Adams Verhängnis - Liv Morris - E-Book

Adams Verhängnis E-Book

Liv Morris

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Beschreibung

Die erotische Liebesgeschichte von Adam und Kathryn geht weiter – nun aus Adams Sicht … Als der smarte Playboy Adam Kingsley die atemberaubende Tantra-Lehrerin Kathryn Delcour trifft, lässt er sich von ihrer Schönheit und Stärke in den Bann ziehen. Schon bei ihrer ersten Sitzung entflammt zwischen beiden eine intensive sexuelle Anziehung. Während sich Adam von den Verletzungen erholt, die er sich bei Kathryns Rettung zuzog, lehrt sie ihn die Kunst des tantrischen Liebesspiels. Adam kommt in den Genuss bisher unerfahrener sexueller Höhepunkte und wird so zu einem willigen, begierigen Schüler. Doch als dunkle Geheimnisse über seinen leiblichen Vater ans Licht kommen, verändert sich Adams Leben dramatisch. Er ist gezwungen, eine Wahl zu treffen, die ihm alles abverlangt. Soll er diejenigen, die er liebt, zur Verantwortung ziehen und alles, was ihm teuer ist, aufgeben? Oder soll er der Schuld freien Lauf lassen? Mit Kathryn an seiner Seite stellt sich Adam dem Kampf seines Lebens.

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Seitenzahl: 375

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2016

© 2016 by Lago, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH,

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

© der Originalausgabe 2014 Liv Morris

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel Adam’s Fall.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Karen Roses und Anne Schwarz

Umschlaggestaltung: Isabella Dorsch

Umschlagabbildung: Shutterstock/AS Inc

Satz: Satzwerk Huber, Germering

ISBN Print 978-3-95761-127-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-95762-061-3

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95762-062-0

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.lago-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.muenchner-verlagsgruppe.de

Für Lauren

Kapitel 1

Der monotone Klang der Nachrichten im Kabelfernsehen hallt durch mein Privatzimmer im Krankenhaus. Der Fernseher ist meine einzige Verbindung zur Außenwelt. Das Allerletzte, was ich jetzt will, ist Stille, darum drehe ich die Lautstärke noch höher. Ohne Ablenkung wandern meine Gedanken zurück zu der hässlichen, tragischen Szene vor ein paar Stunden, zu Simons Leichnam, kalt, mit leblosen Augen, die geradeaus starrten, voller Vorwürfe und mich verurteilend. Ich schüttle den Kopf und versuche, das Bild zu vertreiben, während die TV-Moderatoren immer weiterreden. Ich werde aufmerksam, als ich den Namen meines Vaters höre. Xavier Thorpe, das Arschloch.

»Xavier Thorpe, und damit sein Großkonzern Thorpe Industries, bekommt Probleme mit der Stadtverwaltung von Indianapolis. Am Freitag schloss Thorpe Industries dort eine Fabrik, man hat vor, die Produktion ins Ausland zu verlegen. Diese Entscheidung kostete zweitausend Angestellten den Arbeitsplatz.«

»Verdammter Scheißkerl«, murmle ich leise.

»Gary Fredrick, Bürgermeister von Indianapolis, sagte dazu Folgendes: ›Die Wall Street mag Thorpe lieben, aber hier bei uns hasst man ihn. Er ist nichts weiter als ein industrieller Soziopath. Er zerstört unsere Industrie und die Träume der Menschen an Orten wie Indianapolis, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden.‹«

Industrieller Soziopath! Was für eine brillante und treffende Bezeichnung für Thorpe und seine raffgierige Geschäftemacherei. Er ruiniert das Leben anderer, nur um selbst Profit zu machen.

Der Nachrichtensprecher kommt zum nächsten Bericht, und ich sehe mein Bild auf dem Fernsehschirm. Na prima. Sie berichten schon jetzt, dass Simon erschossen wurde.

Das Foto zeigt mich in meinem Smoking von Armani. Das Bild eines Mannes, der alles im Griff hat, der seine Welt beherrscht. Des Draufgängers, der ich bis vor Kurzem noch war. Jetzt sitze ich allein in einem Krankenzimmer, umzingelt von meinen eigenen Dämonen.

»Bis jetzt hat Kings Capital keine offizielle Stellungnahme zu der vermuteten Dreiecksbeziehung zwischen dem jüngst ums Leben gekommenen Simon Edwards, seiner Exverlobten Marta Llewellyn und dem Geschäftsführer von Kings Capital, Adam Kingsley, abgegeben.

Offizielle Stellen bestätigen jedoch, dass Edwards, Gründungspartner und Topmanager bei Kings Capital, am letzten Mittwoch entlassen wurde. Außerdem belegt der Mitschnitt einer Überwachungskamera des Hotels, dass Edwards heute während des Vorfalls vor dem Hotel Pierre um sich geschossen und dabei Adam Kingsley verletzt hat.

Ein Wirtschaftsanalyst der Wall Street, Stuart Cross von IEF Securities, vermutet, dass Mr Kingsleys hoher Bekanntheitsgrad und die heutige Schießerei dem Aktienkapital von Kings Capital großen Schaden zufügen werden. Cross meint, die Firma werde Kunden und Großanlegern einige wichtige Fragen beantworten müssen. Er sagte, ich zitiere: ›Diese Ereignisse könnten sogar zur Folge haben, dass Adam Kingsley nicht länger Geschäftsführer von Kings Capital bleiben wird.‹«

Meine Welt beginnt sich zu drehen; jedes Wort aus dem Mund des Reporters landet schwer wie eine Anklage auf meinen Schultern. Für die Welt da draußen bin ich automatisch der Schuldige, ob es nun stimmt oder nicht. Die sogenannte Analyse dieses Wall-Street-Experten trifft mich wie ein Schlag in den Magen. Diese Tragödie mit Simon könnte alle Bereiche der Firma schädigen, ebenso wie meine Führungsposition.

»Wer zum Teufel sind diese ›offiziellen Stellen‹?«, zische ich durch die zusammengebissenen Zähne. Glühende Wut durchströmt jede Zelle meines Körpers. Wut auf mich, Wut auf Simon und Wut darauf, dass niemand jemals die Wahrheit erfahren wird. Es hat zwischen Marta und mir nie eine Liebesbeziehung gegeben. Es war nichts als ein flüchtiger Fick, und ich wusste nicht, dass der bei ihr krankhafte Besessenheit auslösen würde.

Der wilde Zorn lässt mich zittern, und ich atme tief ein, versuche, mich zu beruhigen. Ein Bild von Simon blitzt vor mir auf. Er, auf dem Bürgersteig liegend, wo er erschossen wurde. Aber er ist nicht tot. Seine Augen sind voller Leben, und sein Mund verzieht sich zu einem höhnischen, hasserfüllten Lächeln. Ich schließe die Augen und vergrabe den Kopf in den Händen, gelähmt von meinen durch den Stress ausgelösten Wahnvorstellungen. Als ich die Augen öffne und meinen Kopf frei mache, verschwindet die Vision von Simon, meine Wut aber bleibt.

»Verdammte Lügen. Herrgott noch mal!«, schreie ich die spöttischen Gesichter auf dem Bildschirm an, diese Orakel, die meinen Untergang vorauszusehen meinen. In blindem Zorn ergreife ich den nächsten Gegenstand, den ich finde. Meinen Schüsselbund. Ich schleudere ihn auf den Fernseher und zucke zusammen, als die frisch genähte Wunde an meiner Seite gegen die heftige Bewegung protestiert.

Der Schlüsselbund verfehlt sein Ziel, kracht gegen die blendend weiße Wand und fällt scheppernd zu Boden. Ich bin mir nicht sicher, ob sich mein Zorn gegen die Schwätzer richtet oder gegen Simons Bild in meinem Kopf. Wahrscheinlich beides.

Hayes, eine Inkarnation des Riesen Goliath und mein persönlicher Leibwächter, stößt meine Tür auf, die Hand im marineblauen Jackett. Natürlich, der Krach und mein Gebrüll hinter der geschlossenen Tür haben seine Aufmerksamkeit geweckt.

»Was zum Teufel ist hier los?«

Mich nervt seine Überreaktion, weiß er doch, dass ich allein im Zimmer bin. Natürlich kann er Simons Geist nicht sehen, aber ich schwöre, ich kann Simons spöttische Stimme hören – er wundert sich, wie ein Depp wie Goliath ihn töten konnte. Wieder schüttle ich den Kopf. Meine Ohren spielen mir einen Streich.

Eine Krankenschwester linst hinter Goliath in den Raum, als würde sie darauf warten, dass der rote Wirbel des Zorns sich wieder legt. »Ist alles in Ordnung, Sir?«

»Ja, ja, alles okay«, schnaube ich ungeduldig und reibe mir den Kopf. Goliath tritt an meine Seite, inzwischen entspannter, da ja keine unmittelbare Bedrohung vorliegt. Die Krankenschwester ist schon wieder verschwunden. Wen ich jetzt gerne an der Tür sehen würde, ist Kathryn, aber ich habe keine Ahnung, wo sie steckt, seit wir unten getrennt wurden.

»Hören Sie, ich muss hier raus, Scheiße noch mal. Könnten Sie vielleicht herausfinden, wo mein Arzt steckt?« Ich schaue zu Goliath hoch. Er hat mir das Leben gerettet, also schulde ich ihm etwas Respekt. Er sorgt sich um meine Sicherheit, und es gibt keinen Grund, ihn deswegen fertigzumachen. Also dämpfe ich meinen ärgerlichen Tonfall.

»Na klar. Ich sage der Krankenschwester gleich Bescheid.« Goliath klingt wie ein pflichtbewusster Soldat, der bereitwillig seinem unflätigen Kommandanten zur Seite steht.

Im Krankenhaus wurde ich sofort auf ein Privatzimmer gebracht, noch bevor die durch den Streifschuss entstandene Wunde genäht worden war. Sobald sie meinen Namen hörten, hatte ich den Status einen Prominenten. Jetzt muss ich allerdings von hier verschwinden und herausfinden, wie ich mit den negativen Presseberichten umgehen kann. Kings Capital wird von dem, was heute passiert ist, keinen Schaden davontragen.

Als sich die Tür hinter Goliath schließt, beginnt mein Telefon zu vibrieren und auf dem Beistelltisch herumzurasseln. E-Mails und SMS, ohne Zweifel. Ich werfe einen Blick auf die Liste der eingegangenen Nachrichten und sehe, dass der Name derjenigen, mit der ich am dringendsten sprechen möchte, fehlt.

Kathryn.

Ich habe keine Ahnung, wo sie ist. Ich habe sie bereits mit SMS und Anrufen bombardiert, denn Peters hat sie ohne meine Zustimmung fortgeschickt. Anschließend behauptete er, er habe Kathryn nur davor bewahren wollen, in das ganze Durcheinander mit hineinzugeraten. Ich hatte ihm daraufhin erklärt, er könne zur Hölle fahren, ich brauche Kathryn hier bei mir.

Scheiße, Simon hätte sie beinahe umgebracht. Wegen mir. Ich sehne mich danach, sie in die Arme zu nehmen, mit den Händen durch ihr Haar zu fahren, ihren vertrauten Duft zu riechen.

Wieder rufe ich Kathryn an. Ungeduldig warte ich auf eine Antwort, und nach ein paarmal Läuten begrüßt sie mich schließlich.

»Hi, Adam.« Der süße, feine Klang ihrer erotischen Stimme durchfährt mich wie der Zauber einer Hexe und dämpft meinen Zorn. Ich atme aus und beseitige so einen Teil der Anspannung, bevor ich spreche.

»Schöne, wo bist du?« Ich höre leises Stimmengewirr in ihrer Nähe.

»Ich sitze in der Cafeteria des Krankenhauses. Gerade habe ich mit meiner Mutter telefoniert. Ich wollte ihr vom heutigen Tag erzählen, bevor sie es in den Nachrichten sieht. Sie ist fix und fertig und sorgt sich um dich. Ich habe ihr gesagt, dass es dir gut geht – zumindest glaube ich das.« Da ist ein Zögern in ihrer Stimme.

»Das wird alles wieder. Nur ein paar Stiche. Allerdings bin ich stinksauer, dass Peters dich nicht hat mitkommen lassen.«

Als die Sanitäter mich nach oben rollten, hatte Peters die verrückte Idee, Kathryn zu bitten, unten zu warten, bis sich alles beruhigt hätte. Ich habe ihm bereits gesagt, dass er seine Kompetenzen überschritten hat und Kathryn nach dem Arzt der erste Mensch in meinem Zimmer hätte sein sollen.

Ich will sie bei mir haben. Ich brauche sie hier. Nachdem ich erfahren habe, was Peters getan hat, hätte ich ihn beinahe gefeuert. Aber dann habe ich die Nachrichten gesehen, den Shitstorm in den Medien, der sich um mich herum zusammenbraut. Vielleicht war es doch nicht ganz verkehrt von ihm, Kathryn fortzuschicken. Kings Capital aus diesem Kuddelmuddel herauszubekommen wird wahrscheinlich einer der härtesten Kämpfe in meinem Berufsleben werden.

»Ich habe mich gefragt, ob du wusstest, wie Peters entschied. Ich dachte mir schon, dass es dich aufregt, aber ich konnte unmöglich in der Notaufnahme mit ihm herumstreiten.« Ihre Stimme klingt ärgerlich. »Kann ich jetzt raufkommen? Ist die Luft rein?«

»Verdammt, natürlich kannst du herkommen. Mit Peters habe ich alles geklärt, und … ich muss dich sehen.« Ich will nicht wie ein schwärmerischer, liebeskranker Teenager klingen, aber es ist die Wahrheit, verdammt noch mal.

»Ich dich auch.«

Erleichterung erfüllt mich. Gefühle zu zeigen ist etwas Neues für mich, denn Verletzlichkeit gehört nicht zu meinen stärksten Eigenschaften.

Die Tür meines Zimmers öffnet sich, und ein Mann im weißen Kittel kommt herein. »Kathryn, soeben ist mein Retter aufgetaucht. Ich bin in Zimmer 1401. Bitte komm hoch.«

»Ich bin gleich da.«

Mich erleichtert die Dringlichkeit, die ich auch in ihrer Stimme höre. Ich wende mich dem Arzt zu und lege das Telefon auf den Tisch neben mir, im vollen Bewusstsein, alle anderen, die mich erreichen wollten, ignoriert zu haben. Sie werden bestimmt sauer sein.

Der Arzt, Dr. Payne, steht neben meinem Bett, hält ein Klemmbrett in der Hand und blättert die darauf befestigten Papiere durch. »Tut mir leid, dass ich vorhin schnell wegmusste.« Nach dem Satz, er werde gleich zurückkommen, hatte er sich fast eine Stunde lang nicht mehr blicken lassen. »Ich wurde in der Notaufnahme gebraucht. Wir sind heute ein wenig unterbesetzt.«

»Das verstehe ich, Dr. Payne«, antworte ich.

Er legt das Klemmbrett auf das Bett.

»Aber ich will jetzt hier raus.«

»Es gibt keinen Grund, Sie noch länger hierzubehalten. Ihre Verletzung ist nur oberflächlich. Aber wir müssen die Dinge ordentlich machen. In ein paar Minuten kommt eine Krankenschwester mit Ihren Entlassungspapieren.«

»Großartig.«

Mein trockener Sarkasmus bringt mir ein kleines Lächeln des Arztes ein.

»Noch eine kleine Warnung wegen Ihrer Verletzung. Um die Naht herum wird alles etwas wund und empfindlich sein. Sie hatten großes Glück. Es hätte schlimmer ausgehen können.«

»Ich weiß.« Diese beiden simplen Worte sind voller dankbarer Anerkennung. Ich denke an den Winkel von Simons Waffe. Hätte sie nur ein paar Zentimeter höher gezeigt, läge ich jetzt neben ihm im Leichenschauhaus.

»Warten Sie ein paar Tage ab, und die Wunde ist nur noch eine ferne Erinnerung. Das verspreche ich Ihnen.«

»Ich glaube, nichts vom heutigen Tag wird so schnell eine ferne Erinnerung sein.«

»Auch wieder wahr. Die Medienleute belagern den Bürgersteig und überschwemmen die Pressestelle mit Anrufen.« Dr. Payne schüttelt angewidert den Kopf. »Ich hoffe, für Sie kommt alles wieder in Ordnung, Mr Kingsley.«

»Danke. Das hoffe ich auch.«

Der Arzt lächelt warm, und ich spüre die Aufrichtigkeit seiner beruhigenden Worte.

»Bevor wir die Krankenschwester Ihre Entlassungspapiere zusammenstellen lassen, würde ich gerne noch mit Ihnen über die Tests sprechen, mit denen Sie uns beauftragt haben. Ich muss sagen, angesichts der Umstände war das eine sehr ungewöhnliche Bitte. Die meisten Patienten mit Schussverletzungen bitten nicht um einen Test auf sexuell übertragbare Krankheiten. Aber bis Freitag sollten wir die Ergebnisse haben.«

Ich bin mir nicht sicher, was die Tests ergeben werden. Ich war immer vorsichtig und habe niemals ohne Kondom gevögelt, aber man weiß ja nie.

»Ich selbst werde Ihnen am Freitag die Ergebnisse per Mail schicken. Die Krankenschwester bringt Ihnen jetzt die Papiere zur Unterschrift.« Dr. Payne hält mir die Hand hin. »Passen Sie auf sich auf, Mr Kingsley. Und keine Schießereien mehr!«

Ich zwinge mich zu einem kurzen Lachen, schüttle fest seine Hand und sage: »Ich versuche, mich von Schwierigkeiten fernzuhalten.«

Die Tür fliegt auf, und Kathryn stürzt ins Zimmer. Mit jedem ihrer Schritte schwindet der Druck von meiner Brust, und das Gewicht meiner Schuldgefühle und der Sorgen um die Firma wird geringer. Kathryns Gegenwart verleiht mir die Hoffnung, dass mein zerrissenes, kaputtes Leben wieder auf die Reihe kommen kann. Goliath folgt ihr ins Zimmer und bleibt hoch aufragend hinter ihr stehen.

»Es sieht so aus, als hätten Sie Gesellschaft.« Dr. Payne lächelt und schaut von Kathryn zu mir. »Unterschreiben Sie, und dann können Sie gehen.«

Kathryn schwebt zum Bett und stellt sich neben den Arzt. Goliath nickt mir zu und zieht sich an den Eingang zurück. Sein Verhalten erinnert mich an einen Soldaten, der Wache hält. Er nimmt seinen Job verdammt ernst, aber ihm verdanke ich die Tatsache, dass ich noch am Leben bin. Ich kann ihm niemals genug danken, dass er mich gerettet hat, sodass ich jetzt bei dieser wunderbaren Frau sein kann, die mich anlächelt. Allein dafür werde ich ihm ewig dankbar sein.

»Hi, meine Schöne!«, sage ich und konzentriere mich wieder auf Kathryn. Sie sieht großartig aus. Ihr Haar fällt in dicken Wellen über ihre Schultern. Alles, was ich in diesem Augenblick möchte, ist, sie ganz fest zu halten und mit den Fingern durch ihre weichen Strähnen zu fahren.

»Hey«, sagt sie mit dem strahlendsten Lächeln, das ich je gesehen habe. Das Wissen, dass eine Frau wie sie etwas für einen Sturkopf wie mich übrighat, wärmt mir die Seele.

»Dr. Payne, das ist Kathryn Delcour, meine Partnerin.«

Sie blickt mich überrascht von der Seite an; vielleicht ist sie ein wenig sauer über meine besitzergreifende Bemerkung. Doch was soll ich sagen? Das Wort ist mir einfach so entschlüpft, also zucke ich mit den Schultern, ich habe keine Rechtfertigung.

»Guten Morgen, Herr Doktor.« Kathryn begrüßt Dr. Payne mit einem Handschlag. Sie hat eine deutliche Wirkung auf den guten Doktor, denn er rückt ihr fast unmerklich näher. Sie ist im Wesentlichen ein Männermagnet.

»Guten Morgen, Ms Delcour. Unser Patient sollte in ein paar Minuten entlassen werden. Ich glaube, er hatte für heute genügend Spaß bei uns. Gut, ich lasse Sie jetzt allein, Mr Kingsley.«

»Danke, Doktor. Oh, und wann werden die Fäden gezogen?«

»Die lösen sich von selbst auf, da muss nichts getan werden. Ruhen Sie sich aus und gehen Sie, wenn möglich, ein paar Tage nicht ins Büro. Sie haben verdammt viel mitgemacht, und es ist ein Glück, dass Sie noch leben.«

»Ich wünschte, ich könnte mir freinehmen, Doktor. Aber danke.«

Der Arzt nimmt seine Papiere und verlässt das Zimmer. Jetzt muss ich Goliath ebenfalls auf die andere Seite der Tür bekommen.

»Hayes.« Als ich zu sprechen beginne, bewegt sich Kathryn zur Seite, sodass ich Goliath ganz sehen kann. »Bitte warten Sie unten im Eingangsbereich«, sage ich zu ihm. »Ich werde gleich kommen.«

»Ja, Sir.« Er nickt und zieht sich zurück.

Sobald sich die große Holztür mit einem Klicken geschlossen hat, nehme ich Kathryns Hand in meine und führe sie an meine Lippen. Ich küsse ihre Fingerknöchel, fahre mit den Lippen darüber und schaue ihr dabei in die Augen.

»Adam«, flüstert Kathryn. Dieses eine Wort ist so bedeutungsvoll. Sie setzt sich neben mich auf das Bett. »Weißt du, dieser Morgen hätte so viel schlimmer ausgehen können. Wie fühlst du dich? Okay?«

Ihre Augen beginnen zu glänzen. Ich kann es kaum fassen, dass diese starke Frau zu Tränen gerührt ist. Wegen mir. Ich kann die Distanz zwischen uns nicht mehr ertragen, nehme sie in meine Arme, vergrabe mein Gesicht in ihren Haaren und bin wie benebelt von ihrem süßen Duft.

»Mir geht es gut. Jetzt, wo du hier bist, noch besser. Ich habe kaum mehr als einen kleinen Kratzer abbekommen.« Ich zeige auf die Seite mit meiner Verletzung. »Ende gut, alles gut.«

Was ich sage, ist nicht ganz wahr, denn die Erinnerung an Simons tote Augen kann ich nicht abschütteln. Und nachdem ich vorhin die Nachrichten gehört habe, weiß ich, dass mir an der Wall Street ein schmutziger Kampf bevorsteht.

»Ja, so ist es.« Kathryn streicht mir das Haar aus der Stirn. Ich lehne mich ihrer sanften Berührung entgegen, als sie mit den Fingern über meine Kopfhaut streicht.

»Weißt du eigentlich, wie gut sich das anfühlt? Es war ein furchtbarer Morgen.«

Sie antwortet nur mit einem Lächeln, und ich schließe meine Augen, genieße die Aufmerksamkeit, die sie mir so freigebig schenkt.

»Das tut mir alles so leid, was heute passiert ist. Du verdienst jemand viel Besseren als mich.«

Bevor sie antworten kann, küsse ich sie, als gäbe es kein Morgen. Ich will jeden Zentimeter von ihr besitzen und lasse meine Hände über ihr seidenes Kleid wandern. Simon hätte ihr Leben beenden können – oder meines. Doch stattdessen sind wir am Leben und zusammen, und aus einem mir unbekannten Grund will sie mich immer noch.

»Ich bin jetzt hier bei dir, Adam«, murmelt sie zwischen meinen verzweifelten Küssen. »Wir werden über das, was heute passiert ist, schon hinwegkommen.«

»Ich hoffe, du hast recht, meine Schöne. Du bist so stark. Nach allem, was du durchgemacht hast.« Meine Sorge bricht aus mir heraus. Zorn und Zukunftsangst mischen sich. Ich halte mich an Kathryn fest, als wäre sie mein Rettungsanker. Ich weiß, dass sie mir durch die bevorstehenden Schwierigkeiten helfen kann. Aber bin ich so egoistisch, auch sie durch die öffentlichen Empörungswellen zu zerren, die sich um mich herum zusammenbrauen? Auf diese Frage habe ich keine Antwort.

Kapitel 2

Während Marla, meine Krankenschwester, mir die Vorschriften des Arztes für meine Entlassung erklärt, kommt Eddie herein. Hoffentlich hat er mir frische Klamotten mitgebracht, die ich auf dem Nachhauseweg tragen kann. Ich hatte meine Haushälterin Rosa angerufen und sie um Hilfe gebeten. Sie war am Telefon vollkommen panisch und durcheinander gewesen und quasselte so schnell, dass ich kaum ein verdammtes Wort verstanden hatte.

Um ihr Geschnatter zu übertönen, war ich gezwungen gewesen, beinahe zu schreien. Ich hatte ihr versichert, dass ich am Leben war und mich bald auf den Weg nach Hause machen würde. Sie hatte Jesus, Josef und Maria gepriesen und sich dann endlich beruhigt. Ich kann mir lebhaft vorstellen, was der arme Eddie ertragen musste, als er bei ihr in der Wohnung meine Kleidung holte.

»Hey, Eddie«, sage ich, als er an mein Bett tritt.

»Guten Morgen, Sir.« Eddie hebt die Hand, er hat meine schwarze Reisetasche von Bosca dabei.

»Meine Kleidung?«, frage ich, obwohl ich die Antwort weiß.

»Ja, Sir.« Eddie stellt die Tasche neben den Tisch an meinem Bett und wendet sich Kathryn zu. »Guten Morgen, Ms Delcour.«

»Guten Morgen, Eddie.« Kathryn stellt sich auf die Zehenspitzen und gibt Eddie einen Kuss auf die Wange. Mein glücklich verheirateter Fahrer wird knallrot und grinst. »Herzlichen Dank für alles, was Sie heute getan haben.«

Während die Sanitäter mich für die Fahrt zum Krankenhaus vorbereiteten, hatte Eddie versucht, Kathryn zu beruhigen. Sie war nicht hysterisch, aber doch völlig geschockt gewesen. Er war mit ihr direkt zum Krankenhaus gefahren, immer hinter dem Krankenwagen her, und Kathryn hatte mir erzählt, dass er einfach alle roten Ampeln ignorierte, nachdem sie ihn gebeten hatte, aufs Gas zu treten.

Eddie macht eine Verbeugung vor ihr; sie hat den armen Kerl offenbar bis zur Wortlosigkeit verlegen gemacht. Aber schließlich bekommt er doch den Mund auf: »Es war mir ein Vergnügen, Ma’am. Sir, ich warte mit Hayes draußen auf Sie.«

»Verzeihung, Mr Kingsley«, schaltet sich die Krankenschwester wieder ein, deren Anweisungen unterbrochen worden waren. »Ich würde Sie jetzt gerne über Ihre Nachsorge informieren.«

»Tut mir leid, bitte machen Sie weiter.« Ich will hier raus, also widme ich ihr meine ganze Aufmerksamkeit.

»Danke. Sie müssen die Naht so trocken wie möglich halten.« Sie reicht mir einen Stapel Verbandmaterial.

»Ja, Ma’am.« Ich nicke und lächle sie an. Das entwaffnet sie, sie errötet in diversen Schattierungen, und ihre Augen wandern zwischen mir und den Papieren in ihrer Hand hin und her.

»Gut, ich glaube, ich habe Ihnen alles erklärt.« Sie zieht einen Kugelschreiber aus der Tasche und reicht ihn mir.

Als ich danach greifen will, zucke ich zusammen. Jede allzu rasche Bewegung jagt einen scharfen Schmerz durch meine Rippen. Ich versuche, meine Reaktion zu verbergen, bin mir aber ziemlich sicher, dass es mir nicht gelungen ist.

»Adam, ist alles in Ordnung?« Kathryn beugt sich besorgt zu mir, und ich muss sie beruhigen.

»Wird schon.« Ich versuche, ihre Sorgen mit einer Handbewegung zu zerstreuen. »Ich muss nur daran denken, mich langsamer zu bewegen. Das ist alles.«

»Ich bringe Ihnen noch ein paar Schmerzmittel, bevor Sie gehen.« Die Krankenschwester legt die Papiere auf den erhöhten Tisch vor mir und zeigt auf die Linie für die Signatur. »Wenn Sie hier unterschreiben würden.«

»Danke«, sage ich, unterschreibe und zwinkere ihr zu. Die Krankenschwester errötet und schaut weg.

Kathryn rollt mit den Augen. Ich kann mir nicht helfen, aber ich empfinde einen Hauch von Befriedigung darüber, dass Kathryn möglicherweise ein klein wenig eifersüchtig ist. Aber vielleicht interpretiere ich es auch falsch, und sie ist einfach nur sauer.

»Jetzt dürfen Sie gehen, Mr Kingsley.« Marla reißt die Papiere auseinander und gibt mir das unterschriebene Duplikat.

»Das weiß ich zu schätzen, Marla.«

»Sehr gerne doch.« Sie erwidert mein Zwinkern, bevor sie das Zimmer verlässt und Kathryn an ihren Platz tritt. Voller Spott. Auweia, jetzt geht es los. So viel zum Mitgefühl!

»Ernsthaft?« Kathryn hebt die Augenbraue, und ich weiß, dass sie alles mitbekommen hat, einschließlich des Blinzelns zum Abschied.

»Was?«, frage ich und stelle mich dumm.

»Ach, was soll’s.« Kathryn lacht und schüttelt den Kopf. »Das ist eben deine schlangenbeschwörende Art.«

»Komm her.« Ich hebe die Beine über den Bettrand und stehe vorsichtig auf. Über meiner Hose trage ich immer noch das beschissene Krankenhausnachthemd. Ich lege meine Hand auf die von Kathryn, denn ich muss sie spüren.

»Ist schon in Ordnung. Auf mich hattest du dieselbe Wirkung«, sagt sie, während unsere Finger sich umschlingen.

»Was für ein Glück für mich. Ich will gar nicht darüber nachdenken, wo ich jetzt wäre, wenn dem nicht so gewesen wäre.« Ich lege den linken Arm um sie und achte darauf, meine rechte Seite ruhig zu halten. »Ich kann’s kaum erwarten, später mit dir allein zu sein.«

»Ich auch«, flüstert sie und lehnt sich an meine Brust. Sie ist angespannt, denn sie versucht, auf meine Verletzung zu achten.

»Hey, ich halte was aus. Ich bin ein Mann aus Stahl«, prahle ich und ziehe sie fester an meine Seite – die unverletzte.

»Stahl?« Sie sieht mich lächelnd an. »Ja, das kann ich bestätigen.«

»Wenn wir so weitermachen, können das alle anderen auch.«

Jetzt, wo ich meine Entlassungspapiere in der Hand halte, habe ich die Nase voll von diesem schäbigen Krankenhauskittel und will die Klamotten anziehen, die Eddie mir gebracht hat. Kathryn hilft mir dabei und verspricht, mir später auch beim Ausziehen zu helfen … ich kann es kaum erwarten.

Eddie und Goliath warten draußen darauf, mich nach Hause zu bringen. Seit Kathryns Ankunft habe ich nicht mehr auf mein Telefon geschaut. Sie ist eine ziemliche Ablenkung, um es milde auszudrücken. Ich scrolle durch die verpassten Anrufe und SMs Die Nachrichten, die ich vorhin gehört habe, sind offenbar wie eine Bombe in der PR-Abteilung von Kings Capital eingeschlagen. Meg Daniels, meine Kommunikationsmanagerin, hat regelrecht um einen Rückruf gefleht. Ja, jetzt geht die Scheiße richtig los.

»Ich denke, wir können los.« Ich ignoriere sämtliche Forderungen nach meiner sofortigen Aufmerksamkeit und stehe vom Bett auf. Ich trage schwarze Designertrainingshosen und eine dazu passende Jacke, deren Tasche gerade groß genug ist, dass ich das Telefon darin verschwinden lassen kann.

»Ich bin so dankbar, dass es dir gut geht.« Kathryn nimmt meine Hand. »Noch einmal könnte ich es nicht ertragen, einen Menschen zu verlieren, der mir wichtig ist.«

»Ich auch nicht, meine Schöne. Mir ging es ebenso, als ich dich mit Simon sah. Und das alles nur wegen mir.«

»Es ging alles so schnell. Als ich endlich kapiert hatte, was los war, fuchtelte er schon mit der Waffe herum, und dann hast du mich gerettet. Ich kann dir gar nicht sagen, was mir durch den Kopf ging, als ich den ersten Schuss hörte«, sagt sie, und ihre Stimme bebt voller Gefühl. »Und dann sah ich dich hinfallen.«

»Ach, meine Schöne. Du warst so tapfer«, flüstere ich tröstend und hoffe, dass sich ihre Besorgnis legt. »Ich muss einfach daran glauben, dass es einen Grund dafür gibt, dass ich kaum einen Kratzer davongetragen habe.«

»Ich auch.« Sie nickt und streichelt zärtlich meinen Arm; ihre Berührung verrät mir ihre Gefühle.

Hand in Hand treten wir an die Tür, bereit zum Aufbruch. Als ich sie öffne, bin ich überrascht, wen ich vor mir sehe: Peters und neben ihm Tom, meinen Geschäftspartner bei Kings Capital und langjährigen Freund. Die beiden blockieren den Ausgang. OhScheiße.

»Ich habe sie nicht reingelassen, während Sie sich umgezogen haben, Sir«, sagt Goliath zu mir, noch bevor die anderen Männer zu reden beginnen, als hoffte er, dafür Fleißpunkte zu bekommen. Ich bin ihm dankbar, dass er die Tür blockiert hat.

»Das war gut. Es muss ja nicht jeder bei der Show zuschauen«, lache ich und gehe auf meine neuen Gäste im Flur zu. Doch die Folgen spüre ich sofort: Das Lachen löst einen Schmerz aus, der mir durch die Bauchmuskeln fährt.

»Mist«, murmle ich und halte die Hand auf die Stelle.

»Langsam, Adam.« Kathryn ist bei mir und reibt sanft meinen Arm.

»Ich bin okay«, sage ich und stelle mich aufrecht hin. »Es ist eher ein Stechen als ein dauerhafter Schmerz.«

»So schlimm, Kumpel?«, fragt Tom und sieht besorgt aus.

»Nur wenn ich deine hässliche Visage sehe«, necke ich ihn und presse die Hand noch fester an meine Seite. »Und jetzt tut es richtig weh.«

»Der war gut«, gluckst Tom, denn normalerweise bin ich das Opfer seiner Witze. Es fühlt sich gut an, zur Abwechslung mal ihn auf den Arm zu nehmen.

Tom dreht sich zu Kathryn um und stellt sich vor, indem er ihr seine Pfote entgegenstreckt. »Tom Duffy.«

Das freche Glitzern in seinen Augen entgeht mir nicht.

»Kathryn Delcour. Schön, Sie kennenzulernen.« Mit einem breiten Lächeln schüttelt Kathryn seine Hand. Es ist unmöglich, Tom nicht zu mögen. Er ist einer dieser Kerle, die jeder zum Freund haben möchte.

»Und Peters kennen wir alle.« Ich grüße ihn, indem ich das Kinn hebe, und sehe, dass er wie an einem Arbeitstag gekleidet ist. Ganz der Geschäftsmann. »Ich gehe davon aus, dass Ihnen die SMS, die ich Ihnen geschickt habe, nicht gefallen hat?«

»So ist es, Sir«, sagt er aufrichtig und reckt sich beim Sprechen ein wenig. »Vielleicht können wir das in Ihrem Zimmer besprechen.«

Peters schaut sich um, als ob wir ein Staatsgeheimnis zu diskutieren hätten.

»Meine Güte, wir sind in einem Krankenhaus. Ich glaube nicht, dass ich hier in Gefahr bin. Aber okay, und sei es auch nur, damit wir nicht länger im Flur herumstehen.«

Bevor ich meine Gäste in den Raum führe, den ich zu verlassen gehofft hatte, wende ich mich an Kathryn.

»Meine Schöne, würde es dir etwas ausmachen, uns ein paar Minuten Zeit zu geben? Ich habe das Gefühl, der Kriegsrat mit Peters und Tom wird eine Weile dauern, und ich will dich nicht langweilen.«

Sie sieht verwirrt aus und fragt sich wahrscheinlich, weshalb ich sie fortschicke. Die Wahrheit ist: Ich will nicht, dass sie erfährt, was für einen Mist die Presse über die Schießerei verbreitet.

»Oh, verstehe, ich bin nicht erwünscht.« Sie zwinkert mir zu und küsst mich rasch auf die Wange. »Wie wär’s, wenn ich dir einen Kaffee besorge? Mit Sahne, oder?«

»Ja, danke.« Ich ziehe sie nahe an mich heran und flüstere in ihr Ohr: »Und glaub mir, Schöne, kein Mensch war mir je so erwünscht wie du.«

Ich lasse sie wieder los und wende mich den Männern zu. »Okay, meine Herren. Hoffentlich haben Sie gute Nachrichten. Immerhin halten Sie mich von dieser schönen Lady fern.«

»Verdammt, Adam, dich hat es aber erwischt.« Tom versucht, mir auf den Arm zu klatschen, aber ich starre ihn drohend an. Er hält sich zurück, als er erkennt, wie weh mir das tun würde.

»Tut mir leid, Kumpel, es hat mich einfach überkommen.«

»Ich überlasse euch euren Geschäften, Jungs.« Kathryn schüttelt den Kopf über unsere testosterongeschwängerte Horde und wendet sich zum Gehen.

Bei ihrem Abgang folgen die Augen sämtlicher Anwesender ihrem süßen, schwingenden Schritt. Ich kann nur denken, ja, mein Gott, dieser süße kleine Arsch gehört mir, und die anderen auf sie fixierten Blicke beginnen mich zu ärgern.

»Okay, genug gestarrt, Jungs. Zehn Minuten, allerhöchstens. Ich will nämlich hier raus, verdammt. Hier ist ja mehr los als im Hauptbahnhof.« Ich wende mich an Eddie und Goliath. »Sie beide warten draußen. Und holen Sie sich verdammt noch mal ein paar Stühle.«

Peters und Tom folgen mir zurück ins Zimmer. Ich bin wirklich froh, meinen Freund Tom zu sehen. Wir werden wohl beide eine Weile brauchen, bis wir wirklich alles verarbeitet haben, was seit Mittwochabend passiert ist.

Ich setze mich aufs Bett, und Tom und Peters ziehen sich Stühle heran. »So, Peters, vermutlich haben Sie die letzten Neuigkeiten gehört. Die Presse hat mich mit Simons Verlobter in Verbindung gebracht; es wird gemutmaßt, dass hinter seinen Taten ein Dreiecksverhältnis steht.«

»Ja, Sir. Mit dem Medienzirkus, der Ihnen jetzt bevorsteht, müssen wir vorsichtig umgehen.« Peters lehnt sich in seinem Stuhl zurück. Es sieht aus, als würde er mir Dinge verkünden wollen, die ich nicht hören will. »Ich war unten und habe versucht, die Reporter fernzuhalten. Sie riechen Blut, und ich will, dass Hayes Sie die ganze Zeit bewacht, bis sich alles wieder beruhigt.«

»Verdammt.« Ich vergrabe meine Hände in den Haaren. Ich verdanke Hayes mein Leben, denn er hat Simon getötet, um mich zu retten. Einen Sekundenbruchteil später hätte Simon mir den Kopf weggeblasen. »Okay, lasse ich ihn eben noch ein wenig länger hierbleiben.«

»Gut.« Peters’ Lippen formen ein leichtes Grinsen, denn diesen Kampf hat er für sich entschieden. »Ich habe gerade mit einem der Ermittler telefoniert, die ursprünglich mit Simons Fall zu tun hatten. Sie wollen heute Nachmittag mit Ihnen sprechen.«

»Großartig.« Ich verberge meinen Frust nicht. Ich hatte vorgehabt, mich heute zu erholen und den Rest des Tages allein mit Kathryn zu verbringen. Seit wir uns begegnet sind, ist so viel Scheiße passiert, und jetzt sieht es so aus, als wäre uns nicht mal ein ruhiger Nachmittag vergönnt. »Was genau wollen die denn?«

»Nur die normalen Fragen wegen der Schießerei stellen, damit sie den Fall abschließen können. Ich glaube, sie wollen auch mit Ms Delcour sprechen.«

»Sie hat genug durchgemacht, seit sie mich kennengelernt hat.« Ich will so weit wie möglich verhindern, dass Kathryn in das Netz meiner Probleme verstrickt wird.

»Dafür ist es zu spät. Die Lokalnachrichten, die über die Schießerei berichtet haben, nennen sie eine unbeteiligte Zuschauerin. Noch haben sie nicht geschlussfolgert, dass sie mit Ihnen vor dem Pierre war.«

»Verdammt«, sage ich leise. Noch mehr unwillkommene Neuigkeiten.

»Sie bezeichnen sie als die verwitwete Erbin«, fährt Peters fort. »Ihr verstorbener Ehemann war offenbar wohlhabender als ihre eigenen Eltern. Und außerdem ist sie eine Vanderbilt.«

»Ich hatte keine Ahnung, dass ihr Ehemann so reich war.«

»Das stand alles in dem Hintergrundbericht, um den Sie mich gebeten hatten«, sagt Peters, als wollte er sich rechtfertigen. Kathryns Bild auf der Vorderseite des Berichts hatte mich abgelenkt. Und dann war so viel passiert, dass ich nicht mal mehr reingeschaut hatte, denn ich hatte ja stattdessen die echte Kathryn.

»Du hast ein Dossier über sie angefordert?« Tom, der bis jetzt geschwiegen hat, mischt sich in das Gespräch ein. Es ist offensichtlich, dass ihm Peters’ Nachforschungen über Kathryns Privatleben überhaupt nicht gefallen. »Ganz schlechter Stil, Kumpel.«

»Nach unserer ersten Begegnung wollte ich mehr über sie wissen.« Ich hebe die Hände und versuche, Tom meine Beweggründe einigermaßen deutlich zu machen. »Ich schwöre, normalerweise mache ich so was nicht. Stehen Sie mir doch bei, Peters!«

Peters lächelt verschmitzt. »Das stimmt. Es ist das erste Mal, dass er mich aus persönlichen Gründen um einen Hintergrundbericht über eine Frau gebeten hat.«

»Denkt dran, über wen wir hier sprechen.« Ich halte inne und muss lachen. »Ich bin nie länger als eine Stunde an einer Frau interessiert gewesen … maximal zwei. Das sagt etwas aus, nicht wahr?«

Die beiden schauen sich an und zucken mit den Schultern, und über Toms breites Gesicht legt sich ein wissendes Grinsen, das ich ihm am liebsten mit einer Backpfeife austreiben würde, denn ich weiß, er wird später noch viel mehr Witze auf meine Kosten reißen. Und alle werden sich darum drehen, dass Adam Kingsley, der mächtige Playboy, endlich zu Fall gekommen ist.

»Zurück zu Kathryn und der Presse. Ich will sie so weit wie möglich aus dem ganzen Debakel heraushalten. Peters, beobachten Sie die Lage und schlagen Sie Alarm, sobald Sie etwas bemerken, das sie auch nur im Entferntesten mit mir in Verbindung bringt.«

»Falls Sie Ihre Beziehung nicht völlig geheim halten, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie es herausfinden«, sagt Peters, und ich weiß, dass er recht hat.

»Nach ein paar neuen Nachrichtenzyklen wird all das vergessen sein, wenn wir jetzt alles richtig machen. Ich will, dass die Presse hinter meinem Arsch her ist, nicht hinter ihrem. Noch etwas, Peters?«

»Nein.« Er steht auf. »Wir sehen uns in Ihrer Wohnung. Ich kümmere mich um die Presse. Das Pierre ist normalerweise ziemlich gut darin, die Kameras fernzuhalten, und im Notfall gibt es immer noch den Personaleingang. Sobald ich mehr weiß, bekommt Eddie von mir die logistischen Anweisungen.«

»Prima.« Bevor er geht, fällt mir noch etwas Wichtiges ein. »Bitte rufen Sie meinen Anwalt an. Ich will, dass er während der Befragung durch die Ermittler dabei ist. Verstanden?«

»Ja, Sir. Bis später, Mr Duffy.« Peters schüttelt Toms Hand und verlässt den Raum, wodurch er die ganze Anspannung mitnimmt. Peters ist unverzichtbar, aber er ist wahnsinnig anstrengend. Außerdem gewinne ich bei Streitgesprächen mit ihm kaum die Oberhand. Er ist wie der herrschsüchtige Onkel, den ich nie hatte.

»Vergiss mal kurz den ganzen Scheiß mit der Presse. Ich will über Kathryn reden«, sagt Tom, noch bevor die Tür ganz geschlossen ist. Er hat seinen Stuhl dicht vor mich hingestellt. Und da er gebaut ist wie ein Football-Spieler, kann ich nirgendwohin entkommen, bis er fertig ist. »Sie muss eine besondere Frau sein, wenn es ihr so schnell gelungen ist, dich zu zähmen. Patrick und ich haben immer gewettet, dass es genau so kommen würde. Ein einziger fester Hieb von der richtigen Frau, und du fällst wie ein toter Baum. Bumm! Also, was seid ihr beide? Freund und Freundin?«

»Ja, im Augenblick bin ich bereit, so ziemlich alles für sie zu sein.« Es ist die Wahrheit: Für diese Frau würde ich mir jedes Etikett ankleben lassen. Ich reiße mich zusammen und sage: »Keine Ahnung, wohin das führen wird, aber noch ist sie nicht schreiend vor mir davongelaufen. Nicht einmal, nachdem Simon sie fast erschossen hat und sie mich letzte Woche vor ihm verstecken musste.«

»Du weißt wirklich, wie man es einer Frau so richtig schön macht.« Tom wackelt mit seinen buschigen Augenbrauen. »Vielleicht ist sie ein Adrenalinjunkie. Oder sie mag einfach große Schwänze.«

»Sehr lustig.« Ich lächle in Erinnerung daran, wie Kathryn auf ebendiesen Schwanz abgefahren ist. »Wenn du und Patrick mir jetzt das Leben schwer macht, weil ich vielleicht endlich mal zur Ruhe komme, ist das auch nicht anders als all die Male, wo ihr mich ein männliches Flittchen genannt habt.«

»Hey, da hast du recht, Mann.« Tom sieht plötzlich ganz ernst aus. Die scherzhafte Stimmung ist verflogen. »Ich freue mich für dich, aber am allermeisten bin ich dankbar, dass du noch da bist, verdammt!«

»Ich auch. Wenn ich über alles nachdenke, ist es wie ein Traum. Dann bewege ich mich ein bisschen, spüre den Schmerz in der Seite und weiß, dass es wahr ist.«

»Ich kann immer noch nicht glauben, dass Simon nicht mehr lebt. Innerlich hat er uns wohl tatsächlich schon vor langer Zeit verlassen, aber heilige Scheiße, wir waren seit dem College zusammen. Das alles hätte nicht passieren dürfen. Sogar Patrick ist ziemlich fertig.«

»Das kann ich mir vorstellen.« Patrick, der Stoiker unserer Gruppe, ist unser Geschäftspartner. Patrick, Tom, Simon und ich haben Kings Capital gegründet. Vier Hightech-Zauberer vom MIT. Alle für einen und einer für alle. Jetzt ist Simon tot, und wir sind nur noch zu dritt.

»Patrick kommt heute aus Boston. Er hat angerufen und gesagt, ich soll meinen Arsch ins Krankenhaus bewegen, weil du auf keine unserer Nachrichten geantwortet hast. Meg hat bereits ein paar knackige Statements für uns formuliert, falls wir von der Presse befragt werden.« Tom hebt den Finger, bereit, sie mir vorzutragen.

»Erstens: Wir müssen betonen, dass Simon schon am Mittwoch von seinem Posten bei Kings Capital entbunden worden ist. Als er sich wie ein Verrückter benommen hat, hatte er mit Kings Capital nichts mehr zu tun, das müssen wir deutlich machen. Zweitens: Wir müssen seiner Familie gegenüber unser Beileid für diese Tragödie zum Ausdruck bringen. Drittens: Am Schluss müssen wir bekannt geben, dass wir gerne gewusst hätten, wie schlecht es ihm ging, damit wir ihm hätten helfen können.«

»Also wirklich, Meg ist großartig, und alles, was du gerade aufgezählt hast, ist vollkommen zutreffend.« Ich halte inne und atme tief ein. »Wenn wir es nur gewusst hätten!«

»Da hast du recht.« Tom neigt den Kopf zur Seite, und ich spüre, dass er etwas fragen möchte. »Was, glaubst du, war der Grund? Mich irritiert diese ganze Nachrichtengeschichte mit der Dreiecksbeziehung und deiner Beteiligung daran.«

»Ich kenne den Hauptgrund, warum er durchgedreht ist. Es ist eine hässliche Angelegenheit.« Ich starre auf den Fußboden, bereite mich darauf vor, schonungslos die Wahrheit zu sagen. Tom sitzt immer noch auf seinem Stuhl, was für ihn eine ziemliche Leistung ist.

Ich räuspere mich und sage: »Ich habe mit Simons Verlobter geschlafen – lange bevor er sie kennengelernt hat. Ich kann mich auch gar nicht an sie erinnern, eine flüchtige Eroberung in den Hamptons. Aber sie war wohl von mir wie besessen. Hat Simon die ganze Zeit nur benutzt, um an mich heranzukommen.«

»Das darf doch nicht wahr sein!« Tom schüttelt den Kopf, und in seinen Augen ist Wut zu erkennen. »Einer deiner Gelegenheitsficks, ja?«

»Ja«, sage ich und senke voller Scham den Kopf. Was für mich etwas Neues ist und mir gar nicht gefällt, Scheiße noch mal. »Als sie die Verlobung mit ihm beendete, hat sie ihm alles erzählt, und ihm sind die Sicherungen durchgebrannt. Er hat sie wirklich geliebt.«

»Verdammt noch mal, Adam.« Tom steht auf und wendet mir den Rücken zu. Die Symbolik seiner Haltung ist eindeutig und wohl genau das, was ich verdiene. »Ich sollte wahrscheinlich nicht sauer auf dich sein, aber so wie du jahrelang die Frauen nur benutzt hast … jetzt hast du die Quittung dafür bekommen, oder?«

»Ich weiß«, stimme ich zu. Simons Gesicht mit dem bekannten höhnischen Lächeln und das Wort Karma blitzen in meinem Kopf auf.

Tom dreht sich zu mir um, sein Gesicht ist vor Ärger verzerrt. »Hoffentlich lernst du was aus diesem gottverdammten Fehler, Adam. Taten haben Folgen. Sie setzen Räder in Bewegung. Du bist ein Genie, also krieg dich ein.«

»Ich glaube, das habe ich.« Meine Stimme ist nur noch ein Flüstern und verstärkt mein Schuldgefühl.

»Verdammt noch mal, das hoffe ich aber auch! Ich kenne Kathryn nicht gut, doch –«

Während er spricht, öffnet sich die Tür, und wie auf ein Stichwort erscheint Kathryn, zwei Tassen Kaffee in der Hand.

Sie muss die Anspannung zwischen Tom und mir gespürt haben, denn die Sorgenfalten zwischen ihren Brauen vertiefen sich.

»Ich habe gerade etwas unterbrochen, oder?« Ihre Frage ist ebenso intuitiv wie sie selbst.

»Wir waren eben fertig. Kein Problem.« Tom bemüht sich, die spürbare Spannung aufzulösen, aber sein Blick verrät mir, dass es mit diesem Gespräch noch lange nicht getan ist. Scheiße. Ich werde ihm vieles beweisen müssen, ebenso wie Kathryn und mir selbst. Wenn ich wirklich ein besserer Mensch werden sollte, gibt es für meine Verwandlung nur einen Grund. Kathryn.

Kapitel 3

Nach unserem heimlichen Entkommen sind wir endlich auf dem Heimweg. Goliath hat mich über eine Tiefgarage des Personals aus dem Krankenhaus geholt. Wir hatten gehofft, dass die Medien auf diese Weise keine Fotos von mir bekommen würden.

Kurz nachdem Kathryn mit dem Kaffee gekommen war, hatte Tom sich verabschiedet. Zu mir sagte er kaum mehr ein Wort. Der sonst so umgängliche Tom konnte meine Fehltritte nicht akzeptieren, ebenso wenig wie die Konsequenzen, die sie nicht nur für mich, sondern auch für Simon gehabt hatten.

Kathryn sitzt neben mir auf dem Rücksitz meines SUV. Seit Toms Abschied ist sie ganz still gewesen. Ihre nachdenkliche Stimmung macht mich schier wahnsinnig, denn ich habe keine Ahnung, was in ihr vorgeht. Unsere einzige Verbindung sind unsere verschränkten Hände.

»Kathryn? Woran denkst du?« Beinahe habe ich Angst zu erfahren, was sie antworten wird. Vielleicht macht sie einen Rückzieher. Seit unserer ersten Begegnung habe ich dieser Frau eine Menge zugemutet. Außerdem weiß ich nicht wirklich, wie ich mich bei einem Menschen wie ihr verhalten soll. Ich fühle mich erbärmlich, wie ein Fisch auf dem Trockenen. Dieses Gefühl mag ich nicht, kann es aber nicht abschütteln. Ich wische mir den Schweiß von der Stirn und verfluche mich innerlich, denn Schwitzen war für mich schon immer ein Zeichen von Schwäche.

»Ich weiß es nicht.« Sie senkt den Kopf und beißt sich auf die Lippe. Ich befürchte, dass sie Worte zurückhält, die ich nicht hören möchte. »Ich hatte gehofft, dass wir nicht in deine Wohnung zurückkehren.«

»Ist es das, was dich quält?« Damit kann ich umgehen, glaube ich. Ich drücke tröstend ihre Hand.

»Ja, ich bin noch nicht wirklich bereit, zum Pierre zurückzukehren und den Ort zu sehen, wo das alles passiert ist.« Sie schaut mich flehend an; ihre Augen bitten mich, ihr zu ersparen, die Erinnerungen an das heutige Geschehen innerlich noch einmal erleben zu müssen.

Die Erinnerungen daran, dass Simon ihr eine Waffe an den Kopf drückte, dass ich angeschossen wurde, dass Hayes Simon vor unseren Augen getötet hat. Jetzt verstehe ich. Nachdem Tom gegangen war, hatte ich Kathryn erzählt, dass wir zum Pierre zurückfahren würden, und danach war sie still geworden. Ich hätte wissen müssen, dass es ihr etwas ausmachen würde.

»Ach, meine Schöne.« Ich lege den Arm um ihre Schultern, ignoriere den Schmerz unter meinen Rippen und konzentriere mich auf Kathryn, denn diese normalerweise so starke Frau braucht mich. »Lass mich Eddie fragen, welchen Eingang wir nehmen.«

»Hey, Eddie«, sage ich über die leise Musik hinweg. Die Trennscheibe im SUV ist bereits unten. Wir hatten nicht das Gefühl, dass wir heute Privatsphäre brauchen. »Wo lassen Sie uns am Pierre raus?«

»Peters will, dass wir den Eingang an der Fifth Avenue nehmen. Von da aus ist man schneller bei den Aufzügen, und er sagt, dass die Paparazzi auf dem Bürgersteig an der 61. Straße warten, näher bei Barneys.«

»Wunderbar«, antworte ich erleichtert und zustimmend. Ich stoße Kathryn leicht mit dem Arm an. »Du musst dir keine Sorgen machen, Schöne. Wir kommen gar nicht in die Nähe der Stelle, wo das alles passiert ist.«

»Gut. Ich bin noch nicht bereit dafür.« Ihre Erleichterung wird spürbar, als sie sich an mich schmiegt. Wieder unterdrücke ich den Schmerz. Sie braucht mich, und verdammt, ich brauche sie noch viel mehr.

Ich halte sie eng an mich gepresst, bis wir die 63. Straße erreichen. Ich weiß, dass wir schon in der Nähe sind und uns auf einen raschen Ausstieg vorbereiten müssen, wenn das Fahrzeug in die Fifth Avenue biegt.

»Wir sind fast da«, sage ich zu Kathryn. Sie setzt sich auf und schaut mich an. »Ich gehe voraus, bitte bleib dicht hinter mir. Wir warten nicht auf Eddie oder Hayes. Sobald die Räder stillstehen, steigen wir aus und laufen schnell über den Bürgersteig zur Tür.«

Sie nickt, um mir ihr Einverständnis zu signalisieren. Ich schaue aus dem Fenster, als Eddie zum Eingang fährt und den SUV anhält. Der Bürgersteig ist an dieser Stelle hoteltypisch schwarz und weiß gefliest. Ich steige aus, und Kathryn folgt mir.

Wir rennen zu der Doppeltür. Ich halte mir die Seite, als wäre ich Napoleon. Bei jedem Schritt durchfährt mich der Schmerz.