Agent Pfeiffer: Rote Fahnen im Wind - Simon Sprock - E-Book

Agent Pfeiffer: Rote Fahnen im Wind E-Book

Simon Sprock

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Beschreibung

Michael erwacht mit komplettem Gedächtnis-Verlust und ans Bett gefesselt in einem vermeintlichen Krankenhaus. Von Angst und Unsicherheit angetrieben, findet er die Kraft zu fliehen, aber wohin? Los geht die Flucht und zugleich auch die Suche nach seiner wahren Identität. Aus dem Brandenburgischen Frankfurt (Oder) will er zunächst in der Anonymität der Großstadt Berlin abtauchen. Hier findet er immer mehr Hinweise zu seiner Identität, seiner Feinde, einer seltsamen Verbindung zu anderen (BrainConnect) und auch zu neuen Freunden und Unterstützern. Es stellt sich heraus, dass Agent Pfeiffer im Jahr 2022 einer schier übermächtigen sozialistischen Revolutionsbewegung gegenübersteht. Die Bevölkerung ahnt noch kaum etwas. Fortschritt und Rückschritt zugleich werden sein ständiger Begleiter. Zwischen Gefühlen wie Hoffnung und Zuversicht, sowie Verzweiflung und Aufgabe schwankt der Protagonist ständig. Der Kampf gegen seine scheinbar übermächtigen und auch politisch verbundenen Gegner zwingt ihn zeitweise in die Knie, aber er ist nicht der Typ Mensch, der einfach aufgibt. Erfolg kommt eben nicht von alleine und das weiß Michael auch. Erlebe auch du, ob und wie Agent Michael Pfeiffer seine Familie wiederfindet und seine Angreifer ausschalten kann.

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Seitenzahl: 266

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Danke an meine wunderbare Frau, Familie und Freunde für Ihre Unterstützung und auch an die Ärzte, deren harte Arbeit es mir überhaupt ermöglicht hat, dieses Buch zu schreiben

„Agent Pfeiffer: Rote Fahnen im Wind“ basiert im Ansatz auf real erlebten Träumen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Das Erwachen

Flucht mit Hindernissen

Dein Freund und Helfer

Neue Einsichten

Träume werden wahr

Mission: Niedergang roter Krebs

Eine Welt bricht zusammen

Dunkle Hoffnung

Auf der Spur

Unverhoffte Unterstützung

Heißes Intermezzo

Die Spitze der Verschwörung

Ein letztes Erwachen

Anhang

Personen

Über den Autor

Vorwort

Die Idee und Inspiration zu „Agent Pfeiffer: Rote Fahnen im Wind“ kam mir während meines Kampfes gegen den Krebs im Krankenhaus.

Nach einer zwölfstündigen OP hatte ich auf der Intensivstation mit Magensonde und unter Einfluss von Morphinen haarsträubende Träume, aber auch verwirrende Erlebnisse im Halbschlaf. Einen Großteil dieser Träume und Erlebnisse habe ich in diesem Buch zusammengefasst, aber zum besseren Verständnis auch umgeschrieben und um einige Details ergänzt.

„Agent Pfeiffer: Rote Fahnen im Wind“ ist ein überaus spannender politischer Thriller geworden, der sich kritisch mit der Verbindung zwischen Extremismus in irgendeiner Form und einer angeblich resultierenden Freiheit auseinandersetzt. Außerdem sind auch Gesellschaftskritische Aspekte mit eingebaut.

Im Grunde genommen spielen die Ereignisse in diesem Roman im Jahr 2022, also in der Zukunft und basieren auf Träumen und Fiktionen. Wenn ich mir aber die Ereignisse der gewaltreichen Proteste gegen den G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg anschaue, bin ich doch erschrocken, wie nah an einer potentiellen Zukunft der Roman doch sein könnte.

In dem Sinne hoffe ich, dass du, der Leser, diesen spannenden Roman vollkommen genießen kannst, aber auch kritische Gedanken zulässt, um die Geschehnisse in diesem Roman nicht wahr werden zu lassen.

Noch eine Empfehlung: Wenn du empfindlich für Spannung bist, würde ich diesen Roman nicht vor dem schlafen gehen beginnen.

Das Erwachen

Ich öffne meine Augen. Über mir sind Lichter, grelle Lichter, und Leute, Gesichter, Instrumente, Masken. Meine Augen schließen sich.

Mein Herz schlägt wie verrückt. Schweiß rollt meine Haut hinunter, aber ich bin zu schwach, irgendetwas real wahrzunehmen. Ich bin sogar zu schwach, meine Augen wieder zu öffnen. Irgendetwas wird in meine Nase geschoben, kurz bevor ich eine Spritze spüre. Ich verliere mein Bewusstsein.

Auf einmal bin ich in einer Bar. Neben mir sitzt eine Frau. Sie hält meine Hand. Ich kenne diese Frau aber nicht. Wer ist sie? Wo bin ich? Ich nehme hier keine Geräusche wahr, außer einem piepen, wo auch immer es herkommt.

Plötzlich kommt ein Mann, ein großer Mann von der Seite auf mich zu. Nun höre ich auch Schritte, seine Schritte.

„Was machst du mit meiner Frau?“ Fragt er laut brüllend, holt aus und schlägt mir mit voller Kraft auf meine Nase.

Plötzlich bin ich in einer anderen Situation. Ich bin mit ehemaligen Kommilitonen an einem seltsamen Ort. Hier war ich noch nie. Am Grund ist überall Beton. Rechts und links gibt es Gräben, dahinter nur schwarz. In der Mitte ist eine kleine Hütte. Der Himmel ist ebenfalls schwarz, keine Sonne, keine Sterne, kein Mond. Dennoch kann ich hier gut sehen. Was ist das? Woher kommt das Licht, das mich alles erkennen lässt?

Meine Kommilitonen scheinen nervös zu sein.

„Schnell, wir müssen hier verschwinden,“ sagt Steffen aufgeregt.

„Ja, sie sind gleich hier,“ stimmt ihm Jan zu.

„Wieso, was ist hier los?“ Hake ich nach.

Beide laufen los in Richtung der Hütte. Natürlich, wenn man sich hier verstecken muss, ist die Hütte der einzige Ort, aber auch der einzige Ort wo man suchen kann. Auch ich laufe in die Hütte.

Nichts ist in der Hütte, nur eine andere Tür am Ende. Diese müsste weder herausführen. Wo sind Steffen und Jan? Ich habe nicht gesehen, wie sie am anderen Ende wieder herausgekommen sind.

Ich gehe zu der Tür, öffne sie und vor mir steht ein Mann. Er holt aus und schlägt mir auf die Nase.

Ich falle, und ja, plötzlich liege ich an einem Strand. Was ist das hier? Wie kann das sein? Träume ich? Ist alles nur ein Traum?

In Badehose liege ich auf einem großen blauen Handtuch am Strand. Niemand sonst ist hier. Wenigstens ist hier niemand, der mir auf die Nase boxen kann. Warum eigentlich? Bin ich hier endlich wach? Wie bin ich hierhergekommen? Wieso bin ich alleine? Am Ende des Strandes beginnt ein dichter Wald. Wo bin ich?

Ich stehe auf und gehe herum. Keine Spur eines Hotels oder ähnlichem. Keine Spur von einem Lebewesen. Selbst im Wald ist es ruhig. Keine Insekten, Affen oder ähnliche Tiere. Wie kann das sein?

Aus reiner Neugier betrete ich den Wald und kämpfe mich durch. Nach wenigen Metern stolpere ich über ein Seil am Boden. Ich kann mich gerade noch auf den Beinen halten, als ein dicker Stamm auf mich zu rast. Er schlägt auf meine Nase ein.

Ich meine, ernsthaft? Wieder meine Nase? Der Schlag bringt mich zu Boden. Ich spüre, wie meine Nase blutet. Es läuft geradezu aus meiner Nase heraus. Zugleich scheine ich im Boden aus Blättern zu versinken.

Auf einmal liege ich wieder in der kleinen Hütte auf Balken am Boden. Auch hier fließt das Blut noch aus meiner Nase heraus, aber wo ist der Angreifer? Wo sind meine Kommilitonen?

Plötzlich scheint sich auch dieser Untergrund in eine Art Treibsand zu verwandeln. Ich versinke wieder im Boden.

Im nächsten Moment sehe ich über mir Gesichter. Ich bin scheinbar zurück in der Bar. War ich weggetreten und bin jetzt wieder zurück in der Realität?

Auch hier fließt Blut aus meiner Nase. An der Seite sehe ich, wie zwei Türsteher den Schläger hinausbringen. Die Frau hockt über mir und wischt mit einem Taschentuch durch das Gesicht. Ich spüre, wie Blut verwischt wird.

Die Frau kommt näher mit ihren Lippen. Gemessen an den Situationen ist dies auf jeden Fall die schönste Situation.

Voller Vorfreude auf den Kuss, streife ich vorsichtig über ihre Wangen und greife in ihr Haar.

Kurz vor der Berührung unserer Lippen wird es leider schon wieder dunkel. Es piept überall um mich herum. Piepstöne in verschiedenen Höhen und verschiedenen Kompositionen umgeben mich.

Ich scheine nicht aus meiner Nase zu bluten, aber dennoch ist da etwas. Irgendwas ist in meine Nase eingeführt worden. Was ist das? Wo bin ich?

Vorsichtig versuche ich, meine Augen zu öffnen. Im Augenwinkel erkenne ich eine Frau, die für mich typisch sozialistisch wirkt, wie aus alten DDR Filmen. Sie kommt näher. Die Mundwinkel sind unten getrieben. Das Haar ist straff am Kopf hinten zusammengebunden. Ihre Nase verläuft spitz von den Seiten in die Mitte. Ihr Kittel ist perfekt angelegt. Am linken Arm trägt sie eine rote Binde und auf der Brust eine Art Emblem. Ich bin aber noch zu benommen, um mehr wahrzunehmen, mehr Details zu erkennen.

Schnell schließe ich meine Augen wieder. Ich hoffe, sie hat nicht wahrgenommen, dass ich meine Augen geöffnet hatte. Mein Herz schlägt jetzt auf jeden Fall schneller. Das spüre ich in meiner Brust, höre ich aber auch an einem der Pieptöne.

Ich höre, wie sie scheinbar einige Knöpfe drückt. Eine Variation des Piepens hört auf.

„Kamerad Müller,“ höre ich eine männliche Stimme im Hintergrund rufen, „ich brauche mal ihre Hilfe, schnell.“

Hastige Schritte starten direkt neben mir und verlassen den Raum. Die Rufe scheinen von woanders her zu kommen. Die Schritte werden langsam leiser. Die Schwester, Frau Kamerad Müller, scheint sich zu entfernen.

Kurze Zeit später öffne ich meine Augen wieder etwas. Ich sehe rechts einen Ständer mit Spritzen und anderen Utensilien stehen. Links von mir sind Geräte, piepende Geräte.

Ich hebe meinen Kopf ein wenig. In Richtung des Fußendes sehe ich eine Wand mit Fenstern. Hinter dem Fenster ist es hell, sehr hell. Silbern glänzende Gegenstände werden hin und wieder hochgehalten und überreicht. Gelegentlich glaube ich sogar, das Geräusch eines Bohrers oder gar einer Kreissäge zu hören. Dort wird anscheinend gerade jemand operiert, oder etwa geschlachtet? Die Schwester, welche gerad noch hier war, packt drüben jetzt mit an.

Der Operateur ist schwer zu erkennen. Sein Gesicht befindet sich im Schatten des grellen Lichts. Auch er trägt eine rote binde am rechten Arm. Bei ihm hat sie aber einen goldenen Streifen in der Mitte. Auch ein Emblem glaube ich, auf seiner Brust wahrzunehmen.

Was machen die da? Wo bin ich? Was ist mit mir passiert? Bin ich im Krankenhaus? Wieso bin ich im Krankenhaus, ist mir etwas passiert? Ich kann mich leider überhaupt nicht erinnern.

Aus Vorsorge schließe ich meine Augen wieder. Ich versuche einzelne Körperteile vorsichtig zu bewegen.

An den Armen und Beinen scheine ich ans Bett gefesselt zu sein. Wenn alles so regulär ist, warum bin ich im Krankenhaus gefesselt?

Ich versuche, meine Handfesseln vorsichtig zu lösen. Es klappt aber nicht. Auf einmal ertönt ein neuer Piepston direkt hinter mir. Ich höre reflexartig sofort auf, mich zu bewegen.

Schritte kommen wieder näher. Jemand drückt ein paar Knöpfe, aber das Piepsen hört nicht auf.

Eine Person mit sanften Händen greift plötzlich meine linke Hand und zerrt an ihr. Sie löst die Fessel. Ich bemühe mich, keinen Gegendruck zu erzeugen. Sie zerrt weiter an irgendeinem Zugang, den ich im Arm zu haben Scheine.

„Scheiß Arterienzugang,“ schimpft dieselbe Stimme von vorher, Frau Kamerad Müller nehme ich an.

Hastige Schritte verlassen den Raum. Sofort löse ich mit meiner linken Hand auch die rechte Armfessel, setze mich hin und löse auch meine Fußfesseln.

Auf einmal höre ich wieder Schritte näherkommen. Ich lege mich wieder hin.

In dieser kurzen Aktion habe ich gemerkt, dass ich neben meinen Fesseln auch einige andere Zugänge, einen Blasenkatheter, einen zentralen Venenkatheter und einen Schlauch im Hals loswerden muss. Wenn ich bloß wüsste, woher ich diese Begriffe überhaupt kenne. Außerdem habe ich mit Schwindelgefühlen zu kämpfen. Einfach wird es nicht. Aufgeben werde ich auch nicht. Diesen roten Binden werde ich mich nicht kampflos hingeben.

Die Schritte werden lauter. Ich lege noch schnell die Decke über meinen rechte Arm. Meine Füße sind noch versteckt.

Jetzt sind sie zu zweit hier.

Ein Mann sagt, „der Patient benötigt einen neuen Arterienzugang?“

„Ja, Herr Kamerad Arzt,“ antwortet sie kurz und trocken.

„Gut, dann ziehen sie schon einmal den alten Zugang,“ antwortet der Arzt.

Vorsichtig beginnt sie, an einem Pflaster zu werkeln. Sie zieht es Millimeter für Millimeter ab. Teilweise zieht sie an Haaren von mir, was schon echt weh tut, aber ich darf kein Anzeichen geben, dass ich wach wäre. Ich muss unentdeckt bleiben, mich zusammenreißen.

Rechts scheint sich jemand mit den Instrumenten auseinander zu setzen. Ist das der Arzt? Packt er einen neuen Arterienzugang aus?

Auf einmal klingelt ein Telefon. „Dr. Winkler hier,“ meldet er sich und fährt nach einer kurzen Pause fort, „sicher doch Herr Genosse Kaderleiter, alles für das Kombinat.“

Er scheint aufgelegt zu haben und befiehlt, „Kamerad Müller, der Genosse Kaderleiter hat angerufen. Das Kollektiv rote Ökulei hat einen weiteren Klassenfeind gefasst. Sie brauchen dringend unsere Unterstützung in der Sektion Aderlass.“

„Alles zum Wohl des Kombinats,“ bestätigt Kamerad Müller.

Zusammen verlassen sie wieder den Raum.

Ich setze mich sofort auf, fühle mich aber noch stark benommen. Ich ziehe schnell alle Venenzugänge heraus, nehme Pflaster von rechts und klebe sie hastig unter Druck auf die Wunden.

Als nächstes nehme ich eine stumpfe Spritze, die vermutlich eine Natriumchlorid-Lösung, also Salzwasser beinhaltet. Das Salzwasser spritze ich neben das Bett. Ich setze es an den Blasenkatheter an und sauge das Wasser heraus, welches eine Art Anker in meiner Blase bildet, um den Katheter in der Blase zu halten. Zügig, aber vorsichtig ziehe ich den Katheter heraus. Das fühlt sich echt unangenehm an, aber ich muss das jetzt tun. Ich muss hier raus, mich in Sicherheit bringen.

Genau wie den Katheter, ziehe ich auch am Schlauch, der durch meine Nase geht. Dies ist ebenfalls ein schreckliches Gefühl, als ob ich mich übergeben müsste. Ich hoffe, mich nicht verletzt zu haben. Mein Hals schmerzt auch ohne Schlauch noch.

Den zentralen Venenkatheter ziehe ich jetzt noch nicht heraus. Unter Beachtung, dass er bis in die Lunge reicht, will ich unter Hast jetzt nichts riskieren.

Vorsichtig, versuche ich das Bett zu verlassen. Ich setze mich an die Seite und stehe auf. Sofort falle ich hin.

In einem Operationsgewandt gekleidet krieche ich den Boden entlang. Rechts neben der Tür ist ein Schrank. Zielgerichtet krieche ich zum Schrank und öffne die Tür. Sie ist verschlossen, aber ein Schlüssel steckt. Ich drehe den Schlüssel und öffne die Tür.

Im Schrank hängen ein graues T-Shirt, eine Lederjacke und eine blaue Jeans geordnet nebeneinander. Unten stehen auch dunkelbraune Lederschuhe und scheinbar Unterwäsche. Rechts neben dem Schrank steht ein Stuhl.

Schnell setze ich mich hin, reiße die Kleidung aus den Schrank und ziehe sie mich vorsichtig an. Unter der Jacke war auch ein bräunlicher Schal versteckt. Diesen nutze ich, um den zentralen Venenzugang, der immer noch an meiner rechten Halsseite heraushängt, zu verstecken, aber auch um ihn zu schützen.

Mit Mühe ziehe ich mir alles an. Ich versuche mich aufzustellen und kann kaum stehen. Es geht aber schon besser als vorher.

Achtsam bewege ich mich in zwangsweise geduckter Haltung in Richtung Tür und schaue über den Flur. Es ist nur ein kurzer und dunkler Flur. Zur linken Seite ist ein Fahrstuhl, zur rechten Seite nicht. Dafür hängt hier aber ein grünes Notausgang Zeichen an der Decke. An der Decke scheinen aber keine Kameras installiert zu sein. Wenigstens etwas Gutes hier. Der Gang ist gerade leer. Niemand ist zu sehen.

Vorsichtig gehe ich nach rechts, in Richtung des Notausgangs. Am Fahrstuhl werde ich wahrscheinlich am ehesten entdeckt.

Meine Beine tun sich noch schwer, mich zu tragen, aber es geht voran. Ich kämpfe Schritt für Schritt mit einer Schwäche meiner Muskeln, aber auch mit einem unglaublich starken Schwindelgefühl. Meinem Kreislauf geht es nicht gut.

Unerwarteter Weise höre ich plötzlich jemanden aus einem der anderen Räume schreien, „Hilfe, Hilfe, bitte hilf mir jemand.“

Die nächste Tür in meiner Umgebung öffne ich, falle fast hinein und schaue hinein. Es scheint ein Wäscheraum zu sein. Schnell betrete ich den Raum und schließe die Tür hinter mir leise. Ich lege mich hin, liege in einem Wäschehaufen. Diese ist, ausgemacht am Geruch, vermutlich dreckig, aber durch das schwache Licht, welches durch die Schlitze der Tür oben und unten in den Raum dringt, gibt es hier sowieso wenig zu erkennen. Was habe ich auch für eine Wahl? Manchmal muss ich dem Schwindelgefühl halt nachgeben.

Ich überprüfe die Taschen in meiner Hose. Hier scheinen ein wenig Kleingeld und auch ein paar Geldscheine zu sein. In meiner Lederjacke finde ich ein Mobiltelefon in der Innentasche links. Rechts entdecke ich ein anderes Dokument, vermutlich einen Reisepass.

Mit dem Mobiltelefon mache ich ein wenig Licht. Der Akku ist zu 63% aufgeladen. Der Pass ist ein deutscher EU-Reisepass. Ich öffne ihn bis zur personalisierten Seite.

Links oben ist ein Bild, ein recht gutaussehender und junger Mann schaut mich mit einem neutralen Gesichtsausdruck an. Bin das ich? Leider ist mir hier noch kein Spiegel über den Weg gelaufen.

Wenn ich das bin, heiße ich Michael Pfeiffer und wurde am zehnten Mai 1992 in Hamburg geboren. Aber welches Jahr haben wir jetzt und wo bin ich? Auf jeden Fall scheine ich in Deutschland zu sein.

Das künstliche Licht des Telefons verwende ich, um den Raum ein wenig weiter zu erkunden. Rechts neben mir scheint ein Wäscheschacht zu sein. Gegenüber von mir steht ein Regal mit frischer Wäsche und Handtüchern. Wenn das hier ein offizielles Krankenhaus ist, wieso unterhalten sich die Leute so seltsam? Und warum war ich gefesselt?

Noch immer frage ich mich, ob das alles nur ein Traum ist. Zwar spüre ich inzwischen alles realer, aber kann das hier real sein? Ich wünschte mir auf jeden Fall, ich würde wieder aufwachen und an einem Ort sein, wo ich in Sicherheit bin, an einem Ort den ich kenne, mit Personen die ich kenne. Wieso erinnere ich mich denn überhaupt nicht, an niemanden?

Vorsichtig verstaue ich den Pass und das Telefon wieder in meiner Jacke, bevor ich mich in Richtung Tür bewege. Zunächst lausche ich nur.

„Genossen, der Diversant 10b ist nicht mehr im Bett,“ höre ich eine weibliche Stimme rufen, „findet ihn. Er kann nicht weit gekommen sein. Schaut in jedem Raum, auch der Wäschekammer.“

Schritte auf dem Flur werden hastiger. Ich bewege mich schnell zum Wäscheschacht, öffne ihn und klettere hinein. Meine Muskeln scheinen noch gut zu reagieren. Vielleicht macht das der Schock, die Angst, das Adrenalin. Sie sind schwach, reagieren aber noch erstaunlich gut.

Meine Hände erfühlen oben etwas an dem ich mich festhalten kann. Ich ziehe mich hoch. Weiter oben angekommen, drücke ich mit meinen Beinen gegen die Wand und verhalte mich so ruhig wie möglich.

Auf einmal öffnet sich eine Tür, vermutlich die des Wäscheraumes.

„Hier ist auch niemand,“ ruft eine junge, männliche Stimme.

„Wirf sicherheitshalber die dreckige Wäsche herunter und höre ob jemand schreit,“ höre ich eine erfahrenere Stimme rufen.

Die Klappe zum Wäscheschacht öffnet sich. Ein wenig Licht strömt in den Schacht hinein. Ich erkenne das Grau des Rohres um mich herum und halte mich so gut und ruhig wie möglich fest.

Wäsche wird heruntergeschmissen. Ich spüre, wie Schweiß langsam meine Stirn herunterrollt. Der Tropfen landet in meinem T-Shirt.

Es wird zunehmend schwieriger, mich hier oben zu halten, aber ich muss. Die Leute scheinen mich als Feindbild zu sehen, oder als Diversant, was auch immer das ist.

Kurze Zeit später höre ich, wie die Klappe wieder schließt. Ich warte noch wenige Minuten, bevor ich mich vorsichtig herablasse.

Leider schaffe ich es nicht, perfekt leise zu sein. Ich muss einfach hoffen, dass mich niemand hört und dass keine Wäsche von oben herunterfällt.

Zentimeter für Zentimeter kämpfe ich mich herunter. Ich weiß nicht, wie weit es heruntergeht oder was mich unten erwartet.

Drei Stockwerke tiefer reicht meine Kraft kaum noch aus. Ich bin überrascht, dass ich überhaupt soweit komme. Es kommt mir so vor als hat das Adrenalin meinen Kreislauf wieder stabilisiert, und ich scheine echt viel Sport zu machen. Durch die Ritze in der Klappe kann ich nichts erkennen. Vermutlich ist es auch dunkel in diesem Raum.

All meinen Mut nehme ich zusammen und drücke die Klappe auf. Die Klappe scheint ein wenig zu klemmen. Ich höre ein Reißgeräusch beim Öffnen. Das Licht im Raum ist aus, dennoch sind dort zwei Monitore am Leuchten.

Vorsichtig klettere ich in den Raum. Bei einem Blick zurück erkenne ich, dass scheinbar Tapeten über die Öffnung geklebt wurden.

Rechts neben der Tür scheint ein Schloss mit Zahlenkombination zu sein. Grüne Lichter blinken hier. Ist dies ein besonderer Raum für die Gruppe, die das Gebäude betreibt?

Langsam und schon etwas sicherer auf meinen erschöpften Beinen begebe ich mich an einen der Monitore.

Es sind Textdokumente mit folgenden Titeln geöffnet:

„GegenKa, die Kämpfer des Volkes“

„Kapitalismus bedeutet das Ende der Freiheit“

„Kostenlose Kleinstkredite für die Armen wären die Rettung“

„Maschinen übernehmen die Regierung, Kapitalismus rückt an die Macht“

„Mindestlohn von EUR 18,- die Stunde bei einer maximalen Arbeitszeit von 32 Stunden das Ziel“

„Regierung vertuscht Waffendeals“

„Regierung verkauft Bevölkerung für dumm, wehrt euch“

„Reiche werden immer reicher, Eigentum gehört abgeschafft, für die Gemeinschaft“

„Sozialismus als einzig wahre und gerechte Lösung“

„Unternehmen sind die wahren Übeltäter in Afrika“

„Unternehmen beuten das Volk aus, nieder mit dem Kapitalismus“

„Vorgehensmodell“

Ich schaue detaillierter in das Vorgehensmodell. Auf die Schnelle erkenne ich folgenden Inhalt:

Artikel schreiben und von Kaderleitung freigeben lassen. Inhalte sollten klar die Vorzüge unseres Systems aufweisen, sowie Kerninhalte der Partei als Initiator preisen. Wenn wir unsere Partei stark machen, können wir immer mehr unsere Lösung, die einzig wahre Lösung einführen.

Nach Freigabe kann der Artikel in unserem Tool hochgeladen werden. Dieses veröffentlicht die Artikel auf diversen Online-Portalen und sorgt mit Hilfe von bots gleich für ausreichend traffic, um bei den Suchmaschinen schnell oben zu landen.

Die Artikel in allen Social Media Profilen teilen und gegenseitig auch in den Kommentaren anpreisen. Dies profiliert die Meinungsbildung in der Bevölkerung.“

Hierunter folgt einer Liste diverser Profile in den sozialen Medien. Bei jedem sozialen Medium scheint es mehrere Konten zu geben.

In diesem Moment erscheint eine Notiz, dass es eine neue E-Mail gibt. Ich gehe in das E-Mail-Postfach.

Die neueste E-Mail hat den Betreff, „Klassenfeind 10b entlaufen“. Instinktiv lösche ich diese sicherheitshalber. Weitere E-Mails haben folgende Betreffs wie:

„Alles für den Staat, wie du uns diese Woche speziell unterstützen kannst“

„Nach erfolgreichem Wahlergebnis: Ideenwettbewerb ‚Kapitalismus in die Knie‘“

„Die neuesten Artikel, für alle. Alle teilen, jetzt!“

„GegenKa – Unsere Exekutive des Volkes bald mit noch mehr Möglichkeiten“

„Projekt BrainConnect startet jetzt auch an Menschen“

„Neuigkeiten von Partnern aus aller Welt“

„Lang lebe unsere Partei, in der Gemeinschaft stark, ein Rückblick“

Auf einmal höre ich es von der Tür abgehend piepen. Jemand scheint den Raum betreten zu wollen. Die Tür müsste sich nach innen öffnen. Ich laufe schnell hinter die Tür, kurz bevor sie sich öffnet.

Das Licht geht an. Rechts neben mir stehen Stahlstangen eines scheinbar noch nicht aufgebauten Regals an der Wand.

Erst tritt eine, dann eine weitere Person ein.

Die Tür schließt wieder. Ich greife eine stabile und dicke Stange und ziehe zuerst der ersten Person von hinten über den Kopf, dann auch der zweiten Person. Beide gehen sofort zu Boden.

Alles passiert schnell. Die zwei hatten keine Zeit zu reagieren oder zu schreien, waren scheinbar überrascht. Ich schaue mich um. In einem Regal in der Nähe liegt eine Rolle Panzertape. Unmittelbar ergreife ich dieses.

Ich ziehe die beiden Körper in eine versteckte Ecke und fessle sie an Armen, Beinen und Mund.

Was soll ich denn jetzt bloß tun? Wie komme ich hier raus? Soll ich die beiden als Geiseln nehmen? Würde das überhaupt erfolgreich sein? Könnten diese kranken Leute hier nicht auch auf zwei Personen verzichten, wenn es um das Wohl ihrer Partei geht? Ich kann mir vorstellen, dass diese Informationen nicht nach draußen gelangen sollen.

An einem der Computer ist ein Ladekabel angeschlossen, welches zu meinem Mobiltelefon passt. Lang lebe die Vereinheitlichung von Ladekabeln. Ich schließe es an und ermögliche eine Datenverbindung. Unmittelbar kopiere ich so viele Dokumente wie möglich herüber. Darunter sind Textdokumente, Tabellenkalkulation, Fotos und gespeicherte E-Mails.

Noch immer scheinen die beiden bewusstlos zu sein. Jemand klopft an der Tür. Ich ziehe sofort das Ladekabel ab und verstaue Kabel und Telefon in meiner Jacke, aber was jetzt? Wohin jetzt?

Von draußen höre ich eine Frau rufen, „wie ist der Code für den Presse-Raum? Max und Günther öffnen nicht. Ich sollte ihnen Kaffee bringen.“

„Einen Moment,“ antwortet eine andere weibliche Stimme.

Sofort begebe ich mich wieder zum Wäscheschacht. Vorsichtig betrete ich ihn und greife oben wieder nach einem Halt. Nach kurzer Zeit finde ich wie vorher im oberen Stockwerk wieder einen Halt und ziehe mich hoch.

Durch die übertapezierten Ritze der Klappenöffnung höre ich ein piepen. Jetzt muss ich mich wieder ruhig verhalten.

„Danke und bis später“ höre ich jemanden sagen. Die Tür schließt.

„Huch, was ist denn mit der Tapete passiert?“ Kommentiert eine weibliche Stimme fragend.

Meine Hände werden immer feuchter vom Schweiß. Meine Muskeln müssen schon extrem kämpfen, um mich oben zu halten.

Schritte kommen näher. Jemand klopft am Wäscherohr und kommentiert, „huch, was ist denn das, ein Rohr?“

Zumindest scheinen die beiden Körper gut versteckt zu sein. Die Assistentin, Praktikantin oder was für eine Rolle sie auch immer spielt, hat die beiden scheinbar noch nicht entdeckt.

Licht strömt ins Rohr, die Klappe ist offen. Ein Kopf regt sich in den Schacht.

Meine Finger rutschen ab, ich falle, treffe den Kopf zunächst noch, bevor es im freien Fall hinuntergeht. Ich habe sie hoffentlich nicht schwer verletzt. Bewusstlos sollte sie aber schon sein.

Ich falle für einige Sekunden, versuche, mich mit den Händen abzubremsen, hilft aber nicht viel, als sich der Schacht zur Seite neigt und ich etwas bremsend weiter hinunterrutsche. Ich lande in einem Haufen voller stinkender Wäsche, der mich zum Glück sanft bremst.

In diesen neuen Raum gelangt Licht lediglich durch ein mattes Fenster in der Tür. Es riecht hier schon recht abartig. Der Geruch ist schwer zu beschreiben. Es ist ein Gemisch aus vielen verschiedenen Sachen. Vorsichtig krieche ich aus dem Wäschehaufen und schleiche in Richtung Tür, wo ich für einige Minuten lausche. Es ist nichts zu hören. Langsam und vorsichtig öffne ich die Tür nach außen.

Flackernde Neonröhren an der Decke erhellen den Raum. Diese verursachen zudem ein leises, unregelmäßiges Summen.

Wände, Decken und Boden sind aus reinem Sichtbeton. Auf Dekoration wurde hier kein Wert gelegt. Hoffentlich gibt es hier einen sicheren Weg raus. Wenn ich unentdeckt bleibe, dann sicher hier.

Von der Decke tropft es manchmal. Es ist schwer zu sagen, ob es sich um einen Wasserschaden oder um Schwitzwasser handelt. Am Boden gibt es auf jeden Fall mehrere kleine Pfützen.

Ich versuche, im trockenen zu laufen. Nasse Schuhe könnten Spuren hinterlassen.

Im ersten Raum rechts befinden sich technische Anlagen für die Wasser- und Gasversorgung. Auf der gegenüberliegenden Seite scheint sich ein Notstromaggregat zu befinden. Die Beschriftung auf den Geräten ist auf Russisch.

Im weiteren Laufe des Ganges gibt es rechts einen größeren Raum, der scheinbar für An- und Ablieferungen verwendet wird.

Auch dieser Raum wird durch flackernde Neonröhren schwach beleuchtet. Links gibt es ein Tor zur Be- und Entladung von Lastkraftwagen. Auf der anderen Seite stehen ein Haufen Kartons. Auch die Beschriftung auf diesen ist auf Russisch. Einige Kartons sind offen.

Ich nähere mich ihnen und schaue hinein. Dies scheinen Propaganda-Materialien für die Partei zu sein. Es gibt in verschiedenen Kartons Flyer, Zeitschriften und rote Fahnen. In einem Karton gibt es sogar dunkelgraue Masken zum Vermummen von Gesichtern. Auch technische Geräte befinden sich in den Kartons.

Was sind das für Geräte? Sind das Abhörgeräte oder GPS-Empfänger? Werden Parteifeinde ausspioniert? Erfolgt alles in Kooperation mit Russland? Oder bin ich hier sogar in Russland, in einer Außenstelle der Partei? Die Zeitschriften und Flyer sind aber auf Deutsch.

Mit meinem Mobiltelefon nehme ich Fotos von jeder Kiste. Beweise könnten nützlich sein.

Nichtsdestotrotz, ich muss hier raus, aber wie?

Vorsichtig schleiche ich mich zum Tor. Auf der rechten Seite erkenne ich jetzt auch eine separate Tür. Ich begebe mich dort hin und lausche. Durch das Schlüsselloch dringt etwas Licht in den Raum. Ich schaue hindurch.

Hinter dieser Tür ist zunächst eine Rampe, die vom Erdgeschoss hier runterführt. Durch das Loch strömt eine Luft wie nach dem Regen hinein, saubere Luft. Ich hoffe nur, die Luft ist auch rein hinter dieser Tür. Die Tür scheint wirklich nach draußen zu führen, was für ein Glück.

All meinen Mut nehme ich zusammen und öffne die Tür. Sie ist glücklicherweise nicht verschlossen. Was für eine Lücke im Sicherheitssystem.

Ich Verlasse die Laderampe und gehe langsam die Rampe ins Erdgeschoss hoch.

Je näher ich komme, desto klarer erkenne ich, dass das Gebäude an einer Hauptstraße liegt. Relativ viele Autos passieren die Auffahrt.

Ich warte im Schatten des Ganges einige Autos ab, auf eine passende Gelegenheit. Vielleicht gibt es ja einen LKW auf den ich verdeckt aufspringen kann.

Der Regen wird wieder stärker. Vermehrt prallen Tropfen vom Boden ab und spritzen in meine Richtung. Es bildet sich ein kleiner Fluss am Boden die Rampe herunter.

Nach einigen Minuten erkenne ich ein Taxi und halte es an. Das Geld in meiner Hosentasche sollte noch für eine Fahrt ausreichen.

Eilig springe ich ins Taxi und sage, „einmal zum nächsten Bahnhof bitte.“

„Ok,“ bestätigt der Fahrer und aktiviert das Taxameter.

Flucht mit Hindernissen

Der Taxifahrer ist ein älterer, vermutlich türkischstämmiger Herr. Er hat ein Lächeln auf seinen Lippen und scheint gut gelaunt zu sein.

„Sie sind wohl auf der Flucht?“ Fragt er.

Woher weiß der das? Weiß er es? Was sage ich jetzt bloß, ohne mich zu verraten?

„Ja, auf der Flucht vor dem Regen. Der ist momentan schon heftig,“ kommentiere ich und versuche, ein Lächeln auf meine Lippen zu zaubern. Ich hoffe, er hat dies auch als Lächeln wahrgenommen.

Ich schaue durch die Fenster. Wir befinden uns in einer Kleinstadt. Viele Geschäfte und Wohnungen scheinen verlassen zu sein. Die Straßen sind gut erhalten, aber zumeist leer. Die Gebäude hingegen zerfallen teilweise schon.

Auf den Straßen gibt es bald nicht mehr viele Autos. Neben den leicht beschlagenen Fenstern sind zudem meine Augen immer noch etwas schwach. Anhand der Nummernschilder könnte ich sonst ausmachen, wo ich mich befinde.

Die Umgebung wird langsam wieder ländlicher. Ich hoffe, er fährt mich wirklich zum Bahnhof und gehört nicht zu der Partei.

Der Fahrer biegt links ab und fährt auf einige kleinere rote Gebäude mit auch roten Dachziegeln zu. Zwischen den Gebäuden befinden sich drei Betonpfeiler die in der Mitte so etwas wie einen Adler tragen.

Ist dies wirklich ein Bahnhof oder nur ein weiteres Gebäude der Partei und ich komme jetzt in spezielle Haft? Was soll ich bloß machen? Die Angst lähmt mich etwas.

Kurze Zeit später fahren wir in einen Tunnel hinein. Langsam wird es hier echt unheimlich. Wenigstens ist der Tunnel etwas beleuchtet.

Aus dem Tunnel fahren wir wieder ins Licht und biegen Rechts in Richtung der roten Gebäude ab.

Auf der rechten Seite erkenne ich zum Glück auch Schienen. Das beruhigt mich schon etwas, oder werde ich womöglich in Richtung Russland deportiert oder entführt werden?

Vor einem Eingang hält der Fahrer an.

„Das macht acht Euro Vierzig bitte“, nennt er mir den Preis für die Fahrt.

Noch leicht irritiert greife ich in die Tasche und erwische einen zwanzig Euro scheinen.

„Zehn Euro bitte,“ antworte ich, um nicht zu sehr wie auf der Flucht zu wirken, während ich ihm das Geld reiche, „und eine Quittung.“

„Jawohl,“ antwortet der Fahrer, gibt mir das Wechselgeld und stellt die Quittung aus.

„Danke und einen tollen Tag noch,“ verabschiede ich mich.

„Ihnen auch,“ höre ich noch aus dem Hintergrund während ich ins Trockene laufe.

Am Bahnhof angekommen hoffe ich, dass es hier nicht irgendwelche Parteimitglieder gibt, die mich erkennen. Ist es klug, bereits heute mit einem Zug zu verschwinden oder sollte ich womöglich noch etwas warten? Wo bin ich hier überhaupt?

Auf einem Schild im Gebäude erkenne ich, „Frankfurt (Oder)“. Wohin sollte ich von hier denn bloß fliehen?

Ich schaue mich kurz im Gebäude um. Ein Fastfood-Restaurant, ein Café, ein Zeitungsladen, viel mehr gibt es hier nicht.

Vermutlich kennt hier jeder jeden und unbekannte Gesichter fallen sofort auf. Ich sollte mich wirklich noch ein oder zwei Nächte verstecken, untertauchen, bis sich die Lage beruhigt hat. Sofort verlasse ich die Bahnhofshalle wieder.

Auf der rechten Seite erkenne ich einen kleinen Wald. Möglichst unauffällig mache ich mich auf den Weg dorthin.

Ich schlendere in schneller Schrittgeschwindigkeit durch den Regen. Leider habe ich keine Kapuze mit der ich mein Gesicht verstecken könnte.

Im Wald angekommen, fällt mir sofort auf, dass das Gebiet viel zu klein ist. Hier werde ich nicht lange Unterschlupf finden oder doch?

Aus der Ferne erkenne ich ein Baumhaus. Ich stapfe quer durch den Wald dorthin.

Das Häuschen scheint dort schon länger zu stehen. Das Holz des Hauses, sowie der herunterhängenden Leiter sehen bereits grünlich aus, von leichtem Moos bedeckt.

Mit Vorsicht ziehe ich langsam an der Leiter und immer stärker. Sie scheint mich zu halten. Sofort klettere ich die Leiter hoch. In dem Baumhaus gibt es ein paar Äpfel in einer Schale, Decken, sowie eine Plastikplane. Das Dach ist dicht.

Ich ziehe die Leiter hoch, nehme einen Apfel und beiße genüsslich hinein. Das ist so wohltuend. Die anderen Äpfel lege ich an die Seite und fange mit der Schale Regenwasser auf.

Bereits früh trinke ich die erste Schale aus und lasse es erneut volllaufen.

Jetzt lege ich mich hin, decke mich zu und falle sofort in einen tiefen Schlaf.

Im Schlaf habe ich einen merkwürdigen Traum. Dieses Mal wirkt er viel realer, als wenn ich sonst träume:

Die Sonne scheint unermüdlich auf mich hinunter. Ich bin auf der Straße mit vielen anderen. Ich verstehe nicht, was gerufen wird, dazu ist es zu undeutlich. Viele Leute tragen die Farben rot, gelb und blau in Shirts oder Mützen.

An den Seiten der Straße stehen Wachleute, schwer bewaffnet und mit großen Schutzschildern.