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"Entdecke den Macher in dir – und mach was draus!" Steve Jobs, Mark Zuckerberg, George Lucas – große Namen, große Macher. Doch was zeichnet einen "Macher" aus? Bastian Kästner bringt es auf den Punkt: strukturierte Leidenschaft! Der gefragte Unternehmer kennt die Wucht des nächsten Motivationsschubs, die Energie, die eine Idee freisetzt und die kühnsten Träume greifbar macht. Er weiß: Wenn Sie Ihre Leidenschaft gut strukturieren, werden Sie über sich hinauswachsen. Lernen Sie, wie Sie Ihre Leidenschaft gezielt einsetzen, um Ihr ganzes Potenzial zu leben – in allen Bereichen, in denen Sie Verantwortung tragen, in Ehrenamt und im Beruf. Bastian Kästner führte unter anderem Interviews mit: Jens Sembdner (Die Prinzen) Bill Mockridge (Schauspieler) Gert Maichel (ehem. Vorstand RWE) Frederic Klumpp (HUGO BOSS) Florian Sitzmann (Die Söhne Mannheims) Mikel Graf (Unternehmer) Thomas Härry (Theologe, Autor, Dozent) René Müller (Fußballtrainer) Klaus Jost (lgj. Präsident der Intersport International Corp.) Peter Vogel (Unternehmer) Martin Busker (Regisseur) Andreas Stein (SEK Beamter der Polizei) Daniele Rizzo (Schauspieler) Arne Völker (Berater, Pastor)
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Seitenzahl: 293
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SCM ist ein Imprint der SCM Verlagsgruppe, die zur Stiftung Christliche Medien gehört, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.
ISBN 978-3-7751-7440-4 (E-Book)
ISBN 978-3-7751-5890-9 (lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book: CPI books GmbH, Leck
© 2019 SCM in der SCM Verlagsgruppe GmbH
Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen
Internet: www.scm-verlag.de · E-Mail: [email protected]
Gesamtgestaltung: Bastian Kästner
Icongestaltung: Dacian G / shutterstock.com
Dieses Buch ist meiner Tochter Lea gewidmet.
Dieses Buch lädt zum Querdenken ein. Es inspiriert, Gelerntes auf den Kopf zu stellen, um über sich hinauszuwachsen, ohne den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Mit strukturierter Leidenschaft und leidenschaftlicher Struktur.
Inhalt
Über den Autor
Vorwort
Den Kompass ausrichten
Der steinige Weg lohnt
Pläne müssen leben
Großdenken erfolgreich umsetzen
Selbst, ständig und frei
Ungeduld hilft der Ausdauer
Das Beste kommt noch
In Euphorie schwimmen lernen
Thinking out of the box
Kleinigkeiten bewegen Großes
Die Sehnsucht als Ziel
Fördern, fordern, überfordern
Leidenschaft entfachen
Nicht jeder Wurf muss treffen
Nichts ist selbstverständlich
Gedanken zum Schluss
Dank
Anmerkungen
Mehr Input?
Bastian Kästner, Jahrgang 83, studierte Internationales Management und ist Inhaber der Kommunikationsagentur MARKENWERT. Er coacht Führungskräfte in ihrer Unternehmensentwicklung und engagiert sich als Dozent und Speaker. Der passionierte Mountainbiker und bekennende Christ lebt mit seiner Frau und seiner Tochter in Dortmund.www.bastiankaestner.com
Wenn ich Sie bitten würde, sich einen Macher vorzustellen, an wen würden Sie dann denken? Müssten Sie lange überlegen? Wäre es Steve Jobs? Leonardo da Vinci, Elon Musk, Martin Luther oder George Lucas? Vielleicht auch Jürgen Klopp oder Billy Joel? Wenn wir an einen Macher denken, dann öffnen wir in unserem Kopf eine Schublade. Welche Schublade haben Sie geöffnet? Stand auf Ihrer auch so etwas wie: »Steht plötzlich erfolgreich im Leben, ist getrieben von genialen Gedanken, bis an die Zähne begabt und verändert die Welt«? Wenn Ihre offene Schublade ungefähr so betitelt ist, dann werden Sie dieses Buch mit Sicherheit spannend finden, denn diesen typischen Macher gibt es nicht.
Das Bild, das wir von Machern haben, ist häufig ein vergoldetes, eines, zu dem wir gern aufschauen. Dabei vergessen wir leicht, dass diese Gesichter, die uns von Fotos anstrahlen, Menschen sind wie Sie und ich. Träumer, Realisten, Spinner und vom Leben Gezeichnete. Es sind auch Menschen, die sich eher als unsicher denn als mutig beschreiben würden. Macher sind keine Helden.
Was einen Macher tatsächlich ausmacht, ist nicht sein Vermögen oder sein Einfluss. Was einen Macher ausmacht, schlummert genauso in Ihnen und mir. Denn hinter jedem Erfolg, den wir bei einem Macher beobachten, steht vor allem eines: strukturierte Leidenschaft. Das gilt für Sportler genauso wie für Unternehmer, Führungskräfte und Ehrenamtliche. Und das, obwohl emotionale Leidenschaft und sachliche Struktur auf den ersten Blick weit voneinander entfernt zu liegen scheinen. Beides miteinander zu verbinden und in Balance zu bringen, ist, was einen Macher ausmacht. Ein Macher verliert sich nicht in Träumereien und bleibt nicht in festgefahrenen Strukturen stecken. Er träumt gerade so viel, dass er die richtige Richtung erkennt, und strukturiert in dem Maße, dass er sich erfolgreich in diese bewegt. Das hat in erster Linie nichts mit besonderen Begabungen zu tun, welche die einen mit auf die Welt bringen und die anderen nicht. Denn wer die Balance aus Leidenschaft und Struktur gefunden hat und beides miteinander verbinden kann, arbeitet erfolgreich mit dem, was er hat. Er formt etwas Besonderes aus den Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, eine Idee, die tatsächlich abhebt und ihn durch die Luft trägt wie ein einzigartiger Papierflieger.
Wer mit seinem Engagement etwas bewirken will, der entfaltet die beste Wirkung durch das Zusammenspiel von Leidenschaft und Struktur. Eine Wirkung, die Macher über sich hinauswachsen lässt und in eine Berufung hinein. Doch wie viel Herzblut ist im Alltag angemessen und wie viel Struktur tatsächlich nötig?
In »Abenteuer Macher« möchte ich Sie auf eine Entdeckungsreise einladen. Eine Reise, die ich in den letzten Monaten gemacht habe und die mich inspiriert und begeistert hat. Eine Reise, welche die Eigenschaften von Machern in den Fokus nimmt und auf der Sie spannenden Menschen begegnen werden, deren Tipps und Erfahrungen bereichernd sind. Eine Reise, die Ihnen voll bepackt eines zuruft: In Ihnen steckt ein Macher.
Entdecken Sie ihn!
Bastian Kästner, Sommer 2018
2013 habe ich eine Agentur für Markenpositionierung gegründet und gehe damit seitdem meiner Leidenschaft nach: Menschen dabei zu helfen, das Beste und Interessanteste der eigenen Arbeit für andere sichtbar zu machen. Innerhalb kürzester Zeit lernte ich die unterschiedlichsten Menschen kennen. Ich saß mit jungen Visionären zusammen und mit gestandenen Unternehmern. Dennoch dauerte es etwa drei Jahre, bis ich etwas Erstaunliches bemerkte: Jeder wollte so sein wie der andere. Die jungen Startups wollten so strukturiert sein wie die großen Etablierten und die gestandenen Unternehmer so leidenschaftlich wie die Neulinge. Gegensätze ziehen sich an, sagt man, und in diesem Fall auch zu Recht. Denn die jungen Visionäre haben genug Leidenschaft, um die ganze Welt zu bewegen, aber es mangelt ihnen häufig an der Erfahrung, um die spannenden Ideen in wachsende Strukturen zu gießen. Dem erfahrenen Unternehmer hingegen, dessen Strukturen schon erfolgreiche Umsätze bewegen, mangelt es nicht selten an Inspiration, an der Fähigkeit, Neues zu entdecken und innovativ am Puls der Zeit zu bleiben. Diese Gemeinsamkeiten, die auf den ersten Blick gar keine waren, fand ich faszinierend. Mit dieser Faszination im Blick machte ich mich auf die Suche nach Antworten. Haben Macher-Typen Gemeinsamkeiten, die für alle gelten, egal ob alt oder jung? Sind Macher besonders erfolgreich, wenn sie Leidenschaft und Struktur miteinander in Einklang bringen? Und wenn das zutrifft, welche Eigenschaften können wir dann ausbauen oder erlernen, um selbst über uns hinauszuwachsen? Mit diesen Fragen im Gepäck ging ich los und ich kam mit einem ganzen Koffer voller Antworten wieder, die ich in diesem Buch zusammengefasst habe.
Erkennen Sie sich in einer der oben beschriebenen Persönlichkeiten wieder? Damit meine ich nicht: Fühlen Sie sich jung oder alt, sondern: Sind Sie eher der leidenschaftliche Typ, der sich für das Ungewisse begeistert und dessen Motivation keine Grenzen kennt? Oder eher der strukturierte? Der Denker, der bereits im Kopf abwägt, bewertet und entscheidet? Beide haben ihre Berechtigung genauso wie ihre Herausforderungen. Beide sind wichtig, egal ob es darum geht, mit sich selbst in Balance zu kommen oder mit anderen Menschen. Welcher Typ Sie auch sein mögen, Sie werden bereits erlebt haben, dass das andere Extrem nicht immer leicht zu fassen ist. Zu unterschiedlich sind manchmal die Perspektiven, aus denen Leidenschaft und Struktur auf eine gemeinsame Aufgabe blicken. Hier eine Balance zu finden, ist eine Herausforderung. Von einem Macher zu lernen und über sich hinauszuwachsen, bedeutet, beide Pole kennen- und schätzen zu lernen.
Bevor wir uns ins Abenteuer stürzen, sollten wir daher auf beide Pole einen Blick riskieren und mit dem einen oder anderen Vorurteil aufräumen. Wenn wir das Bild des Machers greifbar gestalten und von ihm lernen wollen, dann wäre nichts schlimmer, als mit zwei Klischees zu starten. Daher möchte ich zunächst die beiden Bereiche näher untersuchen.
Was ist eigentlich Leidenschaft? Wie entsteht sie? Was macht sie mit uns? Warum bleiben wir ohne sie oft hinter unseren Möglichkeiten zurück? Leidenschaft ist ein spannendes Thema. Hätte man mir vor ein paar Jahren gesagt, dass ich zu diesem Thema mal ein Buch schreiben würde, hätte ich nur ungläubig den Kopf geschüttelt. Allerdings war mir vor einigen Jahren auch nicht bewusst, wie stark Leidenschaft mein Leben prägt. Wie auch? Wir sprechen in der Regel nicht über unsere Leidenschaft. Wir Männer jedenfalls nicht. Wir sprechen über Hobbys. Wir sprechen über das, wovon wir Ahnung haben oder glauben Ahnung zu haben. Obwohl wir häufig Leidenschaft meinen, wenn wir über Hobbys und Zeitvertreib reden, nennen wir das Kind nur selten beim Namen. Der Grund, warum ich selbst lange Zeit mit dem Begriff nicht viel anzufangen wusste, lag an den Vorstellungen, die ich mit dem Begriff verband. Leidenschaft wirkte auf mich sehr zerbrechlich, ungeschützt und stark gefühlsorientiert. Sie repräsentierte für mich Eigenschaften, die ein junger Kerl nicht unbedingt als Erstes wählt, wenn er sich und seine Interessen beschreibt. Mit diesem Gefühl stand ich nicht alleine. Grund genug, um zu recherchieren, was Leidenschaft bedeutet und ob an meinen jugendlichen Vorbehalten tatsächlich etwas dran war. Das Lexikon der Psychologie definiert Leidenschaft folgendermaßen:
»Dranghafte, stark ausgeprägte Emotion, starke Begeisterung, manchmal bis zur Besessenheit reichende Neigung zu einer bestimmten Person, Sache oder Aktivität.«1
Diese Definition wirkt alles andere als weiblich, zart oder zerbrechlich. Aber einen wirklich gesunden Zustand scheint der Begriff Leidenschaft auch nicht zu beschreiben. »Dranghaft«, »manchmal bis zur Besessenheit«, klingt nicht gerade ungefährlich und im Hinblick auf den Einsatz im Beruf auch nicht wirklich ratsam. Wer kann im Team schon »stark ausgeprägte Emotionen« gebrauchen? Auch wäre es katastrophal, würde man Budgetfragen, Personal- oder Strategieentscheidungen von »dranghaftem« Tun steuern lassen. Ich musste die Definition erst einmal sacken lassen. Doch letztlich blieb mir nichts anderes übrig, als festzustellen, dass Leidenschaft gefährlich sein kann, unberechenbar und überwältigend. Wahrscheinlich ist das einer der Gründe, weshalb die sachliche Wirtschaftswelt in ihrer Etikette gern auf leidenschaftliche Ausbrüche verzichtet. Aber muss es denn wirklich so weit kommen? Damit die »gefährliche« Leidenschaft uns keinen Strich durch unsere sachliche Rechnung macht, sollte sie vor allem eines sein: gezähmt. Oder besser gesagt: strukturiert.
Sportler brechen Weltrekorde aufgrund ihrer Leidenschaft. Musiker bewegen Emotionen dank der Leidenschaft für den richtigen Klang. Kreative Berufe im Allgemeinen leben von der permanenten Suche nach Leidenschaft, um sich von ihr tragen zu lassen. Struktur ist für Leidenschaft wichtig. Aber sie muss gemanagt werden. Ein Sportler würde sich permanent verausgaben, würde er seine Leidenschaft nicht zügeln. Ein Musiker würde ohne die Struktur von Tonart, wiederkehrenden Harmonien und eingängigen Texten keinen Ohrwurm landen. Leidenschaft ist wichtig. Essenziell sogar. Allerdings nur in strukturiertem Maße.
Leidenschaft scheint in ihrem Kern also weder etwas mit weiblicher Sanftheit zu tun zu haben noch mit eintönigen Gefühlen. Ganz im Gegenteil: Sie ist aufregend. Von etwas »besessen zu sein« bedeutet schließlich, nicht anders zu können, als sich einer Sache ganz hinzugeben, loyal zu sein und sich auch durch schwierige Zeiten zu dem »hindurchzuleiden«, wofür das leidenschaftliche Herz schlägt.
So »unmännlich«, wie ich den Begriff Leidenschaft früher empfunden habe, ist er also gar nicht. So »fraulich« jedoch auch nicht. Als Mann interessierte mich, wie wir Kerle Leidenschaft nun verstehen sollten. Um es mit den Worten von Danny Fresh zu sagen, schaute ich daher »im Netz nach, was wir gerade denken«. Zu meiner Überraschung landet man bei »Leidenschaft Mann« fast ausschließlich bei Themen romantischen Ursprungs. Als Kerl hätte ich in etwa Folgendes erwartet: »die Fußballweltmeisterschaft«, »Autos richtig pflegen« oder »Angeln für Abenteurer«.
Während ich mir gleichermaßen irritiert wie schmunzelnd die zahlreichen Suchergebnisse ansah, lernte ich von dem, »was wir alle denken«, vor allem zwei Dinge:
1.Leidenschaft hat fast ausschließlich etwas mit Sex oder Liebesbeziehungen zu tun.
2.Männer haben damit ein ganz großes Problem, das man unbedingt reparieren muss.
Ist das tatsächlich das Bild, das wir von Leidenschaft haben? Natürlich ist eine Google-Suche keine gängige Untersuchungsmethode, aber dass die Ergebnisse so weit von der eigentlichen Definition abweichen würden, hätte ich nicht gedacht.
Ich fragte mich, ob die Männer in meinem Umfeld wohl ähnlich darüber dachten, und rief kurzerhand fünf meiner Freunde an. Auf die Frage, was ihnen zum Thema »Mann und Leidenschaft« als Erstes in den Sinn kommt, erhielt ich fünf Antworten, die mich erleichterten. Herzblut, Ausdauer, Hingabe, Spaß, Freizeit. »Passt«, dachte ich. Oliver, der Letzte mit dem ich telefonierte, bemerkte meine Zufriedenheit und hakte nach. Ich erzählte ihm von den Suchergebnissen, die den Eindruck vermitteln, Leidenschaft würde immer etwas Sexuelles bedeuten. Er lachte und meinte: »Dann frag doch mal die Frauen, was sie denken.«
Gesagt, getan. Und raten Sie mal, welche Begriffe die fünf Frauen nannten? Gefühlvoll, zärtlich, Sex, Spanier und noch einmal Sex. Meine unprofessionelle Schlussfolgerung aus dieser gar nicht repräsentativen Umfrage: Nur Frauen benutzen das Internet. Ein zweites Fazit lautet: Leidenschaft ist in der Tat ein Begriff, den man nur schwer greifen und ganz unterschiedlich auffassen kann. Man kann ihn nicht in die Grenzen von nur einer Definition pressen, dafür ist Leidenschaft einfach zu leidenschaftlich. Wenn Sie Ihre Leidenschaft also nicht leicht greifen, beschreiben oder strukturieren können, dann sind Sie in guter Gesellschaft. Leidenschaft ist etwas höchst Persönliches. Etwas, das man nicht unbedingt vor sich herträgt und zur Schau stellt.
Vielleicht ist echte Leidenschaft deshalb so selten sichtbar. Und doch gibt es eine Leidenschaft, die weit verbreitet und akzeptiert ist, ich nenne sie »Leidenschaft light«. Leidenschaft light ist das Hobby, das Sie nach Feierabend ausüben, bis Ihre Partnerin oder Ihr Partner Sie daran erinnert, den Müll rauszubringen. Leidenschaft light ist etwas, das genau zwischen beruflicher und privater Verpflichtung seinen Platz findet. Sie ist sicherlich auch das, was zwischen Beruf und familiären Verpflichtungen als Erstes zurückstecken muss, wenn die Zeit knapp wird. Leidenschaft light wird niemandem gefährlich. Sie verändert jedoch auch nicht unser Leben.
Wer von seinem Leben mehr erwartet, einem konkreten Traum hinterherjagt oder sein Engagement erfüllter gestalten möchte, für den ist »light« bei der Wahl seiner Motivation die denkbar ungünstigste Variante. Wer etwas bewegen und über sich hinauswachsen möchte, der braucht »Leidenschaft pur«, die vermeintlich gefährliche Version. Die Form der Leidenschaft, die auch mal muskelspielend gegen das Hamsterrad tritt, die ausbricht und für das einsteht, was unserem Herzen wichtig ist, die dafür sorgt, dass wir mit Herzblut ein Stückchen mehr wagen und auch ein Stück mehr erreichen. Über diese abenteuerliche Leidenschaft möchte ich mit Ihnen in diesem Buch sprechen und sie gemeinsam mit Ihnen strukturieren. Aber keine Angst. Diese Leidenschaft wird, wenn sie strukturiert wird, nur einem gefährlich: der leisen, trügerischen Stimme in unserem Kopf, die uns zuflüstert, dass wir zu nichts Besonderem fähig sind. Leidenschaft zu strukturieren, ist notwendig, damit wir erfolgreich sind. Im Unternehmen sind Manager diejenigen, die Strukturen vorgeben. Daher könnte man auch sagen, Leidenschaft muss gemanagt werden. Dabei ist es sinnvoll, zunächst zu klären, was ich unter »managen« verstehe, damit wir in diesem Begriff auf der gleichen Welle schwimmen. Ähnlich wie bei dem Begriff »Leidenschaft« kann man sich bei »Management« die unterschiedlichsten Assoziationen vor Augen führen und mit den meisten weit daneben liegen.
Wenn mich jemand fragt, was ich studiert habe, lautet meine Antwort »Wirtschaft«. Das ist zwar nicht verkehrt, aber streng genommen auch nicht ganz korrekt. Doch »Internationales Management« ist mir manchmal schlichtweg zu flach. Fast jeder BWLer möchte heutzutage »Manager« sein. Man möchte diesen mit einflussreichen und glamourösen Eigenschaften aufgeladenen Begriff sein Eigen nennen, genauso wie das dazugehörige Gehaltspaket. Selbst wenn das Gehalt, der Glamour und der Einfluss unter den Erwartungen bleiben, das Ego freut sich allein schon über den Titel. Und dem wird Rechnung getragen, auch wenn es teilweise überflüssige Ausmaße annimmt. Ein »Vision Clearance Manager« beispielsweise konzipiert keine Unternehmensvisionen, sondern putzt Fenster. Ein »Facility Manager« ersetzt den Begriff »Hausmeister« und selbst der Titel »Non Profit Manager« zeichnet ein luxuriöses Bild einer Person, die sich ehrenamtlich engagiert. Das Bild vom Manager zieht. Wobei man eigentlich sagen müsste: Das Gefühl, das wir dem Begriff »Manager« zuschreiben, zieht. Und dieses Gefühl kann auch für Abneigung dem Begriff gegenüber sorgen.
Denn »Managen« wird gleichermaßen inflationär genutzt wie auch zunehmend negativ belegt. Bankenmanager, VW-Manager und Fondsmanager prägen das Bild eines überbezahlten Sportwagenfahrers, auf dessen Nummernschild »Nach mir die Sintflut« prangt. Darunter leidet der Ruf derer, die ihre Verantwortung tatsächlich in all ihrer Komplexität und Belastung bemerkenswert ausfüllen.
Wenn wir über »Managen« sprechen und an »Manager« denken, dann aktivieren wir eine Verknüpfung, die sich richtig anfühlt, aber in die Irre leitet. Der Manager und das Managen sind zwei ganz unterschiedliche Dinge, genauso wie bei anderen substantivierten Verben wie Gitarrespielen oder Kochen. Ich spiele Gitarre, aber ich bin kein Gitarrist. Ich koche, aber ich bin kein Koch. Der größte Fehler, den wir machen können, ist die Berufsbezeichnung mit dem substantivierten Verb zu verwechseln oder beide einander gleichzustellen. Wenn jeder, der kocht, zum Koch wird, geht Ihr Teller beim Dinner vermutlich fast unangetastet zurück. Und wenn jeder, der singt, zum Sänger wird, kann man damit wunderbar ein Fernsehprogramm füllen – aber nicht weil es so schön klingt, sondern weil die Zuschauer sich gern über die Unfähigkeit der anderen amüsieren.
Wenn ich sage: »Ich manage das«, meine ich damit: »Ich kümmere mich darum«, wobei diesem Sich-Kümmern eine besondere Bedeutung zugeschrieben wird. Es hat professionell, effizient, sinnvoll und ergebnisorientiert zu sein. Es ist kein Wunder, dass wir dem Managen nicht mehr so recht über den Weg trauen, wenn wir mit Blick auf das Modewort versuchen, »alles« zu managen. Wir können uns nicht immer und zu jeder Zeit um alles in besonderem Maße professionell, effizient und sinnvoll kümmern. Wenn ich meiner Frau sagen würde, dass ich heute den Müll manage, würde sie mich vermutlich nur belustigt ansehen.
Management ist ein Handwerk. Es ist ein Mittel zum Zweck, dessen Umgang man lernen muss. Ich habe Führungskräfte kennengelernt, die ihre Verantwortung schlechter managen als ein Schulkind seinen Tagesablauf.
Ein wunderbares Beispiel für gutes Management sind in meinen Augen Eltern, die den Haushalt organisieren und die Kinder versorgen. Was Eltern – in Deutschland immer noch meistens Mütter – leisten, ist unbeschreiblich. Eine Mutter »tut und macht«, wie man so schön sagt. Sie kümmert sich. Und das in besonderem Maße. Sie managt, und zwar mit Leidenschaft. All die Struktur, die sie schafft, vorlebt und durchsetzt, würde sie nicht an ihr Ziel bringen, wenn ihr Herz nicht für ihre Aufgabe schlagen würde. Wenn ich von dem Begriff des Managens spreche, dann schaue ich deshalb eher auf eine sich kümmernde Mutter als auf Manager. Denn manche Ziele erreichen wir trotz der besten Strukturen nur, wenn sie uns tatsächlich am Herzen liegen. Leidenschaft zu managen, ergibt Sinn. Leidenschaftlich zu managen auch.
Als ich 32 Jahre alt war, habe ich mir ein Mountainbike gekauft. Mein Vater hat jahrelang versucht, mich für das Hobby Radfahren zu begeistern, ohne Erfolg. Einfach nur geradeaus zu fahren, hat mich nicht gereizt. Doch Jahre später war es plötzlich um mich geschehen. Ich saß eines Abends auf der Couch und ertappte mich dabei, wie ich auf YouTube einigen Mountainbikern fasziniert dabei zuschaute, wie sie auf ihren voll gefederten Maschinen unwegsame Waldwege meisterten. Ich hatte mir ohnehin vorgenommen, mehr Sport zu treiben, warum also nicht auf einem Mountainbike? Es würde zwar lange dauern, bis ich nur ansatzweise so fahren konnte wie die Kerle in den Videos, aber immerhin würde ich mich sportlich betätigen. Und zu meiner Überraschung ging der Plan auf. Im Laufe der Zeit wurden aus Waldwegen Schlammstrecken. Aus Schlammstrecken wurden Treppen. Und aus Treppen wurden schließlich Fahrten durch Bikeparks. Das sind große Waldgebiete mit künstlich angelegten und mit Hindernissen gespickten steilen Strecken. Hindernisse zu meistern, die im ersten Moment unüberwindbar scheinen, macht etwas mit mir. Nicht nur wegen des Adrenalins und der Euphorie. Es zeigt meinem Kopf, dass ich mir mehr zutrauen darf, als ich es manchmal tue. Das motiviert ungemein. Sich bewusst dafür zu entscheiden, nicht den üblichen, langsamen und glatten Weg zu nehmen, sondern auf einer unebenen Strecke etwas zu wagen, vielleicht sogar vom Boden abzuheben und dennoch sicher auf- und anzukommen, ist ein unbeschreibliches Gefühl. Mit diesem Gefühl bin ich nicht allein.
Im Jahr 2016 haben sich in Deutschland rund 672000 Menschen genau für dieses unbeschreibliche Gefühl entschieden.
Besser gesagt, sie haben sich dazu entschieden, die üblichen Sicherheiten hinter sich zu lassen und mit ihrer Unternehmensgründung noch unbekannte Hindernisse zu meistern, das heißt, Risiken einzugehen, die andere umfahren, und auf Annehmlichkeiten zu verzichten, die andere genießen. Wahrscheinlich auch unter den skeptischen Augen von Freunden und Verwandten und der begleitenden Frage: »Bist du denn verrückt? Kannst du dein Geld nicht so verdienen wie alle anderen auch?« Diese Fragen sind durchaus berechtigt. Warum sollte man sich für solch eine ungewisse Lebenssituation entscheiden? Sind es die dicken Autos? Ist es das große Geld? Vielleicht die fehlende Lust auf das Unterordnen und das frühe Aufstehen? Oder gibt es da noch mehr?
Damit wir über uns hinauswachsen können, ist die Frage nach diesem »Warum« sehr wichtig. Man kann sich manchmal nur schwer vorstellen, warum Menschen etwas wagen, das für andere unerreichbar scheint. Was sind das also für Gründe, die Menschen dazu motivieren, Risiken einzugehen und auf Schönes zu verzichten, um der inneren Stimme zu folgen? Bewegt mehrere Hunderttausend Menschen in Deutschland tatsächlich nur die Chance auf das große Geld? Wenn dem so ist, mache ich etwas verkehrt, so viel ist sicher. Das dicke Geld verliert auf meinem Konto zu schnell an Gewicht, besonders wenn es Begriffe wie Finanzamt, Sozialversicherungen oder Rücklagen hört. Es muss also noch mehr geben, das bewegt.
Menschen, die Risiken eingehen und etwas Außergewöhnliches wagen, kreisen mit ihrer Motivation häufig um einen von zwei Aspekten. Entweder wollen sie mit ihrem Wagnis Anforderungen von außen erfüllen oder ihre Leidenschaft beflügeln. In der Fachsprache existieren hierfür zwei Begriffe: die intrinsische Motivation, also die, die von innen heraus anspornt, und die extrinsische, die durch äußere Faktoren motiviert. Die Freude am Malen könnte eine intrinsische Motivation sein, das Gehalt eine extrinsische. Wenn wir Risiken eingehen und nicht nur wagen, sondern auch gewinnen wollen, macht es einen großen Unterschied, welche der beiden Motivationen uns antreibt.
Als ich das erste Mountainbike kaufte, tat ich das nicht nur aus Leidenschaft. Das Fahrrad sollte gut aussehen und die Klamotten, die ich trug, ebenfalls. Zu wissen, dass ich endlich ein sportliches Hobby gefunden hatte, tat mir gut. Und anderen von einem solch »coolen« Hobby zu erzählen auch. Entsprechend stolz und motiviert war ich, als ich das erste Mal zu einem Bikepark fuhr. Meine Frau hatte mir zu Weihnachten einen Gutschein für einen Bikepark inklusive Trainerstunde und eine Actioncam geschenkt. Mit meiner neuen Schutzausrüstung folgte ich dem Trainer hoch zum ersten Trail. »Was für ein geiles Hobby«, dachte ich. Allerdings änderte sich meine Einstellung, während ich mit weichen Knien die Anfängerstrecke hinunterbremste. Eine Stunde später saß ich im Auto und war auf dem Heimweg. Die beiden Strecken, die ich gefahren war, hatten mich geschafft. Nach einer guten Stunde war mein Wunsch, einem bestimmten Bild gerecht zu werden, an seine Grenzen gekommen. An sich war das Fahren im Bikepark schön, wenn nur nicht diese hohe Geschwindigkeit gewesen wäre, die störenden Hindernisse und diese unglaublich steilen Wege. Risiken für das Selbstwertgefühl einzugehen, um in eine schön gezeichnete Vorstellung zu passen, geht nur so lange gut, wie sich uns keine Hindernisse in den Weg stellen. Hindernisse behindern. Wer Risiken für seinen Selbstwert eingeht, möchte sich gut fühlen, doch er kann mit jedem Hindernis diesen Wohlfühlzustand weniger halten und wird zunehmend daran verzweifeln. Wer erfolgreich gründet, der gründet nicht, um die Hindernisse zu umfahren. Er weiß, dass es darum geht, sich ihnen zu stellen. Auf der Rückfahrt war ich frustriert, denn mir wurde klar, dass mein Wunsch, so zu fahren wie die Jungs in den YouTube-Videos, mehr von mir verlangte, als ich gedacht hatte.
Der Grund, warum ich steile Abfahrten und ihre Hindernisse inzwischen liebe, liegt in der Übung. Fast siebzig Prozent meiner Zeit auf dem Rad verbringe ich in einem nahe gelegenen Park, während ich im Kreis fahrend meine Balance trainiere. Und glauben Sie mir: Was ich da mache, lässt mich in den Augen anderer alles andere als gut aussehen. Letzte Woche versuchte ich zufrieden, meinen Rekord auf dem Hinterrad zu brechen – bis ein paar kleine Jungen mich sahen, ohne Kommentar den kompletten Rundweg auf dem Hinterrad absolvierten und winkend einfach verschwanden. Schönen Dank! Wenn ich überlege, wie häufig ich mir die Pedale ans Schienbein haue, komisch aussehe und manchmal nicht besser trickse als ein paar Elfjährige, dann gibt es nur einen Grund, warum ich mich durch all das hindurchleide: Leidenschaft. Die Hindernisse, die zuvor noch an meinem Selbstwertgefühl gekratzt und meine Motivation infrage gestellt hatten, waren plötzlich der Grund, warum ich überhaupt aufs Rad stieg. Denn bei der Leidenschaft geht es nicht darum, nur einen Status quo zu halten. Das, was erfüllt, ist das Weiterkommen, das Wachsen. Es geht um die Weiterentwicklung und die Freude über jedes noch so kleine Hindernis, das man meistert. Und die ist groß. Vielen der Hindernisse, die ich damals noch mit Herzrasen auf mich zukommen sah, fiebere ich nun mit Herzklopfen entgegen. Wer seiner Leidenschaft folgt, berührt in sich etwas Tiefes, das er mit Geld oder Luxus nie erreichen würde. Deshalb sind Unternehmer nach ihrer Gründung häufig auch erfüllter als vor ihrem Wagnis, obwohl sie den eigenen Lebensstandard zunächst reduzieren. Wer diese Erfüllung einmal gespürt hat, setzt Prioritäten anders. Leidenschaft kann auf dem Weg zur Erfüllung die kuriosesten Pfade einschlagen.
Vor einigen Monaten habe ich eine Dokumentation gesehen, die mich sehr fasziniert hat.2 Es ging um einen Bankmanager, dessen Leben ihn, trotz Wohlstand und Verantwortung, nicht erfüllte. Nachdem er gespürt hatte, dass er in seinem Leben etwas ändern musste, traf er eine ungewöhnliche Entscheidung. Er startete neu und machte sich selbstständig – und zwar als Physiotherapeut. Er tauschte also ein Leben, das sich mancher wünschen würde, gegen eine neue Ausbildung, eine kleine Praxis, unbequeme Arbeitszeiten und lange Abende voller Muskelkater. Aber er war darüber nicht unglücklich. Dieser bewundernswerte junge Mann hatte in sich etwas entdeckt, das auch bei vielen anderen unter der Oberfläche schlummert: die tiefe Sehnsucht nach echter Erfüllung und die Erkenntnis, dass seine Leidenschaft ihn stärker erfüllt als das schnelle Auto vor der Tür. Am meisten faszinierte mich allerdings, dass er tatsächlich den Mut aufgebracht hatte und diesen Schritt gegangen war. Denn Hand aufs Herz: Wer hat noch nie etwas Besonderes in der Hand gehalten, betont, dass dieser Luxus allein nicht glücklich macht, und trotzdem nicht losgelassen? Dieser Kerl hatte es getan. Er hatte gespürt, dass das Hamsterrad, in dem er täglich lief, egal wie groß, bequem und vergoldet es war, ihn zwar beschäftigt hielt und sicher, aber tief im Inneren nicht bewegte. Er hatte gemerkt, dass da noch mehr ist. Etwas, das er sich mit Geld nicht kaufen kann.
Wie geht es Ihnen, wenn Sie diese Geschichte hören? Wissen Sie, was Sie tief in Ihrem Inneren bewegt? Seiner Leidenschaft zu folgen, muss nicht immer bedeuten, sich beruflich völlig neu zu orientieren. Manchmal muss man nicht den Inhalt ändern, sondern ihm einfach einen neuen Rahmen geben. In meinem Fall war das so. Zur Zeit meiner Gründungsvorbereitung war ich mit der Marketing-Restrukturierung eines größeren mittelständischen Unternehmens betraut. Inhaltlich hatte ich meine Ziele erreicht: Budgets optimiert, die Qualität gesteigert und neue Prozesse entwickelt. Doch mein Arbeitsvertrag war befristet und eine Verlängerung ausgeschlossen. Für mich war das ein unbefriedigendes Gefühl, denn ich musste davon ausgehen, dass auch der nächste Job erst einmal befristet wäre. Für jemanden, der sich gern komplett in seine Herausforderungen investiert, weil er auf halber Flamme nicht arbeiten kann, waren diese kurzen Gastspiele alles andere als erfüllend. Ich wollte etwas bewegen, begleiten und aufbauen. Das war meine Leidenschaft und meine Sehnsucht. Hätte ich diese Chance in einer Anstellung gefunden, hätte ich sie motiviert angenommen. Da dies nicht geschah, nahm ich mein Erspartes, beschlagnahmte eine Ecke unserer Küche und tat das, was ich die letzten Jahre auch getan hatte: Unternehmer und Entscheider dabei unterstützen, ihre Ziele möglichst herausragend zu erreichen. Man sollte meinen, ich hätte mein großes Büro mit Besprechungsecke, eigener angrenzender Küchenzeile und Balkon vermisst. Aber meine eigene Firma, die zu Beginn nur aus zwei Quadratmetern bestand, erfüllte mich.
Bald mietete ich für meine Firma die Wohnung über uns an. Nicht viel später zogen wir privat um und ich holte das Büro wieder zurück in die Räume, in denen alles begonnen hatte, quasi als nostalgischer Akt. Heute hängen im Besprechungsraum in der damaligen kleinen Start-up-Ecke Whiteboards. Häufig bin ich mir des Wegs, der hinter mir liegt, gar nicht bewusst. Aber besonders wenn ich in der kleinen Ecke vor den Whiteboards stehe, bin ich Gott dankbar, dass sich das Risiko, auf meine Leidenschaft zu hören, gelohnt hat. Damals wie heute.
Meine Geschichte ist natürlich nur eine von vielen und sicherlich eine der undramatischsten. Deshalb war es mir wichtig, bei jemandem nachzuhaken, der schon etwas länger Risiken eingeht. Jemand, von dem ich mir selbst viel abgucken durfte. Als ich 18 Jahre alt war, machte ich ein Praktikum in einer Werbemittelagentur und hatte dabei die erste Berührung mit dem Thema Marketing. Wenn jemand mein Macher-Bild in meinen Zwanzigern geprägt hat, dann mit Sicherheit der Chef dieser Agentur. Seitdem verbindet uns eine echte Freundschaft. Wer wäre also besser geeignet für dieses Gespräch als Mikel? Wir treffen uns in seiner Agentur. Ich habe Kuchen mitgebracht, eine Art Tradition bei uns. Mit großen Kaffeebechern und ordentlich viel Apfelkuchen sitzen wir im gemütlichen Besprechungsbereich.
Ich schreibe gerade darüber, dass der Weg in die Selbstständigkeit eine Erkenntnis und auch ein Prozess ist. Wie war das bei dir? Hast du schon immer gewusst, dass du dich selbstständig machen möchtest?
Mikel Graf: Nicht bewusst. Ich habe nach meinem Studium drei Jahre lang in einer Werbemittelagentur gearbeitet und kam mit allem eigentlich sehr gut zurecht. Der Stein, der die Gedanken konkret ins Rollen brachte, wurde eher durch zwei positiv verrückte Holländer angestoßen. Ich habe damals Paul Donders und Vincent G. A. Zeylmans van Emmichoven kennengelernt und die haben mich immer dazu ermutigt und gefragt: »Warum machst du dich nicht selbstständig?«
Und wie war deine Reaktion darauf? Warst du skeptisch?
Mikel Graf: Auf der einen Seite habe ich gemerkt, dass das schon mein Wunsch ist, aber auf der anderen Seite natürlich auch ein Stück weit Respekt davor gehabt, den stabilen Job mit dem kontinuierlichen Gehalt zu verlieren. Es war aber auch so, dass ich mich als Angestellter stark gebunden gefühlt habe, und das klang unterschwellig halt immer schon mit.
Wie hast du es geschafft, dich aus dieser Gebundenheit zu lösen?
Mikel Graf: Paul und Vincent hatten vor, eine neue Büroetage zu beziehen, und mich immer wieder gefragt, ob ich nicht dazustoßen wollte. Dadurch würde ich ihre Kunden aus der Unternehmensberatung kennenlernen und Kontakte knüpfen. Und so ist der Gedanke immer mehr gewachsen, bis ich den Schritt dann schließlich getan habe.
Ich weiß, dass viele Gründer denken, sie müssten von Beginn an nach Erfolg aussehen mit allem, was sie haben und tun. Wie war das bei dir?
Mikel Graf: (lacht) Ich bin von zu Hause aus gestartet. Ich weiß noch, wie im Hintergrund die Kochtöpfe klapperten, während ich telefonierte. Den ersten großen Auftrag musste ich per Fax bestätigen und hatte noch nicht mal ein richtiges Logo. Also habe ich aus einer Kartoffel einen Stempel geschnitzt, das Ding draufgemacht und zurückgefaxt. Ich erinnere mich auch an einen kurzfristigen Termin mit BOSE, für den ich keine passenden Schuhe hatte. Ich musste jemanden losschicken, damit er mir noch schnell schwarze Schuhe besorgt. Ich musste also oft kreativ sein, aber das hat letztendlich viel Spaß gemacht. Und geschadet hat es auch nicht.
Ich finde das amüsant, weil ich weiß, dass du einen sehr guten Geschmack und Stil hast. War es für dich nicht eine Herausforderung, so kreativ sein zu müssen und viel zu improvisieren?
Mikel Graf: Nein, gar nicht. Du musst dir vorstellen, ich habe damals für 1000 DM meine ganze Büroausstattung aus einer Geschäftsauflösung gekauft und ich habe viele Teile davon immer noch. So lange haben die gehalten. Natürlich habe ich auch darauf geachtet, alles möglichst stilvoll zu gestalten. Aber man startet klein. Und das war völlig okay.
Hast du damals eigentlich etwas verspürt, wo du gesagt hast: »Genau das erfüllt mich an meiner Arbeit und deswegen macht die Selbstständigkeit total Sinn«?
Mikel Graf: (überlegt) Ich merke, dass ich glücklich bin, wenn meine Kunden glücklich und zufrieden sind. So zu agieren, dass das funktioniert, braucht manchmal mehr als das Miteinander, das man sonst kennt. Für mich bedeutet das nicht nur Leidenschaft für die Sache, sondern auch Leidenschaft an dem Menschen selbst. Wenn mein Kunde intern oder extern ein positives Feedback bekommt, dann macht mich das glücklich. Da reicht es, wenn ich im Background bleibe. Ich denke, es ist schon erfüllend, wenn man sich nicht verbiegen muss, sondern man selbst sein kann. Und das lebt man natürlich dann ganz anders. Das heißt, ich kann selbst entscheiden, ob ich meine Meetings in der Eisdiele mache oder abends noch mit den Jungs zum Fußball gehe. Wir haben zu unseren Kunden eigentlich immer ein sehr gutes, fast freundschaftliches Verhältnis. Das hätte ich vielleicht als Angestellter gar nicht so ausleben können, wenn mein Chef das nicht gewollt hätte.
Würdest du sagen, dass diese Freiheit, deine Leidenschaft zu leben, erfüllender ist als finanzielle Sicherheit oder ein schickes Auto? Ich glaube, viele fänden es leichtsinnig, sich auf die Leidenschaft zu konzentrieren.
Mikel Graf: Das sehe ich anders. Ich glaube, Geld macht nur begrenzt glücklich. Ein schickes Auto oder eine tolle Agentureinrichtung sind sicherlich etwas Tolles, aber wirklich glücklich macht es mich eher, wenn ich merke, dass unsere Arbeit das Ziel erreicht hat, das auf dem Plan stand, wie zum Beispiel zur Fußballweltmeisterschaft 2006, wo wir die Reinigungskräfte in der Innenstadt mit Trikots als »Cleansmänner« ausgestattet haben und selbst der WDR darüber berichtet hat. So was macht einen glücklich. Wenn man selbst sieht, wie toll die Leute auf den Straßen behandelt werden, wenn gesagt wird: »Das sind die coolen Jungs und nicht die Deppen der Nation, weil sie den Müll der anderen aufsammeln müssen.« Das macht einen glücklich. Und dafür steht man dann morgens dreimal lieber auf als für die tolle Couch.
Etwas, das ich mir oft dankbar von dir abgucken durfte, war ein gelassener Umgang mit der wirtschaftlichen Zukunft. Hast du den Schritt in die Selbstständigkeit jemals bereut?
Mikel Graf: Ach, du wirst als Selbstständiger immer schlaflose Nächte haben, aber bereut habe ich’s nie, obwohl ich ein sicherheitsliebender Mensch bin. Falls die Agentur irgendwann mal den Bach runtergehen würde und ich wieder neu anfangen müsste – was soll’s? Da muss man dann immer einmal mehr aufstehen, als man fällt, und den Glauben haben, dass Gott einen trägt. Ich habe mir vor einigen Jahren bei einem Treppensturz mehrfach das Schienbein gebrochen. Da macht man sich dann schon Gedanken, wie man das Unternehmen führen soll, wenn man ans Bett oder an Krücken gefesselt ist. Im Nachhinein kann ich sagen, das war mit eines der umsatzstärksten Jahre (lacht). Mutig sein, lohnt sich.
Vielen Dank für das interessante Gespräch!
Etwas ganz Unscheinbares, das Mikel in unserem Gespräch erwähnte, ließ mich aufhorchen, weil ich dachte, dass ich damit als Unternehmer ziemlich allein dastehen würde: Er sagte, er sei ein sicherheitsliebender Mensch. Ich habe ziemlich mit mir selbst gerungen, bevor ich mich für die Gründung entschieden habe, eben weil mir Sicherheit so wichtig ist. Wie passen das Eingehen von Risiken, die es für jeden Unternehmer gibt, und der Wunsch nach Sicherheit zusammen?
Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir: Wenn mir Sicherheit nicht wichtig wäre, dann hätte ich in den vergangenen Jahren unternehmerische Entscheidungen anders getroffen und würde vielleicht jetzt kein Buch schreiben, sondern Bewerbungen. Man sagt immer so leicht, dass die Selbstständigkeit nichts für Leute ist, denen Sicherheit wichtig ist, dass solch ein Wagnis für niemanden realistisch wäre, der sicherheitsliebend ist. Aber stimmt das wirklich?