A Touch of Snow - Tracy Wolff - E-Book

A Touch of Snow E-Book

Tracy Wolff

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Beschreibung

Z & Ophelia – können sie die Traumata der Vergangenheit hinter sich lassen, und in eine gemeinsame Zukunft blicken?

Eine Frau, die ihn eiskalt abblitzen lässt? Absolutes Neuland für Profi-Snowboarder Z Michaels, dem die Frauen sonst reihenweise zu Füßen liegen – die attraktive Barfrau Ophelia scheint immun gegen seinen Charme und Erfolg zu sein. Ophelia selbst kam nach einem schweren persönlichen Verlust nach Utah, um ihr gebrochenes Herz zu heilen. Obwohl sie sich stark zu Z hingezogen fühlt, kann sie einen Bad Boy wie ihn gerade nicht gebrauchen! Doch gelingt es der toughen Kellnerin schnell, hinter Z’s coole Fassade zu blicken – und sie bemerkt dabei, dass sich unter seiner äußeren Eisschicht ebenfalls eine traumatische Vergangenheit verbirgt …

Sports Romance trifft auf Bad Boy x Good Girl und Shared Trauma – Band 1 der »Hearts on Boards«-Reihe von Nr.-1-SPIEGEL-Bestsellerautorin Tracy Wolff!

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Seitenzahl: 483

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Buch

Eine Frau, die ihn eiskalt abblitzen lässt? Absolutes Neuland für Profi-Snowboarder Z Michaels. Bis er auf die attraktive Barfrau Ophelia trifft – denn die scheint immun gegen seinen Charme und Erfolg zu sein. Ophelia selbst kam nach einem schweren Verlust nach Utah, um ihr gebrochenes Herz zu heilen. Obwohl sie sich zu Z hingezogen fühlt, kann sie einen Bad Boy wie ihn gerade nicht gebrauchen! Nach und nach gelingt es der toughen Kellnerin aber, hinter Z’s coole Fassade zu blicken – und sie bemerkt, dass sich unter seiner äußeren Eisschicht doch ein weicher Kern verbirgt. Sogar ein ziemlich anziehender …

Autorin

Tracy Wolff schrieb ihr erstes Buch bereits in der zweiten Klasse. Seitdem sind viele »New York Times«-, »USA Today«- und SPIEGEL-Bestseller dazugekommen. Die Autorin hat ihren Ursprung aber in der zeitgenössischen Romance: »Hearts on Boards« zählt zu ihren beliebtesten Reihen und erscheint erstmals auf Deutsch bei Blanvalet. Die ehemalige Englischprofessorin widmet sich heute ganz dem Schreiben und lebt mit ihrer Familie in Austin, Texas.

Die »Hearts on Boards«-Reihe bei Blanvalet

A Touch of Snow

A Touch of Ice

A Touch of Storm

TRACY WOLFF

A TOUCH OF SNOW

ROMAN

Deutsch von Anita Nirschl

Die Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel »Shredded« bei Flirt, an imprint of Random House, a division of Random House LLC, a Penguin Random House Company, New York.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © 2014 by Tracy Deebs-Elkenaney

All rights reserved.

This edition published by arrangement with Ballantine Books, an imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2024 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Angela Kuepper

Umschlaggestaltung und -motiv: © www.buerosued.de

SH · Herstellung: DiMo

Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg 

ISBN 978-3-641-32839-9V001

www.blanvalet.de

Liebe Leser*innen,dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Deshalb findet sich am Ende des Buchs eine Triggerwarnung. Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch. Wir wünschen allen das bestmögliche Leseerlebnis.

Kapitel 1

Z

Ich bin auf halbem Weg mit dem Skilift den Berg hinauf, als mir auffällt, dass es bereits dunkel ist. Richtig dunkel, nicht einfach nur dämmrig. Was nervt, denn das bedeutet, dass ich fertig bin. Das war der letzte Run. Kein Snowboarden mehr heute Abend, da alle guten Pisten geschlossen werden, sobald es ganz dunkel ist.

Normalerweise ist das kein Problem – ich bin schon seit sieben Stunden hier draußen, und mein Körper könnte eine Pause gebrauchen, vor allem, weil meine Zehen seit über einer Stunde taub sind.

Aber heute Abend bin ich noch nicht bereit, Schluss zu machen. Nicht jetzt, da meine Haut kribbelt und sich zu eng anfühlt und mir der Kopf schwirrt von dem Bedürfnis, zu vergessen …

Ich schneide den Gedanken ab, als ich oben auf dem Berg aus dem Lift steige.

Stattdessen konzentriere ich mich darauf, mein Board abzuschnallen und die Schrauben an der Unterseite zu überprüfen, um sicherzugehen, dass es nicht beschädigt ist. Beim letzten Run habe ich alles gegeben – was der totale Dope war –, aber die paar Rails davor habe ich ziemlich hart gecarvt. Mein Board hat den größten Teil des Aufpralls abbekommen, und ich will sichergehen, dass es noch stabil ist.

Wie sich herausstellt, ist es das, und ich schiebe es gerade in den Ständer rechts neben dem Lift, als Cam hinter mir aussteigt. Sie ist total aufgedreht. »Alter, der letzte Run war der Wahnsinn! Ich habe noch nie gesehen, dass du einen Inverted Triple Cork gemacht hast.«

»Das liegt daran, dass es hier zu viele Touris gibt, die einem in die Quere kommen können.« Das Letzte, was ich brauche, ist ein Tourist, der nicht weiß, was er tut – dann kann das Ganze nämlich schnell ziemlich hässlich werden. Aber heute habe ich mich nicht zurückhalten können. Seit ich am Morgen aufgewacht bin, hat sich in mir dieser Drang aufgebaut, der auf meine Brust drückt, bis ich das Gefühl habe zu ertrinken. An solchen Tagen muss ich mich am Powder abreagieren, um durchatmen zu können.

Aber die Piste schließt – Cam ist die Letzte, die raufgekommen ist –, und das Gefühl ist wieder da, schlimmer als vorher. Ich stehe hier, der Wind frischt auf, eisige Luft überall um mich herum, und trotzdem ersticke ich.

Neben mir stellt Cam ihre Sachen neben meinen ab und geht dann zu der Bank, auf der wir normalerweise darauf warten, dass Lucas und Ash in der Halfpipe fertig werden. Ich folge ihr, aber in dem Moment, in dem ich mich neben sie setze, wird das Kribbeln schlimmer. Genauso wie das Pochen in meinem Nacken.

Nein, hier im Dunkeln zu sitzen und zu warten, wird mir heute Abend nicht helfen. Vielleicht, wenn ich etwas Gras mitgebracht hätte, um runterzukommen, aber mein Vorrat ist zu Hause. Als ich aus dem Haus gegangen bin, habe ich mir gesagt, dass ich damit klarkommen würde. Dass es ein ganz normaler Tag wäre.

Was für ein verdammter Witz das ist! Ich habe das Gefühl, gleich zu explodieren.

Gerade will ich wieder aufstehen und auf und ab marschieren, um die Energie loszuwerden, die von innen auf mich eindrischt, doch Cam hält mich mit einer Hand am Arm auf. »Ich mein’s ernst. Dieser Trick war der absolute Wahnsinn. Wie lange hast du den schon trainiert?«

»Ich weiß nicht.«

»Du hast wahrscheinlich gestern damit angefangen.« Sie schüttelt den Kopf und sieht dabei genervt aus. »Ich versuche seit Monaten, einen 900 zu schaffen – irgendeinen 900 –, und wir wissen beide, wie das läuft.«

Ich beiße mir auf die Zunge, um nicht darauf hinzuweisen, dass sie ein Mädchen ist – dass, egal, wie stark sie ist, und egal, wie oft sie trainiert, ich in der Lage sein werde, Dinge zu tun, die sie nicht kann. Nicht weil ich ein besserer Boarder bin, denn das bin ich nicht. Sie ist total sick auf dem Snowboard. Aber mit dem Testosteron ist es so eine Sache. Ich bin körperlich stärker als sie, also kann ich höhere Sprünge und kompliziertere Tricks machen.

»Ich meine es ernst«, fährt sie fort. »Eines Tages werde ich herausfinden, wie man diesen Move macht.«

»Zweifellos.«

»Hey.« Sie boxt mich gegen die Schulter. »Tu nicht so gönnerhaft.«

»Sehe ich so aus, als wäre ich in der Stimmung, gönnerhaft zu sein?« Im Moment ist der Druck so groß, dass ich kaum sprechen, kaum atmen kann.

»Geht’s dir gut?«, fragt sie und legt eine Hand auf meinen Arm.

»Ja, klar. Alles bestens.« Ich schüttle ihre Hand ab und stehe jetzt tatsächlich auf. Tue so, als wäre ich fasziniert davon, den Mitarbeitenden des Skigebiets bei all den Routineaufgaben zuzusehen, die mit der Schließung einer der schwarzen Pisten einhergehen.

Aber Cam kauft mir das nicht ab. Sie steht wieder neben mir, ihr Gesicht zu mir geneigt, ihre großen braunen Augen erfüllt von einer Sorge, die ich einfach nicht will. Oder brauche. Und von etwas anderem. Etwas, was ich in letzter Zeit immer öfter bei ihr sehe. Normalerweise vermeide ich es – schließlich ist sie eine meiner besten Freundinnen, ganz zu schweigen davon, dass Luc praktisch schon ewig in sie verliebt ist –, aber für eine Sekunde, nur eine Sekunde, denke ich darüber nach, ihre Einladung anzunehmen.

Bevor ich weiß, was ich tue, senke ich den Kopf. Lehne mich vor. Unsere Lippen sind nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt, und ihre Augen weiten sich, der Atem stockt ihr in der Kehle. Ich kann fast spüren, wie sie sich anspannt, ich kann fast hören, wie ihr Herz schneller schlägt.

Es wäre so einfach, sie zu küssen.

So einfach, mit zu ihr nach Hause zu gehen und sie zu ficken, wie ich es mit Hunderten von anderen Mädchen getan habe.

So einfach, mir einzureden, es wäre nicht sie, und mich in einem anderen Körper zu verlieren.

Aber was dann? Es fällt mir auch so schon schwer genug, in den Spiegel zu gucken. Wenn ich sie so verarsche – Luc verarsche – für eine Stunde Sex, der mir nichts bedeutet, sobald er vorbei ist, dann bin ich ein noch größerer Mistkerl, als ich dachte.

Das kann ich ihnen nicht antun. Weder ihr noch Luc.

Es gibt genug Mädchen da draußen, die nicht mehr wollen als ich. Und mit denen ich mich am Morgen danach nicht auseinandersetzen muss.

In letzter Sekunde ziehe ich mich zurück und nicke in Richtung der Skihütte. »Na komm, lass uns reingehen.«

Sie starrt mich lange an, aber dieses Mal ist alles, was ich in ihren Augen sehe, purer Ärger. Es ist ein Blick, mit dem ich ziemlich vertraut bin, und Erleichterung durchströmt mich, als ich ihn bemerke. Schließlich ist es tausendmal besser, wenn Cam wütend auf mich ist, als wenn sie mich mit dieser ganzen Sorge und anderem Mist ansieht.

Aber sie stellt mich nicht zur Rede, und da der Wind jetzt wirklich auffrischt – so stark, dass der ganze Berggipfel wie eine Schneekugel in den Händen eines aufgedrehten Kleinkinds aussieht –, protestiert sie auch nicht. Zumindest nicht, bis wir durch die großen Glastüren der Lost Canyon Lodge treten. Wir sind keine paar Sekunden drin, als eine Gruppe ungestümer Knirpse direkt in uns hineinpflügt und Cam umrempelt, sodass sie auf ihrem Hintern landet. Die Kinder rennen davon, bevor einer von uns mehr tun kann, als den kleinen Monstern hinterherzustarren.

Ich reiche ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen, und sie nimmt sie, aber ihre blauen Augen blitzen noch immer verärgert.

»Was genau machen wir hier, Z?«, fragt sie, während sie wieder auf die Beine kommt. »Du weißt, dass ich es hasse, hier zu sein.«

»Keine Sorge, Mike ist heute Abend nicht hier. Und selbst wenn, würde ich ihn nicht in deine Nähe lassen.«

Bei der Erwähnung dieses Arschlochs von Ex-Freund versteift sie sich. »Er ist nicht derjenige, um den ich mir Sorgen mache.«

»Ach ja? Wer ist es denn, der dich nervt?« Ich schaue mich um. Ich hätte nichts dagegen, etwas von dieser Anspannung loszuwerden, indem ich die Scheiße aus einem Kerl rausprügle, der sie belästigt.

»Es geht um dich, Z. Ich mache mir Sorgen wegen dir.«

Fuck! Ich bin ihr direkt in die Falle gelaufen. Cam, Luc, Ash und ich sind schon Freunde, seit wir ungefähr fünf Jahre alt waren. Was toll ist, wenn man versteht, dass wir uns praktisch füreinander vor ein Auto werfen würden, aber nicht so toll, wenn es darum geht, dass wir übereinander alles wissen, was es zu wissen gibt – auch die beschissenen Dinge.

»Musst du nicht«, sage ich ihr, entschlossen, konzentriert bei der Sache zu sein. »Ich habe dir schon gesagt, dass es mir gut geht.«

»Ja, klar.« Sie nimmt ihre Skimütze ab, und ihre verrückten roten Locken plustern sich in alle Richtungen auf. Mit all diesen Haaren und ihrem türkisfarbenen Snowboardanzug sieht sie ein bisschen wie ein Muppet aus. Ein süßer Muppet, aber trotzdem ein Muppet. Um sie zu ärgern – und vielleicht auch, um sie abzulenken –, strecke ich eine Hand aus und zerzause ihre Locken.

Sie schlägt nach mir, aber sie lacht, also mache ich es noch ein bisschen mehr. Die Anspannung von dieser Katastrophe eines Beinahe-Kusses lässt nach, und Erleichterung durchzuckt mich. Ich habe in meinem Leben schon genug Scheiße gebaut. Meine Freundschaft mit ihr und auch mit Luc zu ruinieren, kommt nicht infrage.

Sie duckt sich unter meiner Hand weg, bevor ihr knochiger Ellbogen direkt in meinem Magen landet. Ich zucke nicht zusammen, aber nur, weil es für mich so eine Art Religion ist, keine Schwäche zu zeigen – nicht einmal gegenüber einer meiner engsten Freundinnen. Ich ziehe noch ein zusätzliches Mal an ihren Locken, bevor ich außer Reichweite husche, nur um ihr klarzumachen, dass der Ellbogen nicht wehgetan hat.

»Komm, suchen wir uns einen Tisch.«

»Warum können wir nicht draußen warten, wie wir es sonst tun?« Jetzt jammert sie fast, und jedes andere Mal würde ich nachgeben. Aber nicht heute Abend.

Denn wenn ich nicht boarden, nicht rauchen und nicht kämpfen kann, bleibt nur noch eine einzige Möglichkeit. Und wir hatten bereits einen gefährlich knappen Beinaheunfall. »Es ist kalt da draußen, falls du es noch nicht bemerkt hast.«

Sie mustert mich von oben bis unten. »Du trägst erstklassige Snowboardausrüstung im Wert von dreitausend Dollar und machst dir Sorgen, weil es ein bisschen kalt ist?«

»Ein bisschen kalt? Nein.« Ich zeige zu den Türen, durch die wir gerade gekommen sind. In den letzten Minuten hat der Wind noch mehr aufgefrischt, und der Schnee fliegt in alle Richtungen. »Es ist arschkalt da draußen. Ich hatte schon Sorge, dass ich mir Frostbeulen an den Eiern hole.«

Sie verdreht die Augen und gibt ein angewidertes Geräusch von sich. »Wie nett, Z.«

»Hey, du hast gefragt«, entgegne ich, während ich meine Jacke ausziehe. Draußen mögen sich die Bedingungen zwar einem Schneesturm nähern, aber im Innern des Skiresorts läuft die Heizung auf Hochtouren. Es fühlt sich gut an nach einem halben Tag auf dem Berg, aber das Letzte, was ich will, ist zu schwitzen, nicht wenn wir in wenigen Minuten wieder in der Kälte sein werden. »Außerdem sind deine Lippen schon vor ungefähr einer Stunde blau angelaufen. Ich dachte, du würdest die Gelegenheit zu schätzen wissen, etwas aufzutauen.«

»Ja, deswegen sind wir hier drin«, sagt sie und steigt endlich darauf ein, indem sie den einzigen freien Tisch in der Kaffeebar ansteuert. »Weil du dir Sorgen um den Zustand meiner Lippen machst.«

Ich ignoriere sie, während wir uns durch ein Gewirr von Menschen und Schneeausrüstung schlängeln. Der Laden ist überfüllt, aber das ist um diese Jahreszeit nichts Neues. Jeder, vom ernsthaften Hobby-Skifahrer bis hin zum Anfänger und allem dazwischen, schlägt auf den Pisten von Park City auf, sobald der Winter Einzug hält, und hofft auf eine rasante Zeit. Natürlich haben etliche der Touristen keine Ahnung, was zur Hölle sie da machen – einer der vielen Gründe, warum ich, wie die meisten Einheimischen, die Hotels hier normalerweise meide wie die Pest. Man verletzt sich bei einem Run viel leichter, wenn die Hälfte der Leute, die mit einem unterwegs sind, nicht weiß, was sie tut.

Wenn es nach mir ginge, würde ich eigentlich jeden Tag in Backcountry boarden und nicht nur an den Wochenenden. Aber sobald Lost Canyon anfing, Luc und Ash dafür zu bezahlen, dass sie hier trainieren, wenn sie in der Stadt sind, schließe ich mich ihnen an, statt in die Gebiete zu fahren, die nicht zu den Resorts gehören. Denn auch wenn ich mein Leben damit verbringe, verrückten Mist zu bauen, bin ich doch nicht verrückt genug, um allein ins Backcountry zu gehen. Meistens jedenfalls.

Cam rutscht auf die Bank, dann sieht sie mich erwartungsvoll an. »Ich hätte gerne ein Power O«, sagt sie zu mir. Das ist das Spezialgetränk für Snowboarder hier im Lost Canyon, ein speziell gemixter Energydrink, der dir einen Schuss pures Adrenalin reinjagt. Es ist ihr Lieblingsgetränk, aber mir hat es noch nie viel gebracht. Ich bevorzuge mein Adrenalin direkt.

»Ich dachte, du wärst an der Reihe, was zu holen.«

Sie schnaubt und versucht, hart zu wirken. »Alter, hör auf, dich zu verstellen. Wir wissen beide, warum wir hier drin sind.«

»Ach ja?«, frage ich mit hochgezogener Braue. »Und warum?«

Sie entscheidet sich für Option Nummer vier, und wir tun beide so, als wäre der abfällige Blick, den sie mir zuwirft, nicht böse gemeint. »Wegen der Blonden mit den großen Brüsten und der ›Leg dich nicht mit mir an‹-Haltung, die gerade hinter dem Tresen Bestellungen annimmt. Du hältst nach ihr Ausschau, seit du sie letzte Woche auf der Piste gesehen hast. Ich bin nur überrascht, dass es so lange gedauert hat, bis du deinen nächsten Zug machst.«

Um ehrlich zu sein, ich auch. Sie ist mir bereits am ersten Tag aufgefallen, als sie in ihrer engen Jeans und ihrer viel zu dünnen Jacke rausgestolpert kam, um dem Liftangestellten eine Nachricht zu überbringen. Ich hätte mich ihr damals fast vorgestellt, aber als ich oben ankam, ging sie schon wieder weg.

Seitdem schwirrt sie mir immer wieder im Kopf herum. Als Ash gestern also erwähnte, dass eine heiße neue Blondine in der Kaffeebar auf dem Berggipfel arbeitet, habe ich eins und eins zusammengezählt und die Information für die Zukunft abgespeichert.

Sieht so aus, als wäre die Zukunft heute Abend. Ich denke, ich werde rübergehen und sie anquatschen, während Cam und ich auf die anderen warten. Ihren Namen herausfinden. Und mal sehen, wie lange es dauert, sie zu überreden, eine Pause zu machen, damit ich sie an die Wand des nächstgelegenen Umkleideraums pressen kann.

Das wird gleich zwei Probleme für mich lösen: Ich werde dieses Kribbeln los, das einfach nicht verschwinden will, und ich sorge dafür, dass Cam versteht, wie wenig mir dieser Beinahekuss da draußen bedeutet.

Als ich nicht sofort auf ihre Sticheleien reagiere, sieht Cam mich mit schmalen Augen an. »Was denn? Hast du Angst, dass du es nicht mehr draufhast oder so?«

Jetzt bin ich an der Reihe zu schnauben. »Als ob das jemals passiert wäre!«

»Ich weiß nicht. Es gibt für alles ein erstes Mal.«

»Nicht dafür«, sage ich mit Nachdruck.

»Na, dann geh und hol mir mein Getränk.« Ihr Handy piept, und sie blickt drauf und liest die Nachricht. »Und bring auch was für Luc und Ash mit. Sie werden in etwa zehn Minuten hier sein.«

»Klein oder groß?«

Sie sieht mich mit hochgezogenen Brauen an. »Bist du dir sicher, dass du mit dieser Frage jetzt um dich werfen willst? Schließlich warst du doch derjenige, der sich Sorgen wegen Frostbeulen gemacht hat.«

Ich zeige ihr den Mittelfinger, und sie erwidert die Geste, während ich weggehe. Aber ich achte nicht mehr drauf.

Stattdessen ist meine ganze Aufmerksamkeit auf das Mädchen hinter der Kasse gerichtet. Sie unterhält sich mit einem Kunden – einem älteren Mann, der in jeder Hand eine Tasse Kaffee hält – und grinst über das, was immer er ihr gerade erzählt. Sie hat ein tolles Lächeln, und ich frage mich unwillkürlich, warum mir das beim letzten Mal nicht aufgefallen ist. Es ist nicht so toll wie ihr Körper, der verdammt heiß ist, aber es ist immer noch ziemlich beeindruckend.

Das gilt auch für ihre Augen, die einen intensiven Grünton haben. Sie sind irgendwie groß und sexy, besonders wenn sie einen Blick aus den Augenwinkeln wirft, wie sie es in den letzten Minuten ein paarmal getan hat. Sie hat auch einen schönen Mund, und einen Moment lang bin ich so in Gedanken vertieft, wie er sich wohl um meinen Schwanz anfühlen würde, dass ich gar nicht bemerke, wie sich Lila mir direkt in den Weg stellt.

Sie hält sich an mir fest, schlingt die Arme um meine Taille und presst ihren schlanken, süßen Körper an meinen. Ich versuche, an ihr vorbeizukommen, aber sie hat einen festen Griff und lässt mich nicht los. Außer sie abzuschütteln – was selbst für mich ein mieser Zug ist –, bleibt mir nicht viel anderes übrig, als zu grinsen und es über mich ergehen zu lassen.

»Hey, Z!« Ihre Worte klingen gehauchter als sonst, und sie klimpert so heftig mit den Wimpern, dass ich Angst habe, eine ihrer farbigen Kontaktlinsen könnte herausfallen. »Du siehst gut aus heute Abend.«

»Danke, du auch.« Ich greife um sie herum und befreie mich langsam aus ihrem Krakengriff. Aber sie hält meine Hände mit ihren beiden fest.

»Findest du?«

Nicht wirklich. »Ja, natürlich.« Ich mustere sie, um etwas Nettes zu finden, das ich sagen kann. »Der Pulli steht dir gut.«

Sie reckt sich stolz, und erneut will ich an ihr vorbeigehen, aber sie lässt meine rechte Hand einfach nicht los.

Stattdessen fährt sie mit den Fingerspitzen über meine Knöchel, bevor sie meine Finger aus der Faust löst, die ich unbewusst gemacht habe. Dann schaut sie auf meine Handfläche. »Oh, du hast eine wirklich tiefe Liebeslinie«, sagt sie, während sie mit einem langen rosafarbenen Nagel über die kettenähnliche Falte streicht. »Weißt du, was das bedeutet?«

»Keine Ahnung.« Mein Tonfall deutet an, dass es mich auch nicht interessiert, aber sie hört nicht zu. Sie ist zu sehr in die große Verführung vertieft, die sie sich in ihrem Kopf zurechtgelegt hat, und ich lehne mich auf die Fersen zurück und erwarte schicksalsergeben das Schlimmste, was sie zu bieten hat. Nur ein mindestens fünfköpfiges Befreiungsteam kann mich hier rausholen, bevor Lila bereit ist loszulassen.

Sie kommt noch näher, so nah, dass ihr Mund sich meinem Ohr nähert und ihre Titten sich an meinen Arm pressen, als sie flüstert: »Das bedeutet, dass du sehr gut im Bett bist.«

Nennt mich verrückt, aber … »Ich hätte nicht gedacht, dass du mir aus der Hand lesen musst, um das zu wissen.«

Sie kichert wieder, und für mich klingt es, als würden Nägel über eine Tafel kratzen. »Das muss ich auch nicht, Dummerchen. Ich erinnere mich an jede Minute unserer gemeinsamen Nacht.«

Interessant, denn ich kann mich an nichts davon erinnern, und dabei war ich nicht einmal betrunken. Oder zumindest glaube ich, dass ich es nicht war. All die Partys – und die Mädchen – verschwimmen allmählich miteinander.

Wieder sage ich nicht, was ich denke. Stattdessen versuche ich, ihre Hand von meiner zu lösen. Endlich gelingt mir die Flucht, aber ich komme nur ein paar Schritte weit, bevor sie sich mir erneut in den Weg stellt.

»Wohin willst du denn so schnell? Warum setzt du dich nicht zu meinen Freundinnen und mir?« Sie nickt in Richtung eines Tisches mit vier anderen Mädchen, die mich alle anstarren, als wäre ich der Nachtisch. Normalerweise würde ich dieser Einladung sofort nachkommen, aber im Moment könnte sie nicht weniger verlockend klingen. Vor allem, weil das neue Mädchen gerade den Kopf zurückwirft und über etwas lacht, was der alte Kerl in der Schlange zu ihr sagt.

Ich mag den Klang. Wie bimmelnde Glöckchen. Ich fühle mich wie ein totales Weichei, weil ich es bemerke, aber andererseits gibt es inzwischen nicht mehr viel an ihr, was ich noch nicht bemerkt habe.

»Also, Z, was meinst du? Willst du heute Abend mit uns abhängen?«

Da es völlig offensichtlich wird, dass die einzige Möglichkeit, ihr zu entkommen, darin besteht, sie k.o. zu schlagen, reiße ich den Blick von dem neuen Mädchen los und richte ihn auf Lila. Sie kichert ein wenig, und das Wimperngeklimper wird schlimmer. »Tut mir leid«, sage ich zu ihr. »Ich hab schon was vor.«

»Mit ihr?« Sie wirft einen boshaften Blick rüber zu dem Tisch, an dem Cam sitzt und an ihrem Handy herumfummelt. »Bitte. Du kannst was Besseres kriegen als diese Loserin. Ich meine, steht sie überhaupt auf Jungs? Servier sie ab, und ich verspreche dir, dass es sich für dich lohnen wird.«

In diesem Moment lässt mich das bisschen Geduld, das ich noch aufbringen konnte, im Stich. Niemand redet schlecht über meine Freunde. Niemand.

Ich schüttle Lila ab, und diesmal gebe ich mir keine Mühe, nett zu sein. »Ich würde nicht mal einen One-Night-Stand für dich abservieren, geschweige denn meine beste Freundin.« Ich mustere sie von oben bis unten, und diesmal achte ich darauf, dass ich nichts als Verachtung zeige. »Oh, richtig. Du warst ein One-Night-Stand.«

Darauf hat sie nichts zu erwidern. Ich gehe an ihr vorbei und versuche zu ignorieren, wie blass sie ist und wie ihre Augen plötzlich vor Tränen schimmern. Sie greift nach meinem Arm, aber ich schüttle sie ab. Es ist ihre eigene Schuld. Ich habe versucht, nett zu sein – ich hasse Kerle, die sich Mädchen gegenüber wie Arschlöcher verhalten, nur weil sie es können –, aber ich lasse niemanden damit davonkommen, Cam in meiner Gegenwart zu beleidigen. Das Mädchen hat schon zu viel durchgemacht. Sie hat es nicht nötig – oder verdient –, sich von anderen beschimpfen zu lassen, vor allem nicht nach dem, was ich heute Abend abgezogen habe.

Trotzdem gefällt es mir nicht, ein Mädchen zum Weinen zu bringen. Das erinnert mich zu sehr an April, und daran darf ich nicht denken.

Ich werde nicht daran denken.

Als ich am Tresen ankomme, hat die Anspannung in mir kritische Werte erreicht. Ein Teil von mir rechnet damit, dass meine Haut jeden Moment unter dem Druck aufplatzt.

Der alte Kerl ist Gott sei Dank weitergezogen, aber jetzt steht eine kleine Schlange von Leuten zwischen mir und der Neuen. Ich konzentriere mich ausschließlich auf sie, nutze die Gelegenheit, sie zu mustern, um den Rest meines verkackten Lebens auszublenden.

Sie sieht gut aus der Nähe aus, und obwohl sie Jeans und einen Rollkragenpullover trägt, ist beides eng genug, um zu ahnen, wie heiß ihr Körper wirklich ist. Schade, dass wir im Schnee leben, denn dieses Mädchen sollte niemals eine Jacke anziehen.

Ich vertreibe mir die Zeit damit, mir vorzustellen, was ich mit ihr machen werde, wenn ich mit ihr allein bin.

Wo ich sie berühren möchte.

Welche Stellen ich gern küssen würde. Lecken. Beißen.

Bei ihr sind es so viele, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Im Nacken, genau unter der Stelle, an der sie ihr Haar zu diesem unordentlichen Dutt zusammengebunden hat? Bei dem Muttermal direkt unter ihrem Kinn auf der rechten Seite ihres Halses? Oder an dem winzig kleinen Grübchen, das auf ihrer linken Wange aufblitzt, wenn sie einen Kunden anlächelt?

Wo auch immer ich anfange, ich weiß genau, wo ich aufhören will. Aber jetzt quäle ich mich nur selbst, und als ich an der Bar ankomme, bin ich dankbar, dass ich noch meine dicke Snowboardhose anhabe. Sonst wäre mein Interesse für jeden in diesem verdammten Raum offensichtlich.

»Was darf’s sein?«, fragt sie mit über der Kasse schwebenden Fingern. Zum ersten Mal bemerke ich, dass ihre Nägel in einem funkelnden Grün lackiert sind, das fast genau zu ihren Augen passt – nicht das, was ich von ihr erwartet hätte, bei all diesen »Tough girl«-Vibes, die sie ausstrahlt. Aber mir gefällt die Farbe fast so sehr wie die Erkenntnis, dass mehr in ihr steckt, als ich dachte.

Nicht, dass das wirklich wichtig wäre, erinnere ich mich. Ich will sie ficken, nicht all ihre Ecken und Kanten kennenlernen.

»Ich weiß nicht.« Ich lasse meine Stimme ein wenig heiserer klingen als sonst und schenke ihr dieses halbe Lächeln, mit dem ich normalerweise alles bekomme, was ich will. »Was ist denn gut?«

»Das kommt darauf an, was du magst.« Sie ahmt meinen Tonfall genau nach, aber als ich ihr ins Gesicht sehe, ist da nichts als höfliches, professionelles Interesse. Das ist mein zweiter Hinweis darauf, dass ich mich hier womöglich auf mehr gefasst machen muss, als ich erwartet habe.

Trotz meiner alles andere als ehrenhaften Absichten lehne ich mich interessiert an den Tresen und sinniere über meine Wahlmöglichkeiten nach. Die Antwort, die ich ihr geben möchte, hat nichts mit Kaffee zu tun und alles mit dem, worüber ich in den letzten fünf Minuten fantasiert habe. Aber irgendetwas sagt mir, dass diese Art der Herangehensweise bei ihr nicht funktionieren wird, nicht bei diesem Mädchen mit dem bewusst ausdruckslosen Gesicht, der tollen Stimme und – ich schaue auf die Hände hinunter, die sie immer noch über der Kasse hält – zitternden grün lackierten Fingernägeln.

Ich kann mir ein Grinsen kaum verkneifen. Wie es aussieht, mache ich sie also doch nervös. Das ist die beste Nachricht, die ich heute bekommen habe. »Ich mag so ziemlich alles«, sage ich schließlich zu ihr.

»Ja, das habe ich schon über dich gehört«, antwortet sie trocken und klingt nicht gerade beeindruckt.

»Ach, wirklich? Und was genau hast du gehört …?« Ich werfe einen Blick hinunter auf das schwarz-silberne Namensschild, das an ihr Shirt geheftet ist. »… Ophelia?«

Sie verdreht die Augen. »Ich denke, du hast eine ziemlich gute Vorstellung davon, was die Leute über dich sagen, Z. Willst du jetzt den ganzen Abend dastehen und mir schöne Augen machen, oder willst du tatsächlich etwas für deinen Harem bestellen?«

»Meinen Harem?«

Sie nickt zu Lila und ihren Freundinnen hinüber, und dieses Mal lässt mich ihr Gesichtsausdruck wissen, wie gänzlich unbeeindruckt sie ist. Verdammt! Sieht so aus, als wäre mein Ruf mir wirklich vorausgeeilt. Oder der von Lila. Sie ist einer der Winter-Stammgäste, die mehr Geld als Verstand haben. Irgendwie bezweifle ich, dass sie die Intelligenz – oder guten Manieren – hat, um nett zur Barista zu sein. Was bedeutet, dass ich hier wirklich aufgeschmissen sein könnte.

Das macht mir mehr aus, als es sollte. Normalerweise ist es mir scheißegal, was die Leute über mich sagen – und sie sagen eine Menge, vor allem seit Luc, Ash und ich Profis geworden sind. Aber die Art, wie Ophelia mich ansieht, bringt meine Handflächen zum Schwitzen. Das ist neu für mich, und ich bin nicht besonders glücklich darüber.

»Ich kenne diese Mädchen kaum.«

»Soll mich das vielleicht beeindrucken?«

»Ich weiß es nicht.« Das ist das Ehrlichste, was ich den ganzen Tag gesagt habe. »Was würde dich denn beeindrucken?«

Sie mustert mich verächtlich. »Einiges mehr als das, was du zu bieten hast.«

So viel zum Thema Ehrlichkeit. Das ist der Grund, warum ich mich so bemühe, nicht aus mir herauszugehen – es rächt sich jedes Mal. Entschlossen, die Situation unter Kontrolle zu bekommen, stütze ich die Hände auf den Tresen und lehne mich zu ihr hin. Dann knipse ich ihn an, den Blick, mit dem ich jedes Mädchen erobert habe, seit ich mit dreizehn Jahren meine Jungfräulichkeit verlor.

Ophelias Augen weiten sich, und die Tasse, nach der sie vor Sekunden gegriffen hat, fängt an zu wackeln. Ich versuche nicht mal, mein Lächeln zu verbergen.

»Warum gibst du mir nicht etwas Süßes«, schlage ich vor, nachdem sie mich einige Sekunden lang angestarrt hat.

»Etwas … Süßes?« Ihre Stimme klingt erstickt.

»Ja.« Ein paar Haarsträhnen haben sich aus ihrem Dutt gelöst, und ich strecke die Hand aus, um eine verirrte Locke zu streicheln, bevor ich sie um meinen Finger wickle. »Und Heißes. Es ist ziemlich kalt draußen.«

»Du willst …« Ihre Stimme bricht. Sie ist jetzt atemlos, und ich weiß, das war’s. Ich habe sie.

Ich spüre einen kleinen Stich tief im Innern – den ich als Enttäuschung bezeichnen würde, wenn ich mir jemals etwas erhofft hätte –, aber ich ignoriere ihn. Das hier ist schließlich genau das, was ich wollte. »Du willst etwas Süßes und Heißes?«

»So mag ich meinen Kaffee.« Und andere Dinge, sagt ihr mein Blick. Nicht, dass ich so kitschig wäre, so einen Mist auszusprechen. Aber ich kann verdammt gute Andeutungen machen.

Ophelias Blick ist jetzt ein wenig verhangen, aber sie nickt ruckartig. Dann, bevor ich noch irgendetwas sagen kann, geht sie zu den Espressomaschinen und fummelt ein oder zwei Minuten lang daran herum. Sie guckt kein einziges Mal zu mir, und als sie zurückkommt, hat sie ein großes Glas Eiskaffee in der Hand.

Verwirrt schaue ich zwischen ihr und dem Getränk hin und her. »Das sieht nicht sehr warm aus«, sage ich schließlich.

»Ja nun, ich habe eine Entscheidung getroffen. Es sah so aus, als bräuchtest du etwas, womit du dich abkühlen kannst.« Und dann ist sie es, die sich über den Tresen lehnt. Eine knappe Sekunde lang verfluche ich den Rollkragenpullover – ich wüsste wirklich gerne, wie die Titten dieses Mädchens aussehen –, bevor sie mir den Kaffee mitten über die Vorderseite meiner Hose kippt.

Kapitel 2

Ophelia

Er reagiert nicht sofort. Und als er es tut, ist es ganz anders, als ich erwarte.

Vielleicht liegt es an der isolierten Snowboardhose oder vielleicht an seiner zu coolen Einstellung, aber Z kreischt oder schreit nicht und flucht auch nicht. Er sieht mich einfach nur an, sein Gesicht, das schöner ist, als für ihn oder irgendjemanden gut ist, ist starr vor Überraschung. Ob deswegen, weil ich das Getränk über ihn ausgekippt habe oder weil er endlich begriffen hat, dass ich ihn ausgetrickst habe, weiß ich nicht, und es ist mir auch egal. Wichtig ist nur, dass er die Botschaft kapiert und mich verdammt noch mal in Ruhe lässt.

Dennoch, irgendein Instinkt tief in mir flüstert mir zu, dass ihn nicht viel überraschen kann. Die Tatsache, dass es mir gelungen ist, macht mich glücklicher, als es sollte.

Und dann lächelt er, und ich weiß, dass ich recht habe. Denn es ist nicht dieses »Komm, setz dich bei dem großen bösen Wolf auf den Schoß und lass ihn ein bisschen von dir abbeißen«-Lächeln, das er vor ein paar Minuten auf mich gerichtet hat. Ein Lächeln, das mir die Knie hat weich werden und meine Gehirnzellen zusammen mit denen aller anderen Frauen in der Nähe fast hat dahinschmelzen lassen. Nein, das hier ist ein echtes Lächeln. Ein aufrichtiges Grinsen voller Belustigung, Mutmaßung und etwas anderem, das ich nicht einmal ansatzweise identifizieren kann.

Aber was auch immer diese unbekannte Sache ist, ich habe genug Erfahrung, um zu wissen, dass ich in Schwierigkeiten stecke. Dass diese Begegnung wahrscheinlich nicht gut für uns ausgehen wird. Zumindest nicht für mich.

Trotzdem, was hätte ich tun sollen? Mit klopfendem Herzen und schlotternden Knien dastehen wie eine Jungfrau in Nöten, die reif ist, gepflückt zu werden?

Mich ihm an den Hals werfen wie jedes andere Mädchen im Umkreis von hundert Meilen?

Ihn glauben lassen, dass ich nur eine weitere Kerbe auf seinem Snowboard sein werde?

Das denke ich nicht.

Ich habe getan, was getan werden musste, und seine völlig unpersönliche Anmache im Keim erstickt, bevor sie völlig außer Kontrolle geraten konnte. Ich glaube nicht, dass ich Gefahr laufe, mich in ihn zu verlieben – bei reichen, hübschen Jungs wie Z bekomme ich Ausschlag, besonders wenn sie Adrenalinjunkies sind. Aber trotzdem gehe ich kein Risiko ein.

Nicht nach dem, was in New Orleans passiert ist.

Schon allein bei dem Gedanken an Louisiana, an Remi, dreht sich mir der Magen um, und meine Brust schmerzt. Dabei lief es gerade so gut bei mir.

Ich war dabei, mich um meinen eigenen Kram zu kümmern.

Mein Leben wieder in Ordnung zu bringen.

Kurse am Community College zu belegen, damit ich nicht für immer in diesem Sackgassenjob – diesem Sackgassenleben – feststecke.

Zumindest bis Mr. Meine-Eier-sind-noch-dicker-als-mein-Bankkonto hier auftaucht und beschließt, sich mit mir anzulegen, nur weil er es kann. Der Gedanke macht mich wütend, und ich starre Z an. Plötzlich juckt es mich in den Fingern, eine weitere Tasse Kaffee über ihn zu kippen. Eine, die diesmal nicht eiskalt ist. Aber ich brauche diesen Job, und die Leute zeigen schon auf mich und starren mich an. Wenn meine Tante oder mein Onkel vorbeikommen und die ganze Aufregung sehen, bin ich einen weiteren Job los. Und da ich in den zwölf Tagen, die ich hier bin, bereits aus dem Souvenirladen und einem der Restaurants verbannt wurde, gehen mir allmählich die Möglichkeiten aus.

Verärgert, aber okay damit, irgendeine Art von Schadensbegrenzung zu betreiben, ziehe ich einen sauberen Lappen unter dem Tresen hervor und schiebe ihn zu ihm rüber. »Hier. Damit kannst du dich sauber machen.«

»Danke, nicht nötig.« Sein Grinsen wird breiter, und es macht mich wütend, dass mein Zorn ihn amüsiert. Zumindest so lange, bis er nach dem hinteren Ausschnitt seines Hemdes greift und es sich mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung über den Kopf zieht. Als er anfängt, seine schwarze Hose damit abzutupfen, gehört meine Wut der Vergangenheit an. Und meine Gehirnzellen auch.

Ich kann nicht anders. Ich versuche, wütend zu bleiben, aber es ist schwer, einen Gedanken zu fassen – irgendeinen Gedanken –, wenn ich mit einem halb nackten Z konfrontiert bin.

Ich meine, der Typ ist ein Alien. Das muss er sein, denn Menschen sehen einfach nicht so aus. Zumindest nicht außerhalb von Hochglanzmagazinen und Hollywoodfilmen. Und vielleicht nicht einmal da.

Trotz des Winterwetters hat seine Haut einen goldenen Bronzeton, der davon zeugt, wie viel Zeit er ohne Hemd im Freien verbringt – trotz des Schnees. Seine Arme sind kräftig, die Schultern gut definiert. Und seine Bauchmuskeln. Oh mein Gott, seine Bauchmuskeln sind ein Kunstwerk. Vergesst Sixpacks. Dieser Kerl hat ein Acht-fast-Zehn-Pack, und für eine Sekunde – nur eine Sekunde – fange ich fast an zu schielen, als ich mir vorstelle, wie es wäre, eine Spur direkt von seinem Schlüsselbein zu seinem Bauchnabel zu lecken.

Er bewegt sich ein wenig unter meinem Blick, und zum ersten Mal fallen mir die Narben auf, die er hat – auf seinem Arm, der Brust, über den Rippen, an der Seite seines Bauches. Viel zu viele Narben für einen normalen Typen. Aber er ist kein normaler Typ, ermahne ich mich. Er ist ein Snowboarder, der dafür bekannt ist, verrückte Risiken einzugehen und wirklich wilde Stunts zu machen. Ist es da ein Wunder, dass sein Körper so zerschunden ist?

Nicht, dass ihn die Narben schlecht aussehen lassen. Ganz im Gegenteil. Irgendwie verstärken sie nur die Schönheit all der harten Muskeln und der goldenen Haut. Genauso wie seine Tattoos. Ich versuche wegzusehen, aber ich kann es nicht. Ich bin fasziniert von der Tätowierung, die die gesamte rechte Hälfte seines Oberkörpers bedeckt.

Es ist eine Wand aus Flammen in Schwarz- und Grautönen, die irgendwo unterhalb seiner Taille beginnen und bis zu seiner Schulter empor, über seinen Brustkorb und seinen rechten Arm hinunterlecken. Sie ist wunderschön, wirklich gut gestaltet und verdammt sexy. Auf seiner linken Seite ist ein weiteres Tattoo, diesmal eine Reihe von Wörtern in einer ausgefallenen schwarzen Schrift, die zu lesen ich zu weit weg bin. Aber ich will es. Plötzlich will ich unbedingt wissen, welche Worte so wichtig sind, dass ein Typ wie Z sich mit ihnen brandmarkt.

Irgendetwas kitzelt an meinem Kinn, und irgendwie habe ich die beschämende Befürchtung, dass es meine eigene Spucke ist. Dass ich buchstäblich hier stehe und sabbernd dieses Kunstwerk anstarre, das Z Michaels ist. Vorsichtshalber wische ich mir mit der Hand übers Kinn. Wie sich herausstellt, habe ich die Kontrolle über meine Speicheldrüsen nicht verloren – es ist nur eine Haarsträhne, die sich aus meinem Dutt gelöst hat.

Diese Erkenntnis setzt mein Gehirn wieder in Gang. Ein paar Sekunden zu spät, aber ich bin ein großer Fan von »besser spät als nie«. Oder zumindest bin ich es jetzt.

»Weißt du, wir haben hier in der Lost-Canyon-Kaffeebar eine Regel«, erkläre ich ihm mit einem kleinen Wedeln meiner Finger. »Kein Hemd, keine Schuhe, keine Bedienung. Du solltest dich wahrscheinlich woanders darum kümmern.«

Die dunklen Augen, die er auf mich richtet, sind erfüllt von Ungläubigkeit und vielleicht, nur vielleicht, einem Hauch von Respekt. Ich habe tagelang beobachtet, wie die weibliche Bevölkerung hier auf diesen Kerl reagiert, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich seit seiner Pubertät die Erste bin, die ihn wegen dieses Mists zur Rede stellt. Womöglich sogar schon vorher.

Man braucht sich nur das Mädchen anzusehen, mit dem er reingekommen ist. Als sie die Hütte betreten haben, war er total dick mit ihr, genau wie jedes Mal, wenn ich in den letzten Tagen einen Blick auf ihn erhascht habe. Nicht, dass ich nach ihm Ausschau gehalten hätte oder so. Aber trotzdem. Dann, innerhalb von fünf Minuten, hängt er mit einer anderen ab – der billig aussehenden Tussi, die sich ihm in den Weg gestellt hat wie ein Pilot auf einer Kamikaze-Mission.

Obwohl, um ehrlich zu sein, kann man ihm das zweite Mädchen kaum zum Vorwurf machen. Wer auch immer sie ist, der Blick, den sie ihm zugeworfen hat, hat Z laut und deutlich gesagt, dass es ihr nichts ausmachen würde, mitten in der Kaffeebar von ihm bestiegen zu werden. Ich bin bloß überrascht, dass er das Angebot der kleinen Miss Kann-die-Beine-nicht-schnell-genug-Breitmachen ausgeschlagen hat.

Nicht, dass es mich etwas anginge – zumindest nicht, bis er an den Tresen gekommen ist und mich angemacht hat. Es ist mir egal, ob jedes andere Mädchen in der Stadt mit jedem noch so kleinen Stück Z zufrieden ist, in das es seine Krallen schlagen kann. So läuft das bei mir nicht, selbst wenn ich an einem Typen interessiert bin. Was ich in diesem Fall definitiv nicht bin. Nach dem, was mit Remi passiert ist, würde ich diesen Kerl nicht mal mit einer fünfzehn Meter langen Stange anfassen.

»Moment mal«, fragt er, als er endlich seinen schlaffen Kiefer wieder in Gang bekommt. »Du weigerst dich, mich zu bedienen, obwohl es ganz allein deine Schuld ist, dass ich ohne Hemd bin?«

»Zunächst einmal habe ich dir was zum Abwischen angeboten. Du bist derjenige, der beschlossen hat, das Hemd auszuziehen. Zweitens bin ich großzügig und berechne dir nichts für den verschütteten Kaffee. Und drittens: Ich mache die Regeln nicht. Ich befolge sie nur.« Wieder wedle ich mit den Fingern in seine Richtung, als wäre er eine besonders lästige Mücke. »Also geh endlich, bevor dich noch jemand von der Geschäftsleitung sieht und aus dem Gebäude entfernen lässt.«

Er schnaubt, als wäre schon allein diese Möglichkeit zu weit hergeholt, um sie in Betracht zu ziehen. Was sie wahrscheinlich auch ist. Meine Tante und mein Onkel finden es wunderbar, dass er hierherkommt, um mit seinen Freunden zu trainieren. Neulich beim Abendessen sprachen sie darüber, wie sie ihn davon überzeugen könnten, bei ihnen unter Vertrag zu sein, so wie seine Freunde. Bisher haben sie ihm alles angeboten, außer einer Teilhaberschaft an der Lodge, doch er hat abgelehnt.

Muss schön sein, so viel Geld durch Werbeverträge, Sponsoren und Familie zu verdienen, dass man einen Riesenhaufen davon völlig grundlos einfach wegwerfen kann.

»Die Hoteldirektion wird mich aus dem Gebäude entfernen?«, fragt er ungläubig. »Du bist doch diejenige, die mir gerade einen Kaffee in die Hose gekippt hat.«

Ich habe das Bedürfnis, das klarzustellen. »Auf deine Hose, nicht in die Hose.«

»Mir war nicht bewusst, dass da so ein großer Unterschied ist.«

»Ja, ich wette, das sagst du zu allen Mädchen.«

»Nur zu den süßen«, erwidert er mit einem Schmunzeln, das ihn irgendwie noch sexyer aussehen lässt, eine Tatsache, die mich unglaublich ärgert. »Und nur fürs Protokoll: Wenn du mich das nächste Mal nackt sehen willst, brauchst du nur zu fragen. Nicht nötig, Kaffee zu verschütten.«

Mein Blut beginnt zu kochen. Kennt seine Arroganz eigentlich keine Grenzen? Wen kümmert es, ob er der heißeste Typ ist, den ich je gesehen habe, wenn er jedes Mal, sobald er den Mund aufmacht, wie ein totaler Arsch klingt?

»Alter, wenn ich dich nackt sehen wollte, würde ich dir nicht etwas Kaltes in den Schritt kippen, um das zu erreichen.« Entschlossen, ihn in die Schranken zu weisen, werfe ich einen Blick auf die fragliche Stelle, wobei ich darauf achte, dass mein Gesichtsausdruck alles andere als beeindruckt ist. »Das verfehlt irgendwie den Zweck.«

»Es braucht mehr als ein kaltes Getränk, um diesen Zweck zu verfehlen. Aber wenn du mir nicht glaubst …« Er zieht eindeutig herausfordernd eine Augenbraue hoch, während seine Hände zum Bund seiner Hose wandern.

Er beginnt, sie zu öffnen, aber ich weiß, dass er blufft, dass er nur versucht, eine Reaktion von mir zu bekommen. Also stehe ich da, mit schmalen Augen und vor der Brust verschränkten Armen, während ich darauf warte, dass er einen Rückzieher macht. Denn er wird sich auf keinen Fall mitten in diesem Café ausziehen. Nicht jetzt, nicht vor all diesen Leuten.

Außer …

»Hey, hör auf damit!« Ich springe fast über den Tresen auf ihn, und diesmal bin ich es, die seinen Hosenbund packt. Allerdings ziehe ich ihm die Hose wieder hoch, während ich mein Bestes gebe, zu ignorieren, wo meine Hände sind.

Sein Schmunzeln hat sich zu einem ausgewachsenen, überheblichen Grinsen entwickelt. »Also, was hältst du davon, wenn wir das an einen etwas privateren Ort verlegen?«, neckt er mich. Er legt die Hände leicht auf meine, und obwohl er ein eingebildeter Arsch ist, muss ich dem Drang widerstehen, mir Luft zuzufächeln. Z mit voll aufgedrehter Wattzahl ist etwas, was man ernst nehmen muss.

Nicht, dass ich ihn das merken lassen werde.

»Zum Beispiel eine Arrestzelle? Öffentliche Nacktheit ist gegen die Regeln und das Gesetz.«

»Ich dachte eher an dein Zimmer, aber wenn du eine Vorliebe für Exhibitionismus hast, wer bin ich, dir zu widersprechen?«

»Das reicht. Du musst gehen.« Ich ziehe meine Hände weg und greife nach dem Handdesinfektionsmittel, das neben der Kasse auf dem Tresen steht. Gott allein weiß, was ich mir holen könnte, wenn ich meine Finger in der Nähe der Hose dieses Kerls habe.

»Du hast mir immer noch nicht mein Getränk gebracht. Außerdem brauche ich drei Power Os.«

Ich seufze. »Muss ich die ganze Sache mit dem T-Shirt wirklich noch einmal durchkauen?« Ich schaue mich im Raum um und bete, dass jemand – irgendjemand – an den Tresen kommt, damit ich meine Aufmerksamkeit von Z abwenden und mich einem echten Kunden zuwenden kann. Aber entweder ist niemand durstig, oder sie haben viel zu viel Spaß an der Show, um sie zu unterbrechen.

»Das meinst du doch nicht wirklich ernst, oder?«

»Ich meine es immer ernst.«

Er sieht aus, als wollte er etwas dazu sagen, aber bevor er die Worte aussprechen kann, wird er von dem Mädchen von vorhin und zwei anderen Jungs in Beschlag genommen. Sie kommen mir irgendwie bekannt vor, und nachdem ich sie eine Minute lang wie eine Idiotin angestarrt habe, wird mir klar, dass das daran liegt, dass meine Tante sie mir an meinem ersten Tag hier vorgestellt hat. Sie gehören zu der Gruppe von Snowboardern und Skifahrern, die von Lost Canyon teilweise gesponsert werden.

Es ist keine Überraschung, dass ich eine Minute brauche, um sie zuzuordnen. Ich fühlte mich an jenem Tag so, als wäre ich in ein anderes Universum gefallen, in dem mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt worden war. Wie hätte es auch anders sein sollen, nachdem sich die Dinge so schnell verändert hatten? Wenn das, was ich am meisten wollte, was ich am meisten brauchte, innerhalb eines Wimpernschlags aufgehört hatte zu existieren?

»Alter, was machst du denn?«, will der große blonde Kerl wissen und unterbricht damit meine Selbstmitleidsorgie. »Zieh dich wieder an, bevor du die Neue noch vergraulst.«

»Ja, Mann«, stimmt der Dunkelhaarige zu. »Wenn du lange genug so herumläufst, werden einige der Schnee-Cougars anfangen, dir Dollarscheine in die Hose zu stecken.«

Z zeigt ihnen den Mittelfinger, aber als einer von ihnen ihm ein T-Shirt reicht, nimmt er es und schlüpft hinein. Ich spüre einen Moment des Bedauerns. Obwohl ich ihn wegen seines nackten Oberkörpers schikaniert habe, ist es fast schade, dass all diese schöne Haut wieder bedeckt wird. Fast.

»Hey! Ich bin Cam.« Das Mädchen winkt mit der Hand vor meinem Gesicht, und sofort reiße ich den Blick zu ihr hinüber. Es ist mir peinlich, dass ich dabei erwischt wurde, wie ich Z anglotze, aber sie scheint nicht sauer zu sein. Genau genommen sieht sie amüsiert aus, als sie mir die Hand entgegenstreckt.

Ich schüttle sie automatisch. »Ich bin Ophelia.«

»Cooler Name.«

Nicht wirklich. »Danke.«

»Das ist Ash.« Sie zeigt auf den großen Blonden mit dem rausgewachsenen Haarschopf. »Und das ist Lucas. Und Z hast du ja schon kennengelernt. Wir fahren alle zusammen.«

»Schön, euch kennenzulernen.«

»Dich auch. Es ist schwer, ein Mädchen nicht zu mögen, das sich von Z nichts gefallen lässt.«

»Hey! Auf wessen Seite stehst du eigentlich?«, will Z wissen.

Sie ignoriert ihn und sieht mich neugierig an. »Also, woher kommst du?«

»New Orleans.«

»Das gibt’s doch nicht! Ich liebe diese Stadt!«, sagt Lucas zu mir. »Wie kommt es, dass du keinen Akzent hast?«

»Wer sagt, dass ich keinen habe?«, erwidere ich und lasse dabei das Südstaatenmädchen raushängen.

»Viel besser«, meint er mit einem Nicken. »Ich wollte schon immer mal zum Mardi Gras, aber das ist mitten in der Wettkampfsaison.«

»Was ist mit dir?«, meldet sich Z zum ersten Mal zu Wort, seit seine Freunde hier sind. Ich drehe mich zu ihm um und schaue dann schnell weg. Es gefällt mir nicht, wie er mich anstarrt, so intensiv und raubtierhaft wie eine Dschungelkatze, die mit ihrer Beute spielt, bevor sie sie verschlingt. »Du feierst wahrscheinlich schon seit Jahren beim Mardi Gras.«

»Nö. Das ist nicht wirklich mein Ding.« Die Lüge bleibt mir fast im Hals stecken, denn jahrelang hat niemand die zwei Wochen vor dem Faschingsdienstag mehr geliebt als ich. Die Umzüge, die Menschenmassen, die Musik, die Perlenketten, den Alkohol. Was gibt es daran nicht zu mögen? Alles, wie sich herausstellte.

»Was?« Jetzt sehen sie mich an, als wäre ich verrückt. »Wer wohnt denn im verdammten New Orleans und geht nicht zum Mardi Gras?«, will Z wissen.

Inzwischen überfluten mich die Erinnerungen, und meine Muskeln sind so angespannt, dass sie bei der kleinsten plötzlichen Bewegung vom Knochen abreißen könnten. Aber ich versuche, ruhig zu bleiben. Es kommt nichts Gutes dabei raus, in der Vergangenheit zu wühlen. Oder sie merken zu lassen, wie sehr mich dieses Thema stresst. Genervt von mir selbst, von ihm, von der ganzen verdammten Situation, hebe ich den Kopf und werfe ihm meinen besten »Entschuldige, lästige kleine Mücke, hast du was zu sagen«-Blick zu. »Ich. Ist das okay für dich?«

»Nein.« Er sieht verwirrt aus. »Eigentlich nicht.«

Darauf habe ich keine Antwort, also sage ich nichts und die anderen auch nicht. Unangenehmes Schweigen senkt sich herab. Wieder sehe ich mich verzweifelt nach Kunden um, aber es ist immer noch niemand da. Also warte ich einfach ab und tue so, als ob ich unangenehmes Schweigen nicht hassen würde. Als ob ich wüsste, warum Z und seine Freunde herumstehen und mich beobachten.

Schließlich sagt Lucas: »Wir gehen heute Abend auf eine Party. Willst du mitkommen?«

Ich bin mir nicht sicher, wer von der Einladung überraschter ist, ich oder Z. Aber ich schätze, das ist egal, weil ich nicht hingehen werde. Ich muss arbeiten. Außerdem habe ich keine Lust, den ganzen Abend in einem Raum voller Fremder zu sitzen und zuzusehen, wie jedes Mädchen in der Nähe Z anbaggert, als wäre er eine Art Sexgott auf Parade. Lieber würde ich einen Käfer essen – oder auch zwölf.

»Danke«, sage ich ihm. »Aber ich muss arbeiten.«

»Du kannst später nachkommen, wenn du willst.« Er holt sein Handy heraus. »Gib mir deine Nummer, und ich schicke dir die Adresse.«

»Ich … äh …« Hilfesuchend blicke ich zu Z, doch der grinst mich nur an. Als wüsste er, dass die verklemmte kleine Ophelia niemals einem Snowboarder ihre Nummer geben würde, geschweige denn, sich mit ihm auf irgendeiner Party treffen.

Bevor ich es mir anders überlegen kann, rattere ich meine neue Nummer herunter. Luc gibt sie in sein Handy ein, und Sekunden später klingelt mein eigenes Handy, um mir mitzuteilen, dass ich eine Nachricht erhalten habe. Ich blicke zu Z, und diesmal ist das Schmunzeln aus seinem Gesicht verschwunden. Stattdessen sieht er sauer aus, und ich kann mir nicht erklären, warum, es sei denn, er will mich nicht auf der Party haben.

Was in Ordnung ist. Ich habe sowieso nicht vor, hinzugehen. Ich ignoriere den kleinen schmerzhaften Stich, den zu empfinden ich absolut keinen Grund habe. Es ist ja nicht so, dass ich dachte, er würde mich anbaggern, weil er mich wirklich mag oder so. Eher, weil ich weiblich bin und atme. Wahrscheinlich kennt er keine andere Weise, mit Frauen zu reden.

Ich lasse meine Antwort unverbindlich klingen. »Danke. Vielleicht sehen wir uns dort.«

»Du solltest kommen«, sagt Ash zu mir. »Wir werden uns um dich kümmern.« Der finstere Blick von Z vertieft sich.

Die Antwort bleibt mir erspart, als – endlich – eine Frau mit zwei kleinen Kindern an den Tresen kommt. »Machen Sie auch heiße Schokolade?«, fragt sie und starrt auf die Speisekarte über meinem Kopf.

Ich wende mich ihr zu wie der Rettungsleine, die sie ist. Ich bin mehr als bereit, dass Z und seine Freunde mich in Ruhe lassen. Eigentlich will ich nur noch diese Schicht beenden und zurück in mein Zimmer gehen. Ich muss recherchieren. Sicher, das hat keine Eile, da ich noch ein paar Monate Zeit habe, bevor die Anträge für einen Wechsel des Colleges eingereicht werden müssen, aber trotzdem. Je eher ich damit anfange, desto eher werde ich es wieder warm haben. Ich könnte es vielleicht nicht verkraften, nach New Orleans zurückzugehen, aber es gibt nichts, was mich von Arizona abhält. Oder New Mexico. Oder Hawaii, was das betrifft. Ich bin nicht wählerisch. Solange es irgendwo warm ist und es eine Menge finanzieller Unterstützung gibt, bin ich für so ziemlich jede Schule zu haben. Vor allem, wenn das bedeutet, dass ich nie wieder einen Milchkaffee machen oder einen Fußboden wischen muss.

Ich ignoriere die kleine Stimme in mir, die mich einen Feigling nennt, weil ich die Party sausen lasse, und sehe die Dame mit meinem professionellsten Blick an. Nach dem, was vorhin passiert ist, kann ich es mir nicht leisten, einen Fehler zu machen. Es sei denn, ich will mir die Chance vermasseln, Geld zu sparen, indem ich während der Hauptsaison im Lost Canyon Resort arbeiten und mietfrei wohnen kann. »Ja. Normal, Pfefferminz und Karamell.«

Der kleine Junge zu ihren Füßen fängt an, vor Aufregung zu hüpfen. »Ich will Karamell. Mit ganz viel Schlagsahne.«

Ich kann nicht anders, als ihn anzugrinsen. »Ganz viel Schlagsahne kann ich machen. Und Schokoraspel obendrauf, wenn du magst.«

»Ooh, das mag ich. Das mag ich!«

Ich schaue auf und sehe, dass Cam mir zum Abschied zuwinkt. Lucas deutet auf sein Handy und formt lautlos mit den Lippen: »Schreib mir«, während die vier zurück zu ihrem Tisch gehen. Sie lachen und scherzen rum, so völlig vertraut miteinander, wie es nur wahre Freunde sein können. Es macht mich ein wenig traurig, lässt mich an Remi denken und daran, wie die Dinge mit ihm früher waren. Mit uns.

Ich verfluche mich innerlich, während ich die restliche Bestellung der Frau aufnehme und dann mit dem Zubereiten der Getränke anfange. Ich versuche, nicht an ihn zu denken, daran, wie es früher einmal war. Darüber, wie es hätte sein sollen. Es zählt nicht, was hätte sein sollen, sondern nur, was ist.

Rasch verdränge ich die Vergangenheit aus meinem Kopf oder zumindest in den Hinterkopf, wo ich nicht jede Sekunde daran denken muss, und fülle die drei Tassen heiße Schokolade mit extraviel Schlagsahne und Schokoladenraspeln auf, genau wie ich es versprochen habe. Während ich sie über den Tresen schiebe, beobachte ich, wie Z und seine Freunde ihre Sachen zusammensuchen und zur Tür gehen, ohne einen Blick zurückzuwerfen.

Und genau so sollte es auch sein, rufe ich mir energisch in Erinnerung. Ich bin nicht hier, um Freunde zu finden, auf Partys zu gehen oder mit heißen Typen abzuhängen. Ich soll heilen, mein Leben einigermaßen in Ordnung bringen und Pläne für eine ganz neue Zukunft machen. Das ist das Vernünftige. Das Richtige. Irgendetwas sagt mir, dass Z und die anderen nicht die geringste Ahnung von der Verzweiflung haben, die mich plagt. Ein Grund mehr für mich, mich von ihnen fernzuhalten.

Ich greife in meine Hosentasche nach meinem Handy und lösche die Nachricht, die Luc mir mit der Adresse der Party geschickt hat, damit ich nicht in Versuchung komme, nach meiner Schicht irgendwo anders hinzugehen als zurück in mein Zimmer. Und dennoch, als ich zusehe, wie die vier lachend in den Schnee hinausstolpern, ist da ein kleiner Teil von mir, der sich wünscht, ich könnte mitgehen. Der sich wünscht, ich könnte so sein wie alle anderen hier oben.

Aber das bin ich nicht, und ich fürchte, ich werde es auch nie wieder sein. Es ist meine eigene Schuld, und trotzdem beschäftigt es mich. Nicht, dass ich die Party verpasse, weil ich dort sowieso niemanden zum Reden hätte. Sondern die Erkenntnis, dass es immer noch einen Teil von mir gibt, dem es etwas ausmacht, der hofft, der normal sein will. Ich dachte, ich hätte dieses Mädchen in New Orleans zurückgelassen, und die Erkenntnis, dass ich das nicht getan habe …

Ja, die Erkenntnis, dass ich das nicht getan habe, ist absolut beschissen.

Kapitel 3

Z

Ich kann nicht schlafen.

Das sollte ich eigentlich. Ich habe heute – gestern Abend, heute Morgen, wann auch immer – genug getrunken, dass ich wie die anderen komplett weggetreten sein sollte. Aber mein Rausch hat irgendwann in den letzten paar Stunden nachgelassen, und ohne ihn habe ich keine Chance, einschlafen zu können. Zumindest nicht in nächster Zeit.

Ich raffe mich von der Couch auf und bahne mir einen Weg zwischen Luc, Cam, Ash und irgendeinem Mädchen hindurch, das Ash nach der Party mitgebracht hat. Normalerweise bin ich derjenige mit den unverbindlichen One-Night-Stands, aber heute Abend war ich an nichts anderem interessiert als daran, mich richtig volllaufen zu lassen.

Da ich nicht weiß, was ich tun soll, mir aber klar ist, dass ich ausflippe, wenn ich noch länger hier drinbleibe, trete ich raus in den Vorraum. Ziehe mir eine Boarding-Hose und eine Skijacke an, bevor ich in die Garage gehe und eines meiner Lieblingsboards von der Wand nehme. Ich sollte warten, bis jemand wach ist, um auf mich aufzupassen – alleine zu boarden, ist ein Selbstmordkommando, vor allem, wenn die Auswirkungen des Saufgelages der letzten Nacht den Kopf immer noch ein wenig benebelt machen. Aber boarden, während ich leicht betrunken bin, ist nichts, was ich nicht schon einmal getan habe, und außerdem habe ich einfach nicht die Kraft zu warten. Nicht jetzt. Nicht heute.

Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass, wenn ich auf Cam oder einen der anderen warte, sie nur über gewisse Dinge reden wollen, und dazu bin ich definitiv nicht in der Verfassung. Bei gefühlsduseligem Mist bekomme ich Ausschlag.

Nachdem ich in meine Stiefel geschlüpft bin, mache ich mich auf den Weg zur Seite des Hauses, wo ich eine Halfpipe habe bauen lassen, sobald der Schnee liegen blieb. Das ist vom Level her weit entfernt vom Boarden im Backcountry, aber für den Moment reicht es. Wenn ich genug Runs mache, kann ich vielleicht endlich schlafen.

Da keiner da ist, der zusieht, setze ich keinen Übungshelm auf. Überprüfe mein Brett nicht, um sicherzugehen, dass es stabil ist, bevor ich es anschnalle. Tue nichts von den Dingen, von denen ich weiß, dass ich sie tun sollte, wenn ich einen neuen Trick ausprobieren will. Stattdessen steige ich rauf auf die Pipe und lasse die Bindung einrasten.

Ein Teil von mir will sofort Vollgas geben, einfach loslegen und sehen, was geht, aber die Tricks – und die Big Airs – werden leichter fallen, wenn ich mich erst mal aufwärme. Also tue ich das. Ich lege ein paar faule Runs hin, nicht viel mehr, als die Pipe auf- und abzucarven, mit ein paar 360s und 540s, damit mir nicht zu langweilig wird. Nicht ideal, um den Kopf frei zu kriegen, aber gut genug, um das Blut in Schwung zu bringen, was für den Moment reicht.