ihr deutlich anzuhören, wie unangenehm ihr das Thema ist.
»Schickst du mir die Schlagzeilen?«
»Willst du dir das wirklich antun?«
»Ja.« Ich muss. »Es ist mein Job, auf dem Laufenden zu bleiben.« Nur nicht unbedingt in meiner Auszeit. Aber danach wird mir meine Managerin Louise sowieso berichten, ob die Klatschblätter etwas geschrieben haben, das sich nicht mit meinem Image in Einklang bringen lässt und wir gegensteuern müssen. Und ich will auch aus reinem Egoismus wissen, was die Welt von mir denkt. Ich kann nicht anders. Wenn du dein Leben lang spielst, ist die Abgrenzung zu der Meinung anderer das Einzige, was dir überhaupt eine Kontur gibt.
»Na gut, ich maile dir nachher die Artikel.«
»Danke.« Ich atme auf. »Einen schönen Urlaub«, sage ich dann.
»Danke, dir auch.«
Charlotte legt auf und ich brauche einen Moment, um zu verstehen, was sie meint: Ich bin zur Erholung hier, nicht zum Arbeiten. Ich habe keine Aufgabe, außer mich – auf Knopfdruck – zu entspannen. Mein Gott, wie soll ich bloß verhindern, mich in den nächsten drei Wochen zu Tode zu langweilen?
Ich stecke mein Handy ein und hieve mich mit einem Ruck vom Bett hoch. Mein rechtes Bein schmerzt, als ich mein Gewicht verlagere, aber ich bin zu stolz, um auf Krücken durch das Hotel zu humpeln, obwohl sich in einem meiner Koffer tatsächlich ein faltbares Paar Gehhilfen befindet. Bevor es dunkel wird, bleiben mir noch ein paar Stunden und irgendwas muss es doch selbst im verschlafenen Portree zu sehen geben, also nehme ich die Treppe ins Erdgeschoss und schaue mich um: Der Rezeptionstresen ist unbesetzt, aber als ich mich in einen der karierten Polstersessel fallen lasse, kommt mir Bess aus dem Hinterzimmer entgegen. »Rosie. Kann ich noch etwas für Sie tun? Gefällt Ihnen Ihr Zimmer?«
»Es ist ein Rosamunde-Pilcher-Traum«, antworte ich lächelnd und lasse offen, ob mir das gefällt oder nicht. »Sind die Gemälde an den Wänden von Ihnen?«
Bess winkt ab, aber dabei schleicht sich ein halbherzig unterdrücktes Lächeln auf ihre Lippen. »Die sind schon alt. Früher, bevor wir die Kinder und das Hotel hatten, hatte ich mehr Zeit.«
»Verstehe. Leben Ihre Kinder noch auf Skye?«
Sie schüttelt den Kopf. »William ist Schiffsbauer in Glasgow und Sloane hat es nach London verschlagen – Sie sind doch eine Bekannte von Patricia? Sie war zu Schulzeiten Slos beste Freundin und hat uns früher so oft besucht, dass sie fast wie eine zweite Tochter für mich war.«
Ich nicke, auch wenn ich kurz überlegen muss, um darauf zu kommen, dass sie meine Kollegin Patty meint, die von niemandem mit ihrem vollen Namen angesprochen wird.
»Die beiden sind dort zusammen auf die Schauspielschule gegangen, allerdings arbeitet Slo jetzt als Sprecherin.«
Weil ich nicht weiß, was ich darauf erwidern soll und sich an Bess’ Gesichtsausdruck nicht ablesen lässt, ob sie darüber erleichtert oder enttäuscht ist, lächle ich nur. »Hätten Sie vielleicht einen Tipp, was ich heute noch auf der Insel unternehmen kann?«
Sie reibt sich das Kinn. »Wenn Sie ein bisschen frische Luft schnappen möchten, empfehle ich den Scorrybreac Trail – er führt an der Bucht entlang und dann den Hügel hinauf in den Wald. Von dort haben Sie eine atemberaubende Aussicht auf die Insel.«
Ich ziehe ihren Vorschlag eine Millisekunde lang in Erwägung, dann seufze ich leise. Mein Bein würde mich umbringen. »Ich glaube, ich bin heute zu erschöpft für eine Wanderung. Gibt es vielleicht etwas in der Nähe?«
Bess streicht sich nickend die Haare hinter die Ohren. »In der Wentworth Street sind ein paar niedliche Cafés und Souvenirgeschäfte. Dort bekommen Sie handgemachte Seife und echten Tweed –«
»Klingt gut. Würden Sie mir ein Taxi rufen?«
»Bis das hier ist, könnte es eine Weile dauern.« Sie wirft einen Blick auf ihre Armbanduhr. »John wollte sowieso noch für ein paar Erledigungen runter in die Stadt – wenn Sie möchten, kann er Sie sicher mitnehmen.«
»Gern, das wäre toll.«
»Ich sage ihm gleich Bescheid.« Bess tätschelt meine Schulter und verschwindet wieder im Hinterzimmer.
Eine halbe Stunde später bin ich auf dem Weg und fahre zusammen mit John über dieselbe schlammige Schotterpiste, über die ich hergekommen bin, zurück in Richtung Stadtzentrum. Unser Weg führt an den berühmten bunten Häusern am Hafen vorbei, deren Fassaden sich im dunklen Wasser des Lochs spiegeln. Ich sauge die urtümliche Schönheit der Insel in mich auf, aber nach nicht einmal fünf Minuten sind wir auch schon da; Bess muss wohl doch gemerkt haben, dass ich nicht gut zu Fuß bin.
»Kann ich Sie hier rauswerfen?«, fragt John und fährt links ran.
»Natürlich, vielen Dank. Ich denke, den Rest schaffe ich auch zu Fuß.«
»Sie können sich gar nicht verlaufen, nicht mal, wenn sie sich die größte Mühe geben«, versichert er mir zwinkernd. Und obwohl mich das ermutigen soll, steigt bei diesen Worten ein Gefühl der Beklemmung in mir auf: Wie’s aussieht, sitze ich für die nächsten drei Wochen auf dieser Insel fest, ob ich will oder nicht. Doch es hilft nichts: Meine Agentin Elen könnte ich vielleicht noch davon überzeugen, dass ich nach zwölf Wochen Krankenhaus und Reha bestens erholt bin und keine Auszeit brauche, aber meine Managerin Louise ist schonungslos ehrlich und Verfechterin einer No-Nonsense-Attitüde, außerdem kennt sie mich wahrscheinlich besser als ich mich selbst. Sie würde mich in die nächste Entzugsklinik schicken, ohne mit der Wimper zu zucken. Dabei habe ich heute noch nicht einen Schluck getrunken. Trotzdem versuche ich gar nicht erst, mir einzureden, das sei etwas, worauf ich stolz sein könnte, denn ich sehne mich bei jedem Schritt nach der sorglosen Leichtigkeit, die ich im Alkohol finden könnte. Nach irgendetwas, das mich für ein paar Stunden vergessen lässt, wer ich bin.
Ich schüttle die düsteren Gedanken ab, nicke John noch einmal zu, dann steige ich aus und sehe seinem dunkelgrünen Jeep nach, bis er um die Ecke gebogen ist. Obwohl die beschauliche Wentworth Street direkt am Loch Portree liegt, ist sie so dicht bebaut, dass nur an ihrer Mündung ein schmaler Wasserstreifen zu erahnen ist, dahinter ragen Berge auf. Allein die salzige Brise in der Luft erinnert mich daran, dass ich mich an einer Meeresbucht inmitten der kalten Gewässer der Nordsee befinde.
Die niedrigen Häuser sind aus Bruchsteinen und Lehm errichtet und wurden teilweise weiß verputzt, die lackierten Schaufensterfronten sind mit überdimensionierten Schildern versehen: Gallery & Gifts, Stewarts Knitwear, Inga’s Sweet Treats. Es gibt eine Eisdiele, eine Drogerie, Cafés und Restaurants und sogar eine Poststelle, die mit gälisch »Oifis a’ Phuist« überschrieben ist. Post Office. Ich schmunzle bei der Feststellung, wie lautmalerisch diese fast ausgestorbene Sprache ist, und schlendere an dem bereits weihnachtlich dekorierten Fenster vorbei. Direkt neben der Post befindet sich ein Laden für Strickwaren, und ich frage mich, ob ich überhaupt einen Schal eingepackt habe. Einen richtigen und nicht bloß ein luftiges Versace-Seidentuch. Was ich in den nächsten Wochen brauchen werde, ist ein kuscheliger Schal aus weicher Wolle wie die, die Martha früher gestrickt hat. Oder gleich eine ganze Decke. Bilder aus einem Film, den ich vor langer Zeit mit meiner Oma und Vic geguckt habe, kommen mir in den Kopf. Como Agua Para Chocolate. Die Hauptfigur Tita strickt darin eine Decke für sich selbst, die immer länger und länger wird, weil sie ihre innere Kälte doch nie vertreiben kann.
Die Türglocke läutet, als ich den Laden betrete. Ich sehe mich unter dem niedrigen Gewölbe um: Das Geschäft ist definitiv zu klein für diese Menge an Wollponchos, Schals, Mützen und Mänteln, aber vielleicht strahlt es gerade deshalb so viel Behaglichkeit aus.
»Kann ich Ihnen weiterhelfen, Miss?«
Miss. Ich kann mich nicht erinnern, wann mich das letzte Mal jemand so angesprochen hat. Es muss schon Jahre her sein. Aber hier bist du ja auch nicht Sam Haigh, Star-Schauspielerin mit skandalträchtiger Vergangenheit, deren Probleme so zahlreich sind, dass sie nur von der Zahl ihrer Liebhaber übertroffen werden, sondern die liebenswerte Rosie Robertson, erinnert mich die Stimme meines Gewissens. »Ich sehe mich erst mal ein bisschen um, vielen Dank«, erwidere ich. Dann stöbere ich die Kleiderständer entlang und betastete die unterschiedlichen Wollstoffe. Bald entdecke ich eine Stange mit Schals. »Wunderschön«, sage ich und bestaune die endlosen Varianten von Karomustern.
»Das ist Merinowolle«, erklärt die Verkäuferin. »Wärmt im Winter und kühlt im Sommer.«
Ich betrachte einen cremefarbenen Schal mit blauen Tupfen. Das fröhliche Muster erinnert mich irgendwie an Vic und ich sehe sie förmlich vor mir, wie sie in ihren geliebten Sweatpants auf Grannys Sofa sitzt und sich in den überdimensionierten Schal kuschelt, der schon fast als Picknickdecke durchgehen würde. Vorsichtig ziehe ich ihn von der Stange. Mein Blick streift ein olivgrünes Exemplar daneben, das sich besonders flauschig anfühlt, aber warme Farben machen mich krankhaft blass. Lex würde das wunderbar stehen, schießt es mir durch den Kopf. Ich ertappe mich dabei, wie ich den Schal vom Ständer ziehe und das Etikett umdrehe. Qualität hat natürlich ihren Preis, aber wenn ich an Lex’ Vorliebe für dünne Henleyshirts denke, die er bevorzugt mit zwei oder drei offenen Knöpfen trägt, gäbe es schlechtere Mitbringsel als einen Schal. Nein. Stopp, rufe ich mich selbst zu Besinnung. Eine Aufmerksamkeit für Vic ist eine Sache, aber wollte ich nicht einen Schal für mich selbst kaufen? An Lex sollte ich hier überhaupt nicht denken, es geht nicht um ihn. Es geht ausnahmsweise einmal nur um mich. Nicht um Mum und ihre Erwartungen, nicht um Elen oder Louise, nicht mal um das Publikum. Und auch nicht um Vic, obwohl sie das verdient hätte. Am schwersten fällt es mir wohl, das zu akzeptieren. Mich damit abzufinden, dass ich meine Fehler der Vergangenheit nicht ausradieren kann, so sehr ich mir das auch wünsche, sondern lediglich die Wahl habe, es in Zukunft besser zu machen und zu warten, bis Zeit die Wunden heilt, die ich den Menschen, die ich liebe, zugefügt habe.
Ich stoße einen langen Seufzer aus. Allmählich frage ich mich, ob drei Wochen Entzugsklinik nicht um einiges angenehmer gewesen wären als drei Wochen allein mit mir selbst.
Missmutig hänge ich den Schal wieder weg und beschließe, meine plötzlich kalten Finger an einer Tasse Tee aufzuwärmen in der Hoffnung, dass mich ein wenig Gesellschaft von mir selbst ablenken wird. Auch wenn es nur Fremde sind.
1. INT. ESQUIRE HALL – GRIECHISCHER SALON – TAG
The Honourable Miss CLARENCE Wilson, verwitwete Lady Cornbury, sitzt sichtlich niedergeschlagen bei Tee und Seed Cake, den sie nicht angerührt hat, auf einer lindgrünen Récamiere in dem opulent eingerichteten Zimmer.
Das Dienstmädchen BETH tritt ein.
Beth knickst und reicht ihr ein Tablett voll schwarzer Umschläge.
BETH
Die Post, Mylady.
Clarence stellt das Tablett auf dem Teetischchen ab und blättert durch die Briefe. Bei einem Umschlag mit prachtvollem Siegel hält sie inne.
CLARENCE
Noch mehr Kondolenzschreiben?
BETH
Ja. Und ich fürchte, es ist auch der … eine Brief dabei, den wir erwartet haben.
Clarence steht auf und tritt ans Fenster, sodass wir ihr Gesicht nicht sehen. Sie scheint sich zu sammeln, dann dreht sie sich wieder zu Beth um.
CLARENCE
Gut. Es ist besser, unangenehme Dinge nicht lange aufzuschieben.
BETH
Soll ich also den jungen Lord Cornbury einladen? Er wird sich ein Bild von seinem neuen Landsitz machen wollen.
CLARENCE
(lacht bitter)
Ja – ja, laden wir den armen Mann ein. Er wird allerdings nur den Titel tragen; der Landsitz, den der Viscount mir vermacht hat, wird nicht in seinen Besitz übergehen. Also kein Grund für übertriebene Formalitäten, Beth.
BETH
(verunsichert)
Dann beunruhigt Sie die Ankunft des Neffen der Dowager Viscountess nicht? Verzeihen Sie meine Neugier, ich meinte nur –«
CLARENCE
(winkt ab)
Warum sollte mich das beunruhigen? Die Lage ist klar: Der Viscount hat mich in seinem Testament als Erbin eingesetzt. Daran kann auch eine ganze Armee von Advokaten nichts ändern. Selbstverständlich werde ich dafür sorgen, dass Sie auf Esquire Hall bleiben können. Oder aber Sie begleiten mich auf meinen Reisen.
BETH
Reisen, Mylady?
CLARENCE
Nun, wenn ich mich recht erinnere, sind Adams Rippe irgendwann auch einmal zwei Beine gewachsen. Und wo ich jetzt sowieso das Gespött der besseren Gesellschaft bin, wüsste ich nicht, dass ich diesen Leuten noch etwas schuldig wäre. Violet soll wenigstens ein wenig von der Welt sehen, bevor sie in das starre Korsett der Konventionen gepresst wird.
Beth nickt zögerlich.
CLARENCE (CONT’D)
Ich werde klingeln, wenn ich die Antwort verfasst habe. Ein Lakai soll sie noch heute überbringen.
BETH
Natürlich, Mylady.
Beth knickst und entfernt sich.
Unter dem Puder und all den Farben verschwinde ich Stück für Stück, bis ich gar nicht mehr weiß, wer ich bin.
RORY
Ich starre auf den leeren Bildschirm vor mir. Die Angst vor der weißen Leinwand nennen es die Maler, die Angst vor dem leeren Blatt – oder eben Bildschirm – die Schriftsteller. In meinem Fall könnte man es wohl auch die Angst vor der finalen Drehfassung nennen. Statt zu schreiben, rede ich mit mir selbst, formuliere mein Leben für ein unsichtbares Publikum aus wie ein allwissender Erzähler in einem Roman. Das habe ich schon immer gemacht, es ist eine lästige Angewohnheit, die …
Da, du tust es schon wieder.
Liv hätte mich ausgelacht. Das macht sie in meinem Kopf manchmal immer noch. Ich könnte mich konzentrieren und die Gedankenspirale stoppen, doch Gewohntes gibt mir Sicherheit. Worte geben mir Sicherheit, solange sie nicht auf Papier beziehungsweise in eine Datei gebannt sind.
Im Grunde könnte ich das Dokument öffnen und mir einreden, meine Arbeit sei schon fast getan, aber damit würde ich mich nur selbst belügen. Meine Arbeit ist nicht getan, solange das Drehbuch für die zweite Staffel von Silver Lines nicht absolut perfekt ist.
Was es sowieso niemals sein wird, das weißt du doch. So funktioniert das nicht.
Dennoch: Solange Clarence nicht das Happy End bekommen hat, das sie verdammt noch mal verdient, bin ich noch nicht fertig. Auch wenn im Showgeschäft leider alle der Meinung sind, dass sich Tragödien und Skandale besser verkaufen als Happy Ends.
Ein Teil von mir würde am liebsten den Laptop gegen die Wand werfen. Es ist eine Regency-Soap, sagt dieser Teil, der gefährlich nach Liv klingt, was hast du denn erwartet? Friede, Freude, Eierkuchen auf Esquire Hall?
Einen Augenblick lang erlaube ich mir, abzuschweifen und über die Frage zu sinnieren, ob man 1812 bereits Eierkuchen kannte. Ich habe für die Arbeit am Skript lange genug recherchiert, um zu wissen, dass dies ziemlich sicher der Fall war, wenn wohl auch nicht in der Form, die wir heute essen.
Mein Blick wandert zu dem schmalen grünen Baumwollband an meinem rechten Handgelenk und den zwei glatten Aventurin-Perlen darauf. Two peas in a pod. Das Armband musste ich schon mehrfach austauschen, weil ich es niemals ablege – weder zum Schlafen noch zum Duschen. Aber die Perlen sind immer noch dieselben, die Liv damals ausgesucht hat. Meine große Schwester würde jetzt wahrscheinlich so etwas sagen wie Du arbeitest zu viel, Kleiner. Und wie immer läge sie damit richtig.
Ich sehe aus dem Fenster, hinaus in die nebligen Weiten der Insel, die mich schon so oft inspiriert haben. Liv hätte es hier gefallen, das weiß ich, auch wenn sie niemals in Portree oder auch nur auf Skye war.
Wenn du das hier liest, bin ich im Paradies: An einem Ort, der nicht zu groß, aber auch nicht zu klein ist. Nicht zu laut, aber auch nicht zu still. Wo es von allem genug, aber von nichts zu viel gibt.
Hoffentlich ist sie jetzt angekommen, flüstert die Stimme in meinem Kopf.
Doch obwohl Portree mein Refugium ist, ich mich hier viel eher zu Hause fühle, als ich es in London jemals könnte, bin ich hier nicht … sicher. Nicht mehr.
Entnervt lasse ich den Kopf gegen die Stuhllehne sinken. Was in aller Welt sucht Samantha Haigh hier? Und warum hat sie unter falschem Namen eingecheckt? Gut, ich habe eben nicht die gesamte Insel für mich allein gepachtet und der Gedanke, dass Patty diesen Geheimtipp auch mit ihren Kolleginnen geteilt haben könnte, ist wohl nicht allzu abwegig. Trotzdem: Portree bietet einfachen Komfort, jedoch ganz sicher keinen Luxus, weshalb sich normalerweise wenig Prominenz hierher verirrt, erst recht niemand aus der Filmbranche. Beim Gedanken daran, wie Sam mit ihren vom Matsch ruinierten Wildledersneakern vor mir stand, muss ich schmunzeln. Sicher ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder abreist.
Und das wäre auch besser so, wenn du endlich diese verdammte Drehfassung fertig schreiben willst.
Liv hat recht, so kann ich jedenfalls nicht arbeiten. Und obwohl ich mich noch nie von Erfolg oder Status habe beeindrucken lassen, bringt mich Samantha jedes Mal aus der Fassung. Denn genau genommen existiert sie für mich gar nicht. In meiner Welt gibt es nur Clarence, Viscountess of Cornbury, die an einem unbeschwerten Sommertag vor über zehn Jahren, als meine Welt noch in Ordnung war, von Liv so getauft wurde.
Ruckartig drücke ich mich von meinem Stuhl hoch, schnappe mir an der Garderobe im Flur meinen Mantel und stecke Laptop, Portemonnaie und Handy ein. Wenn ich nicht produktiv bin, hilft mir meist ein Tapetenwechsel. Bess und John bieten nur Frühstück an, weshalb ich mir oft einen Snack im The Caledonian Café hole. Ich eile die Treppe hinunter, wobei ich immer zwei Stufen auf einmal nehme, winke Bess an der Rezeption zu und steige in meinen Mietwagen, der auf dem Parkplatz neben der Lodge steht. Jedes Mal, wenn ich hier bin, nehme ich den dunkelgrauen Hyundai Tucson – noch eine Routine, die mir Sicherheit gibt. Außerdem fühlt es sich so fast ein bisschen danach an, als würde ich tatsächlich hier leben. Als wäre ich hier zu Hause. Vielleicht irgendwann, Kleiner, wenn du es dir leisten kannst, dem Showgeschäft endgültig Adieu zu sagen.
Das Caledonian ist heute mäßig besucht, was mich nicht wundert, denn außerhalb der Saison sind meistens nur Einheimische hier. Außerdem ist das Café vor allem für seine Eisbecher bekannt und die wenigsten Leute sind verrückt genug, im November und bei Temperaturen unter zehn Grad Celsius ein Eis zu essen. Ich biege um die Ecke, steuere auf meinen Stammplatz zu – und erstarre, weil er bereits besetzt ist.
Auf der rot gepolsterten Eckbank, direkt unter der Wanduhr, sitzt ausgerechnet Samantha, eine dampfende Tasse Tee vor sich. Dem Duft nach zu urteilen ist es Earl Grey, und auch wenn das im Moment absolut keine Rolle spielt, kann ich es als Autor nicht abschalten, solche Details überall zu bemerken.
»Hi«, setze ich an, weil es wohl zu spät ist, so zu tun, als hätte ich sie nicht bemerkt, und vergrabe unbeholfen die Hände in meiner Jackentasche. Dann wandert mein Blick suchend durch den Innenraum des Cafés, was wahrscheinlich ziemlich bescheuert aussieht, denn kaum ein Platz ist besetzt. Bevor Samantha auf die Idee kommen kann, ich würde darauf warten, dass sie mir anbietet, mich neben sie zu setzen, lasse ich mich eilig auf einen Platz zwei Tische weiter fallen. Erst danach wird mir klar, dass ich für sie nur irgendein Typ bin, der zufälligerweise im gleichen Hotel eingecheckt hat – sie weiß ja nicht, dass ich sie erkannt habe. Und dass sie weiß, wer ich bin, ist vollkommen ausgeschlossen. Trotzdem spüre ich, wie mir das Blut ins Gesicht steigt. Ich lächle ihr halbherzig zu und greife nach der Karte, obwohl ich genau das Gleiche wie immer bestellen werde: heiße Schokolade mit Marshmallows und ein Chicken-&-Mango-Chutney-Panini.
»Hallo«, sagt sie in ihrem unverkennbaren Tonfall, in dem immer ein wenig Arroganz mitzuschwingen scheint. Oder glaube ich das nur, weil ich die Schauspielerin nicht von ihrer Rolle trennen kann? Dabei sollte doch gerade ich den Unterschied zwischen Fiktion und Realität kennen.
Ich räuspere mich. »Dieses Café macht die weltbesten Eisbecher.« Mein Gott, was redest du da eigentlich für einen Quatsch?
»Ach ja?« Sie zieht die Augenbrauen hoch und sieht skeptisch zu mir herüber.
Wunderbar, das ist genau das Gegenteil dessen, was ich erreichen wollte. Schon als ich für eine Erwiderung den Mund öffne, ist mir klar, dass ich heute kein einziges Wort mehr zu Papier bringen werde. »Ja.« Ich räuspere mich. »Schade, dass die Saison schon fast vorbei ist.«
»Nur fast?«, fragt sie ungläubig und schlingt ihre Hände um die Tasse, um sie zu wärmen.
»Einen Knickerbocker Glory kann man immer essen, oder etwa nicht?« Ich schüttle über mich selbst den Kopf und signalisiere ihr damit hoffentlich, dass das eine rhetorische Frage war. Eine dumme rhetorische Frage. Dann ziehe ich den Laptop aus meiner Umhängetasche, auch wenn mir klar ist, dass ich mich jetzt garantiert nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren kann. Ich mag es nicht, beim Schreiben beobachtet zu werden – vor allem nicht von fiktiven Figuren aus meiner eigenen Geschichte.
Du musst wirklich aufhören, so über sie zu denken.
Ja, wahrscheinlich sollte ich das.
»Das könnte sein. Sollen wir nicht zum Du übergehen? Was schreibst du denn eigentlich für ein Buch?«
»Hm?« Ich schrecke so ruckartig hoch, dass ich mir das Knie an der Tischplatte stoße. Mit Mühe unterdrücke ich ein Fluchen. In diesem Moment kommt die Kellnerin an meinen Tisch und ich bestelle eine Hot Chocolate Royal, weil ich zwar Lust auf einen Knickerbocker Glory habe, es mir aber zu peinlich wäre, jetzt tatsächlich den Eisbrecher zu nehmen. Und weil ich nicht vor Samantha-Rosie-Clarence essen möchte.
Als die Kellnerin wieder gegangen ist, schiebt Samantha hinterher: »Na ja, welches Genre? Ich tippe auf einen Thriller. Oder vielleicht einen Liebesroman? Lass mich raten: Die tragische Protagonistin wird vom gut aussehenden Helden gerettet, den aber leider ein düsteres Geheimnis umgibt?«
»Fändest du das denn angebracht?«
»Was?«
»Dass die Frau gerettet werden muss.«
Samantha schweigt. Ohne es zu wissen, hat sie genau das Problem angesprochen, das ich mit der Drehfassung habe. Und die Schwierigkeit, die Frauen der Regency-Zeit generell hatten – nämlich, dass sie ohne ihren Mann nichts zu sagen hatten. Genau genommen ist es im Showgeschäft heute wohl immer noch so.
Als ich nichts erwidere, fragt Samantha: »Darf ich vielleicht mal einen Blick darauf werfen?«
Mir entschlüpft ein panisches Schnauben. »Auf keinen Fall!« Nachdem sich mein Puls wieder beruhigt hat, füge ich erklärend hinzu: »Leider ist das Projekt bis zur Veröffentlichung streng geheim.«
»Verstehe.«
»Und was machst du beruflich?«
Samantha mustert mich mit verengten Augen und plötzlich fühle ich mich ihr so nah, als würde ich ihr direkt gegenübersitzen und nicht etwa zwei Tische weiter. Es war eine bescheuerte Idee, den Spieß einfach umzudrehen. Das scheint sie auch so zu sehen. »Um ehrlich zu sein, würde ich lieber nicht darüber reden. Ich nehme mir hier auf Skye gerade eine Auszeit, weil mich mein Job ausgelaugt hat. Und was ich danach mache … wer weiß.«
Danach wird es Clarence vielleicht nicht mehr geben.
Ich nicke, um ihr zu signalisieren, dass ich ihren Wunsch respektiere und sie nicht weitersprechen muss. Und gleichzeitig bewundere ich sie dafür, dass sie es geschafft hat, mir die Wahrheit zu verschweigen, ohne mich anzulügen. »Wie lange bleibst du hier?«, frage ich. Dabei bleibt mein Blick an ihrem Mund mit dem charakteristischen Leberfleck auf der rechten Unterlippe hängen. Erst jetzt fällt mir auf, dass Samantha nicht wie sonst den auffälligen roten Lippenstift trägt, der ihr Markenzeichen ist. In Gedanken spiele ich unsere flüchtigen Begegnungen der vergangenen Monate durch: Wir haben kein einziges Wort miteinander gewechselt, deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sie sich nicht an mich erinnert.
Aber es ist auch nicht verwunderlich, dass du dich an sie erinnerst, denn jeder Mann, der Sam Haigh einmal begegnet ist, erinnert sichdaran.
Doch ich bin sicher, dass sie immer, wenn ich sie gesehen habe, diesen Lippenstift trug. Außer in der Rolle von Clarence, natürlich.
»Drei Wochen, wieso?«
Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch und brauche einen Moment, bis ich begreife, was sie gesagt hat: drei Wochen oder einundzwanzig Tage. Das ist genau die Zeit, die ich für mein Drehbuch eingeplant habe. Das sind die ruhigen Spätherbstnachmittage, an denen ich das Shooting Script von Silver Lines 2 finalisieren wollte. Doch das erscheint mir jetzt unmöglich. Ich bin Autor und ich sehe in jeder alltäglichen Kleinigkeit eine Geschichte, die erzählt werden will und darauf wartet, dass nur jemand hinsieht. Aber ich habe nicht in Betracht gezogen, dass das Leben meine Pläne durchkreuzen und meine eigene Geschichte neu schreiben könnte.
Mit einem Seufzen sehe ich wieder auf. »Nur aus reiner Neugier. Ist wohl eine Schriftstellerkrankheit.«
Samantha reibt sich schulterzuckend das rechte Bein. Vielleicht hat der Unfall sie verändert; nein, ganz sicher hat er das. Sie muss eine beschissene Zeit hinter sich haben und wahrscheinlich verursacht ihr die Verletzung, von der ich offiziell gar nichts weiß, immer noch Schmerzen …
»Und gehört es auch zu deinem Job, Menschen so anzustarren?«, fragt sie spöttisch.
Ich weiß, dass Samantha die Aufmerksamkeit von Männern gewöhnt, – ja, vielleicht geradezu süchtig danach ist. Ganz im Gegensatz zu Clarence. Deshalb weiß ich auch, dass sie eine exzellente Schauspielerin ist, und ich bewundere sie dafür. »Ich fürchte schon, ich bin oft in Gedanken. Aber ich möchte mich trotzdem entschuldigen.«
Um Samanthas Mundwinkel zuckt ein kaum wahrnehmbares Lächeln. »Viel Erfolg mit dem Buch«, sagt sie und steht auf. »Ich muss jetzt los, einen Schal kaufen. Es ist wirklich arschkalt hier.« Als sie an meinem Tisch vorbeigeht, flüstert sie noch etwas, das ziemlich nach und neue Schuhe klingt.
Ich schmunzle in mich hinein und versuche angestrengt, das unerträglich leichte Kribbeln in meinem Bauch zu ignorieren. Zum Glück habe ich eine blühende Fantasie und schon ein Dutzend mögliche Erklärungen dafür im Kopf, eine unwahrscheinlicher als die andere.
Ich schließe die Augen und löse mich auf. Wenn ich nicht mehr da bin, kann mir auch niemand wehtun.
SAM