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Mit meinen Kurzgeschichten möchte ich Menschen erreichen, die gerne unterwegs sind, sich gerne mit Erlebnissen anderer Kulturen auseinandersetzen. Die vier verschiedenen Kategorien befassen sich mit Erlebnissen, die ich während meiner Zeit in Afrika hatte und jetzt in Andalusien habe. Die Kategorie "Träumerisches" beschreibt meine nächtlichen Reisen in eine andere Welt.
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Seitenzahl: 94
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Im bayerischen Voralpenland geboren, in München aufgewachsen und danach über 25 Jahre Afrika - Uganda, Seychellen und Kenia - und jetzt seit 1999 in Andalusien (Tarifa, Estepona, Marbella, Torrox) - das bin ich in kurzen Worten.
Ich lebe hier mit Mann, Hund & Katz’, liebe es zu schreiben, zu lesen, zu kochen, mit Freunden und Familie zu sein.
www.andalusien-individual.com
https://www.facebook.com/evi.weyhe
Texte: © Copyright by Evelyn Weyhe Umschlaggestaltung: © KI gestaltet von Evelyn Weyhe
Verlag:
Evelyn Weyhe
Axarquia Service Center
Avd.Miguel de Cervantes 1
29793 Torrox Park
Vertrieb: ePubli - Ein Service der Neopubli GmbH, Berlin
Tierisches
Afrikanisches
Andalusisches
Träumerisches
40 besondere Geschichten (m)eines Lebens
Inhalt
Tierisches
Ratti
Affenliebe
Spinnerei
Salzsäule
Hühnerkram
Wildsanft
Seppi
Hundeleben
Hundezählen
Lufti
Afrikanisches
Knast
Juba Blues
Kriegerspiel
Jagdfieber
Beute
Grautöne
Wasserspiele
Zauberhaft
Dankbar
Ballonfahrt
Andalusisches
Windwunder
Damenschuhe
Kuschelecke
Siesta
Strandgedanken
Regen
Haarklein
Stille
Andalusiensommer
Frühlingserwachen
Träumerisches
Löwenstark
Rot
Traumpfade
Schlüsselerlebnis
Vogelperspektive
Schmucklos
Lawinendecke
Traumfischen
Planänderung
Blütenduft
Ratti
Es fing damit an, dass mir eines Tages im Garten etwas auf den Kopf und von dort auf die Erde fiel. Ich bückte mich und hielt ein nacktes kleines Etwas in den Händen. Ich blickte hinauf in die hohe Palme. Nichts. Keine aufgeregt zwitschernde Vogelmutter, die um ihr Junges bangte. Stille. Ich betrachtete das winzige Wesen und stellte fest, dass es vier Beine und einen Schwanz hatte. Eine Maus? Die folgenden Tage verbrachte ich damit, das unbenannte Tier zu füttern. Der Tierarzt, den ich konsultierte, stellte mit angewiderter Miene fest, dass es sich um eine Ratte handelte. Nicht eigentlich lebenswert, war daraus zu lesen. Rattenmilch gäbe es keine, ich sollte es mit verdünnter Kuhmilch versuchen. So wuchs Ratti tagsüber in meinem Büstenhalter auf, da die direkte Körperwärme ihr sichtlich gut tat. Sehr zum Unverständnis meiner Arbeitskollegen, die sprachlos zusehen, wenn ich sie mit einer winzigen Puppenbabyflasche fütterte. Um es kurz zu machen: Ratti überlebte die liebevolle Pflege nicht. Traurig begrub ich sie im Blumenbeet und machte mir Vorwürfe, mich nicht besser nach der passenden Nahrung erkundigt zu haben.
Jahre später holte mich Ratti wieder ein.
Eines Morgens fand ich in der Küche unmissverständliche, kleine schwarze Kügelchen. Eine Maus, dachte ich, wurde aber eines besseren belehrt, als mir beim Öffnen der Schublade eine Ratte von nicht unbeträchtlicher Größe entgegen sprang und sich unter den Kühlschrank rettete. Man muss wissen, dass die Baumratten hier in Andalusien im Grünen leben und Vegetarier sind. Eigentlich könnten sie von mir aus in einer friedlichen Wohngemeinschaft mit mir leben. Aber sie wollen nicht verstehen, dass so eine Lebensgemeinschaft nicht nur Vorteile bietet, sondern auch Rücksichtnahme erfordert. Man kann eben nicht überall seine Exkremente hinterlassen, ungefragt Lebensmittel anknabbern und Kabel durchbeißen. Letzteres führte zu einem stundenlangen Stromausfall, und ich hatte die Nase voll. Tierliebe hin oder her. Eine Lösung war gefragt. Gift oder Falle kam nicht infrage. Ich durchforstete das Internet. Eine Lebendfalle! Das war die Lösung!
Zuerst musste ich herausfinden, was an Leckerbissen so gefragt war. Dazu legte ich Käse, Speck und einen Apfel aus. Am nächsten Morgen fehlte eine Cocktailtomate, eine war angebissen. Als die Falle ankam, bestückte ich sie damit, und siehe da, die erste Ratte war gefangen. Ich hatte Zeit, sie zu betrachten. So schauten wir uns gegenseitig mit gemischten Gefühlen durch die Gitterstäbe an. Diese Ratte war mittelgroß, hatte ein helles Bauchfell und eine weiße Brust. Angstvoll waren ihre Knopfaugen auf mich gerichtet. Ich musste an Ratti denken. Alte Schuldgefühle beschlichen mich.Vorsichtig legte ich ein Handtuch über den Käfig, trug ihn zum Auto und fuhr in den nahe gelegenen Wald, wo ich sie freiließ. Ich hätte schwören können, dass sie ein „Daumen hoch“ Zeichen machte, bevor sie in langen Sprüngen im Unterholz verschwand.
Affenliebe
Dieses Mal ist es ein deutsches Bundeswehrflugzeug, das Hilfsgüter in den Congo bringt. Wieder bin ich „Geldbriefträger“ (s. meine Geschichte „Dankbar“) für unser Entwicklungshilfe-Projekt in Bukavu. Ich habe mir die Sondererlaubnis geholt meinen Sohn, der zu dieser Zeit elf Jahre ist, mitzunehmen. Er darf auf dem jumpseat im Cockpit sitzen und ist mächtig stolz. Wir werden das Gorilla-Projekt besichtigen und ich hoffe, dass wir eine Wanderung dorthin organisieren können. Wieder mal liege ich auf Bohnensäcken und döse bis zur Landung. Trotz der gespannten Lage wegen der Hutu Flüchtlinge, die in annähernd 100 Tagen etwa 75 Prozent der in Ruanda lebendenTutsi-Minderheit töteten und jetzt in den Congo geflüchtet waren, freue ich mich auf den Trip.Wir landen zuerst in Goma, dann geht es weiter nach Bukavu. Die Schweiz Afrikas wird diese wunderschöne Gegend genannt, wo sich wilde Berglandschaften, dichte Wälder und Seen abwechseln. Jetzt sieht es hier schlimm aus. Fast 400 000 Hutu Flüchtlinge haben Wälder für Feuerholz zerstört, und auch der Gorilla Population geht es an den Kragen. Sie müssen höher in die Berge hinauf, um den Menschen zu entfliehen, die ihren Lebensraum bedrohen und sie auch wildern. Tausende waren es, heute im Jahr 2020 etwa 200.
Frühmorgens brechen wir auf. Unser Führer Nzinga des Kahuzie-Biega Nationalparks macht uns nicht viel Hoffnung. Die Gorillas sind sehr scheu geworden und ziehen sich oft zurück, wenn sie Menschen wittern. Ein Nieselregen und dichte Nebelschwaden erschweren den Aufstieg durch den dichten Regenwald. Stundenlang steigen wir leicht bergauf. Plötzlich bleibt Nzinga stehen und hebt die Hand. „Hier haben sie geschlafen“, flüstert er und zeigt auf niedergetretene Büsche. „Sie sind nicht weit und bitte keinen Augenkontakt mit einem Silberrücken!“
Ein lautes Knacken über uns: Da sind sie! Nzinga gibt Zeichen, in die Hocke zu gehen. Als Erstes taucht eine Mutter mit einem Kleinen auf. Weitere folgen. Herzklopfend sehe ich, wie sich mir ein kleines Gorillakind nähert und mich vorsichtig an der Hand berührt. Sofort wird es von der Mutter zurückgezogen und bekommt einen sehr menschlichen Klaps.
Und da ist er: der Silberrücken! Ein mächtiges Tier kommt auf allen Vieren direkt in unsere Mitte. Er betrachtet uns prüfend, setzt sich hin und beginnt mit feinen Fingern Bambusrispen vom Stil zu entfernen und sich in den Mund zu stecken. Die Familie macht es ihm nach, sie stören sich nicht an unserer Anwesenheit. Diese zarten Bewegungen hätte ich diesen riesigen Tieren nie zugeordnet. Lange beobachten wir diese faszinierenden Wesen.
Wir sind bis auf die Haut nass. Nzinga drängt zum Aufbruch, es dämmert schon. Als wir aufstehen, verschwindet auch der Silberrücken im Gebüsch und seine Familie folgt. Der Abstieg ist leichter. Wir sind still und noch ganz benommen von diesem Erlebnis.
Später im Hotel liege ich in meinem warmen Bett und träume, wie ich die Welt verbessern könnte.
Spinnerei
Die Morgensonne setzt Kringel auf den Frühstückstisch. Noch befinde ich mich ein wenig im Schlafmodus, nippe an meinem Tee und starre hinaus in den blühenden Garten. Ich greife nach einem Brötchen.
Da sehe ich sie.
Direkt an der weißen Wand neben mir sitzt sie, riesig, fett, haarig. Ich springe auf, mein Stuhl fällt um, und ich starre dieses Wesen mit Ekel an. Das ist die größte Spinne, die ich jemals gesehen habe! Handtellergroß! Und sie scheint mich anzuschauen. Ich hole meine Kamera und mache eine Makroaufnahme von ihr, bevor ich sie töten werde. Mit der Sprayflasche in der Hand kommen mir Zweifel. Sie ist eigentlich wunderschön gezeichnet, hat ein Gesicht wie mit feinem Pinselstrich aufgetragen. Ich stelle das Gift ab und überlege, wie ich sie, ohne dass sie mich evtl. anspringt und beißt, ins Gebüsch befördern kann. Es gelingt mir, sie mit einem Kochlöffel in einen Schuhkarton zu befördern und sie im hintersten Winkel des Gartens in die Botanik zu werfen. Sie verharrt einen Augenblick und verschwindet zwischen den Blättern.
Überhaupt scheint dieses Jahr in Nairobi das Spinnenjahr zu sein. Aus allen Löchern im Garten krabbeln mittelgroße rote Exemplare, im Bad lässt sich eine braune Spinne in Windeseile genau über mir in der Dusche herab und verschwindet mit dem Seifenschaum im Abfluss. Über den Büschen liegen Netze wie gigantische Kunstwerke, in denen kobaltblaue nackte Spinnen träge schaukeln. Eine wahre Invasion von Achtfüßern zieht durch meinen Garten und macht auch vor dem Haus nicht halt. Ich habe keine Angst vor Spinnen, aber ich halte sie lieber ein wenig auf Distanz. Irgendwann ist der Spuk vorbei, alle sind wie vom Erdboden verschluckt.
Jetzt hat man in Andalusien während des Lockdowns ja Zeit für alle möglichen Tätigkeiten. Mal wieder täglich Sport machen oder Fotos sortieren oder den Schrank aufräumen, schreiben, lesen, die Liste ist lang.
So überkam mich vor ein paar Wochen das dringende Bedürfnis, mein Schlafzimmer zu putzen. Mit dem Besen in der Hand wollte ich die Spinnenweben in der Zimmerecke entfernen.
Da sah ich sie.
Die Spinne. Ein harmloser Weberknecht zitterte in seinem Gewebe, und wieder überkam mich das Gefühl, dass sie mich ansah. Die Nairobi-Spinne kam mir in den Sinn. Der Besen machte einen Bogen und sparte das Spinnenhaus aus. Ich nannte sie Wilma.
Dankbar beobachte ich seitdem, wie sie ihren Vorrat mit Mücken anreichert, die ihr täglich ins Netz gehen und mich vor nächtlichen Attacken bewahren. Inzwischen ist es um ihren Speiseplan jedoch schlecht bestellt, kaum noch ein Insekt verirrt sich im Winter ins Haus. Ihre Vorratskammer ist leer. Ich bin besorgt. Wird Wilma sterben? Ich ertappe mich dabei, wie ich durch das Haus streife, um nach Fliegen oder Mücken Ausschau zu halten. Aber cool hängt sie in ihrem Netz und scheint sich ihrer Diät hinzugeben. Ich bin beruhigt.
Wilma und ich sind dem Lockdown dankbar. Sie darf leben, und ich denke über eine Diät nach.
Salzsäule
Eine tiefe graue Wolkendecke senkt sich tief über dem Nairobi Nationalpark. Bald wird es regnen. Die Wege verwandeln sich dann in kleine, schlammige Flüsse. Ich beschließe mich auf den Heimweg zu machen.
Der Tag hat mit einem wunderbaren Licht begonnen. Die Ngong Berge standen scharf umrissen da und erinnerten an Szenen aus dem Film „Jenseits von Afrika“. Dort ist Karen Blixens große Liebe Denys Finch-Hatton begraben, auf dessen Grab abends die Löwen rasteten.
Wir sehen ein ganzes Rudel im Schatten einer Schirmakazie ruhen. Sie liegen satt und zufrieden neben einem halb gefressenen Zebra, das bereits den Geiern gehört, die sich jetzt nach und nach einfinden.
Später picknicken wir an einem Fluss, wobei wir die Paviane nicht aus den Augen lassen, die einen immer engeren Kreis um uns ziehen und scheinbar teilnahmslos in die andere Richtung schauen. Sie sind schnell und auch nicht ganz ungefährlich. Ein Kratzer oder Biss kann schlimme Infektionen hervorrufen.
Es donnert in der Ferne. Wir packen zusammen und werfen den Affen noch ein paar Essensreste hin, die sie blitzschnell an sich reißen und ins Gebüsch mitnehmen.