Aeneis - Vergil - E-Book

Aeneis E-Book

Vergil

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Beschreibung

mehrbuch-Weltliteratur! eBooks, die nie in Vergessenheit geraten sollten. Unverkennbar lehnt sich Vergil an sein großes Vorbild Homer an: Wie dieser den Trojanischen Krieg und die Reisen des Odysseus besingt, so schildert Vergil die Abenteuer des trojanischen Fürstensohns Aeneas. Nach jahrelanger Irrfahrt, Widrigkeiten durch feindlich gesinnte Götter, einer unglücklichen Liebe und zahlreichen Kämpfen wird Aeneas König der Latiner, eines Volks am Tiber, von dem später Romulus und Remus, die eigentlichen Gründer Roms, abstammen.

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Aeneis

Vergil 

Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Erster Gesang
(Erster Gesang)
Zweiter Gesang
(Zweiter Gesang)
Dritter Gesang
(Dritter Gesang)
Vierter Gesang
(Vierter Gesang)
Fünfter Gesang
(Fünfter Gesang)
Sechster Gesang
(Sechster Gesang)
Siebenter Gesang
(Siebenter Gesang)
Achter Gesang
(Achter Gesang)
Neunter Gesang
(Neunter Gesang)
Zehnter Gesang
(Zehnter Gesang)
Elfter Gesang
(Elfter Gesang)
Zwölfter Gesang
(Zwölfter Gesang)
Impressum

Inhalt

Erster Gesang

  

Äneas, im siebenten Jahre nach Trojas Zerstörung umherirrend, wird auf der Fahrt von Sicilien nach Italien durch einen Sturm, den Juno durch Äolus erregte, mit sieben Schiffen aus der zerstreuten Flotte nach Libyen verschlagen, Juppiter tröstet die Venus durch des Sohns Schicksale und sendet den Mercurius, ihm die neu angesiedelten Carthager zu gewinnen. Dem spähenden Äneas begegnet die Mutter als Jägerin und führt ihn, in eine Wolke gehüllt, nach Carthago, wo er Gesandte von den verlorenen Schiffen und freundliche Aufnahme bei der Königin Dido findet. Statt des gerufenen Ascanius kommt Cupido, durch welchen Dido beim Gastmahl für Äneas entbrennt und die Geschichte seiner Irrfahrten verlangt.

Zweiter Gesang

Aneas erzählt Trojas Untergang. Die zum Schein abziehendem Griechen lassen im Lager ein hölzernes Roß, welches die Troer, durch Sinons Betrug und Laokoons Tod bewogen, in die Stadt aufnehmen. Während des nächtlichen Überfalls ermahnt Hector im Traum den Äneas, mit den Götterbildern zu entfliehen. Aneas stürzt dennoch in den Kampf, aber umsonst. Tod des Priamus. Auf der Venus Geheiß kehrt Äneas zum Vater zurück, rettet die Götter und die Seinigen und verliert im Getümmel seine Gattin.

Dritter Gesang

Weitere Erzählung. Aneas, mit zwanzig Schiffen fliehend, wird vom Anbau in Thracien durch ein Wunder geschreckt. Mißdeutung des delischen Orakelspruchs führt ihn nach Creta, wo er seine Bestimmung Italia deutlich erfährt. Weissagung der Harpyien auf den Strophaden. Spiele bei Actium. In Epirus Andromache und der prophetische Helenus, der ihm den Weg vorzeichnet. Fahrt auf Italien zu, die Meerenge vorbei, zu den Cyklopen am Ätna, dann um Sizilien nach Drepanum auf der Westseite, wo Anchises stirbt. Vom Wege nach Italien treibt ihn der Sturm nach Afrika.

Vierter Gesang

Dido vertraut ihrer Schwester Anna ihre Liebe zu Äneas, und denkt an Vermählung, worüber Juno, um den Äneas von Italien zu entfernen, mit Venus unterhandelt. Äneas und Dido auf der Jagd werden durch einen Sturm der Juno in eine Höhle geschreckt. Fama meldet die neue Verbindung dem Gätulerkönig Iarbas, der voll Eifersucht den Vater Juppiter Ammon anruft. Juppiter, zugleich der Schicksalssprüche eingedenk, sendet durch Mercurius dem Äneas Befehl, nach Italien abzugehn. Die heimlichen Zurüstungen merkend, sucht Dido den Äneas durch Vorwürfe und Bitten zu halten, und beschließt, da nichts ihn bewegt, den Selbstmord. Mercurs neue Erscheinung beschleunigt die Abfahrt, worauf die verzweifelnde Dido den gleichsam zu magischem Gebrauch errichteten Scheiterhaufen besteigt und sich des Äneas Schwert in die Brust stößt.

Fünfter Gesang

Äneas, durch Sturm nach Sicilien zum trojanischen Gastfreund Acestes verschlagen, feiert den Todestag des bei Drepanum bestatteten Anchises durch Spiele: Wettrennen zu Schiffe, Wettlauf, Faustkampf, Bogenkampf, Schlachtspiel der Knaben zu Roß. Die Weiber, der Seefahrten müde, und von Juno aufgereizt, werfen Feuer in die Schiffe, die, außer vier verbrannten, Juppiters Regen löscht. Äneas, die Weiber und Schwachen des Volks dort zu lassen geneigt, wird im Traum von Anchises bestärkt, und in Italien mit Hilfe der Sibylla zur Unterwelt zu steigen ermahnt. Nach Erbauung der Stadt Acesta schifft Äneas, von Neptunus begünstigt, nach Italien; auf dieser Fahrt verunglückt der Steuerer Palinurus im Schlaf.

Sechster Gesang

Äneas besucht bei Cumä die Sibylla Deiphobe, die ihm große Kriege weissagt, und zum Gange in die Unterwelt einen goldenen Zweig und Entsündigung wegen des toten Misenus fordert. Als Äneas die Bäume zur Bestattung fällt, zeigen ihm Tauben den Zweig, womit er samt der Sibylla am Avernus hinabsteigt. Vorn mancherlei Grauengestalten. Dann Seelen um Charons Boot, darunter umgekommene Freunde und Palinurus. Nach der Überfahrt: Cerberus; Kinderseelen; unschuldig Verurteilte; Selbstmörder, unglücklich Liebende, mit Dido; edle Krieger, samt Deiphobus. Links den Schlund des Tartarus mit gepeinigten Verbrechern lassend, gehen sie rechts zu Plutos Palast, wo Äneas den Zweig anheftet; dann zu den Frommen in Elysium. Anchises zeigt dem Sohne die Seelen seiner Nachkommen in Alba und Rom bis zu Augustus und Marcellus, und giebt ihm Rat über die bevorstehenden Kriege. Rückkehr durch die elfenbeinerne Pforte. Äneas fährt nach Cajeta.

Siebenter Gesang

Nach Bestattung seiner Amme Cajeta fährt Äneas das Land der Circe vorbei und läuft in den Tiberis, an dessen östlichem Ufer, im Lande des laurentischen Königs Latinus, er aussteigt. Des Latinus Tochter Lavinia war vom Schicksal einem Fremdlinge bestimmt, aber von der Mutter Amata dem Tutulerkönige Turnus verheißen worden. Die Weissagung der Harpyien wird erfüllt. Äneas bittet, während er sich verschanzt, durch Gesandte den Latinus um Aufnahme in sein Reich; der König bewilligt das Gesuch, und beut ihm die Tochter zur Gemahlin. Allecto, von Juno gereizt, entflammt die Amata und den Turnus zur Wut, und erregt einen Kampf der Troer und der laurentischen Hirten. Umsonst widersetzt sich Latinus der Kriegserklärung; Juno selbst entriegelt die Januspforten, und mit Turnus vereinigen sich die benachbarten Völker. Verzeichnis derselben.

Achter Gesang

Turnus ordnet den Krieg in Laurentum. Gesandtschaft an Diomedes um Beistand. Äneas schifft auf des Stromgottes Tiberinus Geheiß zum ausgewanderten Arkadierkönig Euander in Pallanteum, wo künftig Rom gebaut werden sollte, und trifft ihn am Jahrfeste des Herkules, der den Cacus erlegt hatte. Euander giebt ihm vierhundert Reiter mit dem Sohne Pallas zu Hilfe; und Äneas, einen Teil der Seinigen auf dem Strome zurücksendend, geht mit dem anderen, auf Euanders Rat, zu den Etruskern, die, nach Verjagung des Tyrannen Mezentius, einen auswärtigen Führer suchten. Unterdes hatte ihm auf Bitte der Venus Vulkanus Waffen geschmiedet, welche nahe vor dem etruskischen Lager ihm Venus bringt. Beschreibung des Schildes.

Neunter Gesang

Turnus zieht in Äneas Abwesenheit gegen das trojanische Lager; als er die Schiffe verbrennen will, werden sie in Meernymphen verwandelt. In der Nacht übernehmen es Nisus und Euryalus, dem Äneas die Gefahr zu melden, und kommen um. Am Morgen stürmt Turnus das Lager. Erste Kriegsthat des Ascanius. Pandarus und Bitias öffnen das Thor und morden die eindringenden Rutuler. Der heraneilende Turnus erlegt den Bitias, und, von Pandarus im Lager eingeschlossen, auch ihn; doch endlich, da die Menge ihn überwältigt, weicht er nach der Seite des Stroms und schwimmt zu den Seinigen.

Zehnter Gesang

Juppiter schwört, nachdem er Venus und Juno umsonst zur Friedfertigkeit ermahnt hat, daß er ohne Teilnahme den Krieg dem Schicksal überlasse. Fortdauernde Bestürmung des trojanischen Lagers. Unterdes kehrt Äneas aus Etrurien mit Hilfsvölkern in dreißig Schiffen zurück. Die aus Schiffen gewordenen Nymphen melden ihm den Zustand der Seinigen. Kaum gelandet, wird er von den Rutulern angegriffen. Pallas fällt durch Turnus. Indem der rächende Äneas die Feinde schlägt, bricht Ascanius aus dem Lager hervor. Den Turnus der Gefahr zu entziehn, stellt ihm Juno ein Luftbild des Äneas dar; und da er das fliehende in ein Schiff verfolgt, reißt sie das Seil ab und führt ihn ans Ufer von Ardea. Mezentius und sein Sohn Lausus von Äneas erlegt.

Elfter Gesang

Denkmal des erschlagnen Mezentius. Der Leichnam des Pallas wird dem Vater gesandt. Waffenstillstand und Bestattung der Toten. Venulus meldet der Ratsversammlung die Weigerung des Diomedes, und Latinus ist zu Friedensvorschlägen geneigt. Turnus, von Drances gereizt, erbietet sich zum Zweikampf mit Äneas. Auf die Nachricht, daß Äneas anrücke, eilt alles zur Verteidigung. Als Turnus hört, daß die feindliche Reiterei durch die Ebene, und das Fußvolk mit Äneas über die Bergseite vordringe, schickt er jenen die Camilla und den Messapus entgegen, und erwartet selbst den Äneas im Hinterhalt. Diana, welche den Tod ihrer Camilla vorhersieht, sendet als Rächerin die Nymphe Opis. Reiterschlacht. Arruns, der Camilla Mörder, wird von Opis erlegt. Die durch den Verlust der Camilla erschrockenen Rutuler fliehn zur Stadt. Turnus, um zu retten, verläßt den Hinterhalt; Äneas folgt. Weil die Nacht einbricht, verschanzen sich beide vor der Stadt.

Zwölfter Gesang

Turnus, durch die Mutlosigkeit der Latiner bewogen, dringt auf den Zweikampf, wie sehr auch Latinus und Amata ihn zurückhalten. Äneas willigt ein, der Kampfraum wird geordnet, und der Vertrag von Äneas und Latinus beschworen. Juturna, des Turnus Schwester, erregt die Rutuler zu Feindseligkeit; Äneas wird, da er besänftigen will, verwundet und weggeführt; Turnus nimmt teil am Gefecht. Äneas, durch Venus geheilt, kehrt in die Schlacht zurück und sucht den Turnus, welchen Juturna in Gestalt des Wagenlenkers ihm entzieht. Müde des Aufsuchens, bestürmt Äneas die Stadt. Amata erhenkt sich. Dies erfahrend, stellt sich Turnus zum Zweikampf. Der Sieger Äneas, schon zum Mitleid bewegt, erblickt das dem Pallas entrissene Gehenk und tötet ihn.

Erster Gesang

Äneas, im siebenten Jahre nach Trojas Zerstörung umherirrend, wird auf der Fahrt von Sicilien nach Italien durch einen Sturm, den Juno durch Äolus erregte, mit sieben Schiffen aus der zerstreuten Flotte nach Libyen verschlagen, Juppiter tröstet die Venus durch des Sohns Schicksale und sendet den Mercurius, ihm die neu angesiedelten Carthager zu gewinnen. Dem spähenden Äneas begegnet die Mutter als Jägerin und führt ihn, in eine Wolke gehüllt, nach Carthago, wo er Gesandte von den verlorenen Schiffen und freundliche Aufnahme bei der Königin Dido findet. Statt des gerufenen Ascanius kommt Cupido, durch welchen Dido beim Gastmahl für Äneas entbrennt und die Geschichte seiner Irrfahrten verlangt.

           

Waffen

ertönt mein Gesang und den

Mann

, der vom Troergefild' einst Kam, durch Schicksal verbannt, nach Italia und der Laviner Wogendem Strand. Viel hieß ihn in Land'

umirren

und Meerflut Göttergewalt, weil dau'rte der Groll der erbitterten Juno;

5

 

Viel auch litt er im Kampf, bis die Stadt er gründet' und Trojas Götter nach Latium führte: woher der Latiner Geschlecht ward, Und albanische Väter, und du, hochragende Roma.

Muse, des Grolls Ursachen verkünde mir, welches Gebotes Kränkung die Königin reizte, daß, so viel kreisendes Unheil,

10

 

Sie den frömmeren Mann, so viel zu erdulden der Mühsal, Drängte mit Zwang. So groß glüht himmlischen Seelen der Zorn auf?

Uralt blühte die Stadt, die Tyrier bauten, Carthago, Gegen das Italerland fernhin und gegen des Tibers Mündungen, reich an Gewalt, und zu Kriegsanstrengungen trotzig;

15

 

Die, wie man sagt, sich Juno vor allen Landen des Erdreichs, Selbst vor Samos erkor. Hier ruhete jener die Rüstung, Hier das Gespann; daß hier Obherrschaft throne den Völkern, Werd' es vom Schicksal vergönnt, war jetzt schon ihr Streben und Sehnen. Aber ein fernes Geschlecht, aus troischem Blute geleitet,

20

 

Hörete sie, werd' einst

umkehren

die tyrischen Burghöhn; Dorther stammendes Volk, weitherrschend, und stolz der Bekriegung, Komme zu Libyas Sturz: so roll' es die Spindel der Parcen. Dessen besorgt war Juno; zugleich des vorigen Krieges Dachte sie, welchen vor Troja zur Gunst sie geführet den Grajern.

25

 

Noch nicht waren dem Geiste des Zorns Ursachen entfallen Und der erbitterte Schmerz; tief bleibt in der Seele bewahret Paris richtender Spruch und die Schmach der beleidigten Schönheit, Samt dem verhaßten Geschlecht, und wozu Ganymedes geraubt sei. Durch dies Alles entbrannt, warf über die Flut sie die Troer,

30

 

Was vor der Danaerwut nachblieb und dem grimmen Achilles, Daß sie von Latium ferne sie hielt'; und viele der Jahre Irrten, vom Schicksal verfolgt, sie umher durch alle Gewässer. So mühseliges Werk war des römischen Volkes Errichtung.

Kaum zu der Höhe des Meers vom Gesicht des siculischen Landes

35

 

Segelten froh sie dahin, mit dem Erz aufwühlend den Salzschaum; Als Saturnia so, mit unheilbarer Wunde des Herzens, Bei sich sprach: Ich sollte besiegt abstehen vom Vorsatz Und von Italia nicht fern halten den teucrischen König? Ha, mir verbeut das Geschick. Hat Pallas mit Glut der Argiver

40

 

Flotte zu tilgen vermocht und sie selbst in die Wogen zu senken, Blos weil Ajax gefrevelt, der rasende Sohn des Oileus? Selbst, aus Gewölk herschwingend des Donnerers reißende Flamme, Schlug sie die Schiff' auseinander und regt' im Orkane die Wog' auf; Ihn, der hell ausdampft' aus durchschmettertem Busen den Gluthauch,

45

 

Hob sie im Wirbel empor und spießt' an ein scharfes Gestein ihn. Aber ich, die einher der Unsterblichen Königin wandelt, Juppiters Schwester und Weib, mit dem einzigen Volke so endlos Führ' ich den Streit! Wird

einer

hinfort anbeten der Juno Macht? wird

einer

mit Flehn dem Altar auflegen Verehrung?

50  

Als mit entflammeter Brust Saturnia solches geredet, Jetzt in der Stürm' Heimat, die geschart durchraset der Auster, Kam nach Äolia sie, wo in räumiger Höhle der König Äolus kämpfende Wind' und laut aufbrausende Wetter Zähmt durch strengen Befehl und in Band' einschließet und Kerker.

55

 

Jen', unmutigen Sinns, umdrohn mit hohlem Gemurmel Laut ihr Felsenverschloß. Hoch sitzt auf der Zacke besceptert Äolus, sänftigt den Geist und stillt des Zornes Empörung. Thät' er es nicht, Meerwogen und Land' und Tiefen des Himmels Rafften sie traun im Orkane dahin und durchstäubten die Lüfte.

60

 

Doch der allmächtige Vater verbarg sie in dunkeler Felskluft, Dessen besorgt, und den Wall hochtürmender Berge darüber Legt' er und gab den König, der bald nach sicherer Satzung Bändigen könnte den Lauf und bald nach Geheiß sie entzügeln. Diesem nahete jetzt mit flehenden Worten die Göttin:

65  

Äolus, dir ja gewährte der Götter und Sterblichen Vater, Einzuschläfern die Flut und wieder im Sturm zu erheben: Schau, ein mir feindliches Volk durchwallt den tyrrhenischen Spiegel, Ilion trägt's nach Italia hin und besiegte Penaten, Rege die Winde mit Macht und versenke die Schiff' in den Strudel,

70

 

Oder zerstreu' sie umher und mit Leichnamen decke den Abgrund! Vierzehn hab' ich der Nymphen von auserlesener Schönheit. Welche davon vorraget an Lieblichkeit, Deiopea Sei dir in Ehe gesellt, als eigene Lagergenossin, Daß für solches Verdienst mit dir sie die Jahre der Zukunft

75

 

Leb' und zum Vater dich mache von lieblichen Söhnen und Töchtern.

Äolus also darauf: Dir, Königin, sei, was du wünschest, Auszuspähn nur Geschäft, mir ziemt, den Befehl zu vollführen. Du hast diese Gewalt, du Juppiters Huld und den Scepter Mir ja verschafft; du gönnst, an dem Schmaus zu liegen mit Göttern;

80

 

Durch dich ward ich der Stürm' und der Witterungen Beherrscher.

Sprach's und zum hohlen Gebirg' hinwendend die Spitze, Schlug' er die Seit'; und die Wind' in tummelndem Schwarm, wo sich Ausgang Öffnete, stürzen hervor und durchwehen die Lande mit Wirbeln. Rasch umziehn sie das Meer und ganz aus dem untersten Grund' auf

85

 

Wühlen es Eurus und Notus zugleich, und, von Regen umschauert, Africus, daß hochher das Gewog' anrollt zu den Ufern. Plötzlich erschallt der Männer Geschrei und der Taue Gerassel, Und die umhüllende Wolk' entreißet den Tag und den Himmel Schnell aus der Teucrer Gesicht; auf der Flut liegt düsteres Nachtgraun.

90

 

Ringsum donnert der Pol, und von Leuchtungen zucket der Äther, Und andrängenden Tod verkündiget alles den Männern.

Schleunig sind dem Äneas gelöst von Schauer die Glieder, Und er erseufzt, und beide die Hand' aufstreckend zur Sternbahn, Hebet er also den Ruf: O dreimal selig und viermal,

95

 

Denen vor Trojas Mauern im Angesichte der Väter Nahte das Ziel. Hochherzigster du des Danaervolkes, Daß ich, o Tydeus Sohn, nicht auch in den ilischen Feldern Fallen konnt' und den Geist durch deine Rechte verhauchen! Wo dem Geschoß des Achilles erlag der trotzige Hector,

100

 

Wo der große Sarpedon, wo Simois wild in dem Strudel Helm' und Schilde der Männer und tapfere Leichname hinrollt.

Während er so wehklaget, da saust ihm entgegen der Nordsturm, Schlägt ihm das Segel zurück und die Flut zu den Sternen erhebt er. Ruder an Ruder zerkracht; vorn dreht sich das Schiff und den Wogen

105

 

Giebt es die Seit'; und es stürzt das gebrochene Wassergebirg' ein. Dort nun schweben sie hoch auf der Flut, dort sinkenden öffnet Tief die zerlechzende Woge das Land, und es siedet der Schlamm auf. Drei dort rafft und entschwingt auf verborgene Felsen der Südwind, Felsen im Mittel des Meers, die ein Riff der Segeler nennet,

110

 

Schrecklich am Saum aufstarrend der Flut. Drei treibet der Ostwind Auf Untiefen und Syrten, ein mitleidswürdiger Anblick, Malmt sie hinein in den Abgrund und häuft umhügelnde Sandhöhn. Eines, das Lycierfreund hertrug und den treuen Orontes, Faßt ihm selbst vor den Augen ein hoch anrauschender Meerschwall,

115

 

Schlägt auf das Steuer mit Macht und entschüttelt im Schwung den Piloten Häuptlings hinab vom Verdeck; doch es reißt dreimal in die Runde Wirbelnd die Woge das Schiff und verschlingt's in den strudelnden Abgrund. Rings nun schwimmen umher sparsam in unendlicher Meerflut Waffen des Kriegs und Gebälk' und troische Schätz' durch die Brandung.

120

 

Schon des Ilioneus Schiff, das gewaltige, schon des Achates, Auch das den Abas geführt und geführt den bejahrten Aletes, Bändigt der Sturm; und die Fugen gelöst des gewölbeten Rumpfes, Lassen sie feindlichen Guß eingehn durch lechzende Spalten.

Unterdes, daß empört machtvoll aufbrauset die Meerflut,

125

 

Und entfesselt der Sturm, gewahrte Neptunus und tiefauf Gähren die Sümpfe des Grunds, und heftig beweget, hervor nun Schaut er im Meer und erhub sein friedliches Haupt aus den Wassern. Ringsum sieht er die Flott' in den Wogen zerstreut dem Äneas, Und von der Flut die Troer umtobt und dem Sturze des Himmels.

130

 

Nicht auch verkannte der Bruder den Zorn und die Ränke der Juno. Zephyrus rief er und Eurus heran; drauf redet er also:

So weit hat euch geführt die Vermessenheit eures Geschlechtes? Himmel und Erde sogar selbst ohne Befehl eures Herrschers, Wagt ihr zu mischen, o Wind', und solchen Tumult zu erheben?

135

 

Ha, ihr sollt . . ! Doch das Getöse der Flut zu bezähmen ist besser. Traun, nicht büßt ihr hinfort mit ähnlicher Strafe den Frevel! Eilt mir in schleuniger Flucht und sagt dies euerem König: Nicht

ihm

gab die Verwaltung des Meers und den furchtbaren Dreizack, Sondern

mir

selbst das Geschick. Er herrscht in dem grausigen Felsraum,

140

 

Den ihr, Eurus, bewohnt; dort üb' im Palaste den Hochmut Äolus, und in der Winde verschlossenem Kerker gebiet' er!

Sprach's, und schnell, wie er sprach, war die schwellende Woge beruhigt, War das Gewühl der Wolken verscheucht und die Sonne gekläret. Auch Cymothoe müht, es müht sich auch Triton, zu schieben

145

 

Ab von dem Felsen die Schiff'. Selbst lichtet der Gott mit dem Dreizack, Öffnet durch Sand und Watten die Bahn und stillet die Meerflut; Und auf schwebendem Wagen durchrollt er die wallende Fläche. Wie wenn in großer Versammlung des Volks sich manchmal ein Aufruhr Hebt und in Grimm anrast der niedrig gesinnete Pöbel;

150

 

Schon sind Bränd' und Steine geschnellt; Wut bietet die Waffen; Wenn dann etwa ein Mann, durch Verdienst ehrwürdig und Tugend, Vortritt, schweigen sie all' und stehn mit gespanneten Ohren; Jener bezähmt durch Worte den Geist und heilet den Mißmut: Also sank das Getöse der Brandungen, als, in die Meerflut,

155

 

Mild vorschauend, der Vater die Ross' am geläuterten Himmel Lenkte zur Fahrt und im Flug' auf entzügeltem Wagen daher fuhr.

Doch des Äneas Schar, die ermüdete, eilet den nächsten Strand zu erreichen im Lauf, und zur Libyergrenze gelangt sie. Weit ist zurückgebogen ein Ort, den zum Hafen ein Eiland

160

 

Durch vorliegende Seiten erschafft, wo gebrochen des Meeres Woge zerschellt und hinein in die krümmenden Busen sich spaltet. Links dort drohen und rechts unförmliche Klippen und zwiefach Starrende Felsen empor, woran weit unter den Höhen Ruht die gesicherte See; auch die Ansicht schaudernder Wälder

165

 

Ragt, und schwarzes Gehölz hochher mit grauser Beschattung. Grad' entgegen gewandt ist eine gewölbete Felskluft, Drin süßquellende Flut und Bänk' aus lebendem Felsen; Nymphen zur Wohnung geweiht. Dort hält die ermüdeten Schiffe Gar kein Tau, noch hemmt sie mit hakigem Bisse der Anker.

170

 

Dorthin kommt Äneas, der sieben Schiff' aus der ganzen Menge zusammen gebracht. Sehnsüchtig begehrend zu landen, Steigen die Troer hervor, das ersehnete Ufer gewinnend, Lagern dann am Gestade von Salz hinschmachtende Glieder.

Jetzo dem Kiesel zuerst entschlug den Funken Achates,

175

 

Fing in trockene Blätter die Glut, auch trockene Nahrung Fügt' er umher und schwang in dem glimmendem Reisig die Flamme. Ceres Geschenk, von der Woge verletzt, und Geräte der Ceres Langen die Mattgequälten hervor; den geretteten Vorrat Rösten sie schnell an den Flammen und drehn die zermalmenden Steine.

180  

Aber Äneas indes erklimmt den Felsen und ringsum Sendet er spähenden Blick in das Meer hin, ob er wo Antheus Schaue verschlagen vom Sturm, und Phrygierbarken, ob Capys, Oder die ragende Wehr am Hinterdeck des Caicus. Nirgend erscheint vor den Augen ein Schiff; drei irrende Hirsche

185

 

Nimmt er wahr am Gestad', auch folgt das sämtliche Rudel Hinterwärts und durchäset in langem Zuge die Thäler. Hier sich stellend, ergreift er die fliegenden Pfeil' und den Bogen Schnell mit der Hand; ihm trug das Geschoß sein treuer Achates. Selbst die Führer zuerst, die hoch mit geästeten Häuptern

190

 

Prangeten, streckt er dahin; dann niederes Volk, und verwirrend Treibt er umher mit Geschossen den Schwarm durch buschiges Dickicht. Und nicht ruht er zuvor, bis er sieben gewaltige Leiber Siegreich warf in den Staub und die Zahl gleich machte den Schiffen. Dann zum Hafen gekehrt, verteilt er sie allen Genossen.

195

 

Weine darauf, in Krüge gefüllt von dem guten Acestes Am trinacrischen Strand', und geschenkt vom Helden zum Abschied, Spendet er aus und tröstet die sorgenden Herzen mit Zuspruch:

Freunde, wir sind ja bisher nicht ganz unkundig des Leidens! O die ihr Schwereres trugt, auch dies wird enden die Gottheit.

200

 

Selbst der scylläischen Wut seid ihr, und der Würgerin graunvoll Hallenden Klippen genaht; ihr habt die cyclopischen Felsen Kennen gelernt. Faßt wiederum Mut und den zagenden Kummer Bändigt. Künftig vielleicht ist des auch zu denken behaglich. Durch vielfältige Not, durch manche Gefahr der Entscheidung,

205

 

Eilen wir Latium zu, wo ruhige Sitze das Schicksal Darbeut. Dort soll wieder das Reich aufblühen von Troja. Ausgeharrt und euch selbst glückseligen Tagen bewahret!

Also redet er Held, und von heftigen Sorgen geängstigt. Zeigt er Hoffnung im Blick, tief birgt er den Gram in der Seele.

210

 

Jene beschicken die Beute der Jagd und ordnen den Festschmaus. Einige ziehn von den Rippen die Haut und entblößen die Glieder; Andre zerschneiden das Fleisch, und das zitternde schwebt an den Spießen: Eherne Kessel stellt mancher am Strand', und pfleget des Feuers. Jetzo erquickt die Speise das Herz, und im Grase gelagert,

215

 

Werden des altenden Weines sie satt und des saftigen Wildprets. Als sie mit Kost den Hunger gezähmt und entfernet die Tafeln, Werden bedaurt in langem Gespräch die verlorenen Freunde: Schwankend in Furcht und Hoffnung erwägt man, ob sie noch leben, Ob sie dem Ende genaht, und nicht mehr hören den Zuruf.

220

 

Aber es klagt Äneas am zärtlichsten, tapfrer Orontes, Dein und des Amycus Los, auch des Lycus grausames Schicksal Weinet er, Gyas den starken zugleich und den starken Cloanthus.

Schon war geendet die Klag', als Juppiter hoch in dem Äther Auf das besegelte Meer hinschaut' und die ruhenden Länder,

225

 

Auf die Gestad' und die Völker umher, und vom Gipfel des Himmels, So wie er stand, hinsenkte zu Libyas Reichen die Blicke. Weil sein waltendes Herz von solcherlei Sorgen gedrängt war, Nahte betrübt und genetzt die glänzenden Augen von Wehmut, Venus und sprach: O der du, was Sterbliche schaffen und Götter,

230

 

Lenkst durch ewige Macht und mit donnerndem Strahle sie schreckest, Was hat mein Äneas an dir so Großes zu freveln, Was die Troer vermocht: daß, nach so viel Wehe den Duldern Ganz noch der Erd' Umkreis Italias wegen gesperrt wird? Dorther würden Romaner dereinst, mit den kreisenden Jahren,

235

 

Dorther Führer entstehn aus erneuetem Blute des Teucrus, Welche mit Allherrschaft durch Meer und Länder geböten, Sagtest du. Welch ein Entschluß hat dich, o Erzeuger, gewendet? Hieraus, wann mich betrübte der Fall der gesunkenen Troja, Schöpft' ich Trost, abwägend das Schicksal gegen das Schicksal.

240

 

Jetzo verfolgt die so lange mit Unglück ringenden Männer Stets Unglück. Wann setzst du ein Ziel, Weltherrscher, dem Elend? Konnte ja doch Antenor, dem Schwarm der Achiver entronnen, Tief zur illyrischen Bucht und dem innersten Reich der Liburner Eingehn ohne Gefahr und umlenken den Quell des Timavus:

245

 

Wo er, mit dumpfem Getöse des Bergs, neun Schlünden entrollend, Geht zu brechen das Meer und den Schwall an die Felder emporbraust. Dennoch gründete jener Pataviums Stadt und der Teucrer Wohnungen dort, gab Namen dem Volk und weihete Trojas Rüstungen; Friede nunmehr und behagliche Ruhe beglückt ihn.

250

 

Wir, dein eignes Geschlecht, die zur himmlischen Burg du erhöhn willst, Werden der Schiff' (o entsetzlich!) beraubt und dem Zorne der

Einen

Bloß gestellt und so weit von den Italerlanden entfernet. Das ist der Frömmigkeit Lohn? so kehrt uns wieder die Herrschaft?

Ihr nun lächelte mild der Menschen und Ewigen Vater,

255

 

So wie sein Antlitz Himmel und Witterungen erheitert, Und sanft naht' er der Tochter zum Kuß, dann redet er also:

Banne die Furcht, Cytherea; dir bleibt der Deinigen Schicksal Stets unverrückt; schaun wirst du die Stadt und Laviniums Mauern, Die ich verhieß, und erheben den großgesinnten Äneas

260

 

Hoch zu dem Äthergestirn; nicht hat mein Entschluß sich geändert. Er (denn ich kündige dir's, weil noch die Sorge dich naget, Und aus der Fern' aufroll' ich die dunkelen Gänge des Schicksals) Führt einst schrecklichen Krieg in Italia, trotzige Völker Bändigt er und ordnet Gesetz und Mauern den Männern:

265

 

Bis drei Sommer den König in Latium walten gesehen, Und dreimaliger Frost dem bezwungenen Rutuler hinfloh. Aber Ascanius drauf, der jetzt den Namen Iulus Führet, Ilus vordem, als machtvoll Ilios herrschte, Wird durch dreißig Kreise der monatrollenden Jahre

270

 

Weit das Gebiet ausdehnen und weg vom Sitze Lavinums Heben das Reich zur

langen

mit Kraft befestigten

Alba

. Drei Jahrhunderte nun wird dort verwaltet die Herrschaft Vom hectorischen Stamm, bis die Priesterin, Tochter des Königs, Ilia, schwanger von Mars, ein Zwillingspaar auf die Welt bringt.

275

 

Froh mit gelblicher Hülle der säugenden Wölfin sich deckend, Wird nun Romulus erben das Volk und mavortische Mauern Aufbaun und die Romaner nach eigenem Namen benennen. Deren Gewalt soll weder ein Ziel mir engen noch Zeitraum; Endlos daure das Reich, das ich gab. Ja die eifernde Juno,

280

 

Die nun Meer und Länder mit Furcht und den Himmel beängstigt, Wird zum Besseren wenden das Herz und begünstigen gleich mir Romas Volk, die Gebieter der Welt, die Togaumwallten. Also gefällt's. Einst kommt mit den schlüpfenden Zeiten das Alter, Wann des Assaracus Haus der berühmten Mycen' und der Phthia

285

 

Knechtisches Joch auflegt und siegreich schaltet in Argos. Dann aus schönem Geschlecht wird blühn der trojanische Cäsar, Der zu den Sternen den Ruhm, zum Oceanus dehnet die Herrschaft. Julius, also benannt vom edelen Ahnen Iulus. Diesen mit östlicher Beute Beladenen wirst du gesichert

290

 

Einst im Himmel empfahn; dann rufen auch ihm die Gelübde. Jetzt wird, ruhend vom Streit, das rauhere Alter sich mildern. Vesta, die grauende Treu, und Remus vereint mit Quirinus, Geben Gesetz. Doch gesperrt mit Eisen und zwängenden Klammern Stehn die gräßlichen Pforten des Kriegs; wild drinnen auf Waffen

295

 

Sitzet die frevelnde Wut, wo in hundert ehernen Fesseln Jen' auf den Rücken geschnürt, graunvoll knirscht blutigen Mundes.

Juppiter sprach's, und er sendet den Sohn der Maja vom Himmel, Daß sich öffnen die Land' und die Burg der neuen Carthago Gastlich dem teucrischen Volk, und nicht, unkundig des Schicksals,

300

 

Dido die Grenze verwehr'. Er entfleugt durch die luftigen Räume Mit hinrudernder Schwing' und betritt schnell Libyas Ufer. Schon ist bestellt das Gebot, schon sind sanftmütig der Pöner Trotzige Herzen dem Gott. Vor allen die Königin heget Ruhigen Sinn im Busen und Freundlichkeit gegen die Troer.

305  

Aber der fromme Äneas erwägt gar vieles die Nacht durch; Jetzt, wie das heilige Licht sich erhob, ausgehend die neuen Gegenden auszuforschen, an welche Gestad' er gebracht sei, Wer sie bewohn' (Einöde ja scheint's), ob Menschen, ob Raubwild, Dies zu erspähn, und den Freunden genau zu berichten, beschließt er.

310

 

Als er die Flott' im Gewölbe des Hains, an gehöhleter Felswand, Unter der Bäume Verschloß ringsher und grauser Umschattung, Sicherte, wandelt er selbst, nur allein von Achates begleitet, Zwei Wurfspeer' in der Hand, die breit vorschimmerten, schwenkend.

Noch in der Mitte des Walds begegnete jenem die Mutter,

315

 

Jungfraun gleich an Tracht und Gestalt und gewaffnet wie Jungfraun, Spartische; oder wie rasch Harpalyce, Thracias Heldin, Spornet die Ross' und in Eile dem stürzenden Hebrus zuvorrennt. Denn nach der Jägerin Art, das bequeme Geschoß um die Schultern, Ging sie einher, darbietend das Haar dem zerstreuenden Winde,

320

 

Nackend das Knie und im Knoten die fließenden Schöße gesammelt. Heda, rief sie zuerst, sagt, Jüngling, ob ihr vielleicht hier Meiner Gespielinnen eine gesehn, die irrend umherging, Schön mit dem Köcher geschürzt und dem Fell des fleckigen Luchses, Oder ob schreiend im Lauf sie hemmte den schäumenden Eber.

325  

Venus sprach's, und darauf gab Venus' Sprößling die Antwort: Deiner Gespielinnen keine vernahm ich oder ersah ich, O, wie nennt dich mein Wort, Jungfrau? Nicht zeigt ja dein Antlitz Sterbliches, noch tönt menschlich die Stimme dir: Göttin, o wahrlich! Schwester des Phöbus vielleicht, zum wenigsten eine der Nymphen!

330

 

Wer du auch bist, sei gnädig und schaff' uns leichter die Arbeit; Und, was doch für ein Himmel uns deckt, welch Ende der Welt uns Schweifende birgt, sag' an. Unkundig der Ort' und der Männer, Irren wir um, die Wind und geschwollene Woge dahertrieb. Dir am Altar soll häufig mein Arm hinstrecken das Opfer.

335  

Venus darauf: Nicht schätz' ich so herrlicher Ehre mich würdig; Ist doch, Köcher zu tragen, Gebrauch den tyrischen Jungfraun, Und mit dem Purpurcothurne sich hoch die Wade zu gürten. Tyrier schaust du und Pönergebiet und die Stadt des Agenor; Doch sind's Libyergrenzen, ein Volk unnahbar im Kriege.

340

 

Dido waltet des Reichs, die vertrieben vom Bruder, aus Tyros Hierher floh. Lang ist die Beleidigung, lang der Erzählung Umschweif; doch ich erzähle dir kurz die wichtigsten Thaten. Ihr war einst Sychäus vermählt, an phönicischen Auen Überreich, und der Armen in herzlicher Liebe vereinigt,

345

 

Dem sie der Vater zur Braut, die noch jungfräuliche Tochter, Festlich geweiht. Doch der Bruder Pygmalion übet in Tyros Obergewalt, ein Frevler durch schreckliche Greuel verrufen. Bald nun trennete Wut die Erbitterten. Auf den Sychäus Zuckt am Altar der Entweiher, von Gier nach Golde geblendet,

350

 

Zu heimtückischem Morde den Stahl, um die Liebe der Schwester Sorglos. Lange verhehlt' er die That; voll heuchelnder Arglist Täuscht' er der Liebenden Schmerz und log ihr eitele Hoffnung. Aber im Schlummer erschien des unbegrabenen Gatten Eigenes Bild; aufhebend in schrecklicher Blässe das Antlitz,

355

 

Zog er den grausen Altar und die Brust vom Stahle durchbohret, Hell ans Licht, den geheimen Verrat des Hauses enthüllend. Flucht zu beschleunigen rät er, und schnell zu verlassen die Heimat, Und zur Hilfe der Fahrt eröffnet er uralte Schätze Unter der Erd', ein Gewicht unerkundeten Goldes und Silbers.

360

 

Dido, bewegt durch solches, bereitete Flucht und Genossen. Viele versammelten sich aus wütendem Haß zum Tyrannen, Viel' aus heftiger Furcht. Was grad' an Schiffen bereit war, Rafft man zusammen, belädt man mit Gold, Pygmalions Schätze Trägt man, des Räubers, zum Meer. Es treibt ein Weib zu der That an.

365

 

Als sie gekommen zum Ort, wo nun die gewaltigen Mauern Sehen du wirst und die wachsende Burg der neuen Carthago, Handelten jene den Grund, von der That jetzt Byrsa benennet, So viel als umspannen die Stierhaut ihnen vermöchte. Doch wer seid denn

ihr?

aus welcherlei Gegenden kommt ihr?

370

 

Wohin lenkt ihr den Weg? – Der Fragenden sagte dagegen Seufzend der Held und tief aus der Brust aufziehend die Stimme: Göttin, o wollt' ich vom ersten Beginn fortgehen zum End' hin, Und du hörtest in Ruh' die Erzählungen unserer Mühsal, Eher wird betten den Tag nach verschlossenem Himmel der Abend.

375

 

Uns, von der grauenden Troja, wofern einst eueren Ohren Trojas Namen erscholl, durch entlegene Meere geführet, Warf mit blinder Gewalt der Orkan an die libyschen Ufer. Ich bin Äneas der fromme, dem Feind entriss'ne Penaten Führ' ich in Schiffen daher, mein Ruhm drang hoch bis zum Äther.

380

 

Heim nach Italia streb ich, zum Stamm, der von Juppiter ausging. Zwanzig Schiffe betrat ich und fuhr durch phrygische Woge, Folgend dem Weg des Geschicks, den die göttliche Mutter mir nachwies. Kaum sind sieben zerschlagne von Sturm und Brandungen übrig. Selbst hier darbend und fremd, durchwander' ich Libyas Wildnis,

385

 

Ich, den Europa verstieß und Asia! – Mehr zu bejammern, Gab nicht Venus ihm Raum und bannt' so redend den Kummer:

(Erster Gesang)

           Wer du auch bist, nicht glaub' ich, verhaßt den himmlischen Göttern Hauchst du belebende Luft, da der Tyrierstadt du genahet. Gehe nur fort und gleich zu der Königin Schwelle begieb dich.390  Wiederkehr der Genossen und glückliche Landung der Flotte Meld' ich dir, die zur Bucht einführte gewendeter Nordwind: Wo nicht Kunde der Vögel umsonst mir gezeiget die Eltern. Schaue die zweimal sechs in dem Zug frohlockenden Schwäne, Die, den ätherischen Höhen entstürzt, erst Juppiters Adler395  Jagt' in entnebelter Luft; nun erdwärts siehst du im Heerzug Teils sie gesenkt, teils nahend auf schon gesenkte herabschaun. So wie der Heimkehr jene sich freun mit rauschenden Flügeln, Wie sie im Schwarm umringten den Pol und Gesange des Jubels, So ist dir auch Flotte sowohl als sämtliche Jugend400  Teils in dem Port, teils naht sie mit schwellendem Segel der Mündung. Gehe nur fort, und gelenkt, wie der Weg dich führet, den Fußtritt.

Sprach's und wendete sich, da erglänzt' ihr rosiger Nacken, Und ambrosischen Locken entatmete süß von dem Scheitel Göttlicher Duft, tief floß das Gewand zu den Füßen hinunter:

405  Und ganz Göttin erschien in dem Gange sie. Als er die Mutter Jetzo erkannt, da verfolgt' er die Scheidende also mit Ausruf:

Was doch dem Sohne so oft, o du auch Grausame, stellst du Täuschende Gaukelgestalt? Warum nicht darf ich genaht dir Hand einfügen in Hand und Wahrheit hören und reden?

410  

Also klaget er an und lenket den Schritt zu den Mauern. Venus aber verbarg die wandelnden Männer in Dunkel Und sie ergoß ringsum dichthüllende Nebel, die Göttin, Daß sie zu schaun nicht einer und nicht zu berühren vermöchte, Oder Verzug darböt' und die Absicht forschte des Kommens.

415  Selbst gen Paphos enteilt sie erhabenen Ganges und schauet Fröhlich den Sitz, wo der Tempel ihr ragt, und mit sabischem Weihrauch Hundert Altär' aufglühn und frische Bekränzungen atmen.

Schleunig indes gehn jene den Gang, wie sie leitet der Fußpfad. Und schon steigen den Hügel sie aufwärts, welcher die Stadt hoch

420  Überragt, und das Antlitz der Burg anschauet von oben. Staunend erblickt Äneas den Bau, einst ländliche Hüttlein, Staunend die Thor' und den Lärm und die langgepflasterten Straßen. Glühender Eifer beseelt die Tyrier; einige führen Mauern zum Baue der Burg und wälzen Gestein mit den Händen;425  Andere wählen den Platz für ein Haus und umziehn ihn mit Furchen. [Richter und Obherrn wählen sie schon und den heiligen Rat aus.] Andere graben den Hafen sich aus, noch andere legen Tief dem Theater den Grund, auch ungeheuere Säulen Haun sie aus Felsen hervor, der werdenden Bühne zum Festschmuck.430  So wie Bienen, wann sommert der Lenz, durch blumige Felder Emsigkeit unter der Sonn' umtreibt, die pflegen des Volkes Aufgewachsene Brut, dort andere häufen des Honigs Klarsten Seim und dehnen mit lauterem Nektar die Speicher, Oder empfahn die Lasten der kommenden, oder in Heerschar435  Wehren sie ab die Drohnen, das träge Vieh, von den Krippen, Rastlos glüht das Gewerb', und Thymian duftet der Honig. O glückseliges Volk, dem schon sich erheben die Mauern, Sagt Äneas und schaut zu den luftigen Zinnen der Stadt auf. Mitten hinein, von Nebel umhüllt (o wunderbar klingend!)440  Dringt er und geht in der Männer Gewühl, doch keiner bemerkt ihn.

Mitten war in der Stadt ein Hain voll fröhlichen Schattens Wo zuerst die von Sturm und Woge geschleuderten Pöner Jenes Zeichen entgruben dem Ort, daß die Königin Juno Bot, ein Haupt vom mutigen Roß: denn so zu Befehdung

445  Tugendlich würd' und leichten Erwerbs viel Jahre das Volk sein. Einen Tempel der Juno erhob die Sidonerin Dido Stattlich allhier, durch Geschenk' und die Macht der Göttin gesegnet. Ehern stieg auf Stufen die Schwell', und eherne Pfosten Ragten empor; dumpf knarrte den ehernen Pforten die Angel.450  Hier zuerst in dem Haine besänftigte neuerer Anblick Jenen die Furch; hier wagte zuerst Äneas die Hoffnung Nahenden Heils und vertraute der Besserung seiner Bedrängnis. Denn als er alles umher im erhabenen Tempel betrachtet, Harrend der Königin dort, da, der Stadt Aufblühen bewundernd,455  Er wetteifernde Hände der Kunst und die Mühe der Arbeit Anstaunt; sieht er gereiht die ilischen Kämpf' in der Ordnung, Jenen Krieg, den der Ruf schon weit ansagte dem Erdkreis, Priamus, Atreus Sohn, und, beiden ergrimmt, den Achilles. Thränend stand er und sprach: O welcher Bezirk ist, Achates,460  Welcher Raum in der Welt nicht voll schon unseres Elends? Schaue den Priamus doch! Auch hier ist Lohn dem Verdienste! Hier sind Thränen dem Leid', und das Herz rührt menschliches Schicksal! Zage nicht mehr, wohl bringt doch einiges Frommen der Ruhm dir!

Also sprach er und weidet die Seel' an der eitelen Bildung,

465  Viel aufseufzend und netzt mit strömender Zähre das Antlitz. Denn er sah, wie im Streit um Pergamos Höhen die Grajer Dorthin flohn, und sie drängte die troische Jugend, und dorthin Phrygier, und mit Gespann nachjagt Achilles im Helmbusch. Nahe dabei erkennt er des Rhesus Zelte mit Wehmut470  Am schneeweißen Gewand, die im ersten verräterischen Schlummer Tydeus Sohn blutgierig mit häufigem Morde verheerte, Und die entflammeten Ross' abwandt' in das Lager, bevor sie Futter im troischen Land und die Flut gekostet des Xanthus. Auch ist Troilus dort, wie er flieht, nach verlorener Rüstung:475  Unglückseliger Knab', ungleich dem Achilles begegnend! Wie das Gespann ihn entführt, wie am ledigen Wagen er rücklings Hängt und die Riemen noch hält, ihm schleift mit dem Halse das Haupthaar Über den Grund, da den Staub die gewendete Lanze bezeichnet. Ohnweit gehn zu dem Tempel der nicht gleichmütigen Pallas480  Ilische Fraun, hinfliegend das Haar, ein Gewand ihr zu bringen, Demutsvoll und traurig, die Brust mit den Händen zerschlagend; Abwärts dreht sich die Göttin und heftet den Blick auf den Boden. Dreimal hatt' er geschleift um die ilischen Mauern den Hector, Und den entseeleten Leib verkauft' er um Gold, der Pelide.485  O wie beklemmt nun seufzet aus innerstem Busen Äneas, Als er Wehr und Gespann, als selbst er die Leiche des Freundes, Als er den Priamus sah wehrlos ausstrecken die Hände! Ja sich selbst in der Schar der achäischen Fürsten erkennt er, Auch eoische Kämpf' und die Waffen des schwärzlichen Memnon.490  Vorn an dem Schwarm Amazonen mit mondlicher Tartsche gebietet Penthesilea voll Wut und umringt von Tausenden flammt sie, Unter geöffneter Brust umschnallt mit goldenem Gürtel, Kriegrischen Muts, und sie waget den Kampf auf Männer, die Jungfrau.

Als dies wundernd betrachtet der Dardanerheld Äneas.

495  Als er erstaunt und ganz wie ein Starrender haftet im Anschaun, Wandelt die Königin her, die an Reiz holdselige Dido, Und ihr folgt zu dem Tempel der Jünglinge großes Geleit nach. Wie an Eurotas' Gestad' und auf luftigen Höhen des Cynthus Tanzende Reihn Diana beseelt, sie umdrängen zu tausend500  Hier Oreaden und dort, wildschwärmende, ihr an der Schulter Hängt das Geschoß, und sie raget im Gang vor den Göttinen allen, Heimlich schwillt der Latona von inniger Wonne der Busen: So war Dido zu schaun, so trat sie mit fröhlichem Antlitz Durch das Gedräng', antreibend das Werk und die künftige Herrschaft.505  Jetzt an der Pforte der Göttin, bedeckt vom Gewölbe des Tempels, Saß sie, mit Waffen umschart, auf des Throns hochragendem Sessel. Urteil sprach sie den Männern und Recht; und die Mühe der Arbeit Teilte sie gleich entweder nach Billigkeit oder nach Losen: Als auf einmal Äneas daher im Getümmel des Zulaufs510  Antheus sieht und Sergestus sich nahn, und den tapfren Cloanthus, Auch der Teucrer noch mehr, die der schwarz herzuckende Wirbel Weit in dem Meere verstürmt und an andere Küsten geschleudert. Innig erstaunt er selber zugleich und innig Achates, Freud' im Herzen und Angst, von Begier, die Hände zu drücken,515  Brennen sie, aber es hält Unkunde den Geist in Verwirrung. Hemmend sich selbst nun, spähn sie im hohlen Gewölk, das sie einhüllt, Welches der Männer Geschick, wo die Flott' am Strande sie ließen, Was ihr Begehr, denn es kommen Erlesene jeglichen Schiffes, Freundlichen Sinn zu erflehn, und sie nahn lautrufend dem Tempel.

520  

Als sie hereingetreten und Anred' ihnen vergönnt war, Hub Ilioneus an, der älteste, ruhigen Herzens:

Königin, welcher die Stadt hier Juppiter neu zu erbauen Und mit Gerechtigkeit gab hochherzige Völker zu mildern, Wir, unglückliche Troer, vom Sturm durch die Meere geschleudert,

525  Flehn dich an: o wehre den gräßlichen Brand von den Schiffen, Schone des frommen Geschlechts, mit gnädigem Blicke betracht' uns. Nicht ja mit Stahl die Penaten der Libyer frech zu verwüsten, Kamen wir, noch zum Gestad' entwendete Beute zu raffen. Nicht so strotzt von Gewalt, nicht so der Besiegte von Dünkel.530  Westlich lieget ein Land, Hesperia nennt es der Grajer, Uralten Ruhms, durch Waffen gelobt und ergiebigen Boden, Einst vom önotrischen Volke bewohnt, nun heißt es, die jüngern Nannten es Italerland, von Italus Namen, des Führers. Dahin segelten wir,535  Als uns plötzlich im Sturm mit Gewog' aufzeigend Orion Trug auf blinden Morast, und mit ganz ungebändigtem Südwind, Brandungen durch, in Empörung des Meers, bahnloses Geklipp durch, Streuete; wir nur kamen an euere Küste geschwommen. Welch ein Menschengeschlecht? wo wird so barbarischer Sitte540  Heimisch zu werden erlaubt? Gastfreundliches Ufer verwehrt man, Stürmend zum Kampf und verbietet des Erdreichs Saum zu betreten! Wenn ihr die Menschheit denn und der Sterblichen Waffen verachtet, Seid doch gewiß, daß Götter für Recht noch sorgen und Unrecht! König war uns Äneas, dem nicht in Gerechtigkeit Einer,545  Nicht in Frömmigkeit je, noch Krieg und Waffen zuvorging. Wenn den Mann das Geschick uns rettete, wenn er des Äthers Hauch noch genießt, und nicht zu den grausigen Schatten hinabsank; Dann unverzagt; auch soll die zuerst wetteifernde Wohlthat Nie dich gereun. Wohl sind auch in Siculergegenden Städte,550  Rüstungen auch, und berühmt aus troischem Stamme Acestes. Aufzuziehn sei vergönnt die von Sturm zerschlagene Flotte, Und im Gehölz uns Balken zu haun und Ruder zu glätten: Wenn uns Italias Fahrt, in der Freunde Verein und des Königs, Wird, daß Italia wir und Latium fröhlich erreichen.555  Doch wenn geschwunden das Heil, und dich, obwaltender Vater, Libysche Woge verschlang, und die Hoffnung erlosch auf Iulus, Laß in Sicanias Sund uns wenigstens und in die Wohnung, Der wir eben entschifft, und zum König' Acestes zurückgehn.

So des Ilioneus Wort; und es murmelte Beifall die ganze

560  Dardanerschar.

Kurz darauf, ihr Antlitz gesenkt, antwortete Dido: Bannt aus dem Herzen die Furcht, und entschlagt euch, Teucrer, des Kummers. Harte Not und die Jugend des Reichs entpreßten mit Zwang mir Solcherlei Rat, ringsher durch Hut zu beschirmen die Grenzen.

565  Wer nicht kennt des Äneas Geschlecht, nicht Ilios Veste, Thaten und Männer zugleich, und den Brand des gewaltigen Krieges? Nein, nicht tragen wir so unempfindliche Herzen, wir Pöner, Nicht so entfernt spannt Sol von der Tyrierstadt das Geschirr an! Ob ihr das große Hesperien nun und saturnische Felder,570  Ob ihr des Eryx Bezirk auswählt und den König Acestes, Werd' ich mit sichernder Hilf' und erfreuendem Gut euch entsenden. Wollt ihr gesellt mir selber euch hier ansiedeln im Lande, Die ich erbau', ist eure, die Stadt. Auf ziehet die Barken, Troer und Tyrier gelte mir gleich ohn' jeglichen Vorzug.575  Wäre doch selbst der König, vom selbigen Sturme gedränget, Euer Äneas allhier! Gleich send' ich Erlesene ringsum An die Gestad' und heiße das äußerste Libyen ausspähn, Ob er in Waldungen irrt, ein Gestrandeter, oder in Städten.

Fröhlich der Red', erhoben den Mut wie der tapfre Achates,

580  So Äneas der Held; und sofort aus der Wolke zu brechen Brannten sie. Schnell zu Aeneas begann sein treuer Achates:

Welcher Entschluß im Herzen, o Sohn der Göttin, erhebt sich? Sicherheit schaust du umher, und Flott' und Freunde gerettet. Einer nur fehlt, der im Schwalle der Flut, wir sahen es selber,

585  Niedersank; sonst alles entspricht den Worten der Mutter.

Kaum dies hatt' er gesagt, als schnell des umwallenden Nebels Hülle zerreißt und gelöst in offenen Äther sich läutert. Siehe da stand Äneas und strahlt' in der Helle des Tages, Hehr an Schulter und Haupt, wie ein Gott; denn die Zeugerin selber

590  Hatt' anmutige Locken dem Sohn und blühender Jugend Purpurlicht und heitere Würd' in die Augen geatmet. So wie das Elfenbein durch Kunst sich verschönet, wie Silber Prangt und parischer Stein in des rötlichen Goldes Umrandung. Drauf zur Königin wandt' er das Wort, und allen ein Wunder,595  Redet' er plötzlich und sprach: Hier schauet mich, welchen ihr suchet, Mich den Troer Äneas, entrafft aus den libyschen Woge. Die du allein dich erbarmend der endlos leidenden Troja, Uns, dem Rest der Danaerwut, da in Meeren und Ländern Alles Geschick wir bereits ausduldeten, darbend an allem,600  Stadt mitteilest und Haus: dir würdigen Dank zu erstattet, Das vermögen wir nicht, noch was auch irgend, o Dido, Vom dardanischen Volk ringsum in die Lande verstreut ist. Götter, wofern des Frommen noch Himmlische walten, wofern noch Irgend Gerechtigkeit gilt, und ein Herz, unsträflich sich fühlend,605  Geben dir würdigen Lohn! O was für glückliche Zeiten Zeugeten dich? von welchen so Edelen, Herrliche, stammst du? Ja so lang' in das Meer noch ein Strom fließt, Schatten die Berghöhn Kreisend umziehn, so lange der Pol noch weidet die Sterne, Soll dir Ehr' und Namen und Ruhm in Ewigkeit bleiben,610  Welches Land auch der Erde mich ruft. – So sprach er, und freundlich Faßt' er Ilioneus an, ihn rechts und links den Sergestus; Andre darauf, auch Gyas den Held, und den tapfren Cloanthus.

Tief ob dem Anblick schon war erstaunt die Sidonerin Dido, Mehr ob dem Wundergeschicke des Manns. Jetzt redet sie also:

615  

Welches Geschick verfolgt dich, o Sohn der Göttin, durch solche Schrecknisse? Welche Gewalt, die den furchtbaren Küsten dich zuwarf? Du bist jener Äneas, den einst an des Simois Strömung Venus die hehre gebar dem Dardanerheld Anchises? Selbst gedenk' ich, wie Teucrus einmal nach Sidon daherkam,

620  Fern aus heimischen Fluren verbannt, und mit Hilfe des Belus Suchend ein neues Gebiet. Da verwüstete Belus der Vater Cyprus gesegnetes Land, und herrscht' als Sieger mit Obmacht. Seit den Tagen bereits ist Trojas Jammergeschick mir Und dein Name bekannt, und die Könige dort der Pelasger.625  Selbst er lobte, der Feind, mit erhabenem Lobe die Teucrer, Und sich rühmt' er entsprossen vom altenden Teucrergeschlechte. Auf, ihr Jünglinge, denn, kehrt ein in unsere Wohnung. Mich auch trieb ein gleiches Geschick durch mancherlei Trübsal, Bis es zuletzt das Land mir erkor zum bleibenden Wohnsitz.630  Fremd nicht blieb ich dem Kummer und lernt' Unglücklichen beistehn.

Dieses gesagt, führt Dido den Held Äneas zur hohen Königsburg und ordnet ein Fest für die Tempel der Götter. Auch nicht minder indes entsendet sie seinen Genossen Zwanzig Stier' an den Strand und hundert gewaltige Schweine,

635  Borstenumstarrt, auch hundert gefeistete Lämmer und Mütter; Als ein Freudengeschenk für den Tag.

Aber das innere Haus, voll königlich strahlenden Prunkes, Stehet geschmückt, und sie rüsten den Schmaus in dem mittleren Raume. Teppiche, reich an Gewirke der Kunst und prangendem Purpur.

640  Ganz von Silber die Tafeln umblinkt, und, in Golde gemeißelt, Tapferer Ahnen Verdienst, und langgereihete Thaten, So viel Männer herab von des Stamms uraltem Erzeuger.

Siehe da heißt Äneas (denn väterlich wallte das Herz ihm) Rasch den Achates zur Flotte hinabgehn, daß er die Botschaft

645  Seinem Ascanius bring' und daher zu den Mauern ihn führe. Ganz auf Ascanius ruht die zärtliche Sorge des Vaters. Ehrengeschenke zugleich, aus der fallenden Troja gerettet, Fordert er her: den Mantel, von Gold und Bildungen starrend, Und das Gewand, umbordet mit gelbdurchblühtem Akanthus,650  Einst der Helena Schmuck, der Argiverin, den von Mycenä, Als sie nach Pergamos ging zur unrechtmäßigen Ehe, Jene gebracht, ein Wundergeschenk der Erzeugerin Leda; Auch ein Scepter dabei, das geführt Ilione weiland, Priamus ältere Tochter; dabei ein köstliches Halsband,655  Perlenhell, und die Kron', aus Gestein und Golde gedoppelt. Dies zu beschleunigen, richtet den Gang zu den Schiffen Achates.

Neue List nun planet in sinnender Brust Cytherea, Neuen Entwurf: daß Cupido, Gestalt umtauschend und Antlitz, Statt des süßen Ascanius komm', und mit Gaben zu Wahnsinn

660  Zünde der Königin Herz und Glut ihrem Herzen entflamme. Denn das schlüpfrige Haus, zweizüngige Tyrier scheut sie; Qual ist die trotzige Juno; es kehrt mit den Nächten der Kummer. Darum redet sie nun dies Wort zum geflügelten Amor:

Sohn, mir einzige Kraft, o allein du große Gewalt mir,

665  Sohn, der des oberen Zeus typhoische Blitze verachtet, Dir nun nah' ich mit Flehn und bitt' um dein göttliches Wesen. Wie dein Bruder Äneas im Meer um alle Gestade Wogt und irrt, durch den Zorn der unbarmherzigen Juno, Ist dir bekannt, nicht selten betrübte dich meine Betrübnis.670  Den hält Dido nunmehr, die Phönicerin, fesselnd in holder Schmeichelred', und mir graut, wohin sich wende der Juno Gastfreundschaft; nicht säumt sie fürwahr in so großer Entscheidung. Drum mit Listen zu fahn und rings zu umhegen mit Feuer Denk' ich die Fürstin zuvor, daß keinerlei Macht sie verändre,675  Sondern sie fest anhange mit mir dem geliebten Äneas. Wie das schaffen du mögest, vernimm jetzt meine Gesinnung. Zu der sidonischen Stadt, auf den Ruf des teueren Vaters, Trachtet der fürstliche Knabe zu gehn, mein trautester Liebling, Bringend Geschenk, das vom Meer und Trojas Flamme verschont ward.680  Ihn, in betäubendem Schlaf zu Idalions oder Cytheras Luftigen Höhen entführt, verberg' ich in heiliger Wohnung, Daß nicht merken er könne die List, noch begegnen zur Unzeit. Du, nur die einzige Nacht erkünstele seine Gestalt dir Trüglich und schlüpfe vertraut als Knab' in des Knaben Geberde:685  Daß, wenn dich auf dem Schoß sie empfängt, die fröhliche Dido, Unter dem Königsmahl und dem feurigen Trank des Lyäus, Wenn sie hold dich umarmt und zärtliche Küsse dir aufdrückt, Du die verborgene Glut einhauchst, und dein Gift sie berücke.

Amor gehorcht dem Worte der trautesten Mutter; die Flügel

690  Leget er ab, und wandelt vergnügt in dem Gang des Iulus. Aber Cypria taut dem Ascanius friedsamen Schlummer Über den Leib und hebt ihn, gewärmt im Schoße, die Göttin, Hoch in Idalias Haine, wo schwellender Majoran sanft ihn, Blumengedüft anatmend, in würzigen Schatten umwallet.695  Und schon ging nach dem Worte, die Gab' hintragend des Königs, Amor zur Tyrierstadt und begleitete froh den Achates.

Jetzt wie er kommt, hat schon auf prangenden Teppichen Dido Über dem goldnen Gestühl sich gelegt an die Mitte der Tafel. Schon der Vater Äneas, und schon die trojanische Jugend,

700  Treten herein; man lagert sich rings auf gebreiteten Purpur. Dienende reichen den Händen die Flut und entheben der Ceres Gabe dem Korb', und bieten das weichgeschorene Handtuch. Fünfzig waren der Mägd' im Palast, die geschäftig den Vorrat Langhin sorgten zu reihn und mit Glut die Penaten umhäuften.705  Hundert andere Mägd', und so viel gleichaltrige Diener, Lasten mit köstlichem Schmause die Tisch' und setzen die Becher. Auch die Tyrier traten herein durch stattliche Schwellen Dichtgeschart, und sie ruhn, auf gezeichnete Polster genötigt. Wundernd schaun sie Äneas Geschenk' und schaun den Iulus,710  Ihn mit entbranntem Gesichte, den Gott, und geähnlichten Worten, Mantel zugleich und Gewand mit gelbumblühtem Acanthus.

Aber zumeist die arme, dem nahen Verderben geweihte Pönerin kann ihr Herz nicht sättigen; gierig des Anschauns Brennt sie, vom Knaben zugleich und zugleich vom Geschenke bezaubert.

715  Jener, nachdem er Äneas umarmt und am Hals ihm gehangen, Und das begierige Herz dem geheuchelten Vater gesättigt, Eilt zur Königin nun. Mit den Augen an ihm, mit der Seele Haftet sie, oft auch im Schoß erwärmt ihn Dido und weiß nicht, Welch ein Gott ihr genaht, der Elenden. Er, sich erinnernd720  

Zweiter Gesang

Äneas erzählt Trojas Untergang. Die zum Schein abziehendem Griechen lassen im Lager ein hölzernes Roß, welches die Troer, durch Sinons Betrug und Laokoons Tod bewogen, in die Stadt aufnehmen. Während des nächtlichen Überfalls ermahnt Hector im Traum den Äneas, mit den Götterbildern zu entfliehen. Äneas stürzt dennoch in den Kampf, aber umsonst. Tod des Priamus. Auf der Venus Geheiß kehrt Äneas zum Vater zurück, rettet die Götter und die Seinigen und verliert im Getümmel seine Gattin.

           

Rings war alles verstummt, und gespannt hielt jeder das Antlitz. Drauf vom erhabenen Polster begann der Vater Äneas:

Unaussprechlichen Gram, o Königin, soll ich erneuern; Wie die trojanische Macht und die mitleidswürdige Herrschaft

5

 

Danaer warfen in Staub; was ich selbst anschaute des Elends, Wessen ich selbst nicht wenig ertrug. Wer, solches erzählend, Myrmidon' und Doloper sei's, und des grimmen Ulixes Kriegsfreund, hemmte die Thrän'? Auch eilt die tauige Nacht schon Himmelab, und es laden die sinkenden Sterne zum Schlummer.

10

 

Aber verlangt dich so sehr, zu hören von unseren Leiden, Um ihn kurz zu vernehmen, den endenden Jammer von Troja, Wie auch der Geist vor des Grames Erinnerung schaudernd zurückfährt, Will ich gehorchen dem Wunsch. Kriegssatt, und gehemmet vom Schicksal, Harrten die Danaerfürsten so viel hingleitende Jahre,

15

 

Ein bergähnliches Roß, durch göttliche Kunst der Minerva, Bauen sie jetzt und zimmern mit tannenen Bohlen die Rippen: Als ein Weihegeschenk für die Heimkehr; solch ein Gerücht geht. Hierin bergen sie heimlich vom Los erkorene Helden, Eingesperrt in der Seite Verschluß, und die Höhlungen ringsum

20

 

Durch den geräumigen Bauch sind voll von gewappneten Kriegern.

Abreichbar dem Gesicht ist Tenedos, einst ein berühmtes Eiland, blühend und reich, als dauerte Priamus Herrschaft; Jetzo nur Bucht, kaum sicher zum Stand einkehrenden Schiffen. Hieher steuerten jen', und sie birgt das verödete Ufer.

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Wir auch wähnen, sie flohn, und segelten heim gen Mycenä: Und ganz Teukria löset das Herz von der langen Betrübnis. Offen stehen die Thor'; aus fliegt man, das dorische Lager Und die verlassenen Orte zu schaun und den einsamen Meerstrand. Hier der Doloper Zelt', und hier des grausen Achilles;

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Hier war die Flotte gereiht; hier kämpften sie oft in der Feldschlacht. Über der Jungfrau Pallas Geschenk, das verderbliche, staunt man, Wie unbändiger Größe das Roß. Und vor allen Thymötes Rät, in die Mauern geführt, auf die Höhe der Burg es zu stellen; Sei's durch Verrat, sei's weil schon nahete Ilions Schicksal.

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Capys jedoch, und wer von besserem Sinne beseelt ist, Will der Danaer schlauen Betrug und verdächtige Gabe Rasch in die Wogen versenken, wenn nicht, verbrennen mit Feuer, Oder den Bauch ihm durchbohren und die heimlichen Winkel erforschen.

Unstät schwanket die Meng' in widerstrebender Neigung.

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Jetzo vor allen zuerst in dem Schwarm nachströmenden Volkes, Rennt, vom Eifer erglüht, Laokoon hoch von der Burg her. Elende, ruft er von fern, welch rasender Wahn, o ihr Bürger? Glaubt ihr hinweggefahren den Feind? und hofft ihr, betruglos Komme vom Danaervolk ein Geschenk? So kennt ihr Ulixes?

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Hier sind entweder geheim in dem Holz verschlossen Achiver, Oder das Rüstzeug ward auf unsere Mauern gezimmert, Hoch in die Häuser zu schaun und der Stadt zu nahen von oben; Oder es birgt sonst Tücke. Dem Roß nicht getrauet, o Teukrer! Was es auch sei, mir bangt vor dem Danaer, bring' er Geschenk auch!

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Sprach's, und erhob mit Gewalt die ungeheuere Lanze, Und in die Seit' und den Bauch, den krummgewölbten des Untiers Schwang er hinein. Sie stand und erbebt'; im erschütterten Schoße Tönete hohl ringsher und erscholl mit Gerassel die Höhlung. Und wenn's Göttergeschick, wenn nicht das Herz so verkehrt war,

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Hätt' er bewegt, sie zu schänden mit Stahl, die argolische Lauer; Troja, du ständest annoch, du dauertest, Priamus Felsburg.

Sieh' einen Jüngling indes, die Händ' auf dem Rücken gefesselt Schleppen daher Berghirten mit großem Geschrei zu dem König, Dardaner, welchen er sich, unerkannt den kommenden, willig,

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Daß dies schlau er bewirkt', und öffnete Troja den Grajern, Selbst darbot, hochtrotzig von Geist, und zu beidem gerüstet, Ob zu zerrütten durch Trug, ob sicherem Tode zu allen. Rings in Begierde zu schaun ergießt sich die troische Jugend Stürmisch umher, und sie eifern im Hohn des gefangenen Grajers.

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Jetzo der Danaer Tücke gemerkt, und aus

einer

Verschuldung Lerne das sämtliche Volk. Denn, wie im schauenden Kreise verwirrt, unbewaffnet, er dastand, Und mit den Augen die Scharen der Phrygier rings umschaute: Welch ein Gefild', ach, rief er, gewähret mir, welch ein Gewässer

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Zuflucht? oder was bleibet zuletzt mir Elenden übrig, Welchen das Danaervolk ausstößt, und welchem dazu noch Selbst hier Strafe mit Blut die erbitterten Dardaner androhn?

Dieses Geseufz wandt' allen den Sinn und bändigte allen Ungestüm. Anzeige verlangen wir: wie und woher er,

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