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Kinder mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) zeigen häufig Probleme in der Selbststeuerung, die zu Lernschwierigkeiten führen können. Zudem leiden Kinder mit einer ADHS nicht selten an einer Lese-Rechtschreibstörung (Dyslexie) oder Rechenstörung (Dyskalkulie). In der Lerntherapie fällt es den Betroffenen jedoch oft schwer, über einen längeren Zeitraum still zu sitzen und Aufgaben sorgfältig zu bearbeiten. Häufig sind sie leicht abgelenkt, unruhig und reagieren schnell frustriert, wenn ihnen etwas nicht gelingt. Dieser Praxisleitfaden unterstützt Lerntherapeutinnen und Lerntherapeuten beim Umgang mit hyperaktiven, unaufmerksamen und impulsiven, aber auch oppositionell-verweigernden Verhaltensweisen. Ausgehend von einem verhaltenstherapeutischen Modell werden konkrete und leicht umsetzbare Handlungsempfehlungen vorgestellt. Dazu gehören u.a. die Gestaltung der Rahmenbedingungen in der Lerntherapie, die Einführung von Regeln und Routinen, der Einsatz positiver und negativer Konsequenzen und die Etablierung von Token-Systemen (Belohnungsplänen) sowie Strategien zur Verbesserung der Handlungsplanung in Lernsituationen. Ausführlich wird zudem beschrieben, wie die Zusammenarbeit mit den Eltern konstruktiv gestaltet werden kann. Die vorgestellten Handlungsempfehlungen wurden in der psychotherapeutischen Arbeit mit Familien und Lehrkräften entwickelt und haben sich in vielen Studien als wirksam erwiesen. Anschauliche Beispiele, leicht verständliche Schritt-für-Schritt-Anleitungen sowie zahlreiche Arbeitsblätter und Checklisten helfen dabei, die Strategien auf individuelle Problemsituationen in der Lerntherapie zu übertragen.
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Elena von Wirth
Manfred Döpfner
ADHS in der Lerntherapie
Ein verhaltenstherapeutischer Praxisleitfaden
PD Dr. Elena von Wirth, geb. 1981. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Seit 2013 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ausbildungsinstitut für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (AKiP) an der Uniklinik Köln. 2017 Habilitation und venia legendi für das Fach Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie.
Prof. a. D. Dr. Manfred Döpfner, geb. 1955. Seit 1999 Professor für Psychotherapie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Leiter des Ausbildungsinstituts für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (AKiP).
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Satz: Franziska Stolz, Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen
Format: EPUB
1. Auflage 2023
© 2023 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen
(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-3111-6; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-3111-7)
ISBN 978-3-8017-3111-3
https://doi.org/10.1026/03111-000
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Dieses Buch wendet sich an Lerntherapeutinnen und Lerntherapeuten, die mit Kindern arbeiten, die unruhig sind, sich impulsiv verhalten oder Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme zeigen. Wenn Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit im Verhältnis zum Alter und Entwicklungsniveau des Kindes stark ausgeprägt sind und auch in mehreren Situationen vorkommen, liegt möglicherweise eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) vor (Remschmidt, Schmidt & Poustka, 2017).
Viele Verhaltensweisen, die kennzeichnend für eine ADHS sind (z. B. vorzeitiges Abbrechen von Aufgaben, häufiger Verlust von Gegenständen, Zappeln und Aufstehen im Unterricht oder beim Essen, Dazwischenreden bei Unterhaltungen), bieten im Alltag regelmäßig Anlass zu Kritik durch Eltern, Lehrkräfte und auch Gleichaltrige. Zudem machen die Kinder häufiger die Erfahrung, dass sie die an sie gestellten schulischen oder organisatorischen Anforderungen nicht erfüllen können. Langfristig kann dies dazu führen, dass die Kinder an sich zweifeln und sich unsicher fühlen oder Ängste entwickeln. Gerade bei impulsiven Kindern kann es in Anforderungs- oder Konfliktsituationen auch zu Wutausbrüchen und aggressivem oder verweigerndem Verhalten kommen.
Kinder mit einer spezifischen Lernstörung wie der Lese-Rechtschreibstörung (LRS) oder der Rechenstörung zeigen vergleichsweise häufig ADHS-Symptome (Haberstroh & Schulte-Körne, 2019; Sexton et al., 2012). Bei der Behandlung der spezifischen Lernstörung stellen die damit verbundenen unaufmerksamen, unruhigen oder impulsiven Verhaltensweisen oft eine besondere Herausforderung für Lerntherapeutinnen und Lerntherapeuten dar, insbesondere dann, wenn zusätzlich eine geringe Selbstwirksamkeitserwartung und oppositionell-verweigerndes Verhalten vorliegen.
Ziel dieses Praxisleitfadens ist es, Sie dabei zu unterstützen, die lerntherapeutische Sitzung so zu gestalten, dass expansive Verhaltensweisen reduziert werden und die Durchführung von Übungsaufgaben erleichtert wird. Das erste Kapitel des Praxisleitfadens vermittelt grundlegende Informationen zu ADHS und expansivem Problemverhalten. In Kapitel 2 stellen wir den verhaltenstherapeutischen Behandlungsansatz vor, den wir in diesem Leitfaden verfolgen. In Kapitel 3 finden Sie Informationen dazu, wie Sie die Situation, in der das Problemverhalten auftritt, |6|ändern können, indem Sie günstige Rahmenbedingungen schaffen. In Kapitel 4 beschreiben wir, wie Sie Ihre eigenen Verhaltensweisen und Reaktionsmuster auf das Verhalten des Kindes anpassen können. Sie finden dort auch eine Anleitung zur Durchführung von Interventionen zur Verbesserung der Handlungsplanung (Selbstregulations- und Selbstinstruktionstrainings). Der Praxisleitfaden enthält jedoch kein umfangreiches Konzentrationstraining und keine ausführliche Darstellung von Lerntipps. Für Kinder, die vorrangig zur Behandlung einer ADHS vorstellig werden, können ergänzend umfangreichere Therapieprogramme zur Steigerung von Konzentration, Eigensteuerung und organisatorischen Fertigkeiten eingesetzt werden (z. B. ATTENTIONER: Jacobs & Petermann, 2013; Training mit aufmerksamkeitsgestörten Kindern: Lauth & Schlottke, 2019; SELBST: Walter & Döpfner, 2009; THOKI-ADHS: Braun & Döpfner, in Vorb.). Im letzten Kapitel dieses Praxisleitfadens (Kapitel 5) fokussieren wir auf Elterngespräche, bei denen Sie den Umgang mit den als problematisch empfundenen Verhaltensweisen des Kindes oder Jugendlichen thematisieren möchten. Wir stellen zunächst eine mögliche Vorgehensweise bei Elterngesprächen vor und thematisieren anschließend mögliche schwierige Reaktionen von Eltern. Abschließend haben wir Informationen zu weiterführenden Hilfsangeboten für Familien zusammengestellt.
Die hier beschriebenen verhaltenstherapeutischen Methoden haben sich seit vielen Jahren in der Verhaltenstherapie von Kindern und Jugendlichen etabliert und ihre Wirksamkeit wurde in mehreren empirischen Studien nachgewiesen (Daley et al., 2018; Döpfner et al., 2004; Evans et al., 2018; Kierfeld et al., 2013). Sie eignen sich nicht nur für Kinder mit einer klinischen ADHS-Diagnose, sondern auch für unruhige und impulsive Kinder ohne eine diagnostizierte ADHS. Bei der Zusammenstellung der Materialien konnten wir auf umfassende praktische Erfahrungen bei der psychotherapeutischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit expansiven Verhaltensproblemen und der Arbeit mit deren Familien zurückgreifen. Viele der hier beschriebenen Interventionen basieren auf jahrzehntelangen Erfahrungen, die in der Forschung und Therapie von Kindern und Jugendlichen mit ADHS am Ausbildungsinstitut für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie an der Uniklinik Köln (AKiP) gemacht wurden und auf den daraus entstandenen Therapiemanualen und Selbsthilfebüchern unserer Arbeitsgruppe. Hierzu gehören das Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten (THOP; Döpfner, Schürmann & Frölich, 2019), das THOP-Gruppenprogramm für Eltern (Döpfner et al., 2016; Kinnen et al., 2016), das Selbsthilfebuch Wackelpeter & Trotzkopf (Döpfner & Schürmann, 2017) und dessen Weiterentwicklung in den Arbeitsbüchern aus der Serie Den Alltag meistern mit ADHS (Döpfner, Dose et al., 2021; Döpfner, Eichelberger et al., 2021; Döpfner, Plück et al., 2021; Döpfner, Wolff Metternich-Kaizman et al., 2022), das Therapieprogramm zur Steigerung von Organisationsfähigkeit, Konzentration und Impulskontrolle bei Kindern mit ADHS (THOKI-ADHS; Braun & Döpfner, in Vorb.), sowie das Schulbasierte Coaching bei Kindern mit expansivem Problemverhalten (SCEP; Hanisch et al., 2018). |7|Die in diesen Therapiemanualen und Selbsthilfebüchern dargestellten Interventionen wurden für den Einsatz im lerntherapeutischen Setting modifiziert. Die in diesem Band vorgestellten, teilweise farbig gestalteten Arbeitsmaterialien können auf der Hogrefe Website heruntergeladen werden.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg in der Arbeit mit den Kindern und ihren Bezugspersonen. Wir hoffen, dass die hier vorgestellten Interventionen Ihnen helfen, Lösungen für schwierige Situationen zu entwickeln, und zum Gelingen der Lerntherapie beitragen.
Köln, im Sommer 2023
Elena von Wirth und
Manfred Döpfner
Vorwort
1 ADHS und expansives Problemverhalten
1.1 Kernsymptome von ADHS
1.1.1 Unaufmerksamkeit
1.1.2 Hyperaktivität
1.1.3 Impulsivität
1.2 Problematische Situationen
1.3 Oppositionelles Verhalten und andere Begleiterscheinungen
1.3.1 Oppositionell-verweigerndes und aggressives Verhalten
1.3.2 Emotionale Probleme
1.3.3 Lernschwierigkeiten und Lernstörungen
1.4 Gibt es ADHS wirklich?
1.5 Ursachen
1.6 Wie wird festgestellt, dass eine ADHS vorliegt?
1.6.1 Fachliche Kriterien für die Diagnose einer ADHS
1.6.2 Fachliche Abklärung und Vorgehen bei der Diagnosestellung
1.6.3 Was können Sie tun, wenn Sie ADHS-Symptome in der Lerntherapie beobachten?
1.7 Behandlungsmöglichkeiten
1.7.1 Psychosoziale Interventionen
1.7.1.1 Kindzentrierte Interventionen
1.7.1.2 Eltern- und familienzentrierte Interventionen
1.7.1.3 Schulzentrierte Behandlungsansätze
1.7.2 Pharmakotherapie
1.7.3 Neurofeedback und diätische Interventionen
2 Der verhaltenstherapeutische Ansatz
2.1 Positive und negative Konsequenzen
2.2 Problem- und Zieldefinition im lerntherapeutischen Kontext
2.3 Verhaltensanalyse im lerntherapeutischen Setting
2.4 Teufelskreismodell
2.5 Ausstieg aus dem Teufelskreis
2.6 Interventionsplanung
3 Rahmenbedingungen
3.1 Beziehungsaufbau
3.1.1 Positive Verhaltensweisen und Stärken wahrnehmen und rückmelden
3.1.2 Ausreichend Zeit für Kennenlernen und angenehme Aktivitäten einplanen
3.2 Schaffung eines gut strukturierten und reizarmen Arbeitsplatzes
3.2.1 Gestaltung eines reizarmen Arbeitsplatzes
3.2.2 Gestaltung eines strukturierten Arbeitsplatzes
3.2.3 Gestaltung strukturierter Arbeitsmaterialien
3.3 Einführung einer festen zeitlichen Struktur
3.3.1 Mögliche Phasen einer lerntherapeutischen Sitzung
3.3.1.1 Begrüßung
3.3.1.2 Austausch mit Eltern
3.3.1.3 Entspannungsübungen
3.3.1.4 Bewegung („Flitzepause“)
3.3.1.5 Arbeitsphase
3.3.1.6 Spielzeit
3.3.1.7 Eintauschen von Token
3.3.1.8 Abschied
3.3.2 Planung und Umsetzung einer festen zeitlichen Struktur
4 Spezifische Interventionen
4.1 Regeln einführen und wirkungsvolle Aufforderungen stellen
4.1.1 Bisherige Regeln überdenken
4.1.2 Regeln individuell anpassen oder neu erstellen
4.1.3 Wirkungsvolle Aufforderungen stellen
4.2 Systematisch belohnen
4.2.1 Der Punkte-Plan
4.2.1.1 Entwicklung eines Punkte-Plans
4.2.1.2 Durchführung eines Punkte-Plans
4.2.2 Sind Punkte-Pläne wirklich sinnvoll?
4.2.3 Punkte-Pläne verändern und schrittweise beenden
4.3 Negative Konsequenzen
4.3.1 Natürliche negative Konsequenzen
4.3.2 Durchführung negativer Konsequenzen
4.3.3 Wettkampf um lachende Gesichter
4.3.3.1 Entwicklung des Wettkampfes um lachende Gesichter
4.3.3.2 Durchführung des Wettkampfes um lachende Gesichter
4.4 Handlungsplanung
4.4.1 Regulation des Aktivierungsniveaus
4.4.2 Signalkarten
4.4.3 Wenn-Dann-Karten
5 Konstruktive Zusammenarbeit mit den Eltern
5.1 Vorgehensweise bei Elterngesprächen
5.1.1 Elterngespräch planen
5.1.2 Elterngespräch eröffnen
5.1.3 Problemverhalten ansprechen und explorieren
5.1.4 Eine realistische Erwartungshaltung aufbauen
5.1.5 Informationen zum Vorgehen in der Lerntherapie geben und Eltern einbeziehen
5.1.6 Hilfestellung für die Hausaufgaben- oder Lernsituation geben
5.1.6.1 Wie können Eltern den Arbeitsplatz des Kindes reizarm und strukturiert gestalten?
5.1.6.2 Wie können Eltern das Kind zu Hause bei der Handlungsplanung unterstützen?
5.1.6.3 Worauf sollten Eltern bei den Hausaufgaben noch achten?
5.1.6.4 Sollten Eltern Belohnungen für die Hausaufgaben einführen?
5.1.6.5 Wie könnte ein Verstärker-System für die Hausaufgaben aussehen?
5.1.6.6 Wie könnte ein Verstärker-Entzugs-System für die Hausaufgaben aussehen?
5.1.6.7 Wo finden Eltern weitere Unterstützung für Lernsituationen zu Hause?
5.1.7 Über weiterführende Hilfsangebote informieren
5.1.8 Das Gespräch beenden
5.2 Schwierige Situationen
5.3 Weitere Hilfen für Familien
5.3.1 Allgemeine Informationen zu expansivem Problemverhalten
5.3.2 Selbsthilfegruppen
5.3.3 Beratung
5.3.4 Angebote der Kinder- und Jugendhilfe
5.3.5 Diagnostik und Therapie
5.3.6 Online-Elterntrainings und Selbsthilfebücher
Literatur
Anhang
Arbeitsblatt 1: Problemverhalten
Arbeitsblatt 2: Bedingungsmodell
Arbeitsblatt 3: Positiv-Liste
Arbeitsblatt 4: Stärken-Interview
Arbeitsblatt 5: Checkliste Arbeitsplatz und Arbeitsmaterial
Arbeitsblatt 6: Entspannungsübungen
Arbeitsblatt 7: Meine Aufgaben
Arbeitsblatt 8: Checkliste Routinen
Arbeitsblatt 9: Visualisierung der zeitlichen Struktur einer lerntherapeutischen Sitzung (Beispiel)
Arbeitsblatt 10: Bisherige Regeln für die Lerntherapie
Arbeitsblatt 11: Neue Regeln für die Lerntherapie
Arbeitsblatt 12: Regelkarte
Arbeitsblatt 13: Punkte-Plan: Spielregeln
Arbeitsblatt 14: Punkte-Schlange
Arbeitsblatt 15: Punkte-Konto
Arbeitsblatt 16: Wettkampf um lachende Gesichter: Spielregeln
Arbeitsblatt 17: Wettkampf um lachende Gesichter: Spielplan
Arbeitsblatt 18: Aktivierungs-Uhr „Gepard“
Arbeitsblatt 19: Aktivierungs-Uhr „Drehzahl-Messer“
Arbeitsblatt 20: Meine Tricks zum Hoch- und Runterfahren
Arbeitsblatt 21: Signalkarten
Arbeitsblatt 22: Aufstellen eines Wenn-Dann-Satzes
Arbeitsblatt 23: Wenn-Dann-Karten
Arbeitsblatt 24: Protokollbogen Elterngespräch
Arbeitsblatt 25: Punkte-Plan für die Lernzeit zu Hause
Arbeitsblatt 26: Weiterführende Hilfsangebote für Familien
Hinweise zu den Online-Materialien
Die Abkürzung ADHS steht für die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, die oft auch als Hyperkinetische Störung (HKS) bezeichnet wird. Nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Erwachsene können von einer ADHS betroffen sein. Die Merkmale – oder Symptome – der ADHS lassen sich drei Kernbereichen zuordnen (siehe Kasten).
Drei Kernbereiche, denen sich die Merkmale von ADHS zuordnen lassen
Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme (Unaufmerksamkeit)
körperliche Unruhe (Hyperaktivität)
impulsives Verhalten (Impulsivität)
Jedes Kind hat einen natürlichen Bewegungsdrang, und jedes Kind kann sich irgendwann einmal nicht konzentrieren, lässt sich leicht ablenken, ist vergesslich oder unruhig. Die Fähigkeit, sich selbst zu regulieren, verbessert sich mit zunehmendem Alter. Älteren Kindern fällt es verglichen mit jüngeren Kindern meist leichter, eine Aufgabe selbstständig zu bearbeiten, längere Zeit ruhig sitzen zu bleiben oder andere ausreden zu lassen. Kinder mit einer ADHS unterscheiden sich von anderen Kindern darin, dass Konzentrationsprobleme, körperliche Unruhe und impulsives Verhalten häufiger auftreten und stärker ausgeprägt sind als man dies aufgrund des Entwicklungsalters erwarten würde. Oft leiden Kinder mit ADHS darunter, dass sie bei anderen Kindern wenig Anschluss finden und von ihren Eltern ständig ermahnt und kritisiert werden. Auch in der Schule machen Kinder mit ADHS oft die Erfahrung, dass sie den Anforderungen und Erwartungen nicht entsprechen. Je nachdem, in welchem Bereich die Symptome besonders stark ausgeprägt sind, sind die Kinder verträumt, leicht abgelenkt und machen häufig Flüchtigkeitsfehler, oder sie möchten sich ständig bewegen, unterbrechen andere, rufen in die Klasse und können auch sonst nur schwer abwarten, bis sie an der Reihe sind.
Im Folgenden beschreiben wir die Symptome der drei Kernbereiche der ADHS und die Situationen, in denen diese typischerweise auftreten. Dabei möchten wir u. a. verdeutlichen, wie ADHS-Symptome das Verhalten in schulischen Lernsituationen beeinflussen und warum gerade in der Schule genau das erwartet wird, |14|was Kindern mit ADHS schwerfällt. Anschließend beschreiben wir, wie ADHS-Symptome sich auf das Sozialverhalten auswirken können. Oppositionell-verweigernde Verhaltensweisen sind eine der häufigsten Begleiterscheinungen von ADHS und können in der Lerntherapie eine besondere Herausforderung darstellen. Studien haben gezeigt, dass bis zu 50 % der Kinder mit ADHS aggressive oder oppositionell-verweigernde Verhaltensauffälligkeiten entwickeln (Beauchaine, Hinshaw & Pang, 2010; Nock et al., 2007). Unaufmerksame, unruhige, impulsive, aggressive und oppositionell-verweigernde Verhaltensweisen werden daher in der Fachliteratur oft zusammenfassend als „expansives Problemverhalten“ bezeichnet.
Neben der Beschreibung von Symptomen und problematischen Situationen finden Sie in diesem Kapitel Informationen zu Ursachen, Diagnosestellung und Behandlungsmöglichkeiten expansiver Verhaltensprobleme.
Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme zeigen sich vor allem dann, wenn Kinder ihre Aufmerksamkeit willentlich auf Aufgaben richten müssen, die von anderen vorgegeben werden und geistige Anstrengung verlangen (z. B. dem Unterrichtsgeschehen folgen, Hausaufgaben bearbeiten). Kindern mit Aufmerksamkeits- und Konzentrationsproblemen gelingt es oft kaum, die Aufmerksamkeit bei diesen Aufgaben längere Zeit aufrechtzuerhalten. Sie lassen sich schnell von inneren und äußeren Reizen ablenken, scheinen nach kurzer Zeit das Interesse an der Aufgabe zu verlieren und brechen diese vorzeitig ab, um sich einer anderen Tätigkeit zu widmen.
Bei schriftlichen Aufgaben fällt es den Kindern schwer, Arbeitsaufträge sorgfältig zu lesen und auszuführen. Sie achten häufig nicht auf Details und machen Flüchtigkeitsfehler (z. B. Rechtschreib- oder Rechenfehler, unvollständige Bearbeitung der Aufgabenstellung). Auch die Arbeitsmaterialien sind häufig unordentlich und unvollständig (z. B. lose Arbeitsblätter, nicht notierte Hausaufgaben). Im Unterricht haben Kinder mit Aufmerksamkeits- und Konzentrationsproblemen oft Schwierigkeiten, der Lehrerin oder dem Lehrer über längere Zeit zuzuhören und wirken abwesend oder verträumt. Es kommt auch vor, dass sie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler stören und vom Unterrichtsgeschehen ablenken.
Auch außerhalb des Unterrichts scheinen Kinder mit Aufmerksamkeits- und Konzentrationsproblemen oft nicht zuzuhören und sie haben Mühe, sich zu organisieren. Im Alltag vergessen sie Termine (z. B. gehen nach der Schule nach Hause statt zum Musikunterricht) und Materialien (z. B. lassen den Turnbeutel tagelang in der |15|Schule liegen). Auch verlieren sie oft Gegenstände (z. B. Portemonnaie, Handy, Schlüssel) und können sich nicht erinnern, wo und wann sie diese zuletzt gesehen oder eingepackt haben.
Wissenschaftliche Modelle definieren Aufmerksamkeit oft als eine komplexe kognitive Fähigkeit und unterscheiden zwischen Intensitäts- und Selektivitätsaspekten (van Zomeren & Brouwer, 1994). Unter den Intensitätsaspekt fallen die allgemeine Reaktionsbereitschaft und die Daueraufmerksamkeit, also die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit über eine längere Zeit aufrechtzuerhalten. Unter den Selektivitätsaspekt fallen die fokussierte Aufmerksamkeit und die geteilte Aufmerksamkeit. Unter selektiver Aufmerksamkeit versteht man die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf aufgabenbezogene Reize zu fokussieren und irrelevante Reize zu unterdrücken. Geteilte Aufmerksamkeit beschreibt die Fähigkeit, auf mehrere Reize gleichzeitig zu achten, also z. B. zeitgleich auf einen auditiven Reiz (z. B. die Stimme der Lehrerin) und einen visuellen Reiz (z. B. das Arbeitsblatt) zu fokussieren.
Studien haben gezeigt, dass diese verschiedenen Formen von Aufmerksamkeit bei Kindern mit ADHS beeinträchtigt sind. In standardisierten Tests zur Erfassung von Aufmerksamkeitsleistungen reagieren sie im Durchschnitt entweder langsamer als Gleichaltrige oder sie reagieren sehr schnell und machen dadurch viele Fehler (Günther et al., 2016). Allerdings sind die Befunde unterschiedlicher Forschergruppen nicht immer konsistent und viele Kinder mit ADHS zeigen bei Aufmerksamkeitstestungen durchschnittliche Leistungen (Koschack et al., 2003; Willcutt et al., 2005). Einige führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betonen daher, dass nicht unbedingt die Kapazität der Aufmerksamkeit beeinträchtigt zu sein scheint, sondern der selbstgesteuerte, kontrollierte Einsatz von Aufmerksamkeitsressourcen (Banaschewski et al., 2004). Hierfür spricht auch die Beobachtung, dass Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme oft kaum oder nur in verminderter Form auftreten, wenn Kinder sich einer selbstgewählten Tätigkeit widmen. Eltern berichten uns oft, dass Kinder mit ADHS sich ausdauernd mit einem Lieblingsspiel beschäftigen können, selbst wenn dieses ein hohes Maß an Aufmerksamkeit erfordert (z. B. Puzzle, Bausteine, Fantasiespiele mit Puppen).
Uns ist es in diesem Zusammenhang wichtig zu erwähnen, dass sowohl das Fokussieren der Aufmerksamkeit auf bestimmte Reize als auch das Aufrechterhalten der Aufmerksamkeit über einen längeren Zeitraum nicht bloß Fähigkeiten sind, die mehr oder minder ausgeprägt sein können, sondern aktive psychische Prozesse. Motivationale Anreize können auch bei fremdbestimmten Aufgaben die Aufmerksamkeitsleistung erheblich beeinflussen (Lauth-Lebens & Lauth, 2020). In der Lerntherapie können Sie sich diesen Aspekt zunutze machen, indem Sie motivierende Bedingungen herstellen (siehe Kapitel 4.2: Systematisch belohnen).
Langzeitstudien haben übrigens gezeigt, dass Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme bei vielen ADHS-Betroffenen bis ins Jugend- und Erwachsenenalter bestehen bleiben (Döpfner, Hautmann et al., 2015; von Wirth et al., 2021). |16|Auch in dieser Altersgruppe zeigen sich die Probleme besonders bei von außen auferlegten, sich wiederholenden Aufgaben. Gerade für Jugendliche und junge Erwachsene mit ADHS ist es daher wichtig, einen Beruf zu finden, der ihren Interessen entspricht und den sie als abwechslungsreich erleben.
Viele Kinder mit ADHS zeigen eine ausgeprägte Ruhelosigkeit und scheinen ständig unter Strom zu stehen. Sie laufen herum, zappeln, springen und klettern bei jeder Gelegenheit, also auch in Situationen, in denen dies gerade unpassend oder nicht angemessen ist. Hyperaktives Verhalten fällt vor allem in Situationen auf, die relative Ruhe verlangen und ein hohes Maß an Eigenkontrolle erfordern. Im Unterricht, bei den Hausaufgaben oder bei den Mahlzeiten gelingt es betroffenen Kindern kaum, längere Zeit stillzusitzen. Selbst ständige Aufforderungen („Jetzt bleib doch mal ruhig stehen!“) scheinen die Unruhe kaum beeinflussen zu können.
In der Schule reagieren Lehrkräfte und Mitschülerinnen und Mitschüler oft genervt auf das unruhige Verhalten der Kinder. Finger und Füße scheinen ständig in Bewegung zu sein, immer wieder wird auf dem Stuhl herumgerutscht oder gekippelt, auf den Tisch geklopft oder getrommelt, nervös mit Gegenständen gespielt oder aufgestanden. Dabei können ungewollt Missgeschicke und Unfälle geschehen (z. B. ein umgestoßenes Wasserglas, ein zerbrochener Stift, ein umgekippter Stuhl). In den Pausen zeigen die Kinder eine überschießende motorische Aktivität. Sie laufen auf den Schulhof, bevor sie die Jacke anhaben, und laufen, klettern und springen herum.
Bei ADHS treten hyperaktive Verhaltensweisen situationsübergreifend auf (Remschmidt, Schmidt & Poustka, 2017). Kinder mit ADHS zeigen daher nicht nur in der Schule, sondern auch zu Hause und bei Freizeitbeschäftigungen unruhiges Verhalten. Jüngere Kinder mit ADHS sind ständig unterwegs, laufen durchs Haus und klettern auf Möbel. Bei Schulkindern drückt Hyperaktivität sich vor allem dadurch aus, dass es ihnen schwerfällt, sitzen zu bleiben, wenn dies verlangt wird. Sie stehen z. B. während der Mahlzeiten häufig vom Tisch auf. Anstatt sich einer leisen Aktivität zu widmen, toben sie lieber durchs Haus. Beim Spielen mit Gleichaltrigen schaffen es meist nur kurz, sich auf eine ruhige Beschäftigung (z. B. ein Brettspiel) einzulassen.
Um von Hyperaktivität zu sprechen, muss die Ruhelosigkeit im Verhältnis zu dem, was in der gleichen Situation von Kindern auf der gleichen Entwicklungsstufe zu erwarten wäre, extrem ausgeprägt sein. Nicht jedes lebhafte Kind ist hyperaktiv. Nur wenn der Bewegungsdrang so massiv ausgeprägt ist, dass im Vergleich zu Gleichaltrigen eine extrem ausgeprägte körperliche Unruhe vorliegt, kann man von Hyperaktivität sprechen. Gerade bei jüngeren Kindern sollte man mit der Di|17|agnosestellung vorsichtig sein, da auch viele normal aktive Kinder im Vorschulalter gerne herumlaufen oder klettern und nicht lange still sitzen bleiben möchten. Im Schulalter fällt die Abgrenzung zwischen unauffälligem und auffälligem oder hyperaktivem Verhalten oft leichter. Im Jugend- und Erwachsenenalter vermindern sich die Symptome der Hyperaktivität oft und die Betroffenen klagen eher über eine innere Unruhe (Faraone et al., 2015).
Impulsive Menschen neigen dazu, plötzlich und unüberlegt zu handeln, ohne die Folgen ihrer Handlungen zu bedenken. Viele Kinder mit ADHS sind ungeduldig und haben Schwierigkeiten, abzuwarten, bis sie an der Reihe sind, oder ihre Bedürfnisse aufzuschieben. Im Unterricht und bei Gesprächen platzen sie mit der Antwort heraus, bevor die Frage gestellt ist, oder unterbrechen andere. Wenn sie etwas wissen wollen, dann sind sie kaum in der Lage, mit ihrer Frage zu warten, bis der andere ausgesprochen hat. Wenn sie aber selbst etwas erzählen möchten, reden sie oft übermäßig viel und merken nicht, wenn es anderen zu viel wird. Wenn sie etwas haben oder tun wollen, muss es oft sofort sein, und es fällt es ihnen schwer, ihren Wunsch aufzuschieben.
Ihr Verhalten wird im Unterricht oft als störend erlebt. Sie rufen häufig in den Unterricht, ohne sich zu melden, unterbrechen die Lehrkräfte, um etwas Wichtiges zu fragen oder zu erzählen, fassen Dinge an, die sie nicht anfassen sollen, oder nehmen anderen Kindern Sachen, die sie haben möchten, einfach weg. Auch im Kontakt mit Gleichaltrigen kann ausgeprägt impulsives Verhalten zu Problemen führen. Andere Kinder können genervt darauf reagieren, wenn Gespräche ständig unterbrochen werden oder immer wieder in laufende Spiele geplatzt wird. Manche Kinder mit ADHS wirken auf andere Personen distanzlos, da sie andere oft anfassen und bei Gesprächen kein Blatt vor den Mund nehmen. Eltern und Lehrkräfte berichten uns auch oft, dass Kinder mit ADHS bei Diskussionen oder Rangeleien nicht merken, wo der Spaß aufhört, und mit ihrer wilden Art anderen Kindern Angst einflößen können. Gerade bei Wut und Frustration kann es dazu kommen, dass sie überstürzt Spielsachen oder Arbeitsmaterialien zerstören und regelrecht ausflippen. Oft bereuen sie diese Ausbrüche im Nachhinein. Möglicherweise tragen negative Rückmeldungen durch Gleichaltrige dazu bei, dass viele Kinder mit ADHS dazu neigen, sich ständig mit anderen zu vergleichen und ein ausgeprägtes Konkurrenzdenken zu entwickeln.
Studien haben gezeigt, dass Kinder mit ADHS im Vergleich zu Gleichaltrigen ein erhöhtes Unfallrisiko haben (Lange et al., 2016; Merrill et al., 2009). Gerade impulsives und unbedachtes Handeln (z. B. das Anfassen einer heißen Pfanne oder das Überqueren einer Straße, ohne zu schauen) kann zu Unfällen und Verletzungen führen (z. B. Verbrennungen, Verstauchungen, Arm- und Beinbrüche, Ver|18|kehrsunfälle). Im Jugend- und Erwachsenenalter lässt die Impulsivität oft nach (Biederman, Mick & Faraone, 2000; Döpfner, Hautmann et al., 2015).
ADHS-Symptome treten häufig in mehreren Lebensbereichen auf, sind aber nicht unbedingt in allen Situationen gleich stark ausgeprägt. Oft sind unaufmerksame, hyperaktive und impulsive Verhaltensweisen stärker ausgeprägt in Situationen, die eine längere Aufmerksamkeitsspanne oder geistige Anstrengung erfordern oder die den Reiz des Neuen verloren haben. In diesen Anforderungssituationen gelingt es Kindern mit ADHS schlechter als anderen, stillzusitzen, sich zu konzentrieren und Handlungsimpulse oder Bedürfnisse zu unterdrücken. Auch in Gruppensituationen sind die Verhaltensprobleme oft stärker ausgeprägt. Kaum oder nur in geringem Maße zeigen sich die Symptome bei manchen Kindern, wenn sie sich in einer neuen oder klar strukturierten Situation befinden, wenn sie sich nur mit einer Person im Raum befinden oder sich einer selbstgewählten Beschäftigung widmen können. In bestimmten Situationen können Kinder mit ADHS sich also über einen längeren Zeitraum völlig unauffällig verhalten.
Eltern berichten besonders häufig, dass sie die Hausaufgabensituation als belastend erleben. Andere familiäre Situationen, die häufig als belastend erlebt werden, sind z. B. die Mahlzeiten, wenn die Eltern telefonieren oder etwas anderes Wichtiges erledigen müssen, wenn Besuch kommt oder das Kind bei anderen zu Besuch ist, wenn das Kind sich morgens an- und ausziehen soll oder wenn es sich abends bettfertig machen soll (Breuer & Döpfner, 1997).
Manchmal sind Kinder zu Hause bei den Hausaufgaben und in anderen Anforderungssituationen leicht abgelenkt, rutschen auf dem Stuhl und reagieren schnell wütend und frustriert, während sie in der Schule als unauffällig erlebt werden. In diesen Fällen stellt sich oft heraus, dass die Schule eine stark strukturierte und positiv verstärkende Lernumgebung bietet.
Bei den meisten Kindern mit ADHS führen die Symptome jedoch auch zu schulischen Problemen. Dies wird nachvollziehbar, wenn man sich verdeutlicht, welche Anforderungen in der Schule an ein Kind gestellt werden. An den meisten Schulformen dauern die Schultage mittlerweile bis in den Nachmittag hinein und hat das handlungsorientierte Lernen an Bedeutung verloren, während der Umgang mit theoretischen Aufgaben und selbstständiges Lernen immer wichtiger werden. Im Unterricht müssen die Kinder der Lehrkraft über eine längere Zeit genau zuhören und dabei eine längere Zeit stillsitzen. Wenn sie etwas sagen möchten, müssen sie aufzeigen und warten, bis sie an der Reihe sind. In Einzelarbeitsphasen müssen sie die Aufmerksamkeit eine längere Zeit bewusst auf eine vorgegebene Aufgabe richten. Aber auch bei Gruppenarbeiten und Kooperationen mit Mitschü|19|lerinnen und Mitschülern können hyperaktive und impulsive Verhaltensweisen zu Problemen führen. Wochenpläne erfordern, dass Kinder Aufgaben planen und einteilen, Materialien verwalten und ihre Zeit einteilen. Dies alles kann Kinder mit ADHS überfordern und zu schulischen Problemen führen, während ihre positiven Eigenschaften (z. B. Tatendrang, Begeisterungsfähigkeit, Humor) in den Hintergrund geraten.
Etwa 75 % der Kinder mit ADHS zeigen auch in anderen Bereichen Auffälligkeiten (Jensen & Steinhausen, 2015). Am häufigsten zeigen sie soziale und emotionale Probleme, umschriebene Entwicklungsstörungen (Motorik, Sprache, schulische Fertigkeiten) und Tic-Störungen (Faraone et al., 2015).
Viele Kinder mit ADHS entwickeln soziale Probleme. Es gelingt ihnen oft weniger gut als anderen Kindern, sich an wichtige Regeln zu halten, und sie geraten daher häufig in Konflikte mit Eltern, Lehrkräften, Geschwistern und anderen Kindern.
Im Kontakt mit anderen Kindern verhalten Kinder mit ADHS sich oft distanzlos und kaspern herum, ohne zu merken, wann es zu viel wird. Sie unterbrechen Aktivitäten, platzen in Gespräche und nehmen sich einfach die Spielsachen oder Materialien, die sie gerade haben wollen. Viele Eltern berichten, dass ihr Kind als Störenfried wahrgenommen wird und immer wieder versucht, andere Kinder zu dominieren und zu kontrollieren. Manche Kinder mit ADHS verhalten sich auch aggressiv gegenüber anderen. Gerade Kinder mit ausgeprägter Impulsivität haben oft eine geringe Frustrationstoleranz und können negative Gefühle nur schwer kontrollieren. Wenn sie sich im Spiel oder bei einer Gruppenarbeit benachteiligt oder ungerecht behandelt fühlen, werden sie schnell wütend. Dabei kann es zu teils heftigen Wutausbrüchen kommen. Nicht selten verhalten sie sich im Kontakt mit anderen so, wie es eigentlich bei jüngeren Kindern üblich ist, sodass ihr Sozialverhalten oft unreif wirkt. Andere Kinder können auf diese Verhaltensweisen genervt und ablehnend reagieren. Viele Kinder mit ADHS sind daher wenig beliebt und werden von anderen gemieden.
Auch im Kontakt mit erwachsenen Bezugspersonen verhalten Kinder mit ADHS sich oft aufbrausend und impulsiv. Manche Kinder verletzen Regeln eher aus Unachtsamkeit als vorsätzlich. Andere Kinder widersetzen sich aktiv den Anweisun|20|gen und Regeln der Erwachsenen. Lehrkräfte sind oft verzweifelt, weil die betroffenen Kinder scheinbar nicht aus ihrem Fehlverhalten lernen, sich nicht von negativen Konsequenzen aufhalten lassen und immer wieder problematisches Verhalten zeigen, das auch die anderen Schülerinnen und Schüler ablenkt und stört.
Studienergebnisse zeigen, dass bis zu 50 % der Kinder mit ADHS eine oppositionelle Verhaltensstörung entwickeln und sie damit deutlich häufiger als Gleichaltrige oppositionelles Trotzverhalten zeigen (Beauchaine, Hinshaw & Pang, 2010; Erskine et al., 2016; Nock et al., 2007). Kinder mit einer oppositionellen Verhaltensstörung geraten häufig in Streit mit Eltern, Lehrkräften und anderen erwachsenen Bezugspersonen. Sie können sich weniger gut als andere Kinder an wichtige Regeln halten und weigern sich oft, Anweisungen zu befolgen. Im Kontakt mit anderen Kindern ärgern sie diese oft absichtlich und beginnen Streit. Manchmal bedrohen und schikanieren sie andere Kinder auch regelrecht. Sie neigen dazu, leicht reizbar zu sein, sich leicht ärgern zu lassen und schnell wütend zu werden. Viele Kinder mit einer oppositionellen Verhaltensstörung haben für ihr Alter ungewöhnlich häufige oder heftige Wutausbrüche. Nach einem Streit oder Fehlverhalten schieben sie häufig die Schuld auf andere und können einen großen Wunsch nach Rache entwickeln.
Aggressives und oppositionelles Verhalten ist bei Kindern bis zu einem gewissen Grad normal. Jedes Kind ist mal wütend und streitet mit anderen. In bestimmten Entwicklungsphasen sind diese Verhaltensweisen typischerweise stärker ausgeprägt. Zum Beispiel beginnt mit etwa zwei Jahren bei vielen Kindern eine Trotzphase, die häufig mit heftigen Wutausbrüchen einhergeht, welche dann im Kindergartenalter wieder seltener werden. Von einer Verhaltensstörung spricht man erst dann, wenn das problematische Verhalten länger andauert und deutlich stärker ausgeprägt ist als bei den meisten anderen Kindern des gleichen Alters. Beispiele hierfür sind ein extremes Maß an Streiten oder Tyrannisieren, erhebliche Destruktivität gegen Eigentum oder ungewöhnlich heftige und häufige Regelverletzungen und Wutausbrüche (Remschmidt, Schmidt & Poustka, 2017).
Bei einigen Kindern tritt das oppositionelle Verhalten nur in der Familie auf. Bei anderen Kindern lassen sich die Verhaltensprobleme auch in der Schule oder im Kindergarten und im Kontakt mit Gleichaltrigen oder anderen Kindern beobachten. Das Verhalten der Kinder kann je nach Situation und Person sehr unterschiedlich ausfallen. Es kann also sein, dass ein Kind in der Schule die Mitarbeit verweigert und sich gegenüber seinen Mitschülerinnen und Mitschülern aggressiv verhält, in der Lerntherapie aber meist gut mitmacht. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass das Kind sich in der Lerntherapie Ihren Regeln und Aufforderung widersetzt oder Streit zu suchen scheint. In diesem Fall können die in Kapitel 3 (Rahmenbedingungen) und Kapitel 4 (Spezifische Interventionen) beschriebenen Interventionen Ihnen helfen, positive Interaktionen herzustellen und das Problemverhalten des Kindes in den Griff zu bekommen.
Viele Kinder mit ADHS haben wenig Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten, fühlen sich in sozialen Situationen unsicher oder entwickeln Ängste und auch depressive Gedanken. Dies ist eigentlich nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die ADHS-Symptome der Kinder seit dem Kindergartenalter zu Misserfolgen und negative Rückmeldungen von anderen führen. Kinder mit ADHS leiden oft darunter, dass sie bei anderen Kindern keinen Anschluss finden und von ihren Eltern und Lehrkräften oft ermahnt und kritisiert werden.
Gerade Mädchen mit ADHS entwickeln deutlich häufiger als Gleichaltrige emotionale Probleme (Biederman et al., 2008; Levy et al., 2004). Je nach Studie zeigen 15 bis 40 % der Kinder mit ADHS eine Angststörung (z. B. Trennungsangst, soziale Phobie) oder eine Depression (Kain, Landerl & Kaufmann, 2008). Da im Alltag die hyperaktiven und impulsiven Verhaltensweisen meist in den Vordergrund treten, werden die emotionalen Probleme der Kinder oft weniger beachtet.
Fast alle Studien zeigen, dass ADHS-Symptome sich negativ auf die schulische Leistung auswirken und Kinder mit ADHS geringere Leistungen in Lese-, Rechtschreib- oder Rechentests zeigen (MTA Cooperative Group, 1999; Scholtens et al., 2013; Tosto et al., 2015). Möglicherweise erklären diese Leistungsprobleme, warum Kinder mit ADHS häufiger als andere Kinder eine Schulklasse wiederholen oder die Schule wechseln müssen (Barkley et al., 2006; Erskine et al., 2016). Es ist allerdings auch möglich, dass oppositionell-verweigernde Verhaltensweisen (z. B. Nichteinhalten von Schulregeln und aktives Widersetzen gegen Aufforderungen) hierbei eine Rolle spielen.
Spezifische Lernstörungen kommen bei Kindern mit ADHS ebenfalls häufiger vor. Je nach Studie zeigen 10 bis 45 % der Kinder mit ADHS eine Lese-Rechtschreibstörung (LRS) oder eine Rechenstörung (Monuteaux et al., 2005; Sexton et al., 2012). Umgekehrt zeigen Kinder mit einer spezifischen Lernstörung verglichen mit Gleichaltrigen ebenfalls häufiger Aufmerksamkeitsprobleme (Galuschka & Schulte-Körne, 2016; Haberstroh & Schulte-Körne, 2019).
Da sowohl ADHS als auch die umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten familiär gehäuft auftreten, wurden in Zwillingsstudien die genetischen Hintergründe des gemeinsamen Auftretens von ADHS und Lernstörungen untersucht. Dabei zeigte sich, dass es Betroffene gibt, bei denen die ADHS und die Lernstörung von unterschiedlichen Personen und somit unabhängig voneinander vererbt wurden. Allerdings gibt es auch Personen, bei denen das gemeinsame Auftreten von ADHS und Lernstörung zurückzuführen ist auf gemeinsame |22|genetische Faktoren, die unabhängig sind von den genetischen Einflüssen, die für die Entstehung einer ADHS oder einer Lernstörung allein eine Rolle spielen (Kain, Landerl & Kaufmann, 2008; Pennington, Willcutt & Rhee, 2005).
Interessanterweise zeigen vor allem Kinder mit Aufmerksamkeits- und Konzentrationsproblemen (der unaufmerksame ADHS-Subtyp) häufig Lernschwierigkeiten (Schuchardt et al., 2015). Gerade die ruhigen, unaufmerksamen Kinder scheinen also häufiger eine genetisch bedingte Disposition für die Entstehung einer Lernstörung aufzuweisen und aufgrund von Problemen in der Selbststeuerung besonders schwer vom Unterricht profitieren zu können.
Im Einzelfall kann es sehr schwierig sein zu unterscheiden, ob Lernschwierigkeiten eine sekundäre Folge der ADHS-Symptome darstellen (z. B. Flüchtigkeitsfehler infolge von Unaufmerksamkeit) oder Merkmale einer spezifischen Lernstörung sind. Manchmal gelingt diese Unterscheidung, wenn das Kind gebeten wird, eine Fehlerkorrektur durchzuführen. Kinder mit ADHS sind dann häufig in der Lage, Flüchtigkeitsfehler zu erkennen, während Kinder mit einer spezifischen Lernstörung eigene Lese-, Rechtschreib- oder Rechenfehler trotz Hinweisen häufig nicht erkennen und korrigieren können. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Teilleistungsdiagnostik zu wiederholen, nachdem eine Behandlung der ADHS erfolgt ist. Studien haben gezeigt, dass sich die Lese-, Rechtschreib- und Rechenleistungen von Kindern mit ADHS durch eine (pharmakologische) Behandlung oft etwas verbessern (Kortekaas-Rijlaarsdam et al., 2019; Langberg & Becker, 2012). Ist dies nicht der Fall und zeigen sich auch nach einer erfolgreichen Behandlung der ADHS noch ausgeprägte Probleme im Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen, spricht dies eher für das Vorliegen einer Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten.
Unabhängig davon, ob schulische Leistungsprobleme durch die ADHS-Symptome verursacht werden oder ob zusätzlich zur ADHS noch eine spezifische Lernstörung vorliegt, haben die betroffenen Kinder es in der Schule besonders schwer. Obwohl sie sich häufig in besonderem Maße anstrengen, kommt es immer wieder zu Misserfolgserlebnissen. Es ist daher eigentlich nicht verwunderlich, dass die Kinder zunehmend an mangelndem Selbstvertrauen leiden und Ängste entwickeln. Auch aggressiv-oppositionelle Verhaltensweisen und soziale Probleme werden bei Kindern mit ADHS und einer Lernstörung häufiger beobachtet als bei Kindern, bei denen nur eine dieser Störungen vorliegt (Carroll et al., 2005; Willcutt et al., 2007; Willcutt & Pennington, 2000).
In der Lerntherapie sind ADHS-Symptome ohne zusätzliche Probleme und Auffälligkeiten daher eher die Ausnahme. Nicht selten werden Sie mit Kindern in Kontakt treten, die nicht nur unaufmerksame, hyperaktive oder impulsive Verhaltensweisen zeigen, sondern auch Lernschwierigkeiten haben, unsicher und ängstlich sind, leicht frustriert und wütend reagieren, Arbeitsaufträge verweigern oder sich Ihren Aufforderungen widersetzen.
Manchmal wird hinterfragt, ob es ADHS wirklich gibt oder ob es sich bei Kindern mit einer vermeintlichen ADHS nicht eher um besonders lebhafte Kinder handelt, deren Bewegungsdrang als störend erlebt wird.
Tatsache ist, dass es Kinder mit stark ausgeprägten unaufmerksamen, hyperaktiven und impulsiven Verhaltensweisen gibt und dass viele dieser Kinder unsere Unterstützung benötigen. Internationale epidemiologische Studien zeigen, dass weltweit etwa 3 bis 5 % aller Schulkinder die diagnostischen Kriterien einer ADHS (siehe hierzu Abschnitt 1.6.1) erfüllen (Polanczyk et al., 2015). Die diagnostischen Kriterien erfordern nicht nur, dass eine bestimmte Anzahl an ADHS-Symptomen vorliegt, sondern auch, dass diese zu einer bedeutsamen Beeinträchtigung der sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsfähigkeit führen. Die betroffenen Kinder leiden unter ihrem Verhalten und dessen Auswirkungen. Sie ärgern sich und sind frustriert, wenn sie wieder mal etwas vergessen haben, eine Prüfung nicht geschafft haben, aus Versehen etwas kaputt gemacht haben oder von anderen abgewiesen und kritisiert werden. Die sozialen und schulischen Probleme können so stark ausgeprägt sein, dass es sich aus unserer Sicht bei einer ADHS um eine psychische Störung mit Krankheitswert handeln kann, deren Behandlungskosten von den Krankenkassen übernommen werden.
Dabei lässt sich nicht abstreiten, dass die klassischen ADHS-Symptome heute wahrscheinlich als störender empfunden werden als noch vor wenigen Jahrzehnten und ADHS daher mehr in den Fokus gerückt ist. Viele Ausbildungswege sind theoretischer und kopflastiger geworden. Nicht nur Schule und Studium, sondern auch viele Berufsausbildungen stellen hohe Anforderungen an Konzentration und Ausdauer und bieten wenig Raum für praktisches Arbeiten und körperliche Bewegung. Während das Bedürfnis nach körperlicher Bewegung früher in vielen Berufen von Vorteil war, ist es heute oft hinderlich. Zudem sind viele Aspekte des modernen Schulalltags für Kindern mit ADHS eher ungünstig. Die Schultage sind länger geworden, es gibt weniger Bewegungsmöglichkeiten und die Kinder müssen sich zunehmend selbst organisieren (z. B. bei der Bearbeitung von Wochenplänen). Außerdem lenken moderne Formen der Kommunikation (E-Mail, ständig neu hereinkommende Chat-Nachrichten, Push-Nachrichten) Kinder mit ADHS permanent ab und erschweren ihnen die Konzentration.
Andere Kritiker hinterfragen, ob eine kategoriale Diagnostik, bei der eine Ja-oder-Nein-Entscheidung getroffen wird, sinnvoll ist. Sie führen an, dass Merkmale wie Konzentrationsfähigkeit, Impulsivität oder das Bedürfnis nach körperlicher Aktivität auf einem Kontinuum angeordnet werden können und jeder Cut-off-Wert, der zwischen klinisch auffälligem und normalem Verhalten unterscheiden soll, etwas Willkürliches an sich hat.