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Zwanzig Fotos eines Sammelalbums aus den 50iger Jahren verwandeln sich in spannende Geschichten der Begegnung von Afrikanern und Europäern des heutigen Afrikas. Sarah Bergmann hat jahrelang in Afrika gelebt. Obwohl sie sich geschworen hat, nie wieder einen Fuß auf diesen Kontinent zu setzen, reist sie noch einmal zurück. In Nairobi trifft sie sich mit Johnson, ihren ehemaligen Koch und Vertrauten. Mit ihm als Zuhörer lässt sie die Bilder lebendig werden. Zu jedem Bild eine Geschichte. Eine, die ihr wirklich widerfahren ist, eine die so hätte geschehen können, oder eine deren Verlauf sie sich so gewünscht hätte. Ohne es zu merken, lässt sie so ihr eigenes Leben in Afrika noch einmal an sich vorüberziehen. Doch auch Johnson hat noch eine Geschichte: Sie entspringt seinem Wunsch, wie es hätte zu Ende gehen können mit Sarahs Leben in Afrika.
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Für meine Kinder
„Here I am, where I thought to be“
Karen Blixen Jenseits von Afrika (1937)
Die Tatsache, dass nach diesen vielen Jahren das Buch „Afrika Momente“ endlich erscheinen kann, habe ich nicht nur meinem plötzlichen Energieschub zu verdanken, sondern auch vielen Freunden die mit mir daran gefeilt und gearbeitet haben. Cordula Hamann und Linda Cuir aus unserem gemeinsamen Literaturzirkel in Marbella, sollen hier als erstes genannt werden. Mit konstruktiver Kritik und nützlichen Ratschlägen ist das Manuskript erst richtig abgerundet worden! Dank an Euch Beide!
Danke Ingrid Haag für Deine Beurteilung und Hilfe. Dank an Melanie Stadelbauer für die grafische Aufbereitung und Vorbereitung für die Einstellung bei BoD.
Danke auch für die Ermunterungen meiner Familie und Freunde, weiterzumachen. All dies zusammen hat mir Mut und Kraft gegeben.
Heike und Jörg, auch Euch ein Dankeschön für Eure Ratschläge und Hilfestellung zu meinen zahlreichen Fragen. Janne von „Fiverr“, danke Dir für die Korrektur des Manuskripts.
Die Autorin
Zwanzig Fotos eines Sammelalbums aus den 50iger Jahren verwandeln sich in spannende Geschichten der Begegnung von Europäern und Afrikanern des heutigen Afrikas.
Sarah Bergmann hat jahrzehntelang in Afrika gelebt. Obwohl sie sich geschworen hat, nie wieder einen Fuß auf diesen Kontinent zu setzen, reist sie noch einmal zurück. In Nairobi trifft sie sich mit Johnson, ihrem ehemaligen Koch und Vertrauten. Mit ihm als Zuhörer lässt sie die Bilder lebendig werden. Zu jedem Bild eine Geschichte. Eine, die ihr wirklich widerfahren ist, eine die so hätte passieren können oder eine, deren Verlauf sie sich so erhofft und gewünscht hätte. Ohne es zu merken, lässt sie so ihr eigenes afrikanisches Leben noch einmal an sich vorbeiziehen.
Doch auch Johnson hat noch eine Geschichte: Sie entspringt seinem Wunsch, wie es hätte zu Ende gehen können mit Sarahs Leben in Afrika.
Die Autorin Evelyn Weyhe
Ihre erste Heimat liegt in München, wo sie ihre Kindheit und Jugend verbringt.
1973 macht sie sich auf den Weg nach Afrika, zuerst Uganda dann Kenia, wo sie umgehend ihre zweite Heimat findet. Sie setzt neben ihrer Arbeit für eine deutsche Entwicklungshilfe-Organisation, ihre Leidenschaft zum Schreiben fort. Kurzgeschichten und Reiseberichte erscheinen in der deutschen Postille „Sundowner“ in Nairobi.
Seit 1999 lebt sie in Andalusien und ist verliebt in ihre dritte Heimat. Hier findet sie die Muße ihre begonnenen Geschichten weiterzuspinnen, neue zu erstellen.
Heute
Safarilaune – Die erste Safari
Krokodilstränen
Beachboy
Kunstvoll
Ich habe auf Sie gewartet
Dunkle Gedanken
Botschaft einer Krankheit
Brasilianischer Traum
Zweiseitig
Puppenauge
Mitleidig
Wandlung
Mitternachts Scham
Farbwechsel
Tempolimit
Ergebnisfehler
Leichte Beute
Kettenreaktion
Gestörte Vision – die letzte Safari
Traumfischen
Die 20. + 1. Geschichte – Johnsons Wunschtraum
Übersetzung der Kisuaheli Wörter:
Johnsons schmales Gesicht mit den hohen Wangenknochen sieht immer noch jung aus. Nur wenige Falten zeigen sich auf seiner tiefschwarzen Haut. Wie dünn er geworden ist, denke ich.
Wir haben uns viele Jahre nicht gesehen. Ich bin zurückgekehrt nach Afrika, wenn auch nur für einen Urlaub. Längst sind wir darüber hinweg, dass Johnson mich mit „Madam“ betitelt. Diese Phase, in der er meine Familie bedient hat, ist vorüber. Eine herzliche Freundschaft ist geblieben.
Wir sitzen im Karen Coffee Garden außerhalb Nairobis, essen zu Mittag und reden von alten Zeiten. Der Kellner ist noch der gleiche wie vor Jahren. Hier waren wir oft zum Mittagessen, oder haben nach einer Wanderung Kaffee getrunken.
Die Zeit scheint stehengeblieben zu sein.
Als er unsere Bestellung aufnimmt, blickt er mich lange an. „Mrs. Bergmann, you are back?“ Eher eine Feststellung, als eine Frage. „Now you have to stay, we missed you.“ Er lächelt mich freundlich an. Ich bin gerührt.
Johnson bemerkt meine aufkommenden Tränen und will mich ablenken. Er zeigt fragend auf das Heft auf meinem Schoß. Vom tausendfachen Blättern ist es zerknittert, die Farben auf dem Einband sind verblasst.
„Afrika – lockender dunkler Kontinent“ ist der Titel. Es war ein Werbegeschenk einer Margarinefirma, mit jedem gekauften Paket erhielt ich ein Foto, das ich einkleben konnte.
„Es war meine erste Begegnung mit Afrika“, erkläre ich.
Die Titelseite zeigt eine Gruppe von Frauen in bunten Kleidern. Sie balancieren schlanke Tongefäße auf den Köpfen und sind nur von hinten zu sehen. Damals war mir, als bewegten sie sich fort, liefen aus dem Bild, und manchmal, wenn ich aus der Schule kam, rannte ich als erstes zu meinem Buch. Ich wollte sehen, ob die Frauen noch da waren, oder nur ein leerer Dorfplatz, bei dem ein letztes Stück Tuch, das gerade über die Einbandseite verschwand.
„Damals hast du schon gewusst, dass deine Wurzeln bis hierher reichen werden“, sagt Johnson lächelnd.
„Ja, das war der Anfang“, antworte ich. „Immer wieder wurden meine Gedanken hierher nach Afrika gelenkt. Zum Beispiel durch meine Tante Else, die wir „die Reisetante“ nannten, weil sie immer von irgendwo abgeholt wurde, vom Flughafen, vom Bahnhof, einmal vom Busbahnhof, als sie von einer Bustour durch Skandinavien zurückkam. Dieses Mal sollte die Tante eine Nacht bei uns bleiben. Ich stand am Fenster und wartete, bis das Auto um die Ecke bog. Sie kam direkt aus Afrika! Ich konnte es kaum erwarten, sie zu sehen.
Als sie endlich aus dem Auto stieg – sie saß hinten, und mein Vater öffnete ihr den Schlag wie einer Prinzessin – war ich überwältigt. Sie sah einfach umwerfend aus! Die Tropensonne hatte ihre Haut dunkel gefärbt und die kurzen blonden Haare fast weißblond ausgebleicht. Tante Else trug eine bunte Hose aus afrikanischem Stoff und unzählige rotblau-weiße Ketten aus winzigen Perlen. Passend dazu Armreifen über den ganzen Unterarm fast bis zum Ellenbogen. Ihre schönen langen Finger schmückte ein riesiger, in Gold gefasster Türkis. Diesen Ring vererbte sie mir Jahre später, und ich habe ihn heute noch.
Nach dem Abendessen saßen wir im Wohnzimmer. Ich hatte mich zu ihren Füßen gekauert und lauschte hingerissen ihren Erzählungen, die sie mit Hunderten von Fotos untermalte. Die African Queen war zu sehen, der alte Schaufelraddampfer, der sie über den Victoriasee gebracht hatte; der schneebedeckte Kilimandscharo; die Eisenbahn, mit der sie von Mombasa bis Kampala gefahren war; und Tiere, immer wieder Tiere. Für mich stand an diesem Abend fest: Das muss ich sehen. Eines Tages werde ich das erleben.
Vor ihrer Abreise streifte mir die Tante einige von ihren Armbändern über und schenkte mir ein großes buntes Tuch, auf dem ein Spruch in einer fremden Sprache stand: „Träume nicht dein Leben – lebe deinen Traum.“ Der Stoff begleitete mich viele Jahre, ohne dass ich die Übersetzung kannte. Aber ich musste noch lange warten, bis mein Traum von Afrika wahr wurde. Bis dahin hatte ich nur die Erinnerungen an meine Tante und die Bilder in meinem Album. Sie hielten meinen Traum wach.
Eines Tages war es soweit.
Die zwanzig schönsten Margarinebilder verwandelten sich in bunte Geschichten. Ich kam hierher und blieb fünfundzwanzig Jahre.“
„Und du hast die Bilder zum Leben erweckt“, stellt Johnson fest, und ein wenig ist es auch eine Frage.
„Einige Geschichten sind so geschehen, andere haben sich mit der Zeit verändert“, sage ich. „Die Wahrheit geht manchmal eigene Wege.“
„Dein Mund kann gut erzählen. Ich möchte diese Geschichten hören.“ Johnson sieht mich erwartungsvoll an.
Ich nehme seine Hände, die über die Jahre so viel für uns gearbeitet haben, in meine. „Du wirst einiges wiedererkennen, auch dich selbst. Aber es wird dauern. Lass uns noch einen Tee bestellen.“
Johnson strahlt mich an.
„Wann fangen wir an?“
„Jetzt“, sage ich.
***
Halbnackte Bantufrauen an der Wasserstelle
Die erste Safari sei immer die schönste, heißt es. Als wir aufbrachen, hatte ich das Gefühl den ostafrikanischen Spruch „Für jeden kommt der für ihn bestimmte Augenblick“, unmittelbar zu erleben. Die Sonne war soeben aufgegangen. Wir hatten den alten Armee-Kübelwagen „Mungo“ vollgepackt, und fuhren durch die noch leeren Straßen Kampalas in Richtung Norden. Das Fahrzeug hatte kein Dach, und die frische Luft machte uns richtig wach. Wir lachten uns an, Bernd zog meine Hand an seinen Mund und küsste sie. Wir waren jung und verliebt und bereit, alle anfallenden Abenteuer zu genießen.
Lange hatten wir überlegt, wohin unsere erste Safari gehen sollte und uns dann für die abenteuerlichste Variante entschieden: Den Kidepo National Park, ganz im Norden an der sudanesischen Grenze. Die Fahrt würde uns durch Karamojong-Gebiet führen, eine für Touristen nicht ungefährliche Route. Über die Karamojong hatten wir gehört, das halbnomadische Hirtenvolk nilotischer Herkunft, könne durchaus als kriegerisch eingestuft werden. Diebesfeldzüge über die Grenzen des benachbarten Kenias waren an der Tagesordnung. Aber da es sich bei dem Diebesgut meist um Rinder und Ziegen handelte, machten wir uns keine allzu großen Sorgen.
Die Sonne stand fast im Zenit und brannte erbarmungslos auf das ausgedörrte Land. Längst hatten wir die fruchtbare Ebene um den Victoriasee hinter uns gelassen und befanden uns auf einer ockerfarbenen Sandpiste, die schnurgerade nach Norden führte. Akazienbäume und Dornbüsche waren bald die einzige Vegetation. Magere Rinder und Esel drängten sich, von der Hitze erschöpft, auf den spärlichen Schattenplätzen aneinander. Hin und wieder passierten wir ein Dorf. Menschen winkten und Kinder schrien immer das gleiche Wort: „pen, pen!“. Wir lernten später, dass Stifte wie eine eigene Währung in den armen ländlichen Gebieten waren.
Wir hatten vergessen, eine Kopfbedeckung mitzunehmen. Trotz des Fahrtwindes setzte die Sonne unseren Köpfen zu. Deshalb banden wir uns Hemden um und verknoteten sie am Hinterkopf. Die Beine schützten wir mit Tüchern. Wir konnten uns nur schreiend unterhalten, da der Wind die Worte davontrug.
Kleine Windhosen wirbelten roten Staub auf und fegten einmal direkt durch das offene Auto. Als wir anhalten wollten, um uns von dem feinen Sand zu säubern, merkte Bernd, dass die Bremsen nicht richtig funktionierten. Das Fahrzeug rollte aus, und er testete nochmals Fuß- und Handbremse. Der Mechaniker in Kampala hatte geschworen, dass das Auto hundertprozentig einsatzbereit sei. Ratlos sahen wir uns an. Umkehren? Das kam nicht infrage, wir waren schon zu weit gefahren und hofften, in zwei bis drei Stunden am Ziel zu sein.
„Die Straße hat keinerlei Steigungen verzeichnet.“ Bernd deutete auf die Straßenkarte. „Wir fahren eben langsam. Komm, das wird schon gut gehen! In der Lodge haben sie bestimmt einen Mechaniker.“
Ich war sofort einverstanden.
„Lass uns was trinken und weiterfahren“, schlug ich vor und sah mich suchend im Auto um. „Wo ist denn die Kühltasche?“
Es gab keine Kühltasche, obwohl Bernd sicher war, sie in das Auto gepackt zu haben. Wir hatten brennenden Durst, aber nicht das kleinste bisschen Flüssigkeit war zu finden. Wir beruhigten uns, und beschlossen in der nächsten Ortschaft etwas zu trinken zu kaufen.
In der Ferne sahen wir in der flimmernden Hitze Menschen auf der Straße, wie eine Fata Morgana. Als wir näher kamen, erkannten wir eine bunte Menschenmenge und ein paar strohgedeckte Behausungen. Da musste es ein Restaurant geben, oder zumindest einen Kiosk. Bernd fing rechtzeitig an, die Handbremse zu ziehen, und der Jeep kam langsam zum Stehen. Im Nu waren wir umringt von halbnackten Eingeborenen, die ins Auto griffen und alles anfassten. Die Männer trugen bunte Federbüsche auf dem Kopf, und ihre Gesichter waren in Mustern vernarbt und weiß bemalt. Die Frauen waren bis auf bunten Perlenschmuck und einen kleinen Lederschurz nackt. Ihre Haut war trocken und grau vom Staub, ihre Köpfe waren geschoren. Sie hingen halb im Auto, wollten uns berühren und schubsten sich gegenseitig weg, um unsere Haare anfassen zu können und über unsere Arme zu streichen. Es war ein ununterbrochenes Geschnatter um uns herum. Keiner reagierte, als wir eine trinkende Geste andeuteten. Die vermeintlichen Behausungen waren lediglich riesige Lagersilos, in denen wohl Mais und Hirse aufbewahrt wurde. Hier würden wir unseren Durst nicht stillen können. Wir konnten uns nur befreien, indem wir ein paar Münzen warfen, denen die Frauen kreischend hinterherrannten. Bernd startete, gab Gas und wir fuhren weiter. Vor uns lag unendliche Weite.
Es war fast dunkel, als wir im Nationalpark ankamen. Wir waren erschöpft, hungrig und müde, und erkannten, wie unbedacht wir gepackt hatten. Nichts zu essen, nichts zu trinken, und jetzt, wo es auch noch empfindlich kühl wurde, fehlte eine warme Jacke. Ich wickelte mich fröstelnd in ein Tuch und hoffte, dass die Autofahrt bald zu Ende sein würde. Wir mussten die Scheinwerfer einschalten, um die holperige Piste in der Dämmerung zu finden, orientierten uns an der untergehenden Sonne, da die Lodge westlich lag. Bald erkannten wir Lichter in der Ferne und atmeten auf. Das erste wilde Tier, ein Leopard, der in der einbrechenden Dunkelheit auf der Pirsch war, nahm keine Notiz von uns. Kurz sahen wir seine Augen aufleuchten, dann war er im Busch verschwunden.
Endlich sahen wir Hinweisschilder, fuhren kurz danach auf den Parkplatz der Lodge, wurden herzlich begrüßt und zu unserer kleinen Hütte geleitet. Wie himmlisch, nach den Strapazen der Fahrt auf der kleinen Veranda zu sitzen und ein kühles Glas Wein zu trinken! Es war so still, wie nur eine afrikanische Nacht sein kann. Nur die Sprache der Wildnis war zu hören. Das heisere Husten eines Löwen, das hohe Kichern einer Hyäne, das Bellen eines Zebras, Ochsenfrösche, und Zikaden. Zum Abendessen saßen wir an einem weiß gedeckten Tisch mit Kerzen und den typischen Öllampen, denn es gab keinen Strom. Ein einfaches, aber schmackhaftes Mahl wurde uns serviert. Wir waren die einzigen Gäste und wurden von sämtlichen Angestellten fast königlich betreut und verwöhnt.
„Auf unsere erste gemeinsame Reise, auf dass noch viele folgen!“, sagte Bernd und hob sein Glas. Ich nahm seine Hand, legte sie an mein Gesicht und schloss die Augen.
Am nächsten Morgen wachten wir auf, als es an der Tür klopfte. „Early Morning Tea!“, rief jemand und wir hörten, wie ein Tablett auf den Verandatisch gestellt wurde. Bernd servierte mir Tee, wir blieben im Bett und beobachteten durch die offene Tür, wie Zebras und Antilopen vorbeizogen. Den Rest des Tages erkundeten wir zu Fuß die Gegend um die Lodge. Gegen Abend brachen wir zu einem „game drive“ auf, einer Rundfahrt durch das Gelände der Lodge. Der Fahrer war bewandert, konnte viel über die einzelnen Tierarten erzählen und kannte die besten Plätze, um sie zu beobachten. Das erste Mal sahen wir afrikanische Tiere in freier Wildbahn. Sogar Löwen entdeckten wir, die sich direkt neben dem Landrover in der Abendsonne räkelten, genüsslich und satt.
Später tranken wir auf unserer Terrasse den typisch kolonialen „Sundowner“, Gin und Tonic mit einer Zitronenscheibe und Eiswürfeln. Wir genossen den Sonnenuntergang, der rasch und ohne vorherige Dämmerung eintrat. Als der Steward uns zum Abendessen abholte, waren wir beschwipst und glücklich.
Am nächsten Morgen lief Bernd hinüber zur Werkstatt und kam mit der guten Neuigkeit zurück, dass der „Mungo“ wieder fahrtüchtig war. Schweren Herzens verließen wir diesen wunderschönen, verzauberten Ort und machten uns auf den Weg. Da die Bremsen wieder funktionieren, beschlossen wir, einen anderen Rückweg zu nehmen, nämlich durch das wilde Kadam-Gebirge, und von dort hinunter in die Ebene von Mbarara. Es war eine ergreifende Landschaft, wie ich sie sonst nur von Fotos oder aus Filmen kannte. Wir fuhren hinauf in die zerklüfteten Gebirgszüge auf einer ungeteerten Passstraße, auf eine Höhe von über dreitausend Meter. Unter uns breitete sich die Felslandschaft wie eine endlose Steinwüste aus, die letzten Abendsonnenstrahlen tauchten alles in ein zartes Rosa. Wir wollten bis zur nächsten kleinen Ortschaft weiterfahren und dort eine Übernachtungsmöglichkeit suchen. Die letzten Straßenschilder lagen schon eine Weile zurück, und wir hofften, den Ort mit dem lustig klingenden Namen „Nakapiripirit“ bald zu erreichen. Als Wegzehrung hatten wir uns nur Sandwiches, Obst und ein paar Flaschen Cola mitgenommen. Der Vorrat war längst verzehrt und langsam machten sich Hunger und Durst bemerkbar. Seit Stunden waren wir keiner Menschenseele begegnet. Ich schloss die Augen und gab mich meinen Gedanken hin. Mein Traum, in Afrika zu sein, hatte sich erfüllt, mit diesem Mann, den ich von ganzem Herzen liebte. Bei nächster Gelegenheit wollte ich Bernd von dem Margarine-Album erzählen. Als das Album fast voll war, fehlte mir nur noch das Bild mit dem verheißungsvollen Titel: „Halbnackte Bantufrau an der Wasserstelle.“ Ich hatte damals all mein Taschengeld für den Kauf von Margarine eingesetzt, um an dieses Bild heranzukommen. Als ich es endlich hatte, war ich fasziniert. Die junge, fast schwarze Frau auf dem Foto, lachte mit schneeweißen Zähnen in die Kamera. Mit beiden Händen hielt sie eine Kalebasse auf dem Kopf fest, ihre Arme waren anmutig zu einem Bogen geschlossen. Durch die Ohren waren große silberne Ringe gezogen, die Haare mit einem roten Tuch lässig umschlungen. Ihr Oberkörper war nackt, ihre Brustwarzen zeigten keck nach oben, ihr Bauch war flach und schweiß-glänzend. Lose um die Hüfte gewickelt, trug sie ein gelb-rotes Tuch, das die schmalen Fesseln und Füße frei ließ. Ich lächelte, als ich mich daran erinnerte.
Das Erste, was ich wahrnahm, war die unglaubliche Stille. Über mir stand ein grünlicher Abendhimmel mit rosa Wolkenfetzen. Mein Kopf schmerzte, als ich ihn suchend drehte. Das Auto lag mit den Rädern nach oben hart am Abgrund, die Reifen drehten sich noch ganz langsam. Ich rief nach Bernd und mein Herz klopfte wild. Er antwortete unter dem Auto hervor. Gott sei Dank! Er war unverletzt und konnte sich kriechend selbst befreien. Wir hielten uns umfangen, waren froh, dass wir lebten. Ein kleines Stück weiter, und wir wären mehrere hundert Meter in den Abgrund gestürzt. Die Bremsen hatten nicht gehalten, Bernd konnte den Wagen bergab nur noch gegen den Hang fahren, um ihn anzuhalten.
Wir sammelten unser Gepäck ein. Wieder rächte sich unsere unbedachte Reiseplanung: kein Wasser, kein Verbandszeug, keine warmen Sachen, keine Decke, nichts zu essen. Meine modischen Plateausandalen waren verschwunden, auf Nimmerwiedersehen im afrikanischen Busch untergetaucht. Meine Jeans war bis oben aufgerissen, mein Trägerhemd war blutverschmiert. Aus einer klaffenden Kopfwunde lief mir Blut ins Gesicht. Der Rücken war aufgeschürft, winzige Steinchen steckten in meiner Haut. Aber noch hielten sich die Schmerzen in Grenzen.
Wir saßen am Straßenrand, zitternd vom Schock, und warteten in der hereinbrechenden Nacht auf ein Wunder. Dieses geschah eine Stunde später in Form eines „Matatus“, eines überladenen Sammeltaxis, das sich mühsam den Berg hinauf quälte. Gepäck und Käfige mit lebenden Hühnern türmten sich auf dem Dach, Leute hingen in Trauben an den offenen Türen und schauten neugierig in unsere Richtung. Das Fahrzeug hielt an, und der Fahrer war bereit, uns mitzunehmen. Irgendwie schafften wir es, uns mit dazu zu quetschen, und wurden nach etwa halbstündiger Fahrt in einem völlig verlassenen Dorf abgesetzt. Die Schlusslichter verschwanden in der Dunkelheit, und wir liefen auf eine Grashütte zu, wollten einfach nur liegen und schlafen und irgendetwas trinken. Bernd kramte in seiner Tasche, fand eine Tüte mit Erdnüssen, die wir gierig verschlangen, deren Inhalt uns aber nur noch durstiger machte. Viel später kam ein Mann, erklärte uns in gebrochenem Englisch, dass wir uns in einem sudanesischen Flüchtlingscamp befänden, das augenblicklich unbewohnt sei. Leider könne er uns gar nichts anbieten. Ein Wächter mit Pfeil und Bogen würde vor unserer Hütte sitzen und uns beschützen. In der Hütte fanden wir lediglich eine Holzpritsche ohne Matratze. Ich legte mich auf den Bauch und versuchte, die Schmerzen zu verdrängen. An Schlaf war nicht zu denken. Ein scharfer Wind pfiff zudem die ganze Nacht ums Haus, und es war empfindlich kalt. Mein Mund war trocken, ich musste immer an die Reklame denken, in der ein übergroßes Glas Bier zu sehen war. Der Schaum lief seitlich hinunter, das Glas war beschlagen. Ich konnte förmlich den Geschmack auf der Zunge spüren, sehnte den Morgen herbei.
Als die erste Dämmerung durch die Ritzen der Hütte drang, stand ich mühsam auf und trat ins Freie. Bernd war in einen erschöpften Tiefschlaf gesunken und hörte nicht, wie ich hinausging. Der Wächter hatte sich erhoben. Ich deutete eine Trinkbewegung an, und er ging vor und führte mich durch den dichten Eukalyptus-Wald. Wir betraten eine Lichtung, auf der es einen Brunnen gab, an dem sich bereits zu früher Stunde eine Gruppe Frauen eingefunden hatte. Sie starrten mich an, tuschelten und plapperten, machten Platz, als ich mich mit dem Mann näherte.
Und dann sah ich sie: die schöne Schwarze aus dem Margarine-Album! Die Arme anmutig angewinkelt, um den schweren Tontopf auf dem Kopf zu halten, das bunte gelb-rote Tuch, selbst die großen Ohrringe stimmten. Sie lachte mich an und winkte mich zu sich. Wir standen uns gegenüber und sahen uns an. Die Afrikanerin reichte mir ein Tongefäß mit Wasser, und ich trank lange und gierig. Mit den Händen bedeutete ich ihr, dass ich mehr Wasser brauchte und das auch bezahlen wollte, aber die schwarze Frau winkte ab und reichte mir das neu gefüllte Gefäß. Fieberhaft überlegte ich, was ich ihr geben könnte. Ich hatte nichts mit, nur ein Lederband mit silbernen Anhängern, das ich vom Arm nahm und der Frau reichte. Sie lächelte mich an und legte es um ihr Handgelenk.
Später am Tage warteten wir am Straßenrand auf ein weiteres Wunder. Es war still und schon vormittags unglaublich heiß. Kein Mensch weit und breit war zu sehen. Ich döste vor mich hin, der Rücken brannte wie Feuer, um den Kopf hatte ich mir ein zerrissenes T-Shirt gewickelt, das bereits wieder blutgetränkt war.
Endlich – nachmittags – hielt ein Lieferwagen, und wir stiegen dankbar ein. Unterwegs erzählte ich Bernd die Geschichte mit dem Margarine-Album und der Begegnung mit der schönen Schwarzen. Hatte ich das nur geträumt? Nein, mein Armband fehlte, und wir hatten das Tongefäß mit dem Wasser bei uns, das sich darin wunderbar kühl hielt. Wir kamen an der Unfallstelle vorbei, das Auto lag noch da, nur fehlten sämtliche Reifen. In der nächsten größeren Stadt suchten wir eine Garage auf und gaben in Auftrag, das Auto abzuholen und repariert nach Kampala zu bringen.
Monate später, wir hatten die Hoffnung schon aufge-geben, unseren „Mungo“ wiederzusehen, hupte es draußen. Der Fahrer stand vor dem Tor und zeigte lachend auf das geparkte Fahrzeug. „Wie neu! Ihr werdet noch viele Safaris damit unternehmen!“
***
„Und? Habt ihr noch viele Safaris in Uganda unternommen?“, will Johnson wissen.
„Das war in dieser Zeit nicht so einfach, es war zu unsicher. Aber wir haben das Auto weiter benutzt. Leider war die Reparatur letztlich doch nicht so erfolgreich, die Bremsen blieben ein Schwachpunkt. Wir haben unseren „Mungo“ dann einem Kindergarten geschenkt, wo er auf dem Spielplatz stand und sämtliche Schaukeln und Rutschen in den Schatten stellte.“
Ich muss lachen, als ich daran denke.
„Aber weißt du, was wirklich unheimlich ist? Ich habe viele Jahre später alte Fotos und Unterlagen sortiert und einen Kalender aus dem Jahre 1973 gefunden. Am 5. September war da ein Eintrag zu lesen: ‚Unfall Kadam Gebirge‘. Das war auf den Tag zehn Jahre vor Bernds Tod!“
Johnson seufzt. „Er war ein guter Bwana. Ich bin gerne mit euch gereist, ihr konntet lange fahren und nicht sprechen. Das hat mir gefallen. Meine Augen haben viel gesehen. Viele merkwürdige Menschen und Tiere. Dinge, die mein Herz erfüllt oder erschreckt haben.“
„Tatsächlich? Welches Tier findest du denn merkwürdig?“
„Krokodile!“, ruft Johnson. „Sie sind so falsch und böse wie manche Menschen. Einmal waren wir im Mara Camp. Wir waren dort Wasser für unser Zeltlager holen. Der Fluss war voll von Krokodilen! Da war auch so ein Mzungu Paar, die fand ich auch genauso merkwürdig.“
„Du meinst dort, wo der schreckliche Unfall passiert ist?“
Johnson nickt.
***
Nilkrokodile werden bis zu sechs Meter lang
Der Bootsmann schöpfte das brackige Wasser aus dem kleinen Boot und zog es an den Landungssteg. Er wischte mit einem alten Lappen über die nassen Sitzbänke, während er auf die von der Lodge angekündigten Touristen wartete. Die afrikanische Sonne stand im Zenit, und er konnte nicht verstehen, wie jemand freiwillig jetzt eine Flusstour unternehmen mochte. Es war die Zeit, um im Schatten unter dem Mangobaum zu dösen. Er liebte diesen Platz, weil er dort seine Gedanken auf Safari schicken konnte.
Heute aber blickte er ungeduldig in die Richtung der Lodge. Er hoffte auf ein gutes Trinkgeld, das er dringend brauchte. Seine kleine Tochter benötigte Medizin gegen Malaria. Im Dorf gab es nicht einmal eine Krankenstation, die Stadt Narok war weit entfernt. Seit fast einer Woche lag die Kleine schon mit hohem Fieber in der Hütte. Er wusste, dass dieses Fieber sie auffressen würde, wenn nicht schnell Hilfe kam. Das Geld, das er heute hoffentlich bekommen würde, wollte er gleich morgen früh dem Fahrer der Safari-Firma mitgeben, der dann in der Stadt die Medizin holen und mit nächster Möglichkeit zur Lodge zurückbringen sollte. Mit viel Glück konnte das Päckchen bis zum nächsten Abend bei ihm eintreffen.
Sein Chef in der Lodge wollte ihm nichts aus seinem Medizinschrank geben. Er hatte nur mit verkniffenem Gesicht den Kopf geschüttelt. Das sei nicht erlaubt und er glaubte, dass Leute wie er die Medizin doch nur verkaufen würden.
Der Bootsmann seufzte und dachte an seine Familie. Er stammte nicht aus der Gegend, sondern kam aus dem kenianischen Hochland. Den Job hatte er bekommen, weil er ganz gut Englisch sprach und über Tiere Bescheid wusste. Das kam noch aus der Zeit, als er zur Schule ging und ein indischer Geschäftsmann, bei dem sein Vater damals arbeitete, das Schulgeld bezahlt hatte. Als der Mann plötzlich gestorben war, hatte das Geld für seine Ausbildung gefehlt, und er musste sich mit verschiedenen Aushilfsjobs durchschlagen. Jetzt war er schon das dritte Jahr im Massaigebiet und hatte vor zwei Jahren eine junge Massai geheiratet. Seit knapp einem Jahr hatten sie eine wunderhübsche Tochter, die die schmalen Gesichtszüge der Mutter und die hellbraune Haut des Vaters geerbt hatte. In Gedanken versunken malte er mit einem Stock Muster in den Sand. Wenn er weiter zur Schule gegangen wäre, vielleicht wäre er heute ein richtiger Tour-Guide, hätte einen Führerschein und einen Land Rover. „David´s Tours and Safa-ris“ hätte auf den Türen gestanden und er würde viel Geld verdienen. Stattdessen saß er in diesem elenden Dorf fest, und vielleicht musste seine Tochter sterben, und …
„Hallo, sind Sie derjenige, der uns auf die Flusstour nimmt?“
Er fuhr aus seinen Gedanken hoch und sprang auf.
„Ja, das bin ich“, sagte er. Vor ihm stand ein weißes Paar, das misstrauisch das kleine Boot musterte. Er wischte sich die Hand an seiner Hose ab und reichte sie zum Gruß. Die beiden ignorierten ihn.
„Ist das Ding auch sicher? Es sieht so klein aus. Hat es einen Motor? Können uns die Hippos nicht umwerfen?“
Der junge Mann sah ängstlich aus. Er wischte sich mit einem weißen Taschentuch über das rot verbrannte Gesicht, sein Blick huschte umher. Die Frau kaute auf einem Kaugummi, kramte in ihrer goldfarbenen Handtasche, aus der sie Handspiegel und Lippenstift herausholte und sich die Lippen nachzog. Sie musterte den Bootsmann, ihr Blick wanderte langsam an seinem Körper entlang, blieb an den Muskeln seiner Oberarme hängen.
„Wie heißen Sie?“, fragte sie den Bootsmann mit rauchiger Stimme und fuhr sich mit der Zunge leicht über die Lippen.
„David, David Ngecha“, antwortete er.
„Okay, David, ich bin Lola und das ist mein Mann Jack. Wir haben vor drei Monaten geheiratet.“ Letzteres sagte sie mit einem anzüglichen Blick in Davids Richtung.
Sie war eine auffallende Erscheinung. Hochgewachsen, mit langem, über die Schulter fallendem Haar und einem rosa glänzenden Mund, dessen Lippen sie ständig mit der Zunge befeuchtete. Die kurzen safarigrünen Shorts bedeckten nur knapp ihr rundes Hinterteil. Die bunte Bluse mit Leopardenmuster war bis auf einen Knopf geöffnet und über dem Bauch geknotet. Als sie sich bückte, um an ihrem modischen, ebenfalls goldfarbenen Turnschuh herumzufummeln, konnte David die üppigen Brüste deutlich sehen. Er drehte sich weg und schluckte den Speichel, der sich plötzlich in seinem Mund angesammelt hatte, hinunter. Dann reichte er der Frau die Hand, um ihr beim Einsteigen behilflich zu sein. Sie sprang auf die Bootsbank, und als das Boot gefährlich ins Wanken geriet, stieß sie einen spitzen Schrei aus und klammerte sich an Davids Hemd fest. Für einen Augenblick nahm er ihren Duft wahr.
Der Mann, Jack, war unter seinem Sonnenbrand ein blasser Typ mit wässerigen Augen, die jetzt ängstlich das Ufer absuchten.
„Gibt es hier Krokodile?“, fragte er, seine Hände umklammerten den Bootsrand.
„Oh ja, viele, viele“, antwortete der Bootsmann. „Wir werden sie gleich sehen. Es sind Nilkrokodile. Sie können bis zu sechs Meter lang werden.“
Sie legten ab und glitten hinaus auf den ruhigen Fluss. Die Hitze war jetzt in der Mittagszeit fast unerträglich. Die Frau hob die Arme und band ihre blonden Haare umständlich zu einem Pferdeschwanz zusammen. Anschließend überprüfte sie das Ergebnis in ihrem kleinen Spiegel. Sie saß auf der Bank, die Knie gespreizt, und spielte mit dem Knopf an ihrer Bluse. Dabei ließ sie den Bootsmann nicht aus den Augen. Ihr Mann beschäftigte sich mit seiner Kamera und begann das Teleobjektiv in Richtung Flussufer auszuprobieren.
„Mach ein paar Fotos von mir, Liebling, zur Erinnerung.“ Sie warf ihren Kopf zurück, wobei sich ihr Haar wieder löste, machte einen Schmollmund, lachte, schaute in die Ferne, wechselte die Positionen, während die Kamera ununterbrochen klickte.
„Jetzt von uns beiden!“ Sie reichte David die Kamera, und der Mann erklärte ihm kurz die Funktionen. David sah sie jetzt durch das Objektiv und sein Blick konnte ungestört zwischen ihren Beinen ruhen. Diese Frau beunruhigte ihn zutiefst. Er begehrte sie und gleichzeitig verachtete er sie, denn die Frauen seines Stammes würden sich niemals so schamlos kleiden und benehmen.
„Sind Krokodile eigentlich Säugetiere?“ Ihre Kulleraugen erschienen noch größer, dabei legte sie die Stirn in Falten. Jack hasste es, wenn sie sich dumm stellte, wobei er sich inzwischen nicht mehr sicher war, ob sie es wirklich nur spielte.
Das Boot schaukelte leicht, und Jack fühlte sich nicht gut. Er schloss die Augen, hörte nebenbei, wie David zu ausschweifenden Erklärungen über die Fortpflanzung von Krokodilen ausholte. Seine Gedanken wanderten. Er hatte diese Reise nach Afrika nicht gewollt, er war kein Abenteuer-Typ, und ein Aufenthalt in einem Hotel am Strand hätte ihm durchaus genügt. Lola hatte jedoch darauf bestanden und Jack hatte wie immer nachgegeben. Sie hatten damals nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht umgehend geheiratet. Jack erinnerte sich, wie seine Kollegen die Augenbrauen hochgezogen hatten, als er sie ihnen vorstellte.
Er seufzte und öffnete die Augen. Lola rieb sich gerade ihre Beine und Arme mit Sonnenöl ein und fuhr mit der Hand in ihren Ausschnitt, wobei sie genüsslich die Augen schloss und ihre Zunge spielen ließ. Jack beobachtete, wie der Bootsmann ihr gebannt zusah. Jack erkannte in seinen Augen zwar Lust, jedoch auch einen anderen Ausdruck, der ihm nicht gefiel.
Jack kletterte über den Sitz, packte seine Frau an den Schultern und sagte etwas zu ihr, wobei er sie leicht schüttelte.
„Au, du tust mir weh!“ Sie machte sich frei, rieb sich die Schultern, und warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. Dann lehnte sie sich zurück und ließ ihre Hand über die Bootskante ins Wasser hängen.
„Vorsichtig!“, ermahnte David sie. „Die Krokodile schwimmen manchmal unter dem Boot mit. Sie sind unheimlich schnell. Es wäre schade um Ihre Hand.“
„Würden Sie mich denn retten, wenn ich ins Wasser falle?“ Lola legte den Kopf schief, machte wieder ihren Schmollmund und riss die blauen Augen weit auf.
„Ja, ich würde Sie retten, aber das wollen wir nicht ausprobieren“, erwiderte David mit einem Blick zum Ufer, wo die Krokodile wie aufgereiht ruhten. „Außerdem hat es hier Flusspferde, mit denen ist auch nicht zu spaßen.“
„Und wenn meine Handtasche ins Wasser fällt, würden Sie diese retten?“
Jack stöhnte auf.
„Nein“, David schüttelte den Kopf. „Wegen einer Tasche würde ich nicht mein Leben riskieren.“
„Und wenn ich Ihnen hundert Dollar geben würde?“ Lola ließ nicht locker und sah ihn herausfordernd an.
„Hör auf, Lola, das ist widerlich!“ Jack sah sie voller Abscheu an. Sie lachte nur, warf den Kopf zurück und sagte: „Lass mich doch, das ist spannend. Für ihn ist das viel Geld, für dich gar nichts. Wenn er sich ein bisschen was dazuverdienen will, warum nicht.“ Jack seufzte und schloss erneut die Augen.